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Archiv "Alaska: Überraschungen im Permafrost" (10.05.2002)

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Academic year: 2022

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K

eine zehn Kilometer ist die Packeisgrenze von der Küste entfernt. Vor Vergnügen kreischend aber toben Kinder im für uns Eu- ropäer eiskalten Wasser der heranrollenden Wogen der Tschuktschensee herum. Fast kollidieren sie mit einer schweren, vierrädrigen Hon- da, auf der ein Eskimo den schwarzen Strand entlang- braust, auf dem Gepäckträ- ger ein Karibu, das er draußen in der Tundra erlegt hat – ein Freudenfest für die Familie, denn Wal- und Kari- bufleisch sind kostbare Spei- sen in Barrow, dem nördlich- sten Ort des amerikanischen Kontinents. Nur während der drei eisfreien Monate Juli bis September können von Seat- tle Versorgungsschiffe kom- men mit allem Sperrigen, was man braucht, wie Bauholz, Dämmmaterial, Fertigteile, Autos und Hondas.

Die übrigen Monate im Jahr kann Bar- row, die größte Es- kimosiedlung Alas- kas, nur per Flug- zeug erreicht wer- den. Straßen durch die Tundra gibt es nicht und in Barrow

selbst nicht einmal Asphalt- straßen – wegen des Per- mafrostes, der den Boden im Sommer nur bis höchstens 15 Zentimeter auftauen lässt.

Überaus herzlich und gast- freundlich sind die Inupiat- Eskimos. Spontan werde ich von Sandra, der Schatzmei- sterin der Arctic Slope Re- gional Corporation, für den Abend in ihr Haus eingela- den, um Köstlichkeiten wie Muktuk zu probieren, gefro- rene Walhaut mit Blubber, dem vitaminreichen Speck.

Er wird in hauchdünne Scheibchen geschnitten, mit Salz bestreut und zergeht mit einem nussartigen Geschmack auf der Zunge. Dazu gibt es Saft. Denn Alkohol ist in Bar- row strikt verboten.

Die sieben Orte der Inu- piat-Eskimos in Alaska ha- ben sich zu der Corporation zusammengeschlossen, um sich selbst zu verwalten. Trotzdem werden ihnen von Washing-

ton die Daumenschrauben angesetzt. Ihre für Landwirt- schaft oder Viehzucht nicht nutzbare, aber an Ölvorkom- men reiche, riesige Region wurde zum Naturschutzge- biet erklärt. Also dürfen sie die Ölvorkommen nicht aus- beuten – damit das flüssige Gold in der benachbarten Prudhoe Bay, das die USA für sich beansprucht, konkur- renzlos fließen kann.

Vom Zimmer des „Top of the World Hotels“ beobachte ich nachts vorüberziehende Wale, denn im August gibt es nur zwei Stunden Dämmerung.

Tagsüber erkunde ich den Ort mit den auf Stelzen ge- bauten Holzhäusern. Die tief in den Permafrost gerammten Grundpfeiler würden sonst wanken, weil die Hauswärme den Permafrostboden auftaut.

Vor einigen Häusern trock- nen Eisbären- und Robben- felle, in Streifen geschnittenes Robbenfleisch und Vögel.

Die riesigen Kieferkno- chen eines Wals liegen vor dem Arktisforschungszen- trum. Eine Frühwarnstation beschäftigt viele Amerikaner.

Kurz darauf ist die Welt zu Ende. „Roads End“ steht auf

einem Schild. An der geboge- nen Landzunge treffen sich Tschuktschen- und Beaufort- see. Endlose Wollgraswiesen wiegen sich im Wind – trotz der geringen eisfreien Boden- tiefe.

Vor dem Flug nach Kotze- bue am Beringmeer erlebe ich noch anmutige Tänze junger Mädchen in ihren typischen Parkas und Mutluks, den war- men Stiefeln aus Seehundfell.

Faszinierend ist der Flug über die mit großen Wasserlachen bedeckte Tundra. Wegen des permanent gefrorenen Bodens kann das Schmelzwasser nicht versickern. Noch um Mitter-

nacht toben die Kinder auf ei- nem riesigen Walwirbel her- um, der am Strand liegt. Müh- sam ernähren sich auch hier die Menschen vom Fischen im Sommer, hoffen auf Wale und Seehunde und auf Kari- bus im Winter.

Merkwürdige, wie mit Tel- lern bestückte Stangen umge- ben das Hotel, dessen Boden nur gering über dem Erdreich liegt. Mir wird erklärt, dass ei- ne darin ständig zirkulierende Kühlflüssigkeit dafür sorgt, dass das Erdreich nicht auf- taut. Ich schließe mich einer Tagestour mit Richard Bene-

ville an, dem Guide in Nome.

Er fährt uns hinaus in die Tundra. Bunte Blumen leuch- ten aus dem dicken Gras:

Veilchen, Löwenmäulchen, Anemonen, Mönchshut und sogar der seltene weiße Enzi- an. Strahlend blau ist der Himmel bei mindestens 15 °C.

Kein Bett ist so weich und duftend wie die Tundrawie- sen, in die wir uns genüsslich fallen lassen. Die deutsche Ornithologin und Biologin Heidrun Oberg weiht uns ein in die besonderen Überle- bensstrategien, die Pflanzen entwickeln, um selbst im här- testen Permafrostgebiet blü- hen zu können; in das Brut- verhalten und die Lebenswei- se der vielen Vogelarten, die wir auf Inseln in großen Kolo- nien finden; in das Leben der Wale, die unser Schiff „World Discoverer“ umspielen, und in das der einst fast ausge- rotteten Pelzrobben, die wir später auf der Pribiloff-Insel St. Paul mit ihren Jungen be- obachten können. Zunächst aber werden wir in der Be- ringstraße auf die Insel Little Diomed ausgebootet und herzlich empfangen von den Eskimobewohnern. In Point Hope faszinieren der mit ei- nem Zaun aus Walknochen umgebene Friedhof und die früheren Erdwohnungen, Ya- rangen genannt, deren Kon- struktionsmaterial auch Wal- knochen und -wirbel sind.

Auf den Spuren von Vitus Bering kehren wir zurück über die Alëuten, landen an einsamen, unbewohnten In- seln, deren Pflanzen- und Vo- gelwelt wir erkunden und wo wir sogar versteinertes Holz finden. Renate V. Scheiper V A R I A

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 1910. Mai 2002 AA1319

Alaska

Überraschungen im Permafrost

Eine Kreufahrt an Bord der „World Discoverer“

Tschuktschensee: Walrosskolonie; Foto links oben: Alaska/Little Diomed:

Besuch bei den Eskimos Fotos: Renate V. Scheiper

Reise

Reise-Tipps

Flüge:Condor fliegt die einzige Non-Stop-Verbindung ab allen deutschen Flughäfen via Frank- furt/Main nach Anchorage.

Auskünfte: Fremdenverkehrs- amt von Alaska, Friedberger Landstraße 96, 60316 Frank- furt/Main, Telefon: 0 69/43 83 11, Fax: 43 83 88.

Kreuzfahrtveranstalter: Society Expeditions, Marcusallee 9, 28359 Bremen, Telefon: 0421/

2 38 03 60, Fax: 2 38 03 33.

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