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Archiv "Andrea Fischer: Engagiert und glücklos" (19.01.2001)

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dass jetzt nur unbelastete Personen po- sitive Wirkungen im Verbraucherschutz erzielen könnten. Ihre Position sei durch die Ereignisse der jüngsten Vergangen- heit zu sehr geschwächt. „Beim Umgang mit der BSE-Krise sind auch von mir in den letzten Wochen mit Sicherheit Feh- ler gemacht worden“, räumte Fischer ein. Allerdings betonte sie, dass sie diese nicht für schwerwiegend genug für einen Rücktritt halte. Es sei bizarr, dass gerade eine grüne Politikerin, deren Partei sich seit eh und je für den Verbraucherschutz engagiere, den Kopf hinhalten müsse.

„Dennoch habe ich mich zu diesem Schritt entschlossen, weil es zu meinem politischen Selbstverständnis gehört, dass jeder für seine Versäumnisse die Verantwortung übernehmen soll.“

Andrea Fischer wirkte bei ihrer Ab- schieds-Pressekonferenz als Bundesge- sundheitsministerin resolut, aber auch gleichzeitig starr und verbittert. Da war nichts zu spüren von der unsicheren Po- litikerin, die kurz nach ihrem Amtsan- tritt vor zwei Jahren den aufgebrachten ostdeutschen Kassenärzten mit beben- der Stimme Rede und Antwort stand.

Keine Träne war jetzt bei ihr zu sehen.

Auf die Frage, wie sie sich persönlich fühle, antwortete sie nur kurz: „Spielt das eine Rolle?“ Wiederholt betonte Fischer, dass sie sich nicht als Opfer fühle und der Rücktritt ausschließlich ihre eigene Ent- scheidung gewesen sei. Aller- dings hätte sie gern die begon- nene Arbeit weitergeführt und das Gesundheitswesen aus sei- ner Starrheit gelöst.

Diese Aufgabe wurde jetzt Ulla Schmidt übertragen. Die bisherige stellvertretende Frakti- onsvorsitzende der SPD für die Bereiche Arbeit und Soziales, Frauen, Familie und Senioren soll, so Schröder, die Gesundheitspolitik verstärkt an den Belangen der Patienten und Versicher- ten orientieren. Er bescheinigte ihr die dazu notwendigen Eigenschaften: Dia- logfähigkeit, Beharrlichkeit und Durch- setzungsvermögen. Die einstige Lehre- rin für Lernbehinderte ist seit 1983 Mit- glied der SPD, seit 1990 gehört sie dem Deutschen Bundestag an, und seit 1991 ist sie Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der SPD-Bundestagsfrak- tion. Schmidt ist ausgewiesene Renten-

expertin, gemeinsam mit Bundesar- beitsminister Walter Riester, SPD, hat sie weite Teile der Rentenreform erar- beitet. Mit Gesundheitspolitik hat sie sich bisher wenig befasst, sie besitzt je- doch den Ruf, sich schnell in neue The- men einarbeiten zu können.

Die Ärzteschaft wünsche der neuen Bundesgesundheitsministerin das not- wendige Quäntchen Fortune, das sie bei den großen Herausforderungen brauchen werde, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe, nachdem die Ent- scheidung für die neue Ministerin be- kannt wurde. Die Bundesärztekammer

werde weiterhin gesprächs- und koope- rationsbereit sein und auch an dem Vor- schlag eines runden Tisches festhalten.

Hoppe hofft auf eine offene Diskussion des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung, eine Beendigung der starren Budgetierung und eine stär- kere Eigenverantwortung der Versicher- ten. Auch die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) setzt auf Kommuni- kation. Ihr Vorsitzender, Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm, erwartet je- doch keinen grundlegenden Wandel:

„Die bisherigen Marksteine werden bleiben und somit auch die Forderungen der Kassenärzte.“ Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

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A74 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 3½½½½19. Januar 2001

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m 27. Oktober 1998 leistete An- drea Fischer den Amtseid. Am 9. Januar 2001 erklärte die er- ste grüne Bundesgesundheitsministe- rin ihren Rücktritt. Diese beiden Da- ten markieren Anfang und Ende ei- ner gesundheitspolitisch ambitionier-

ten Ära, deren hoch gesteckte Ziele nicht erreicht wurden.

Die jüngste Ministerin im Kabinett von Gerhard Schröder ist nicht über die eigentliche Gesundheitspolitik ge- stolpert. Aber auf diesem zentralen Feld ihres Ressorts waren die Fronten schließlich derart verhärtet, dass eine allgemein akzeptierte Weiterentwick- lung des Gesundheitswesens kaum mehr zu erwarten war.

Bei ihrem Amtsantritt hatte An- drea Fischer wiederholt Dialogbereit-

schaft erklärt. Tatsächlich paukte die grüne Ministerin ohne Not bereits in den ersten zwei Monaten das GKV- Solidaritätsstärkungsgesetz durch. Sie behielt damit die Budgetierung, die Horst Seehofer hatte auflockern wol- len, nicht nur bei, sondern zog die Zü- gel noch stärker an. Ärzte und An- gehörige weiterer Gesundheitsberufe reagierten mit bundesweiten Prote- sten, die in der Folgezeit an Schärfe zunahmen.

Die Gesundheitsreform 2000 brach- te weder den erhofften großen Wurf noch eine Entspannung im Dauerstreit mit den Leistungserbringern, insbe- sondere den Kassenärzten. Zwar bot die Reform neue Ansätze – etwa die Einführung eines fallbezogenen Entgeltsystems in den Krankenhäu- sern oder die Integrationsversorgung.

Doch Fischers Credo von der fortge- setzten Budgetierung ließ alles andere in den Hintergrund rücken. Die unaus- weichliche Folge: die schleichende Ra- tionierung medizinischer Leistungen.

Andrea Fischer hinterlässt das Ge- sundheitswesen keineswegs als Trüm- merfeld. Die GKV-Finanzen sind (noch) relativ gesund. Der Stillstand in der Gesundheitspolitik verlangt je- doch nach neuen Impulsen. Josef Maus

Andrea Fischer

Engagiert und glücklos

Budgetierung überschattete die zweijährige Amtszeit.

Foto: ddp

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