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A1048 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 15½½½½12. April 2002
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Der Hannoveraner Herz- chirurg Dr. Axel Have- rich hat längere Arbeits- zeiten für Ärzte gefor- dert. Ein guter Arzt ar- beitete mehr als 48 Stun- den die Woche. Im DÄ- Intern-Forum meint ein Arzt zu dem überraschen- den Vorstoß:
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Ein guter Arzt ist für seine Patienten ein gutes Beispiel und redet nicht nur von gesunder Lebensführung, sondern praktiziert selbige auch.Was Sie angeht, so sollten Sie einmal mit Ihren Pati- enten reden und sie fra- gen, wann sie denn von Ihnen operiert werden möchten – so zwischen ihrer sechzigsten und siebzigsten Wochenar- beitsstunde oder ob Ihre Patienten nicht lieber un- ter Ihrem Messer liegen, nachdem Sie ausgeschla- fen haben und vielleicht ein Wochenende in der Natur verbrachten.
Durch Ihre Aussagen zeigen Sie nur eines: Sie mögen ein guter Chirurg sein, aber von der Essenz eines guten Arztes haben Sie keine Ahnung.
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er Fall: Nach 32-jähriger Tätigkeit kündigt der Träger eines psychiatri- schen Krankenhauses das Arbeitsverhältnis mit einem 58 Jahre alten Krankenpfle- gerhelfer fristlos, da dieser einen Bewohner in Gegen- wart einer Besuchergruppe ohrfeigte. Das angerufene Arbeitsgericht hält die frist- lose Kündigung für unwirk- sam. Im Hinblick auf das Le- bensalter des Krankenpfle- gerhelfers und seine lange Betriebszugehörigkeit sei ei- ne Abmahnung ausreichend.Auf die Berufung des Kran- kenhausträgers stellt das Lan- desarbeitsgericht Schleswig- Holstein die Rechtswirksam- keit der fristlosen Kündigung fest.
Aus dem das Kündigungs- schutzrecht prägenden Ulti- ma-ratio-Prinzip folgt, dass vor Ausspruch einer Kündi- gung aus Gründen, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, grundsätzlich eine ein- schlägige Abmahnung als milderes Mittel ausgespro-
chen werden muss. Die Ab- mahnung bildet in diesem Bereich die Vorstufe zu einer Kündigung. Im Einzelfall ist jedoch stets zu prüfen, ob die Abmahnung tatsächlich er- forderlich ist. Bei Verletzun- gen im Vertrauensbereich ist eine Abmahnung bei beson- ders schwerwiegenden Ver- stößen, deren Rechtswidrig- keit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen offensichtlich aus- geschlossen ist, dass sie der Arbeitgeber hinnimmt, ent- behrlich. In diesen Fällen kann eine Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden.
Der Krankenpflegerhelfer hat nach Auffassung des Lan- desarbeitsgerichts Schleswig- Holstein durch sein Verhal- ten seine Hauptpflichten in schwerwiegender Weise ver- letzt und damit das Vertrauen für die Fortführung des Ar- beitsverhältnisses zerstört.
Dies beruhe darauf, dass psy- chisch erkrankte Menschen
besonderer Fürsorge sowie Zuwendung bedürfen und sie sich nicht gegen Übergriffe wehren können. Dem müsse jeder, der mit der Betreuung solcher Personen betraut ist, durch sein Verhalten Rech- nung tragen. Daher könne der Krankenhausträger nicht mehr darauf vertrauen, dass der Krankenpflegerhelfer diese Pflichten zukünftig ord- nungsgemäß erfüllt.
Den Interessen des Kran- kenhausträgers an der Kündi- gung sei auch gegenüber den sozialen Belangen des Kran- kenpflegerhelfers der Vor- rang zu gewähren. Der Kran- kenhausträger könne ein sol- ches Verhalten weder im In- teresse seiner Patienten noch im unternehmerischen Inter- esse dulden. Eine „Abmah- nung nach Ohrfeige“ ist da- her auf Grundlage der zutref- fenden Argumentation des Landesarbeitsgerichts Schles- wig-Holstein nicht erforder- lich und die Kündigung wirk-
sam. André Ueckert
CBH Rechtsanwälte, Köln
Psychiatrisches Krankenhaus
Pfleger ohrfeigt Patient:
Kündigung rechtens
Arbeitsrecht
V A R I A