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Archiv "Epidemie" (21.05.2004)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004 AA1487

zentrationslager Sachsenhausen ver- schleppt. Mindestens 39 jüdische Ärzte der Hansestadt wurden in den Vernich- tungslagern ermordet, und „von 16 Ärz- ten ist bekannt, dass sie ihrem Leben selber ein Ende setzten“, so von Villiez.

Die Wissenschaftlerin hat sich auf die Suche nach Zeitzeugen begeben; über die „Werkstatt der Erinnerung“ der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg ist sie auf die Ärztin Dr. med.

Eva Pfeiffer-Haufrect gestoßen, einzige heute noch lebende jüdische Ärztin, die Verfolgung und Krieg in Hamburg mit- erlebte. Die Medizinerin durfte nach ihrem Studium schon nicht mehr das Praktische Jahr absolvieren, fand aber als Operationsschwester am Israeliti- schen Krankenhaus eine Stelle. Da dies renommierte jüdische Krankenhaus die Reisetauglichkeit für die Deportationen feststellen musste, erlebte sie mit, wie jüdische Freunde und Bekannte ver- schleppt wurden. „Sie fragten immer:

‚Schwester Eva, können Sie nicht was für meine Mutter tun?‘ Es war furcht- bar, wir konnten ja nicht, sonst wurde ein anderer ausgewählt“, berichtete die heute 94-Jährige, die nach dem Krieg zunächst als Ärztin am Universitätskli- nikum Eppendorf arbeitete und 1948 in die USA auswanderte, dort als Kin- derärztin tätig war und jetzt in Texas lebt. Für sie war es ein schreckliches Ge- fühl zu wissen, dass sie, als viele schon deportiert worden waren, noch immer geschützt war. „Eines Tages erschien bei uns ein deutscher Soldat, der gleich in der Tür einen Nervenzusammenbruch hatte und anfing zu schluchzen, dass er jüdische Frauen und Kinder hätte er- schießen müssen. Da ging uns auf, dass man vielleicht mehr tut, als sie umzu- siedeln“, so Pfeiffer-Haufrect.

Welche Rolle die nichtjüdische Ärzte- schaft Hamburgs bei der Diskriminie- rung und Ausgrenzung ihrer jüdischen Kollegen spielte, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Klar ist, dass mit dem Verfolgungs- und Verdrängungsprozess eine Jahrhunderte währende Tradition hochrangiger jüdischer Wissenschaft und Medizin in der Hansestadt unwie- derbringlich zerstört wurde. Die Ärzte- kammer Hamburg hofft, dass mit dem Buch ein Zeichen gegen das Vergessen und den Opfern ein Denkmal gesetzt werden kann. Dorthe Kieckbusch

J

edes Jahr befällt sie, in ihrer epidemischen Ausbreitung Geschlecht, Alter oder Bildungsstand ignorierend, mit schöner Regelmäßigkeit unsere Mit- bürger, die zu Anfallsbeginn genauso zwanghaft wie delirant Wortge- brechen wie „Nachl.f.L-Min.Prosp.anf.“ oder „Kl.Fhs.Meerbl.“ stammeln.

Ignoriert vom Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten, refraktär gegen passive und aktive Impfungen, obwohl, wie auf Mittelmeerinseln zu bestaunen ist, ganze Landstriche verwüstend: die Reiselust. Frühsymptome äußern sich meist in Wünschen nach umfangreicher Verschreibung der Dauermedikation, um im fernen Domizil monatelang über die Runden zu kommen; eher selten richten sich die Fragen nach Übeln, die es vielleicht auch im Paradies der Hochglanzprospekte geben könnte. Wie jedes Jahr sitzt wieder solch eine Patientin vor mir, die Augen glänzen vor ausufernder Vorfreude.

„So ein traumhafter perlweißer Sandstrand, und jeden Tag Sonnenschein, nicht dieses trübe Wetter wie hier, das wunderbare Essen und die freundliche Bedienung; da merkt man erst, in welcher Servicewüste wir in Deutschland leben!“ Pflichtgemäß weise ich darauf hin, dass auf den gelobten südostasiati- schen Stränden sich auch Zerkarien wohl fühlen, die über die intakte Haut in die Blutgefäße des Unterbauches einwandern, wo sie sich als ausgewachsene

Parasiten niederlassen und zu blutigen Durchfällen führen können. Dank ernte ich für diesen Hinweis allerdings nicht: „Das glaube ich Ihnen nicht, dass es da so etwas gibt, das erzählen Sie nur, um mir meinen Urlaub madig zu machen!“

Nun, da habe sie nicht ganz Unrecht, zu chronischen Durchfällen würde auch die Giardiasis führen, die durch zystenhaltige Nahrungsmittel im Trinkwasser, durch Schmierinfektion, aber auch durch Sexualkontakte übertragen wird. Es handele sich dabei aber um einzellige Parasiten, nicht um Maden. Einem Ma- denbefall wäre sie eher in afrikanischen Landstrichen durch die Tumbu-Fliege ausgesetzt, die ihre Eier direkt auf die Haut legt, die schlüpfenden Larven boh- ren sich durch die Haut, wo sie häufig in einer beulenartigen Erhebung sichtbar sind. Abzugrenzen sind solche Hautveränderungen von der Loa-Loa, auch Calabar-Schwellung genannt, bei der drei bis sieben Zentimeter lange faden- förmige Rundwürmer unter der Haut wandern und zu teigigen Schwellungen meistens an Armen und Gesicht führen. Nicht zu einer Hautbesiedlung in Afri- ka, dafür aber weltweit vertreten führt der Hakenwurm, dessen erwachsene Formen sich im Dünndarm festkrallen und Blut saugen, zu . . . Bevor ich meine differenzialdiagnostische Erörterung gängiger Tropenkrankheiten beenden kann, verlässt die Patientin wortlos das Sprechzimmer.

So ungerecht ist die Welt. Kann ich etwas dafür, dass sich in fernen Gesta- den Dracunculi und Leptospiren herumtreiben? Ich muss doch meiner Sorg- faltspflicht nachkommen, indem ich auf die Haken in den Würmern, pardon, in den Paradiesen, insbesondere auf die Infektionspro- phylaxe hinweise! Unter uns: Die beste Prophylaxe ist immer noch das Niedergelassenendasein. In den letzten drei Jahren hatte ich zwei Wochen Urlaub, und die lang- ten gerade für einen Trip ins plasmodienfreie Frank- reich, mehr war nicht drin. Wir Ärzte müssen nun mal in der trüben Servicewüste Deutschland die Fahnen hoch- halten. Damit aber nicht zu viel Neid auf die vielen fröh- lichen Urlauber aufkommt, berate ich ganz gerne in Sachen Parasitologie. Dr. med. Thomas Böhmeke

Epidemie

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