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Bodenpflege-Massnahmen zur Erhaltung gefährdeter Zwiebelpflanzen in begrünten Rebbergen der Nordostschweiz

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Academic year: 2022

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Bodenpflege-Massnahmen zur Erhaltung gefährdeter

Zwiebelpflanzen in begrünten Rebbergen der Nordostschweiz

In der Nordostschweiz sind heute die meisten Rebberge begrünt - zum Schutz von Boden und Grundwasser und zur Förderung von Nützlingen. Begleiterscheinung einer permanenten Begrünung ist die Verdrängung der traditionellen Hackflora mit heute sehr seltenen und

gefährdeten Pflanzenarten. Es scheint also ein Zielkonflikt zwischen Boden- und Pflanzenschutz und Artenschutz vorzuliegen, der einer Lösung bedarf. Im folgenden wird beschrieben, wie Aspekte des Artenschutzes in das Begrünungs-Management integriert werden können.

Frühjahrszwiebelgeophyten

Eine besondere Gruppe der traditionellen Hackflora sind die Frühjahrs-Zwiebelpflanzen (Zwiebelgeophyten). Sie überdauern den Sommer zurückgezogen in ihren Zwiebeln im Boden. Der Austrieb findet im Herbst und Winter statt, Wachstum, Fotosynthese und Blüte im Frühjahr. Sie vermehren sich hauptsächlich vegetativ über Tochterzwiebeln, die durch Bodenbewegung verteilt werden. Die ungefähren Lebenszyklen der untersuchten Arten Weinberg-Lauch (Allium vineale L.), Acker-Gelbstern (Gagea arvensis (Pers.) Dum.), Traubige Bisamhyazinthe (Muscari racemosum (L.) Mill.) und Doldiger Milchstern (Ornithogalum umbellatum L.) können der Abbildung 3 entnommen werden.

Die Zwiebelgeophyten passten gut in das traditionelle Bewirtschaftungsregime, bei dem der Boden während des Sommers durch Hacken (von Hand) offengehalten wurde (Wilmanns 1989). Sie haben sich ja dann in ihre Zwiebeln zurückgezogen, und diese werden durch das leichte Handhacken kaum beschädigt. Später wurde aber diese Bodenbearbeitung durch die zunehmende Mechanisierung intensiviert, was die Zwiebeln beschädigte. Grossflächige Herbizideinsätze förderten je nach Art des Wirkstoffes die Zwiebelgeophyten über die Schaffung von konkurrenzfreiem Raum, oder sie wurden ebenfalls geschädigt. Nachhaltig negativ wirkte sich die eingesäte und dauerhafte Begrünung der Rebberge aus. Alle diese Veränderungen in der Bewirtschaftung führten in den letzten Jahrzehnten im Gebiet der Nordostschweiz zum beobachteten Rückgang der Zwiebelgeophyten: Der Acker-Gelbstern ist im Gebiet heute gemäss der Roten Liste stark gefährdet, die Traubige Bisamhyazinthe gefährdet (Landolt 1991).

Abb. 1: Milchstern-Bestand in Unterstammheim (ZH) in Vollblüte Mitie Mai. In solchen heute sehr seltenen Beständen sollte die bisherige Bodenpflege weitergeführt werden, sofern sich das auch nur einigermassen mit dem Bodenschutz verträgt.

Resultate und Interpretation

Auf 10 Aufnahmeflächen (je 1m2) in 6 Rebparzellen im Weinland (Kanton Zürich) wurde im April/Mai 1996 das Vorkommen der verschiedenen Zwiebelgeophytenarten und die Anteile an der Bodenbedeckung (unter anderem Deckungsgrad der immergrünen Gräser und des offenen Bodens) erfasst (siehe Arn 1996).

Die Anzahl Blätter pro m2 von Gelbstern, Bisamhyazinthe und Milchstern nahm bei steigendem Deckungsgrad der mehr oder weniger immergrünen Gräser ab (Abb. 4a; Gelbstern kam in den untersuchten Flächen bei Grasanteil grösser als 25% nicht vor). Der Gräserdeckungsgrad kann auch als Zeiger für die Schnitthäufigkeit betrachtet werden; je intensiver

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geschnitten wird, um so grösser wird der Anteil der Gräser (Gut et -al: 1995). Dabei wird auch die Möglichkeit der direkten Schädigung der Blätter der Zwiebelgeophyten durch die Mäh- oder Mulchmaschinen grösser.

Abb. 2: Insbesondere der sehr seltene Acker Gelbstern, aber auch die recht seltene Traubige Bisamhyazinthe («Traubenhyazinthe») können in dichten Pflanzenbeständen langfristig nicht überleben. Sie benötigen eher locker bewachsene, gelegentlich bearbeitete Böden.

Die Gräser üben sowohl unter- wie auch oberirdische Konkurrenz auf, die Zwiebelgeophyten aus: Der Graswurzelfilz verhindert die Ausbreitung der Zwiebelgeophyten. Die Tochterzwiebeln bleiben nahe an der Mutterzwiebel liegen und müssen von dieser miternährt werden, was zur Verringerung der Vitalität der Pflanzen führt (Wilmanns 1994).

Die immergrünen Gräser sind auch im Winterhalbjahr aktiv, sie konkurrenzieren die Zwiebelgeophyten also auch oberirdisch, was sich vor allein beim Austrieb auswirkt, und ebenfalls zur Schwächung der Pflanzen führt.

Die Anzahl Gelbstern- und Bisamhyäzinthen-Blätter pro m2 nahm bei grösserem Anteil an offenem Boden zu (Abb. 4b;

Bisamhyazinthen kamen in den untersuchten Flächen bei einem Anteil an offenem Boden von über 30% nicht vor).

Offener Bodenkann ein Zeichen für Bodenbearbeitung an sich und für die Intensität des Eingriffes sein. Sowohl Gelbstem wie Bisamhyazinthe bilden kleine Tochterzwiebelchen nahe der Bodenoberfläche, sie profitieren somit von einer guten Ausbreitung durch die Bodenbearbeitung (Wilmanns 1994). Auch die Einschränkung der Konkurrenz durch

andere Pflanzen wirkt sich auf kleine Pflanzen sehr günstig aus, sie werden entsprechend gefördert.

Die Anzahl der Milchstern-Blätter nahm bei zunehmendem Anteil an offenem Boden ab (Abb. 4b). Bei den grossen Zwiebeln des Milchsterns ist die Gefahr der Beschädigung grösser. Zudem erträgt Milchstern Konkurrenz relativ gut, was sich dadurch zeigt, dass er auch in Wiesen und Parkrasen vorkommt. Ein hoher Anteil an offenem Boden (grösser als 70%) ist ein Hinweis auf sehr intensive Bodenbearbeitung, welche offenbar zunehmeid auch das Vorkommen von Gelbstern und Bisamhyazinthe beeinträchtig.

Beim Weinberg-Lauch war kein signifikanter Zusammenhang mit dem Gräserdeckugsgrad oder dem Anteil des offenen Bodens

ersichtlich.

Konsequenz: Angepasste, Bewirtschaftung

Die Unterwuchs-Bewirtschaftung in Rebbergen schont Zwiebelgeophyten dann; wenn sie sich dem Entwicklungsrhytmus der zu erhaltenden und zu fördernden Arten orientiert, damit sich diese ungestört entwickelt können (Abb..3).

Abb. 3: Entwicklungsstadien (Phänologie) der untersuchten Zwiebelgeophyten; sie können je nach Standort und jährlichem Witterungsverlauf stark variieren (nach Angaben aus Wehsarg-Ortenburg 1929, Willmanns 1989, Gemmrich 1991 und nach eigenen Beobachtungen).

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Abb. 4: Zusammenhang zwischen dem Deckuhgsgrad der immergrünen Gräser (a) bzw. des offenen Bodens (b) und der Anzahl Blätter der Zwiebelgeophyten (April/Mai 1996, n=Anzahl Aufnahmein, p=Irrtumswahrscheinlichkeit der Regression).

Vorschlag für eine zwiebelgeophyten-freundliche Rebberg-Bewirtschaftung in der Nordostschweiz:

Bewirtschaftungseingriffe (Mähen, Mulchen [auch des Rebholzes], Bodenbearbeitung, Herbizideinsatz) nur während der Ruhephase (ausser beim Weinberg-Lauch, der auf Eingriffe während der Vegetationszeit nicht stark reagiert); Angabe der Scholligkeit, Häufigkeit und maximalen Tiefe der Bodenbearbeitung. Die Bodenpflege soll die in der Reblage seltenste Art erhalten bzw. fördern (gilt nicht, wenn dies Rebberglauch ist).

Die Bodenbearbeitung ist wie erwähnt wichtig für die Ausbreitung der Tochterzwiebeln und die Reduktion des Anteils der immergrünen Gräser. Dabei sollte die Bodenbearbeitung keinesfalls zu «sauber» erfolgen, das heisst eine sehr feine oder eine vollständig wendende, tiefe Bearbeitung sollte unterbleiben. Nach vorläufigen Erkenntnissen dürfte im Gebiet der Nordostschweiz eine Bearbeitung alle vier Jahre (jedes zweite Jahr alternierend eine Gasse) einen optimalen Kompromiss darstellen zwischen den Bedürfnissen von Rebe (Stickstoff-Mobilisierung) und Zwiebelpflanzen sowie der mehrjährigen Kräuter zur Nützlingsförderung. Durch eine Bodenbearbeitung ab Mitte Mai (Tab.) kann Stickstoff termingerecht für die Hauptbedarfszeit der Rebe im Juni/Juli mobilisiert werden (Perret et al. 1989).

Das Mähen oder Mulchen soll so extensiv wie für die Bedürfnisse der Reben und gemäss dem lokalen Klima tragbar erfolgen. Im Gebiet der Nordostschweiz soll nicht mehr als zwei bis drei bis vier Mal jährlich geschnitten werden; dadurch werden die mehrjährigen Kräuter gefördert und der Grasanteil eher niedrig gehalten (Gut et al. 1995). Schnitt und Bodenbearbeitung sind aus Gründen der Nützlingsförderung alternierend vorzunehmen, dass heisst bei jedem Bearbeitungstermin abwechslungsweise eine Fahrgasse mit Eingriff und eine ohne Eingriff.

Der Herbizideinsatz zur Reduktion der konkurrenzierenden Vegetation muss noch genauer untersucht werden; die Ausbreitung der Zwiebelgeophyten wird dabei jedoch wegen mangelnder Bodenbewegung nicht unterstützt.

Die Anforderungen an eine zwiebelgeophytenfreundliche Bewirtschaftung können der Tabelle entnommen werden. Die Bodenpflege soll die in der Reblage seltenste Art erhalten bzw. fördern (zu beachten z.B. bei der Scholligkeit der Bodenbearbeitung oder beim Termin des ersten Eingriffs). Dies gilt nicht, wenn Rebberglauch die seltenste Art ist, weil dieser ausser in Rebbergen auch an vielen andern Standorten vorkommt und dort erhalten oder allenfalls gefördert werden kann.

Acker-

Gelbstern Traubige Bisamhyazinthe Doldiger Milchstern Weinberg Lauch Vegetationszeit November

- April September - Anfang Mai Ende Oktober - Ende

Mai ± ganzjährig

Ruhephase

(Eingriffe möglich) Mai -

Oktober Ende Mai - August Juni-- Anfang Oktober .

1. Eingriffstermin Anfang Mai Mitte-Ende Mai Anfang Juni immer möglich Scholligkeit der

Bodenbearbeitung fein-mittel mittel grob mittel

Häufigkeit der Bodenbearbeitung

relativ häufig (alle

2 Jahre) ca. alle 4 Jahre ca. alle 4 Jahre ca. alle 4 Jahre Max. Tiefe der

Bodenbearbeitung 10-15cm 10-15cm 20-25cm 20-25cm

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In dieser Parzelle wurde ungefähr Mitte Mai sehr grobschollig und nicht wendend gehackt. Die vorhandenen Hyazinthen sind zu diesem Zeitpunkt schon verblüht und die Blätter beginnen zu vergilben, so dass die Zwiebeln nicht mehr geschädigt werden. Durch das Hacken werden die Tochter von den Mutterzwiebeln getrennt, was für ihre Ausbreitung innerhalb der Parzelle unabdingbar ist.

Dank

Den Rebleuten von Dachsen und Unterstammheim danken wir für die freundliche Unterstützung und die hilfreichen Gespräche im Feld, die uns den Bezug zur Bodenpftegepraxis und zum Hauptziel des Rebbaus - dem Produkt im Glas - nie vergessen liessen. Auch Martin Schmutz, Gabriel Popow und Ursina Wiedmer danken wir für ihre fachliche und organisatorische Mithilfe.

Literatur

z Am D.: Frühjahrs-Zwiebelgeophyten in Rebbergen der Nordostschweiz. Diplomarbeit, Geobotanisches Institut der ETH, Zürich, 1996.

z Gemmrich A.R.: Der Acker-Gelbstern in der Lebensgemeinschaft Weinberg. Rebe und Wein, 3, 89-90, 1991.

z Gut D., Holzgang O. und Remund U.: Förderung der botanischen Vielfalt in Rebbergen: Erfahrungen aus der Ostschweiz. Dt. WeinbauJahrbuch, 46, 151-158, 1995.

z Landolt E.: Gefährdung und Schutz der Farnund Blütenpflanzen der Schweiz, mit gesamtschweizerischen und regionalen Roten Listen. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern, 1991.

z Perret P., Koblet W. und Haab M.: Bodenpflegemassnahmen zur Steuerung des zeitlichen Stickstoffangebotes im Rebbau - Fortsetzung und Schluss. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 125, 652-657,1989.

z Wehsarg-Ortenburg, O.: Die Verbreitung und Bekämpfung der Ackerunkräuter in Deutschland. Dt.

Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin, 1929.

z Wilmanns O.: Vergesellschaftung und Strategie-Typen von Pflanzen mitteleuropäischer Rebkulturen.

Phytocoenologia, 18, 83-128, 1989.

z Wilmanns O.: Lenkung von Krautbewuchs in Weinbergen. Biol. Institut II, Lehrstuhl der Geobotanik der Universität Freiburg i. Br., Freiburg im Breisgau, 1994.

Referenzen

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