• Keine Ergebnisse gefunden

Sondersession «Gesundheitspolitik» vom 13. September 2011

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Sondersession «Gesundheitspolitik» vom 13. September 2011"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Sondersession «Gesundheitspolitik» vom 13. September 2011

ERKLÄRUNG

des Regierungsrates des Kantons Bern an den Grossen Rat

Sehr geehrter Herr Grossratspräsident

Sehr geehrte Damen und Herren Grossrätinnen und Grossräte

Der Grosse Rat hat in der Junisession beschlossen, eine Sondersession zum The- ma Gesundheitspolitik durchzuführen. Im Fokus steht aber nicht die Gesundheits- politik in ihrer ganzen Breite, sondern eindeutig die Spitalpolitik. Dabei stehen zwei Fragenkomplexe im Vordergrund:

1. Welche Herausforderungen stehen in der Spitalpolitik an? und

2. Wie kann die Politik – das heisst: Regierungsrat und Grosser Rat in gemeinsa- mer Verantwortung – diese Herausforderungen meistern? Was ist bereits unter- nommen worden, und was bleibt zu tun? Was ist der Handlungsspielraum der Politik?

Zum ersten Fragenkomplex: Die Herausforderungen

Patentrezepte gegen die Kostenzunahme im Gesundheitswesen gibt es keine. Die- se Entwicklung ist ein Stück weit auch eine Folge unseres Wohlstandes, wie er ins- besondere im medizinischen Fortschritt oder in der steigenden Lebenserwartung zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig rufe ich in Erinnerung, dass wir heute eine aus- gezeichnete, breit zugängliche Versorgung haben!

Unsere zentrale Herausforderung ist es, diese gute Versorgung beizubehalten – und zwar flächendeckend im ganzen Kanton. Dies hat aber seinen Preis.

Auf dem Papier liegt die Spitalpolitik in der kantonalen Zuständigkeit. Sie wird aller- dings durch das Krankenversicherungsgesetz (KVG) als Finanzierungsgesetz zunehmend übersteuert. Denn mit der KVG-Revision von 2007 hat der Bund in der Spitalfinanzierung die Spielregeln für die Kantone wesentlich geändert. So sind die kantonalen Instrumente zur Steuerung der Kosten weiter beschränkt worden.

Der Einfluss auf die Tarife ist heute bereits gering. Auch Vorgaben für die Spitalpla- nung und die Spitalliste gab es bereits. Folgenschwer sind aber insbesondere die beiden Neuerungen «freie Spitalwahl» und «Mitfinanzierung der Privatspitäler»:

Neu können sich die Patientinnen und Patienten in allen Spitälern der Schweiz, ob öffentlich oder privat, behandeln lassen, wenn diese auf der Spitalliste stehen. Der Kanton muss alle diese Behandlungen zu 55 Prozent mitfinanzieren. Diese Mitfi- nanzierung geschieht zu Preisen, auf die der Kanton kaum Einfluss hat, weil sie zwischen Spitälern und Versicherern vereinbart werden.

Herausforderungen

… auf der Leistungsseite

… auf der Kostenseite

(2)

Die KVG-Revision wird damit ab dem Jahr 2012 in der gesamten Schweiz eine riesige Kostenumlagerung in Gang setzen. Allein auf den Kanton Bern kommen Mehrkosten von 260 Mio. Franken zu, die bei den Versicherern wegfallen. Kosten gespart sind damit allerdings noch keine.

Neu ist zudem, dass mit Fallpauschalen abgerechnet wird. Diese Pauschalen ent- halten auch die Investitionskosten. Damit «verschwinden» die Investitionskosten in den Fallpauschalen und sind, im Fall der bisher bewilligungspflichtigen Investitio- nen der öffentlichen Spitäler, der direkten Steuerung durch Regierungsrat oder Grossem Rat entzogen. Hier braucht es Lösungen, die den nachhaltigen Einsatz dieser Steuergelder garantieren.

Zum zweiten Fragenkomplex:

Die Lösungen: Optionen und Handlungsmöglichkeiten

Die Versorgungsstrategie ist in der Versorgungsplanung festgelegt, die der Regie- rungsrat kürzlich verabschiedet hat. Der Regierungsrat bekräftigt mit dieser Pla- nung, dass er weiterhin im ganzen Kanton den Zugang

(a) zu einer guten Grundversorgung in allen Regionen und (b) zu einem hochspezialisierten Angebot im Zentrum

sicherstellen will. In den Regionen sollen weiterhin kleinere Spitäler eine umfassen- de Grundversorgung anbieten. Was wir uns aber nicht leisten können, ist das Spital gleich um die Ecke.

Im Raum Bern ist die Situation anders. Hier haben wir eine grosse Anzahl von Spi- tälern, einige öffentliche und viele private. Es seien zu viele, hört man allenthalben, aber auch: «der Wettbewerb soll's richten». Viele sind es deshalb, weil die Leute sie beanspruchen. Der Bedarf ist also durchaus vorhanden. Die Strategie des Regie- rungsrats ist es, unter diesen Spitälern den Wettbewerb spielen zu lassen.

Aber damit nicht genug. Bei den öffentlichen Spitälern hat der Regierungsrat schon 2009 einen weitsichtigen Beschluss gefasst, der die Stärkung des Medizinalstand- orts Bern bezweckt. Die Insel als Universitätsspital und die Spital Netz Bern AG sollen eine strategische Partnerschaft eingehen. Das bündelt die Kräfte, erzeugt Synergien und fördert die universitäre Lehre und Forschung. Mit der engen Zusam- menarbeit mit dem Inselspital kann die Spital Netz Bern AG zur Stärkung des Medi- zinalstandorts beitragen und gleichzeitig davon profitieren. Die Patienten können so besser an dem Ort behandelt werden, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.

… bei den Investitionen

Lösungen

… auf der Leistungs- seite: Dezentrale Konzentration und Synergien nutzen

(3)

Doch «laisser faire» ist keine Option. Warum?

Die neue Spitalfinanzierung bringt es mit sich, dass die bisherige Steuerung über Leistungsverträge nicht mehr anwendbar ist. Der Kanton kann also nicht mehr Art, Menge und Abgeltung mit dem Spital in einem Vertrag vereinbaren. Wenn nun die Preise, wie in der KVG-Revision beabsichtigt, unter Druck kommen und sinken, wer- den die Leistungserbringer versuchen, ihre Umsätze über die Menge zu steigern.

Diese Mengenausweitung droht die preisbedingten Einsparungen mehr als zu kom- pensieren. Eine Einschränkung der Menge ist daher zwingend notwendig. Sie kön- nen sich die Konsequenzen ausrechnen: Die Kosten sind ja das Resultat der Multi- plikation von Menge und Preis.

Wie aber lässt sich die Menge kontrollieren? Dem Kanton bleibt als Hauptinstrument die Spitalliste. Der Regierungsrat sieht vor, in der Spitalliste eine Mengenzuteilung vorzunehmen, welche sich am ausgewiesenen Bedarf orientiert. Die beabsichtigten Höchstmengen bedeuten dabei kein ungehöriges Drücken der Fallzahlen. Sie ge- fährden die Versorgung unserer Bevölkerung nicht, sondern wirken lediglich der be- schriebenen Gewinnoptimierung entgegen.

Wo stehen wir in der Umsetzung dieses Lösungsansatzes? Folgende Umsetzungs- schritte sind von Regierungsrat und Verwaltung eingeleitet worden:

– Die Versorgungsplanung liegt seit Ende August vor. Diese bildet die inhaltliche, fachliche Grundlage für die Spitalliste, welche der Regierungsrat im letzten Quartal dieses Jahres verabschieden wird.

– Die Spitalliste soll die Menge steuern. Dies ist zulässig. Um den rechtlichen Handlungsspielraum auszuschöpfen, hat die Universität Luzern ein Rechtsgut- achten erstellt. Dieses kommt zum Schluss, dass der Kanton die Menge steuern kann. Er braucht dazu allerdings eine gesetzliche Grundlage. Diese schafft der Regierungsrat mit der Einführungsverordnung.

– Zur Umsetzungsstrategie des Regierungsrates gehört aber auch, für die ver- schiedenen Anbieter möglichst gleich lange Spiesse zu schaffen: Da das KVG private Spitäler nun gleich behandelt wie öffentliche und die privaten ebenfalls Gelder der öffentlichen Hand beanspruchen, sollen sie auch die gleichen Pflich- ten haben. Damit meine ich gute Anstellungsbedingungen für das Personal und die Pflicht, die Daten zu liefern, die für ein Benchmarking benötigt werden. Zu- dem müssen auch die privaten Spitäler transparent machen, dass sie die Mittel, die in den Tarifen Investitionen und Ausbildung abgelten, auch zweckbestimmt einsetzen. All das will der Regierungsrat in der Einführungsverordnung regeln.

Weitergehende Anliegen werden in die Revision des Spitalversorgungsgesetzes einfliessen.

(4)

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir Folgendes festzuhalten: Der Regierungsrat hat seine Führungsverantwortung in der Umsetzung der neuen Spitalfinanzierung des Bundes wahrgenommen und die erforderlichen Schritte rechtzeitig eingeleitet.

Dass der Regierungsrat auf Dringlichkeitsrecht zurückgreift, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern ist die Folge der äusserst knappen Zeitverhältnisse: Zwi- schen dem Erlass der Ausführungsbestimmungen des Bundesrates im Oktober 2008 und dem ersten «Pflichttermin» für kantonales Recht im März 2011 lagen 28 Monate. Dies mag nach viel Zeit aussehen, ist es aber nicht. Es ist wenig Zeit, weil eine hochkomplexe Materie zu regeln ist, die mit einem Systemwechsel und einem neuen Steuerungsmodell verbunden ist. Es ist auch wenig Zeit, weil die Materie po- litisch sensibel und umstritten ist und daher mit einem Referendum zu rechnen ist.

Und es ist wenig Zeit, um ein aufwändiges, ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit mehrmonatiger Vernehmlassung, Kommissionsarbeit und zwei Lesungen im Plenum durchzuführen. Es ist auch wenig Zeit im Vergleich mit anderen kantonalen Gesetzgebungsprojekten, die Bundesrecht umsetzen: Bei der Pflegefinanzierung blieben 18 Monate Zeit. Allerdings erfolgte die Regelung ausschliesslich auf Verord- nungsebene. Für das Umsetzen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts stehen sogar vier Jahre zur Verfügung.

Das weitere Vorgehen

In seiner Spitalpolitik wird der Regierungsrat weiterhin alles unternehmen und alle Optionen prüfen, um zusätzliche Kosten für den Prämien- und/oder Steuerzahler zu verhindern, ohne gleichzeitig Qualitätseinbussen in der Versorgung in Kauf zu neh- men. Neben der Mengensteuerung über die Spitalliste sind dies die drei folgenden Punkte:

Synergiepotenziale nutzen und Steuerungsmöglichkeiten verbessern: Darunter fällt das bereits genannte Projekt Stärkung des Medizinalstandorts Bern. Aber auch über die Optimierung der Eigentümerstrategie und die Überprüfung der Spitalland- schaft der öffentlichen Spitäler sind Kostensenkungen möglich.

Bessere Steuerungsinstrumente: Die Überprüfung und, bei Bedarf, die Stärkung und der Ausbau der vor- und nachgelagerten Steuerungsinstrumente, wie die Planung, die Aufsicht und die Kontrolle. Die neue Spitalfinanzierung wird, wie alles Neue, mit Kinderkrankheiten zu kämpfen haben. Wir werden genau darüber wachen, ob die Entwicklung in die richtige Richtung geht und stufengerecht Massnahmen ergreifen, wenn dies nicht der Fall sein sollte.

Die Prämien der Krankenversicherung: 2012 wird die öffentliche Hand wegen der Finanzierungsverschiebung von den Krankenversicherern zum Kanton rund 260 Mio. Franken mehr für die Spitalversorgung ausgeben als noch in diesem Jahr.

Warum Dringlichkeits- recht?

Weiteres Vorgehen

… in der Spitalpolitik

(5)

Spitalpolitik ist und bleibt ein gemeinsamer Auftrag von Regierungsrat und Grossem Rat. Beide politischen Gewalten sind von den Einschränkungen der Handlungsop- tionen auf Bundesebene betroffen. Wir – der Regierungsrat und der Grosse Rat – müssen aber gemeinsam Mittel und Wege finden, um der kantonalen Politik eine stufengerechte Mitsprache zu erhalten und zu sichern. Der Grosse Rat wird sich 2013 mit der Revision des Spitalversorgungsgesetzes befassen. Weil dem Regie- rungsrat die Zusammenarbeit und der Austausch mit dem Grossen Rat wichtig ist, möchte er den Grossen Rat aber schon vorher und auch ausserhalb ordentlicher Gesetzgebungsverfahren einbeziehen, beispielsweise in Form einer Berichter- stattung an die OAK. Die genaue Form ist allerdings noch festzulegen.

Eine erste Gelegenheit, um die gemeinsame Verantwortung von Regierungsrat und Grosser Rat wahrzunehmen, bietet sich aber bereits heute mit der nun anstehen- den Diskussion in der Sondersession. Ich danke für das Interesse und freue mich auf eine angeregte Debatte zu dieser komplexen Thematik.

… in der Zusammenar- beit mit dem Grossen Rat

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Grosse Rat Le Grand Conseil des Kantons Bern du canton de Berne Junisession - Session de juin 2018 SESSIONSDATEN. GROSSER RAT - GRAND CONSEIL

[r]

[r]

[r]

[r]

[r]

[r]

[r]