• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Das Tumorsuppressorprotein p53" (01.04.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Das Tumorsuppressorprotein p53" (01.04.1994)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Das Tumorsuppressorprotein p53

V

iele Untersuchungen der letz- ten Jahre zeigen, daß das Tu- morsuppressorgen, das für das Protein p53 codiert, in der Entstehung von Tumoren eine zen- trale Bedeutung hat. In über 50 Pro- zent der bisher untersuchten Mali- gnome wurde die Inaktivierung von p53 nachgewiesen (4, 15) (Tabelle 1).

Neben chromosomalen Deletionen oder Stopcodonmutationen, die zum Verlust der p53-Expression führen, werden in Tumoren p53-Gene gefun- den, die für verkürzte Proteine oder Proteine mit Punktmutationen codie- ren. Tatsächlich sind missense- Punktmutationen die bei weitem häufigsten Mutationen im p53-Gen.

Diese Art von Mutation, die zu ei- nem singulären Aminosäureaus- tausch in einem in der Größe unver- änderten Protein führt, verändert die Konformation und andere biologi- schen Eigenschaften von p53. P 53- Mutationen werden in fast allen menschlichen Malignomen gefun- den.

Darüber hinaus kann das Prote- in durch Bildung von Komplexen mit viralen oder zellulären Proteinen funktionell inaktiviert werden. Die Inaktivierung von p53 kann ein frü- her oder auch ein später Schritt in der Entwicklung zum Malignom sein.

Bei einigen Malignomen gibt es Hin- weise, daß die Inaktivierung von p53 mit einem aggressiveren Wachstums- verhalten des Tumors korreliert (34,

17, 47, 29).

P 53 ist ein Protein mit ganz un- terschiedlichen biochemischen Ei- genschaften, das vielfältige Aufgaben im Zellstoffwechsel hat. Nach wie vor sind viele Fragen ungeklärt, so daß es bisher auch nicht möglich ist, alle bis- her bekannten biochemischen und funktionellen Eigenschaften von p53 in Einklang zu bringen.

Abteilung Tumorvirologie (Leiter: Prof. Dr.

rer. nat. Wolfgang Deppen) am Heinrich- Pelle- Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg

C h ristof Bu rka rt

Die ubiquitäre Verbreitung und hohe Frequenz von p53-Mutationen in hu- manen Malignomen zeigt, daß p53 eines der wichtigsten Tumorsuppres- sorproteine ist dessen Aufgabe in der Aufrechterhaltung und Kontrolle nor- malen Wachstums liegt. Der Verlust dieser Aktivität gibt der einzelnen Zelle einen Wachstumsvorteil und ist ein Schritt in Richtung Krebsentste- hung. Daher wird eine genauere Kenntnis der Funktion von Wildtyp p53 und mutiertem p53 auf moleku- larer Ebene zu einem besseren Ver- ständnis der Tumorentstehung führen und vielleicht auch Wege zur Diagno- stik und Therapie eröffnen.

Biochemische und

biologische Eigenschaften von Wildtyp p53

P 53 wurde erstmals 1979 auf Grund der Eigenschaft beschrieben, daß es mit dem transformierenden Protein des kleinen DNS-Tumorvirus SV 40, dem SV 40-Tumorantigen, Komplexe bildet (25). Das humane p53-Gen wurde auf dem kurzen Arm des Chromosoms 17 lokalisiert. Es kodiert für ein phosphoryliertes Pro- tein mit einem Molekulargewicht von 53 000 und besteht aus 393 Amino- säuren (4). Das p53-Gen wurde bis- her in ganz verschiedenen Vertebra- tenspezies isoliert, die alle eine ver- gleichbare Organisation des Genlo- kus zeigen. Auffallend ist, daß es mehrere Aminosäurebereiche gibt, die im Interspeziesvergleich hoch- konserviert sind (Abbildung 1).

Wildtyp p53 (abgekürzt wt p53) unterscheidet sich sowohl in seinen biologischen als auch in seinen bio- chemischen Eigenschaften von mu-

tiertem p53. Wt p53 ist hauptsächlich im Kern lokalisiert. Auch die meisten seiner bisher bekannten biochemi- schen Funktionen sind mit nukleären Prozessen assoziiert (43). Ein großer Teil der biologischen Eigenschaften des Proteins wird auf die Fähigkeit von wt 53 zurückgeführt, sequenz- spezifisch an doppelsträngige DNS zu binden (20). Wt p53 greift vermut- lich über die DNS-Bindung regulie- rend in die DNS-Replikation, wie auch in die Transkription von Genen ein (12). Darüber hinaus ist wt p53 möglicherweise auch an Reparatur- vorgängen der DNS beteiligt.

Ebenso bedeutsam wie die se- quenzspezifische DNS-Bindung ist die Eigenschaft von wt p53, mit un- terschiedlichen zellulären und vira- len Proteinen zu interagieren (35) (Tabelle 2).

Die Halbwertszeit des Proteins ist mit etwa 5 bis 40 min in nicht transformierten Zellen sehr kurz und die nachweisbare Proteinmenge sehr gering. Mutiertes p53 in transfor- mierten Zellen weist eine deutlich verlängerte Halbwertszeit auf und wird in diesen Zellen in 10- bis 100fa- cher Menge gefunden (7).

Die Erkenntnisse über die bio- chemischen Eigenschaften von wt p53 reichen bisher erst ansatzweise aus, um auf molekularer Ebene die biologischen Funktionen des Prote- ins zu verstehen. Wichtige biologi- sche Eigenschaften von wt p53 sind die Beteiligung an der Regulation der Zellproliferation und der Diffe- renzierung.

Untersuchungen zur Funktion von wt p53 in der Zellproliferation erscheinen zunächst widersprüchlich:

Mikroinjektionsexperimente, bei de- nen in ruhende Zellen monoklonale Antikörper gegen wt p53 injiziert werden, zeigen, daß wt p53 zum Übergang von der Ruhe-(Go, G 1) in die Proliferationsphase (S) des Zell- zyklus benötigt wird (6). Anderer- seits kann wt p53 nach deutlich er- höhter Expression vor allem in Tu-

A-898 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13, 1. April 1994

(2)

40 33

Tabelle 1: Angaben einzelner Untersuchungen zur prozentualen Häufigkeit von p53-Mutationen in menschlichen Tumoren

Bronchialkarzinom (kleinzellig) 66 Bronchialkarzinom (nicht kleinzellig) 52

Mammakarzinom 53 111 (51)

primäres Leberzellkarzinom 32 61 (50)

13 (48)

24 (52)

Ovarialkarzinome 44 66 (53)

Blasenkarzinome Raucher

Nichtraucher

Ösophaguskarzinom 47 32 (55)

Knochen- und Weichteilsarkome 33 127 (47)

Magenkarzinom 64

Malignom prozentuale

Häufigkeit

Zahl der untersuchten Tumoren (Lit.)

9 (43) 115 (49)

von Kopf bis Hals

Plattenepithelkarzinome 77

Kolonkarzinom >75 20 (56)

40 (54) 40 (54)

N

I

IV

175 248 273

100 200 300

Transaktivierung sequenzspezifische

DNA-Bindung MEDIZIN

Abbildung 1: Schematisches Diagramm der Struk- tur des p53-Moleküls: Die fünf hochkonservierten Aminosäureregionen im Interspeziesvergleich sind mit I—V gekennzeichnet. Die drei häufig auftre- tenden Mutationen sind oberhalb, die Regionen für die Transaktivierung und die sequenzspezifi- sche DNA-Bindung unterhalb des Moleküls einge- zeichnet.

morzellen einen Wachstumsstillstand in der G 1-Phase des Zellzyklus aus- lösen.

Ein Erklärungsmodell für die unterschiedlichen Wirkungen von wt p53 im Zellzyklus ist die Konformati- onshypothese: Dieses Modell geht davon aus, daß wt p53 in Abhängig- keit von den gegebenen Bedingungen und der Zellart eine wachstumshem- mende oder eine wachstumsstimulie- rende Konformation annehmen kann (50). Möglicherweise wird die Kon- formation von wt p53 vom Phospho- rylierungsmuster des Moleküls mit- bestimmt.

Wt p53 ist zumindest unter be- stimmten Bedingungen auch an der Regulation der Differenzierung be-

AKTUELL

teiligt: Die stabile Integration eines wt p53-Gens in eine t.-...asformierte prä-B-Zellinie, die kein p53 produ- ziert, führt zur partiellen Differen- zierung dieser Zellen (41). Auch während der Reifung normaler hä- matopoetischer Zellen wird eine er- höhte zelluläre wt p53-Konzentration gefunden.

Die Interpretation der Bedeu- tung von wt p53 in der Zellprolifera- tion und Differenzierung wird durch Untersuchungen an Mäusen, die we- der wt p53-mRNA noch -Protein bil-

den, sogenannten p53-Nullmäusen, noch schwieriger.

Erstaunlicherweise überleben diese Mäuse und entwickeln sich auch ohne wt p53 zunächst normal.

In Langzeituntersuchungen haben je- doch bereits im Alter von sechs Mo- naten 74 Prozent der p53-Nullmäuse Tumore gebildet. Nach 10 Monaten haben alle überlebenden Mäuse Tu- more entwickelt. Das Spektrum der nachgewiesenen Malignome ist weit, wobei maligne Lymphome überwie- gen. Auch Mäuse, die nur ein intak- tes wt p53-Allel haben, entwickeln, wenn auch nicht so bald und so häu- fig, Tumore (8).

Die Untersuchungen an p53- Nullmäusen lassen die Schlußfolge- rung zu, daß wt p53 für eine normale Zellteilung, Differenzierung und Embryonalentwicklung nicht unbe- dingt erforderlich ist. Möglicherweise kann eine Zelle diese wichtigen Fä- higkeiten auf parallelen Wegen regu- lieren, so daß der Ausfall eines einzi- gen Proteins nicht zum unmittelba- ren Zelltod führt.

Biochemische und

biologische Eigenschaften von mutiertem p53

Mutiertes p53 unterscheidet sich erheblich in seinen biochemischen und infolgedessen auch biologischen Eigenschaften von wt p53 (Tabelle 3).

Der auffälligste Unterschied, der auch für diagnostische Untersuchun- gen relevant ist, besteht darin, daß viele p53-Mutanten eine veränderte Konformation besitzen, die durch konformationsspezifische, monoklo- nale Antikörper erkannt werden kann. Wahrscheinlich als Folge die- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13, 1. April 1994 (35) A-899

(3)

Tabelle 2: Proteine mit denen p53 interagiert (46) Zelluläre Proteine

CBF Faktor, der an die DNA-Sequenz „CCAAT" bindet.

E6-AP vermittelt die Interaktion zwischen F6 HPV und p53 HSP70 Hitzeschockprotein 70

MDM2 zelluläres Onkoprotein RPA Replikationsprotein A SPI Transkriptionsfaktor

TBP Faktor der an die DNA-Sequenz „TATA" bindet WT1 Wilmstumor Genprodukt

Virale Proteine

Ad5 E1B Protein E1B des Adenovirus Typ 5 EBNA-5 Epstein-Barr-Virus Kernantigen 5

HPV16/18 E6 Protein E6 der humanen Papillomaviren 16/18 SV40 T-Ag Tumorantigen von SV40

DNA-Schädigung einer Zelle durch Bestrahlung, chem. Agentien etc.

- — p53-Genmlitationen

oder Deletionen:

Komplexhildung mit MDM2 oder viralen Proteinen

4

keine DNA-Reparatur

M utag en ese- wahrscheinlichkeit

erhöht

erhöhte Wahrschein- lichkeit zum malignen Wachstum

ii-Itahiiität des Genoms

Anstieg der wt p53- Proteinmenge

Zellzyklusarrest;

p53-spezifische Gentranskription

DNA-Reparatur oder Apoptose

1

Genomstabilität

ses Konformationswechsels unter- scheiden sich wt- und Mutanten-p53 in ihrer Wechselwirkung mit viralen und zellulären Proteinen. Mutiertem p53 fehlt außerdem in der Regel die Fähigkeit zur sequenzspezifischen DNS-Bindung und zur Transaktivie- rung von Genen (18, 19, 20). Im Ge- gensatz zu wt p53, das hauptsächlich im Kern vorkommt, gibt es p53-Mu- tanten, die weitgehend oder aus- schließlich im Zytoplasma lokalisiert sind. Es wird spekuliert, daß diese Mutanten nicht mehr an den Ort ih- rer Wirkung gelangen und dadurch funktionell inaktiv sind. Viele For- schungsgruppen waren bisher der Ansicht, daß mutiertes p53 keine ei- genständige biologische Aktivität hat, sondern die Bedeutung der Mu- tation nur in dem Verlust der wt- Funktion liegt (< loss of function >).

Für dieses Modell sprachen Untersu- chungen, die zeigten, daß mutiertes p53 im Gegensatz zu wt p53 keine Zellzykluskontrolle mehr ausüben kann (21, 51). Untersuchungen deu- ten jedoch auf eine eigenständige Mutanten-p53-Funktion, zumindest einiger Mutanten (< gain of function

>) hin: Verschiedene p53-Mutanten können zusammen mit dem Onkogen ras Rattenembryofibrohlasten im- mortalisieren (37). P 53-Mntanten können die maligne Progression be- stimmter Zellen stimulieren (45) und die Metastasierungshäufigkeit zum Beispiel von Blasenkarzinomen in Mäusen fördern (36). Manche p 53- Mutanten haben demnach eine ei-

Abbildung 2. Modell der Wirkung von p53 zur Stnbilisierung des Gennms

genständige biologische Wirkung, die einem Onkogen vergleichbar ist und die Fntwicklung zu einem Malignom beschleunigen kann. Da p53-Mutan- ten in ihren biochemischen und bio- logischen Figenschaften heterogen sind, muß zum Verständnis der Tu- morentstehung jede Mutante in ihren besonderen Eigenschaften charakte- risiert werden.

Die Aufgabe von wt p53 in der Erhaltung

der Genomstabilität Die bedeutendste biologische Eigenschaft von wt p53 ist seine Wir- kung als Tumorsuppressorprotein.

Wt p53 kann die maligne Transfor- mation von Zellen durch bestimmte virale und zelluläre Onkogene hem- men (9, 10). Mutiertes p53 ist dazu nicht in der Lage, sondern fördert die Transformation, wobei die Effizienz dieser Transformation mutantenspe- zifisch ist. Darüber hinaus hat wt p53 nach Expression in einigen wt p53- negativen Tumorzellinien einen anti- proliferativen Effekt auf das Zell- wachstum (2, 30). Die Bedeutung von wt p53 als Tumorsuppressorprotein kommt dadurch zum Ausdruck, daß das Protein in vielen Malignomen und Tumorzellinien inaktiviert ist.

Zur Erklärung der tumorsup- pressiven Wirkung von wt p53 war folgende Beobachtung von großer Bedeutung: Zellen, die durch ionisie- rende Strahlung oder andere DNS- schädigende Agenzien wie Mitomy-

A-900 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13. 1. April 1994

(4)

Halbwertszeit etwa 20 min >3h Tabelle 3: Vergleichende Darstellung der biochemischen Eigenschaften von Wildtyp-p53 und Mutanten-p53

Eigenschaft Wildtyp-p53 p53-Mutanten

sequenzspezifische DNA-Bindung unspezifische DNA-Bindung Transaktivierung

Bindung an das zelluläre Hitzeschockprotein Bindung an das Tumor- antigen von SV40

— / +

MEDIZIN

cin C oder Etoposid beeinträchtigt werden, reagieren mit einem Anstieg des wt p53-Spiegels und einem Zell- zyklusstillstand in der G 1-Phase. Bis zur Reparatur des Schadens wird die DNS nicht repliziert. Die Weitergabe möglicher Mutationen an die Toch- terzelle wird so verhindert (23).

Untersuchungen an Patienten mit der hereditären Erkrankung Ata- xia teleangiectatica bestätigten diese Beobachtung. Diese Menschen ha- ben eine größere Disposition zu Kar- zinomen. Ihre Zellen reagieren viel sensibler auf DNS-schädigende Agenzien und sind nicht in der Lage, auf eine entsprechende DNS-Schädi- gung mit einer metabolischen Stabili- sierung von wt p53 und einem Zellzy- klusarrest zu reagieren. Die geschä- digte DNS wird infolgedessen ohne Reparatur in der Synthesephase re- pliziert und Mutationen auf Tochter- zellen übertragen (23, 18).

Wt p53 hat noch eine weitere Möglichkeit, tumorsuppressiv zu wir- ken. So reagieren unreife Lymphozy- ten nach strahleninduzierter DNS- Schädigung und nachfolgendem wt p53-Anstieg nicht mit Zellzyklusar- rest und DNS-Reparatur, sondern initiieren ein genetisches Programm, das zum sogenannten programmier- ten Zelltod (Apoptose) führt (28).

Auch nach Wiedereinführung von wt p53 in Tumorzellinien, die mutier- tes p53 exprimieren, wird Apo- ptose ausgelöst. Dies konnte unter anderem in einer Leukämiezellinie gezeigt werden (57).

Das derzeitige Modell von wt p53 sieht die Hauptaufgabe des Pro- teins darin, die Integrität des Ge- noms zu sichern. Über bisher unbe- kannte Wege kommt es nach DNS- Schädigung zum Anstieg des intrazel- luären wt p53-Spiegels. Der Zellzy- klus wird daraufhin am Übergang von der G 1- in die S-Phase gestoppt, und der Zelle so ermöglicht, den DNS-Schaden vor der Replikation zu beheben.

Ist der Schaden irreparabel, so kann wt p53 zumindest in man- chen Zellen ein Programm starten, das zum Zelltod (Apoptose) führt, um damit die Weitergabe von Mu- tationen zu verhindern. In der inter- nationalen Literatur hat sich daher als griffige Bezeichnung für wt p53

AKTUELL

„guardian of the genome" etabliert (Abbildung 2).

Als Folge der mangelnden Zell- zykluskontrolle in Zellen, in denen wt p53 nicht mehr funktionell aktiv ist, können Mutationen auftreten.

Experimentell ließen sich in solchen Zellen Genamplifikationen nachwei- sen (56, 27). Eine Instabilität des Ge- noms mit der Entwicklung von Aneu- ploidie wird bei der Mehrzahl huma- ner Tumore gefunden und ist oft mit einer schlechten Prognose assoziiert (40). Sie kann auch dazu beitragen, daß Subklone mit aggressiverem Wachstumspotential oder Chemo- therapieresistenz entstehen (14).

Inaktivierung von wt p53 durch Komplexbildung mit viralen und zellulären Proteinen

Wt p53 kann außer durch Muta- tionen auch durch Komplexbildung mit viralen Proteinen und dem zellu- lären Protein MDM2 inaktiviert wer- den. MDM2 ist ein zelluläres 95kDa- Protein, dessen Gen beim Men- schen in der Chromosomenregion 12q13-14 lokalisiert ist. Das Protein läßt sich hauptsächlich im Zellkern nachweisen und hat Sequenzähnlich- keit mit einem Transkriptionsfaktor.

MDM2 zeichnet sich dadurch aus, daß es sowohl mit wt- als auch mu- tiertem p53 Komplexe bildet und über Bindung an die Transaktivie-

rungsdomäne p53 inaktiviert (33). Es wird vermutet, daß sich beide Prote- ine gegenseitig in ihrer Expressions- rate regulieren (55).

Inzwischen wurden bei einer Reihe von Malignomen MDM2-Gen- amplifikationen entdeckt. In diesen Tumoren liegt ein deutlich erhöhter MDM2-Spiegel vor, so daß über Komplexbildung die tumorsuppressi- ve Wirkung von wt p53 ausgeschaltet ist. Zu diesen Malignomen, in denen p53 nicht mutiert ist, zählen Weich- teilsarkome, Osteosarkome und Glioblastome.

Die MDM2-Genamplifikation ist bei Sarkomen häufig mit der Tu-

morprogression und der Metastasie- rung korreliert (24). Deshalb kann MDM2 auch mit zu den Onkogenen gezählt werden.

Wt p53 wird auch durch Kom- plexbildung mit verschiedenen vira- len Proteinen inaktiviert: Wt p53 bil- det Komplexe mit dem T-Antigen von SV 40, dem E1b-Protein der Adenoviren Typ 5 und dem E6-Pro- tein der humanen Papillomaviren (HPV-16, HPV-18). Das SV 40 T-Ag und das Adenovirus E1B-Protein blockieren über Komplexbildung die transaktivierende Funktion von wt p53. Humanes E6-Protein der Papil- lomaviren induziert den schnellen Abbau von wt p53 über den Ubiquitin abhängigen Weg (52). Bei Zervixkar- zinomen werden daher zwei Wege der wt p53-Inaktivierung beobachtet:

A-902 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13, 1. April 1994

(5)

Patientinnen, deren Zervixkarzino- me wt p53 exprimieren, sind häufig mit HPV infiziert. Der wt p53 Spiegel in diesen Karzinomzellen ist deutlich reduziert, da wt p53 über den Ubiqui- tin abhängigen Weg schnell abgebaut und so inaktiviert wird. Metastasie- rende HPV-positive Zervixkarzino- me exprimieren überraschenderwei- se häufig mutiertes p53. Es wird ver- mutet, daß die Mutation im p53-Gen durch Generierung eines dominant- onkogenen Mutanten p53 einen zu- sätzlichen Wachstumsvorteil erzeugt (18). Die Bedeutung von p53 in der Entstehung von Zervixkarzinomen wird dadurch unterstrichen, daß ein großer Teil der HPV-negativen Zer- vixkarzinome vermehrt mutiertes p53 exprimieren (88). Die Wechselwir- kungen der viralen Proteine mit wt p53 haben gemeinsam, daß sie ent- weder über die Komplexbildung an sich oder durch Induktion des be- schleunigten Abbaus von wt p53 des- sen tumorsuppressive Wirkung inak- tivieren und so zur Tumorentstehung beitragen können.

P53-Mutationen in Malignomen

P53 ist der bei menschlichen Malignomen häufig veränderte Gen- lokus. In fast allen Arten von Mali- gnomen mit Ausnahme einer Reihe von neuronalen Tumoren konnten p53-Mutationen nachgewiesen wer- den. P53-Mutationen in menschli- chen Tumoren weisen mehrere Be- sonderheiten auf:

1) Die meisten sind missense- Punktmutationen, die zu einem iso- lierten Aminosäureaustausch führen.

2) Die Mutationen sind nicht zufällig über das Protein verteilt, son- dern liegen clusterartig hauptsäch- lich in den fünf hochkonservierten Regionen des Moleküls, im Bereich der Aminosäuren 130 bis 290. Beson- ders betroffen sind die Aminosäuren 175, 248 und 273.

3) Die Verteilung der Mutatio- nen ist je nach Tumorart unter- schiedlich (4, 15). So sind Mutatio- nen des Codons 175 sehr häufig in Kolonkarzinomen zu finden, dagegen kaum in Bronchialkarzinomen (4).

Ein überzeugendes Beispiel der Tumorspezifität von p53-Mutationen wurde bei der Untersuchung von he- patozellulären Karzinomen (HCC) gefunden. Eine überraschend hohe Anzahl von Patienten mit HCC (etwa 50 Prozent) in Gebieten, in denen die Nahrung mit Aflatoxinen belastet ist (Teile von Südafrika und südliches China), zeigte Mutationen am dritten Basenpaar des Codon 249 (meistens G zu T-Transversionen), die im mu- tierten p53 zu einer Substitution von Arginin zu Serin führt. Dagegen wur- den bei Patienten mit HCC, die die- sem Risikofaktor nicht ausgesetzt waren, keine Mutationen am Codon 249 gefunden (4, 15).

Die Inaktivierung des p53 Gens ist die Folge mehrerer Veränderun- gen auf molekularer Ebene: Der häu- fige Typ ist ein Zweischrittmechanis- mus: Zunächst tritt eine Punktmuta- tion im p53-Gen eines Allels auf. In einem zweiten Schritt kommt es zum Verlust des p53-Gens im zweiten Al- lel (4, 15, 1). Vermutlich als Zwi- schenstadium existieren jedoch auch Malignome, bei denen nur ein p53- Gen mutiert ist und das Gen auf dem anderen Allel in wt-Sequenz vorliegt.

Diese Heterozygotie führt dazu, daß in einer Zelle gleichzeitig wt- und Mutanten-p53 gebildet werden. Da sowohl wt p53 als auch Mutan- ten-p53 mit sich selbst Oligomere bil- den können, wird angenommen, daß in heterozygoten Zellen über Korn- plexbildung zwischen wt und Mutan- te die antiproliferativen Eigenschaf- ten von wt p53 aufgehoben werden.

Die weitere Wachstumsselektion führt zu Klonen, die das verbleiben- de wt-Allel verlieren und so einen zu- sätzlichen Wachstumsvorteil besit- zen. (4, 15, 32).

Obwohl für einzelne Tumore ei- ne Korrelation zwischen Stadium und Auftreten der p53-Mutation ge- funden wurde, gibt es keine generelle Korrelation, p53-Mutationen werden in frühen Stadien bei Mamma-, Te- stes- und Ösophagusmalignomen ge- funden. Auch bei der Tumorprolife- ration vom Adenom zum Karzinom des Kolons lassen sich vermehrt p53- Mutationen nachweisen (47). Dage- gen findet erst am Übergang von ei- nem niedrigmalignen Astrozytom zu einem hochmalignen Glioblastom ei-

ne klonale Expansion von Zellen mit p53-Mutationen statt. Auch bei hochgradig invasiven Tumoren der Schilddrüse und der Blase werden häufiger p53-Mutationen gefunden als bei niedrigmalignen (32).

Experimentelle Daten sprechen dafür, daß Malignome mit p53-Muta- tionen auf Strahlen- und Chemothe- rapie deutlich schlechter ansprechen, als Tumore, die wt p53 exprimieren (39). Als Grund hierfür wurde in Un- tersuchungen festgestellt, daß wt p53-exprimierende Zellen auf die ausgeprägte DNS-Schädigung nach Strahlen- und Chemotherapie in der Regel Apoptose auslösen, während Zellen mit mutiertem p53 dazu nicht in der Lage sind und infolgedessen überleben.

Manche Tumorpatienten, deren Tumorzellen mutiertes p53 exprimie- ren, bilden Antikörper gegen p53. So haben ungefähr 15 Prozent der Pa- tienten mit Mammakarzinomen An- tikörper gegen p53. Diese Patienten haben meist Tumoren mit schlechten prognostischen Kriterien, wie Hor- monrezeptorenmangel und hohes Grading (39).

Li-Fraumeni-Syndrom Als Ursache des autosomal-do- minant vererbten Li-Fraumeni-Syn- droms wurden p53-Mutationen der Keimzellen identifiziert. Es handelt sich um ein seltenes, 1969 entdecktes und nach den Entdeckern benanntes Syndrom, das durch familiär gehäuft auftretende Malignome gekenn- zeichnet ist. Betroffene Individuen haben schon in jungen Jahren eine hohe Inzidenz zur Malignomentste- hung an unterschiedlichsten Entste- hungsorten. Häufig finden sich gleichzeitig verschiedene Primärtu- moren. Das Risiko eines Familien- mitgliedes, an einem invasiven Tu- mor zu erkranken, liegt im Alter von 30 Jahren bereits bei 50 Prozent.

Mehr als 90 Prozent der Genträger haben bis zum Alter von 70 Jahren Malignome entwickelt (26). Bei den meisten bisher untersuchten Famili- en war ein Basenpaar im Bereich der Codons 245 bis 248 des p53-Gens mutiert. Bei ungefähr der Hälfte der betroffenen Familien ist das Codon Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13, 1. April 1994 (39) A-903

(6)

MEDIZIN

248 mutiert. In der Regel sind Li- Fraumeni-Patienten heterozygot für p53. Die Entwicklung eines Mali- gnoms findet nach Inaktivierung des wt-Allels statt.

P 53 in Diagnostik und Therapie

Die große Anzahl von p53-Mu- tationen in unterschiedlichen Mali- gnomen könnte p53 zu einem wichti- gen Tumormarker machen. Mutier- tes p53 ist in vielen Malignomen in erhöhter Konzentration vorhanden und eignet sich daher zum Nachweis in der Immunzytochemie. Einschrän- kend gilt jedoch, daß das Kriterium der Überexpression alleine nicht zum Nachweis einer p53-Mutation ausrei- chend ist. Einerseits werden immer häufiger Tumoren gefunden, die wt p53 überexprimieren. Andererseits gibt es auch Tumoren, die eine Muta- tion im p53-Gen haben, das Protein jedoch nicht überexprimieren.

Möglicherweise kann p53 auch als Prognosefaktor benutzt werden.

Zumindest bei manchen Malignomen korreliert die erhöhte Expression von mutiertem p53 mit einem aggressi- veren Wachstumsverhalten oder ei- ner erhöhten Metastasierungsten- denz (34). Beim Mammakarzinom (17), beim Kolonkarzinom (47), beim Bronchialkarzinom (29) und beim Magenkarzinom (47) gibt es eine der- artige Korrelation. Hier ist ein hoher p53-Proteinspiegel ein Vorhersage- wert einer verkürzten Überlebenszeit.

Bisher ist allerdings die Aussa- gekraft von p53 in der Prognostik schwach, da die Rolle der unter- schiedlichen p53-Mutationen in der Tumorentstehung noch nicht geklärt ist. Dazu ist es erforderlich, individu- elle p53-Mutationen zu charakteri- sieren und mit diagnostischen und prognostischen Parametern des un- tersuchten Malignoms zu korrelie- ren. Für die Routinediagnostik wäre dazu auch die Entwicklung von sub- klassenspezifischen Antikörpern er- forderlich, da die auf PCR basierende Sequenziertechnik zu aufwendig ist.

Die Beobachtung, daß die Wie- dereinführung von wt p53 in p53-ne- gative Tumorzellen deren mali- gnen Phänotyp revertiert, erzeugte

AKTUELL / FÜR SIE REFERIERT

großen Optimismus, mit wt p53- Expressionsvektoren eine erfolgrei- che Gentherapie durchführen zu können. Wt p53 kann in solchen Zel- len auch die Effekte anderer aktivier- ter Onkogene wie ras oder myc be- einflussen. Aus der experimentellen Beobachtung, daß Tumorzellen ohne funktionell aktives p53 deutlich un- empfindlicher auf die Behandlung mit Strahlen- oder Chemotherapie reagieren, schließt man, daß manche Tumoren nach Wiedereinführung von wt p53 mit Strahlen- oder Che- motherapie besser behandelbar wä- ren (28). Bisher gibt es keine siche- ren Strategien, wie wt p53 in solide Tumoren eingebracht und die Ex- pressionsrate kontrolliert werden kann. Darüber hinaus sind mehr Kenntnisse über die Biologie von p53 erforderlich, um solche therapeuti- schen Ansätze erfolgreich durchfüh- ren zu können. Trotzdem zeigen die- se Studien klar, daß der Tumorphä- notyp von Zellen prinzipiell reversi- bel ist. Möglicherweise gelingt es, auf molekularer Ebene die Rückbildung vom malignen zum normalen Phäno- typ zu verstehen und den Effekt von wt p53 durch speziell konstruierte Medikamente zu imitieren.

Einem anderen Therapieansatz liegt die schon erwähnte Beobach- tung zugrunde, daß einige Patienten, deren Tumoren mutiertes p53 über- exprimieren, Antikörper gegen p53 bilden. Sollte es möglich werden, ei- ne zelluläre Immunreaktion gegen mutiertes p53 zu induzieren, könnten Strategien zur immunologischen Be- handlung von Tumoren, die mutier- tes p53 exprimieren, in Betracht ge- zogen werden (7).

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-898-904 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck anzufordern über die Verfasser.

Anschrift:

Dr. med. Christof Burkart Abteilung Tumorvirologie am Heinrich Pette-Institut für Experi- mentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg

Martinistraße 52 • 20251 Hamburg

ACE-Hemmer bei diabetischer Nephropathie vorteilhaft

In einer amerikanischen Studie wird der Frage nachgegangen, ob die Verlangsamung der Progression ei- ner diabetischen Nephropathie durch ACE-Hemmung unabhängig vom blutdrucksenkenden Effekt auf- tritt. 409 normotensive Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus mit Zeichen einer diabetischen Nephropathie (Urineiweiß ausschei- dung > 500 mg/die, Serumkreatinin

< 2,5 mg/dl) wurden in die Studie eingeschlossen. 207 Patienten erhiel- ten Captopril (3 x 25 mg/die), 202 Patienten Plazebo, die Nachbeob- achtungszeit betrug drei Jahre.

In der Verum-Gruppe kam es bei 25 Patienten zu einer Verdoppe- lung des Serumkreatinins, in der Pla- zebogruppe bei 43 Patienten (p = 0,007). Durch Medikation mit dem ACE-Hemmer Captopril konnte das Risiko der Verdoppelung des Serum- kreatinins um 48 Prozent gesenkt werden, dies um so mehr, je höher der Ausgangswert für Serumkreati- nin lag. Die Kreatinin-Clearance sank in der Verum-Gruppe jährlich um elf Prozent, dagegen in der Plaze- bo-Gruppe um 17 Prozent (p = 0,03). Captopril senkte die Sterblich- keit, Dialysenotwendigkeit und Transplantationsrate um 50 Prozent.

Der Vergleich der Gruppen ergab keine signifikanten Unterschiede der arteriellen Blutdruckwerte in der Be- handlungsphase, ein Trend zu niedri- geren Blutdruckwerten in der Cap- topril-Gruppe war jedoch erkennbar.

Die Autoren folgern, daß der ACE-Hemmer Captopril unabhängig von seiner antihypertensiven Wir- kung die Progression einer diabeti- schen Nephropathie verzögern kann.

acc

Lewis, E. D. et. al.: The effect of angio- tensin-converting-enzyme inhibition an diabetic nephropathy. N. Engl. J. Med.

329 (1993) 1456-62.

Dr. Lewis, Section of Nephrology, 1653 W. Congress Pky., Chicago, IL 60612, USA.

A-904 (40) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 13, 1. April 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Durch die Zugabe von BSA, anstatt des gereinigten wtp53, konnte im zweiten Versuch ein unspezifischer „Protein-Effekt“ auf die Telomeraseaktivität ausgeschlossen werden (s. Hier

Hierbei konnte ebenfalls eine deutliche Reduzierung einer C/EBP β -vermittelten Aktivierung des Reportergenkonstruktes in Gegenwart von exogenem Wildtyp-p53 nachgewiesen

Angesichts dieser Vielzahl biologischer Funktionen stellt sich die Frage, wie nach p53- Aktivierung eine spezifische Antwort durch transkriptionelle Regulation

Die Analyse mittels des Cox Modells lässt erkennen, dass eine starke Rb- Expression mit einem erhöhten relativen Risiko (1,63) für die Patientinnen für die verbleibende Lebenszeit

DNase I-Protektionsexperimente zeigten, dass durch die Bindung von R273H an lineare TNRs mit Basenfehlpaarungen eine Änderung der DNA- Konformation induziert wurde, wie sie auch

Eine deutliche Induktion solcher Gene bei einer p53- Mutante, bei denen alle Zellen sich im G1-Arrest befinden, weil diese keine Apoptose mehr induziert, ist durchaus möglich

(2005) konnten einen G1-Arrest in einer humanen p53-defizienten-Lungencarcinom-Zelllinie auslösen, indem sie diese einerseits mit p53-Wildtyp-cDNA transfizierten und

Während das Protein in normalem menschlichen Gewebe nicht nachgewiesen werden kann, konnte es bereits in einer Vielzahl humaner Neoplasien entdeckt werden [101}. Buchanan