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Lese- und Rechtschreibdiagnostik am Ende der ersten Klasse

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Academic year: 2022

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Lese- und Rechtschreibdiagnostik am Ende der ersten Klasse

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister der Naturwissenschaften an der Naturwissenschaftlichen Fakultät

der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Bernhard Stocker

April 2016

Institut für Psychologie

Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie Betreuung: Univ.- Prof. Dr. Karin Landerl

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Danksagung

Ich bedanke mich besonders bei meiner Betreuerin Univ.- Prof. Dr. Karin Landerl, die mir diese Diplomarbeit recht kurzfristig ermöglicht hat und mich in allen Belangen beraten und unterstützt hat.

Meinen Eltern gebührt ebenso mein großer Dankt dafür, dass sie mir mein Studium in Graz überhaupt erst ermöglicht haben.

Auch an meine Freunde, die mich moralisch unterstützt haben, geht ein Dankeschön.

(3)

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung………...5

Abstract………...6

1 Einleitung ... 7

1.1 Kompetentes Lesen und Schreiben ... 9

1.1.1 Das Zwei-Routen-Modell ... 9

1.1.2 Erwerbsmodell von Frith ... 10

1.2 Dyslexie ... 13

1.2.1 Definition ... 13

1.2.2 Zentrale Symptome im Entwicklungsverlauf ... 18

1.2.3 Befunde zur Stabilität ... 22

1.2.4 Defizite im Lesen und/oder Rechtschreiben ... 26

1.2.5 Zentrale Verursachungsmodelle der Lese- und Rechtschreibschwäche ... 28

1.2.5.1 Vererbung/Genetik ... 28

1.2.5.2 Kognitive Verursachungsmodelle ... 28

1.2.5.3 Phonologisches Defizit ... 28

1.2.5.4 (2) Doppeldefizithypothese: RAN und phonologische Bewusstheit ... 31

1.2.5.5 Magnozelluläres Defizit ... 33

1.2.5.6 Defizit der visuellen Aufmerksamkeitsspanne ... 35

1.2.6 Probleme der Diagnostik ... 38

1.2.6.1 Cutoff ... 38

1.2.6.2 Diskrepanzkriterium ... 39

1.2.6.3 Wahl des Testverfahrens ... 41

1.2.7 Ziel: Frühe Diagnostik ... 43

1.2.7.1 Lautorientiertes Lesen ... 43

1.2.7.2 Lautorientiertes Schreiben ... 45

1.3 Fragestellungen und Ziele der Arbeit ... 47

(4)

2 Methode ... 48

2.1 Stichprobe ... 48

2.2 Material ... 50

2.3 Ablauf ... 51

3 Ergebnisse ... 52

3.1 Rohwertverteilungen ... 52

3.2 Itemschwierigkeit, Trennschärfe und Konsistenz ... 56

3.3 Objektivität und Validität ... 57

3.4 Zusammenhänge der Teile des Screenings ... 57

3.5 Erkennung der Kinder mit Problemen beim Lesen und beim lauttreuen Schreiben . 58 4 Diskussion ... 59

4.1 Interpretation der Ergebnisse in Bezug auf die Ziele der Arbeit ... 59

4.2 Methodenkritik ... 61

4.3 Conclusio und Ausblick ... 65

5 Literaturverzeichnis ... 66

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5 Zusammenfassung

Die Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwäche ist ein wichtiger Schritt, um betroffenen Kindern angemessene Therapien anzubieten. Heinrich et al. (2014) haben ein Screening für den Einsatz am Ende des ersten Schuljahres, bestehend aus einem Lese-, Abschreib-, Diktat-, Pseudowortdiktat- und Leseteil entwickelt. Dieses Screening wird mit den Daten von 555 Kindern aus drei österreichischen Bundesländern auf seine Tauglichkeit geprüft. Einleitend wird der Ablauf der schriftsprachlichen Entwicklung erklärt und der aktuelle Forschungsstand der Lese- und Rechtschreibdiagnostik zusammengefasst. Die Testgüte des Messinstruments wird bewertet und es wird mit nonparametrischen Verfahren geprüft ob Geschlechtereffekte auftreten. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass der Abschreibteil, das Diktat und das Pseudowortdiktat zu hohe Itemschwierigkeiten (Deckeneffekt), zu niedrige Trennschärfen und eine zu geringe interne Konsistenz aufweisen.

Der Leseteil kann zur Früherkennung von Leseproblemen eingesetzt werden. Buben waren eher auffällige Leser als Mädchen.

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6 Abstract

The early detection of dyslexia is important to offer affected children appropriate therapy.

Heinrich et al. (2014) developed a screening for the use at the end of the first grade, consisting of a copy task, a dictation a nonword dictation, and a reading task. The capability of this screening is reviewed with data of 555 children from three Austrian federal states. At the beginning, the development of literacy is explained and a summary of the current state of research of dyslexia diagnosis is given. The screening's test quality is assessed and gender effects are inspected by nonparametric tests. The Results show item difficulties that are too high (ceiling effect), low selectivity, and low internal consistency for the copy task, the dictation and the nonword dictation. The reading task can be used for early detection of reading problems. A higher percentage of boys were detected to be poor readers than girls.

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7

1 Einleitung

Das Österreichische Schulsystem gehört im europäischen Vergleich nicht zu den besten Schulsystemen. Dieser Umstand wurde in den vergangenen Jahren durch vergleichende Schulleistungstests deutlich. Das Unterrichtsmaterial ist in allen Fächern, auch in Mathematik, überwiegend schriftlich. Um in der Schule etwas lernen zu können, muss das Kind vor allem Lesen und das Gelesene verstehen können. Am Ende der ersten oder zweiten Klasse weisen die meisten Kinder die von ihnen verlangte Lesekompetenz auf. Wenn eine Klasse unterrichtet wird, kann nicht auf jedes Kind individuell eingegangen werden. Der Durchschnitt der Kinder lernt in dem Tempo welches der Lehrplan vorgibt, die schlechteren bleiben dabei zurück. Wer einmal zurück liegt, lernt weniger schnell und der Rückstand kann sich weiter vergrößern.

Wenn man nicht jedes Kind in seinem eigenen Lerntempo separat unterrichten kann, ist es notwendig, die Schwächeren zu fördern, damit diese zu den anderen Schülern aufschließen können. Je früher man leistungsschwächere SchülerInnen fördert, umso schneller können diese wieder vom normalen Unterricht profitieren. So scheint es nur logisch, so früh wie möglich erkennen zu wollen, wer zu diesen Kindern gehört, die Probleme im Schriftspracherwerb haben. Während des ersten Schuljahres weist selbst die Leistung der Kinder, die später keine Schwierigkeiten in ihrer Entwicklung haben, noch eine große Schwankungsbreite auf, was eine Unterscheidung von Problemen und normalen Schwankungen erschwert. Am Ende der ersten Klasse sollte das Lesen einfacher Sätze und lauttreues Schreiben funktionieren. Eben diese Fähigkeiten werden in dem Screening, welches in dieser Arbeit behandelt wird, abgefragt. Die Ergebnisse, die Kinder in diesen Aufgaben erzielen, sollen erste Hinweise darauf geben, welches Kind vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit im Hinblick auf seine Schriftsprachentwicklung benötigt.

Bevor die Ergebnisse, welche Schulkinder in drei verschiedenen Bundesländern (Salzburg, Tirol und Kärnten) erzielt haben, analysiert werden, wird ein Überblick zur aktuellen Literatur zum Thema Schriftspracherwerb und Lese- Rechtschreibstörung geliefert.

Im Rahmen dieses Theorieteils wird geklärt, wie das untersuchte Screeningverfahren auf seine Eignung für die Anwendung überprüft werden kann.

Der Einstieg in das breite Thema des Schriftspracherwerbs führt über Modelle die versuchen, dieses zu erklären. Obwohl schon etwas in die Jahre gekommen, wird das Erwerbsmodell von Frith (1985; 1986) thematisiert, weil es die Entwicklung zum geschulten Lesen und Schreiben, welches sich im zwei Wege Modell (Coltheart, Curtis, Atkins & Haller,

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8 1993) wiederfindet, beschreibt. Ist das Lesen und Rechtschreiben in seiner Entwicklung beeinträchtigt, gilt es zu entscheiden ob man dies als Dyslexie (Lese- und Rechtschreibstörung, Legasthenie) bezeichnen kann. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen gültigen und nicht mehr gültigen Diagnostikmanuale diskutiert. Es wird gezeigt wo sich die Kriterien unterscheiden oder gleichen und was sich von älteren Versionen auf Neue verändert hat. Darauffolgend wird auf Symptome und Stabilität der Entwicklungsstörung eingegangen. Verschiedene Theorien und diese stützende empirische Befunde werden aufgeführt, die versuchen, die Ursprünge der Dyslexie zu erklären.

Die speziellere Betrachtung der Diagnostik und ihrer Probleme bildet den Abschluss des Theorieteils Es wird beschrieben wo man die Grenze zieht zwischen unterdurchschnittlich und legasthen und warum diese Grenze nur bedingt mit der allgemeinen Intelligenz des Kindes in Relation gesetzt werden darf. Ebenfalls wird erklärt wie man das passende Testverfahren für die Diagnose oder Früherkennung auswählen soll und welchen Kriterien dieses erfüllen muss.

Schließlich wird das lautorientierte Lesen und Schreiben erörtert, wann man diese Fertigkeiten bei Kindern beobachten kann und wie sich diese auf die frühe Erkennung von Problemen im Schriftspracherwerb auswirken. Dies ist vor allem für das Screening, welches in dieser Arbeit behandelt wird, von Interesse.

Mit dem Wissen über den zusammengefassten Forschungsstand wird, unter Einsatz nonparametrischer statistischer Verfahren, die praktische Tauglichkeit des in dieser Arbeit vorgestellten Screenings für Lese- und Rechtschreibschwäche geprüft.

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9 1.1 Kompetentes Lesen und Schreiben

1.1.1 Das Zwei-Routen-Modell

Das dual route cascaded Modell (DRC) ist ein Modell, welches den kompetenten Leseprozess veranschaulicht (Coltheart et al., 1993). Es geht von zwei Routen aus, die unterschiedliche Mechanismen nutzen, um geschriebene Wörter in gesprochene umzuwandeln. Welche Route gewählt wird hängt von dem Material ab, das gelesen wird. Bei bekannten Wörtern, die im geistigen Lexikon abgespeichert sind, werden diese direkt abgerufen. Wenn ein Wort oder Pseudowort nicht bekannt ist, werden Graphem-Phonem Regeln benutzt, um das Wort Buchstabe für Buchstabe zusammenzulauten. Dieses Modell wurde von den Autoren auch als Computermodell realisiert und konnte sich in der Simulation an Ergebnisse menschlicher Leser im Lesen von bekannten und unbekannten Wörtern annähern und so Evidenz für seine Funktionalität und Gültigkeit liefern (Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler, 2001).

Abbildung 1: Das Zwei-Routen-Modell von Coltheart et al. (1993)

(10)

10 Der Ablauf der Schritte, die laut dem Modell vorgenommen werden, startet immer gleich. Die visuelle Wortanalyse und das Erkennen der Buchstaben sind die Voraussetzung für die weitere Bearbeitung des Textes. Durch die abstrakten Buchstabenrepräsentationen werden Wörter im geistigen Lexikon aktiviert, die diese enthalten, und gleichzeitig jene gehemmt, die sie nicht enthalten. Durch diesen Prozess wird das gesuchte Wort aus dem Lexikon direkt richtig abgerufen. Das funktioniert aber nur, wenn es sich tatsächlich um ein Wort handelt, und dieses auch im Lexikon abgespeichert ist. Ist das nicht der Fall, wird der Indirekte Weg eingeschlagen und das geschriebene Wort wird in seine Einzelteile, also Grapheme, zerlegt. Diese werden dann in die entsprechenden Laute, die Phoneme, umgewandelt. Auf diesem Weg können auch völlig unbekannte Wörter und sogar Wörter die gar keine sind, sich aber aussprechen lassen, sogenannt Pseudowörter, gelesen werden.

Die Zwei Verarbeitungswege im Modell schließen sich gegenseitig nicht aus.

Coltheart et al. (2001) konnten zeigen, dass Pseudowörter die richtigen Wörter ähnlich sind, schneller gelesen werden als unähnliche, weil das Lexikon mit in Anspruch genommen wird beim Lesen. Das erklärt auch warum die Aktivierung cascaded, oder wie Klicpera, Schabmann und Gasteiger-Klicpera (2013) als „Zwei-Wege-Modell der unmittelbaren Aktivierung“(S.51) übersetzen, unmittelbar erfolgt. Nur so können alle Bereiche des Modells gemeinsam mithelfen zu lesen.

Dieses Modell beschreibt jedoch nicht, wie die Entwicklung des Lesens und Schreibens abläuft. Aus diesem Grund wird im nächsten Abschnitt das Erwerbsmodell von Frith (1985; 1986) erläutert. Es bietet eine Theorie dazu, welche Stufen das Lesen und Schreiben durchlaufen, bis sie ihren endgültigen Entwicklungsstand erreicht haben.

1.1.2 Erwerbsmodell von Frith

Das Erwerbsmodell von Frith (1985; 1986) ist ein Modell das das Zusammenwirken der Lese- und Schreibentwicklung erklärt. Das Modell enthält verschiedene Stufen die verschiedene Strategien des Lesens und Schreibens darstellen und nach Frith nacheinander durchlaufen werden. Die Autorin nimmt an, dass wenn an einer Stelle ein Fehler in der Entwicklung auftritt, dieser durch Überentwicklung einer vorangegangenen Stufe kompensiert wird, um das entstandene Defizit wieder auszugleichen. Die Kompensation ist aber nicht das zu Korrigierende. Es muss der Grund für die Kompensation gesucht werden, um dort anzusetzen. Aus diesem Grund führte die Autorin ein neues Modell ein, das zur Einschätzung des Entwicklungsstandes dienen soll. Damit kann dann bewertet werden, welche Fehler aus

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11 fehlerhaft ausgebildeten, oder nicht vorhandenen Strategien entstehen und welche aus der darauf begründeten Kompensation entstehen.

Bei normaler Entwicklung werden nach Frith die Fertigkeiten in der Reihenfolge des Modells mit dem Aufsteigen in die jeweilige Stufe erworben. Ist die Entwicklung des Schriftspracherwerbs jedoch gestört, tritt laut der Autorin an einem Übergang zwischen zwei Entwicklungsstufen ein Problem auf, der Aufstieg wird nicht geschafft und je nachdem welche Stufe noch erreicht wurde, entsteht eine andere Form der Dyslexie mit anderen Symptomen. Das sollte das Modell nach Frith wertvoll für die Kategorisierung der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Störung machen.

An dieser Stelle wird beschrieben wie Frith die Entwicklung des Lesens und Schreibens nach ihrem Modell angenommen hat. Wichtig ist vorab zu erwähnen, dass die Entwicklung des Lesens und Schreibens in diesem Modell nicht parallel abläuft. Es wird nicht beides zugleich entwickelt, sondern abwechselnd und auf einander aufbauend. Die Entwicklung folgt sozusagen dem Weg des geringsten Widerstands. Es werden drei Befähigungsstufen für das Lesen und Schreiben definiert: die logographische, alphabetische und die orthografische Stufe. Diese Entwicklungsstufen werden in dem Modell in genannter Reihenfolge durchlaufen (Abbildung 2).

Den Einstieg in den Schriftspracherwerb bildet das logographische Lesen (L1), welches sich durch die Erkennung von Schriftwörtern anhand äußerer Merkmale auszeichnet.

Als Beispiel nennt Frith das Erkennen des umrandeten Schriftzugs der Esso Tankstellen.

Diese Stufe bereitet den Weg für das logographische Schreiben (L2), bei dem die Kinder bewusst verschiedenem Gekritzel, überdauernde verschiedene Bedeutungen zuordnen.

Den Einstieg in die alphabetische Phase sieht Frith im alphabetischen Schreiben (A1).

Hierbei werden die Laut-Buchstaben Verbindungen gelernt und angewandt. Dafür ist in den meisten Fällen Beschulung nötig. Wenn die alphabetische Strategie immer besser funktioniert, wird sie auch für das Lesen angewandt (A2). Dieses alphabetische Lesen entspricht dem indirekten Pfad im Zwei-Routen-Modell von Coltheart.

Den Übergang zur orthografischen Phase bildet im Modell von Frith das orthografische Lesen(O1), welches ein automatisiertes Erkennen ganzer Wörter oder Wortteile ermöglicht. Dies entspricht dem direkten Pfad im Zwei-Routen-Modell von Coltheart. Darauf folgend entwickelt sich auch das orthographische Schreiben(O2).

Beim Lernen des Lesens und Schreibens wird nach Friths Modell das Kind nicht schrittweise besser in einer Herangehensweise, sondern steigt von einer schriftsprachlichen Entwicklungsstufe in die nächste auf. Dabei wird auf die vorangegangenen Stufen aufgebaut

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12 und bei Bedarf auch wieder darauf zurückgegriffen. Probleme beim Meistern der Stufen entstehen nach Frith an den Übergängen. Dort kann ein Kind in der Entwicklung stecken bleiben. Als eine Form von Kompensation wird dann die bereits gemeisterte Stufe überentwickelt (L3 und A3). Aus der Reihenfolge der Stufen nach Komplexität, ergibt sich eine unterschiedliche Schwere der Störung, je später die Entwicklung zum Erliegen kommt, desto geringer sind die negativen Auswirkungen auf lange Sicht.

Die Autorin zieht ihr Modell auch als Klassifikationsmöglichkeit für erworbene Dyslexie heran. Wenn die alphabetische Stufe geschädigt ist, sollte Pseudowortlesen für die Betroffenen schwierig sein, wenn gar keine Vokabeln im Gedächtnis behalten werden, die logographische. Ein Schaden an der orthographischen Stufe würde sich in der Erkennung von Morphemen („kleinste bedeutungstragende Einheit“, Steinbrink & Lachmann, 2014) und irregulären Verben zeigen.

Abb. 2: Stufenmodell zum Leseerwerb von Frith (1986)

Der Mensch liest evolutionär gesehen erst seit kurzer Zeit. Trotzdem darf und wird das Lesen als Entwicklungsfähigkeit betrachtet. Die Autorin verzichtet bewusst auf die Unterscheidung zwischen äußeren und inneren Einflüssen auf die Leseentwicklung und stellt fest, dass wohl beide ihren Beitrag zur Dyslexie leisten. Die Gültigkeit ihres Modells beschränkt sie auf den englischen Sprachraum und das herrschende Regelwerk in der Sprache.

Sie nimmt an, dass sich die Entwicklung in andern Sprachen anders verhalten könnte, was in der vorliegenden Arbeit noch behandelt wird.

Nach einigen Jahren der Forschung, die seit den Annahmen von Frith vergangen sind, werden Stufenmodelle wie das eben beschriebene, zumindest für den deutschen Sprachraum,

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13 als nicht mehr gültig angesehen, was durch die Längsschnittstudie von Klicpera, Gasteiger- Klicpera und Schabmann (1993) gezeigt wurde. Die Autoren erklären, dass die Schriftsprachlichen Entwicklung keine Entwicklungssprünge macht, sondern kontinuierlich verläuft.

1.2 Dyslexie

Nachdem zwei Modelle zur Schriftsprachentwicklung vorgestellt wurden, die aufeinander aufbauen, soll in diesem Kapitel auf die gestörte Entwicklung des Lesens und Schreibens eingegangen werden. Als Einstieg in diesen Bereich wird erklärt, welche diagnostischen Kriterien in der Vergangenheit verwendet wurden und wie sich diese verändert haben.

1.2.1 Definition

Im Duden (2015) wird Dyslexie definiert als „mangelnde Fähigkeit, Wörter oder zusammenhängende Texte zu lesen, zu verstehen oder zu schreiben“. Die Definition in der Psychologie ist etwas komplexer.

In diesem Abschnitt soll auf die unterschiedlichen Diagnostikmanuale eingegangen werden, nach deren Kriterien eine Lese- und Rechtschreibstörung diagnostiziert werden kann.

Interessant ist hier, dass sich die Kriterien nicht nur über die verschiedenen Ausgaben des selben Manuals unterscheiden, was durch eine Anpassung der Kriterien über die Zeit logisch ist, sondern sogar die aktuell gültigen Diagnostikmanuale unterschiedliche Kriterien aufweisen. So wird, ausgehend vom DSM-IV (Saß, Wittchen, Zaudig & Houben 2003), das inzwischen vom DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2015) abgelöst wurde gezeigt, wie sich die Diagnostischen Kriterien seit der Vorgängerversion verändert haben und noch immer Unterschiede zu den aktuellen ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1991) Kriterien aufweisen.

Das von der American Psychiatric Association herausgegebene Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen IV (DSM-IV; Saß et al., 2003) behandelt die Lesestörung, Rechenstörung und die Störung des schriftlichen Ausdrucks im Kapitel Lernstörungen. Zu den diagnostischen Kriterien zählt hier auch die Forderung, dass die Leistung in standardisierten Lese- und Rechtschreibtests nicht nur deutlich unter dem Durchschnitt der jeweiligen Fähigkeit sein muss, sondern auch deutlich unter der Intelligenz, um sicher zu gehen, dass die Schriftsprachlichen Defizite, die Intelligenzdefizite übertreffen.

Es wird ein Unterschied von zwei Standardabweichungen empfohlen. Ein geringerer

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14 Unterschied von ein bis zwei Standardabweichungen ist nur zulässig, wenn die Intelligenz durch eine andere Störung beeinträchtigt ist. Eine Diagnose darf außerdem nur in Form einer Einzeltestung gestellt werden, um ungenaue Ergebnisse aus Gruppentestungen zu vermeiden.

Als differentialdiagnostische Kriterien werden Seh- und Hörstörungen, geistige Behinderung, tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Kommunikationsstörungen und normale Schwankungen der schulischen Leistungen genannt, weil diese Defizite nicht als Probleme der Schriftsprachliche Fähigkeiten codier werden.

Die Kriterien für eine Lesestörung (315.00) nach DSM-IV umfassen drei Punkte.

Erstens muss die Leseleistung, also die Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit oder das Leseverständnis, wesentlich unter dem üblichen Niveau des jeweiligen Alters, der Intelligenz und der Bildung liegen. Zweitens müssen die Probleme das tägliche Leben oder die Ausbildung beeinträchtigen. Als dritten Punkt wird, für den Fall das ein sensorisches Defizit vorliegt, gefordert, dass die Beeinträchtigung im Lesen über die zu erwartenden Beeinträchtigung bei einem solchen Defizit hinausgeht. Zum Verlauf der Lesestörung wird angeführt, dass sich eine solche zwar schon in der Vorschulzeit durch „…die Unfähigkeit, Buchstaben zu unterscheiden oder einfache Laute mit Buchstaben in Verbindung zu setzen…“(Saß et al., 2003, S. 85) ankündigt, jedoch selten vor der Einschulung diagnostiziert wird.

Die Kriterien für die Diagnose der Störung des schriftlichen Ausdrucks nach DSM-IV umfassen ebenso drei Punkte. Erstens muss die Schreibleistung mit einem standardisierten Test gemessen werden und wesentlich unter dem üblichen Niveau des jeweiligen Alters, der Intelligenz und der Bildung liegen. Der zweite und dritte Punkt entsprechen den jeweiligen Punkten der Kriterien für die Lesestörung. Wichtig ist beim ersten Punkt zu bedenken, dass sich dieser mir dem Verfassen schriftlicher Texte beschäftigt. Vor allem Grammatik und Interpunktion, Struktur, Rechtschreibfehler und unleserliche Handschrift kennzeichnen die Störung. Es ist aber zu beachten, dass mangelnde Rechtschreibung alleine laut dem DSM-IV für die Diagnose nicht ausreicht. Mit dieser Diagnose des DSM-IV lässt sich also keine isolierte Rechtschreibstörung beschreiben.

Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (5. Ed.; DSM-5;

Falkai et al., 2015) ist die deutsche Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5th ed.; DSM–5; American Psychiatric Association, 2013). Zur besseren Vergleichbarkeit werden die deutschen Versionen der Diagnostikmanuale gegenübergestellt.

In der deutschen Version fällt auf, dass die Codierungen nicht mehr nach DSM und ICD Codier-Schema angeführt sind, sondern nur mehr nach ICD, eine Vergleichstabelle liegt

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15 jedoch im Anhang bei. Zu den diagnostischen Kriterien der spezifischen Lernstörung kommt dazu, dass der Rückstand in der jeweiligen Fertigkeit „seit mindestens 6 Monaten vorliegt und trotz gezielter Intervention bestehen blieb“ (Falkai et al., 2015, S. 87). Das bedeutet in Bezug auf die Diagnostik eine Verschärfung der Kriterien gegenüber dem DSM-4, wo diese Bedingung nicht vorliegt.

Die im DSM-IV verlangte Diskrepanz zwischen der Schulleistung und der allgemeinen Intelligenz fällt im DSM-5, in Einklang mit dem aktuellen Forschungsstand (siehe Kapitel Diskrepanzhypothese) weg. Die Anordnung der Diagnosekriterien ist im DSM- IV getrennt für Lese- und Rechtschreibstörung, im DSM-5 jedoch unter Punkt A der diagnostischen Kriterien der spezifischen Lernstörung zusammengefasst. Danach muss bestimmt werden, ob eine Beeinträchtigung im Lesen, im schriftlichen Ausdruck oder im Rechnen vorliegt. Diese Aufschlüsselung ist übersichtlicher und spart Platz, da keine Bedingungen doppelt verzeichnet sind.

Bei der näheren Beschreibung des Kriteriums B, der dem Alter nicht angemessenen Leistung, wird eingeräumt, dass auch durch eine durchschnittliche Leistung, wenn dafür „ein außergewöhnlich hohes Maß an Anstrengung oder Unterstützung…“(Falkai et al., 2015, S.91) aufgewendet werden muss, das Kriterium erfüllt ist. Das macht die Diagnose bei Kindern möglich, die sonst erst später, aufgrund der steigenden Anforderungen, in ihrer Schullaufbahn zurückfallen würden. Das kann, wie im DSM-5 beschrieben, zum Beispiel bei hochbegabten SchülerInnen vorkommen. So kann man diese Kinder schon früher angemessen fördern, falls dafür eine Diagnose nötig ist.

Ein weiterer Punkt, der die Diagnose erleichtert, findet sich auch unter Kriterium B.

Wenn eine „dokumentierte Vorgeschichte von beeinträchtigenden Lernschwierigkeiten…“

(Falkai et al., 2015, S.88) vorliegt, kann für die Diagnose auf eine standardisierte Untersuchung verzichtet werden, sofern die Person mindestens 17 Jahre alt ist. Eine Unterschreitung des Altersmittelwertes der jeweiligen Fertigkeit von mindesten 1.5 Standardabweichungen wird verlangt, um spezifische Lernstörungen zu diagnostizieren. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Grenzwert kein natürlicher ist, sondern willkürlich gewählt wurde, um diagnostische Sicherheit zu gewährleisten. Unter den Umständen, dass sich zur Diagnosestellung mehrere Informationsquellen wie, neben standardisierten Tests, zum Beispiel „Hinweise aus der klinischen Untersuchung, der Schullaufbahn… [oder den]

Schulzeugnissen…“(Falkai et al., 2015, S.91 finden, kann die Unterschreitung des Mittelwerts auch nur eine Standardabweichung betragen und trotzdem die Diagnose gestellt werden.

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16 Eine Neuerung im DSM 5 ist auch die Einführung der Bestimmung des aktuellen Schweregrades. Dieser Punkt erlaubt bei der Diagnose zwischen leicht, mittel und schwer zu differenzieren. Von einer leichten Lernstörung spricht man, wenn nur „einzelne Schwierigkeiten“ (Falkai et al., 2015, S.89) vorliegen, die die Person durch Unterstützung oder Veränderung ihrer Aufgabenstellungen kompensieren kann. Die mittlere Schwere ist gegeben wenn „deutlichen Schwierigkeiten beim Erwerb von Fertigkeiten…“ vorliegen, die es unwahrscheinlich machen, dass die Person „ohne einige Phasen intensiver und spezieller Förderung während der Schuljahre…“ (Falkai et al., 2015, S.89) diese Probleme überwindet.

Darüber hinaus müssen gewisse Abläufe im Alltag modifiziert werden, um korrekt ausführbar zu sein. Die Lernstörung ist als schwer zu klassifizieren, wenn „stark ausgeprägte Schwierigkeiten“ es unwahrscheinlich machen, dass „ohne fortwährende intensive, individuelle und spezielle Förderung…“ (Falkai et al., 2015, S.89) die Fertigkeiten gelernt werden. Im Alltag gelingt es diesen Personen trotz Anpassung der Aufgaben nicht, all diese zu erledigen.

Die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, (ICD-10; Dilling, et al., 1991) führt die Lese- und Rechtschreibstörung F81.0 unter „umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“(S. 298). In diesem Manual wird zuerst auf die Hintergründe der Störungen eingegangen und die Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung behandelt.

Einen Unterschied zum DSM-5 bildet die Bedingung, dass „diese Störung in irgendeiner Form während der ersten Jahre der Beschulung vorhanden…“(Dilling et al., 1991, S. 296) sein muss. Das macht die Diagnose bei Kindern, die ihre Schwäche in diesem Bereich durch überdurchschnittliche Intelligenz die ersten Jahre kompensieren können, schwierig.

Diese bedienen sich laut Hannah (1989, zitiert nach Spalt, B. 2011, S. 40) ähnlicher hilfreicher Strategien wie gute Leser.

Die diagnostischen Leitlinien im ICD-10 verlangen eine Leistung im betroffenen Teilbereich die schlechter ist als 97% der Kinder im selben Alter, was 2 Standardabweichungen unter dem Mittelwert gleichkommt und somit etwas strenger ist als das DSM-5. Wie im DSM-IV ist zur Diagnose auch die Diskrepanz der Schulleistung zur Intelligenz notwendig. Es wird gefordert, „dass der Leistungsstand des Kindes eindeutig unter dem zu erwartendem Intelligenzalter liegen muss.“(Dilling et al., 1991, S. 297)

Die Lese- und Rechtschreibstörung F81.0 ist in ihren diagnostischen Richtlinien im ICD-10 eher auf die Probleme im Lesen als im Rechtschreiben fokussiert. Es findet sich nur die Bemerkung: „Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher.“(Dilling et

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17 al., 1991, S. 298) Ansonsten ist zur genaueren Bestimmung der Rechtschreibfähigkeit keine Anweisung gegeben. Bei einer Schwäche im Lesen wird die Rechtschreibschwäche automatisch mitdiagnostiziert, ohne geprüft worden zu sein, oder in den diagnostischen Kriterien aufzuscheinen. Das DSM bietet in diesem Fall zwar unter 315.00 die Lesestörung an, die aber wenn sie nach ICD-10 eingestuft werden soll, wieder als F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung diagnostiziert wird. Hier erkennt man die Unterschiede in den Manualen, die sich auch im DSM-5 in dieser Art fortsetzen.

Für die Diagnose der „isolierte Rechtschreibstörung“, findet man im ICD-10 unter F81.1 die notwendigen Kriterien. Diese Störung findet man, bezogen auf die hier verglichenen Manuale nur im ICD-10 als eigene Störung, im DSM-IV nicht und im DSM-5 nur als Unterpunkt der Beeinträchtigung des schriftlichen Ausdrucks. Von der Beeinträchtigung des schriftlichen Ausdrucks wird man aber nicht zurück auf F81.1 verwiesen, sondern zur fast gleichnamigen ICD Diagnose F81.81 entwicklungsbedingte expressive Schreibstörung. Besser wäre, im Falle einer Beeinträchtigung im Rechtschreiben, falls diese isoliert auftritt, F81.1 und im Falle beeinträchtigter Grammatik, Struktur des Textes oder Klarheit des schriftlichen Ausdrucks, F81.81zu codieren.

Den Vergleich der diagnostischen Manuale abschließend, wird eine Empfehlung für die Entwirrung der diagnostischen Unstimmigkeiten ausgesprochen. Würden die Kriterien in den gültigen Diagnostikmanualen übereinstimmen, würde es kein Problem darstellen, welches in der Praxis angewandt wird. Da ein neueres Werk eher dem Stand der Forschung entspricht als ein älteres, sollte, wenn es nur um die Aktualität geht, das neuere verwendet werden. Zu diesem Zeitpunkt wäre das das DSM-5. Da in Österreich laut der Homepage des Landesschulrates Tirol (Kaufmann, o.D.) zur Diagnosestellung jedoch die ICD Codierung verwendet wird, wäre das problematisch. Dank der Einbettung der ICD Codierung in das aktuelle DSM-5, ist es der DiagnostikerIn möglich, nach den aktuellsten Kriterien und dennoch mit einer ICD Codierung, ihre Diagnose zu stellen. Möglichen Missverständnissen, welche durch die Unterschiede in den bereits diskutierten Zuordnungen der Defizite zu den Codierungen entstehen könnten, kann durch exakte Aufzählung der möglichen defizitären Teilbereiche (Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis Rechtschreibung, Schriftlicher Ausdruck) bei der Codierung entgegen gewirkt werden.

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18 1.2.2 Zentrale Symptome im Entwicklungsverlauf

Den Erwerb der Lese und Rechtschreibfertigkeiten, entsprechend geltender Kriterien, zu beurteilen ist natürlich nur möglich, wenn das Lesen und Schreiben bereits gelehrt wurde.

Im Vorschulalter ist das noch nicht der Fall, jedoch gibt es andere Wege, mögliche spätere Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb zu erkennen. Ennemoser, Marx, Weber und Schneider (2012) diskutieren sogenannte Vorläuferfertigkeiten, wie zum Beispiel die phonologische Bewusstheit und das phonologische Arbeitsgedächtnis, welche Schlüsse auf das zukünftige Rechtschreiben zulassen. Die Abrufgeschwindigkeit aus dem Langzeitgedächtnis kann laut dieser Autoren als Vorläufer der Lesegeschwindigkeit gesehen werden, welche wiederum, gemeinsam mit dem Verständnis grammatikalischer Strukturen, das Leseverständnis vorhersagt.

Im ersten Schuljahr beginnt in Österreich der formale Lese- und Schreibunterricht.

Klicpera et al. (1993) führten in Wien eine Längsschnittstudie durch, um die Entwicklung des Lesens und Schreibens von der Einschulung bis in die achte Klasse zu verfolgen. Die gesamte Stichprobe umfasste 541 Kinder in 23 Grundschulklassen aus zehn Schulen in einem Arbeiterbezirk der Stadt. Die AutorInnen haben mit ihrer Arbeit den Verlauf und somit auch die Entwicklung möglicher Probleme im Schriftspracherwerb erforscht. Um den Entwicklungsverlauf des Lesens in der ersten Klasse zu erforschen, teilten sie eine Substichprobe von Erstklässlern (n=82), mittels Clusteranalyse der Leseleistungen während des ersten Schuljahres am Ende dieser Klasse, in drei Gruppen ein. Es ergab sich eine Gruppe ohne Probleme (durchwegs gute LeserInnen: 59.8%), eine die nur anfangs Schwierigkeiten hatte (anfangs schwache LeserInnen: 31.7%) und eine Gruppe, die das gesamte erste Schuljahr Probleme mit dem Lesen hatte (durchwegs schwache LeserInnen: 8.5%, S.27). Die Einteilung in diese Gruppen erfolgte anhand der Lesefehler und der Lesegeschwindigkeit zu den drei Testzeitpunkten.

Die AutorInnen die Entwicklung der gebildeten Gruppen genauer beschrieben. Die Gruppe der durchwegs schwachen LeserInnen machte von Anfang an viel mehr Fehler als die anderen Kinder, aber verbesserte sich in der ersten Hälfte der ersten Klasse auch am stärksten.

In der zweiten Hälfte dieses Schuljahres verbesserten sie sich gleich schnell wie die Gruppe der nur anfangs schlechten LeserInnen, konnten zu diesen wegen ihres schlechten Ausgangsniveaus jedoch nicht aufschließen. Die AutorInnen betrachteten neben den Lesefehlern auch die Lesegeschwindigkeit der drei gebildeten Gruppen. Dabei konnte sich nur die durchwegs gute Gruppe signifikant von den beiden schlechteren Gruppen abheben.

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19 Der Grund dafür wird von den AutorInnen in der noch nicht vorhandenen Lesesicherheit der beiden schwächeren Gruppen vermutet. Jene Kinder, die im Laufe der ersten Klasse keine Schwierigkeiten beim Lesen lernen hatten, lesen am Ende dieser Schulstufe auch schneller als die anderen beiden Gruppen. Den Grund für das schlechte Lesenlernen der beiden schlechteren Gruppen, sehen Klicpera et al. (1993) in der fehlenden Einsicht in die Graphem- Phonem Relation. Das zeigte sich auch in einem wesentlich schlechterem Abschneiden dieser beiden Gruppen beim Lesen von unbekannten Wörtern und Pseudowörtern. Bei den Pseudowörtern konnten die schlechtesten LeserInnen am Ender der ersten Klasse nur etwa die Hälfte richtig vorlesen, die besseren wiesen nur eine Fehlerquote von 10% auf. Bei bekannten Wörtern schnitten die durchwegs schlechten LeserInnen wesentlich schlechter ab als die nur anfangs schlechten LeserInnen. Letztere konnten, laut den AutorInnen, ihre Schwierigkeiten bis zum Ende des ersten Schuljahres durch Nutzen ihres aufgebauten Sichtwortschatzes, also einem Lexikon bekannter Wörter, ausgleichen. Klicpera et al. (1993) erklären weiter, dass aus den bekannten Wörtern Regeln zur Graphem-Phonem Relation abgeleitet werden, was den durchwegs schlechten LeserInnen am Ende der ersten Kasse noch nicht gelungen war.

Wie die AutorInnen berichten, unterschieden sich die Lesefehler der drei Gruppen in verschiedenen Punkten. Die anfangs schlechten LeserInnen bedienen sich zu Beginn der logographischen und der alphabetischen Strategie, abhängig davon ob ein Wort bekannt oder unbekannt war. Ihre Fehler waren bei bekannten Wörtern eher unähnlich zum Zielwort, was auf ein logographisches Raten hinweist. Bei unbekannten Wörtern zeigten sie aber Lesefehler die sich dem Zielwort annähern, was laut den AutorInnen auf einen alphabetische Lesestrategie schließen lässt, mit welcher sie anfangs nur nicht so gute Ergebnisse erzielen konnten, wie ihre gut lesenden MitschülerInnen. Die durchwegs schlechten LeserInnen zeigten zu Beginn der Beschulung keine Anzeichen für den Einsatz einer alphabetischen Lesestrategie. Bei ihnen waren die Lesefehler von bekannten, unbekannten und Pseudowörtern den Zielwörtern unähnlich. In denselben drei Gruppen wurden auch Unterschiede in der Anwendung des Dehnlesens, einem buchstabenweisen gedehnten Erlesen, während des ersten Schuljahres von den AutorInnen festgestellt. Die guten und die anfangs schwachen LeserInnen zeigten einen ähnlichen, abnehmenden Verlauf über das erste Schuljahr. Die durchgehend schwachen LeserInnen setzten das Dehnlesen anfangs nie ein, in der Mitte des Schuljahres aber wesentlich öfter als die anderen Kinder.

Zusammenfassend erklären Klicpera et al. (1993) die Unterschiede im Leseverhalten der drei gebildeten Gruppen durch die unterschiedlichen Strategien die angewandt werden, um zu lesen. Die Gruppe der guten LeserInnen verwendeten von Anfang an keine

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20 logographischen Strategien mehr, die anfangs schwachen LeserInnen benutzten diese Strategie noch zum Teil und legen sie dann im Laufe des Schuljahres ab. Die leseschwachen Kinder bedienten sich am Beginn des Schuljahres ausschließlich der logographischen Strategie, was man aus den Fehlerarten schließen kann. Sie verbesserten sich zwar auch über das erste Jahr und veränderten ihre Lesestrategie, konnten aber laut den AutorInnen nur

„…ungenügendes Wissen über die Schrift…“(S.32) aufbauen. Die gelernten Buchstaben zu benennen, verursachte den leseschwachen Kindern sogar noch am Ende der ersten Klasse Probleme.

Die Relevanz der Forschung von Klicpera et al. (1993) für diese Arbeit ergibt sich aus den Symptomen, die sich im Verlauf bei jenen Kindern zeigen, welche in ihrer Schriftsprachentwicklung gestört sind. Kennt man die Symptome zu einem Zeitpunkt, an dem man noch gut in die Entwicklung des Lesens und Schreibens eingreifen kann, ist man in der Lage die gefährdeten Kinder zu erkennen und bei ihnen Therapiemaßnahmen einzuleiten.

Schwache SchülerInnen lernen nicht nur langsamer, sie werden durch den für sie zu schnell fortschreitenden Unterricht dazu gezwungen, andere Strategien anzuwenden um mitzuhalten (siehe Erwerbsmodell von Frith). Diese Strategien blockieren jedoch das Weiterentwickeln ihrer schriftsprachlichen Fähigkeiten und sie bleiben so weiter in ihrer Entwicklung zurück (Klicpera et al. 1993). Jene Kinder, die durch die Clusteranalyse der Autoren der Gruppe der durchwegs schwache LeserInnen zugeordnet wurden, gehören alle auch beim dem Lesetest am Ende der ersten Klasse zu den schwächsten 15%. Diese Stabilität zeigt sich auch im oberen Leistungsbereich, wo die besten 30% beim Lesetest am Ende des Schuljahres aus der Gruppe der durchwegs guten LeserInnen stammen. Im mittleren Leistungsbereich des Lesetests am Ender der ersten Klasse fanden die AutorInnen sowohl gute, als auch solche LeserInnen, die anfangs schlecht waren. Dadurch zeigt sich, dass die Entwicklung des Lesens in der ersten Klasse noch nicht durchwegs stabil ist. Eine zuverlässige Identifikation der gefährdeten Kinder scheint im Verlauf des ersten Schuljahres noch nicht möglich zu sein.

In der weiteren Entwicklung nach der ersten Kasse fielen die schwächsten Leser weiter zurück. Die durchschnittlichen Kinder lesen im Verlauf der ersten vier Schuljahre immer genauer und schneller. Die Lesefehler fallen für Wortlisten unter 5% während sich die Geschwindigkeit von der ersten bis zur vierten Klasse auf ungefähr 90 Wörter in der Minute verdreifacht. Doch nicht alle Kinder schaffen es, sich so stark zu verbessern. Zwischen den Kindern einer Klassenstufe gibt es immer größere Unterschiede in der Leseleistung. In der dritten Klasse liegen 25% der Kinder dieser Klasse am Leseniveau eines durchschnittlichen Kindes am Ende der zweiten Klasse. Am Ende der Volksschulzeit sind 14% noch immer auf

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21 diesem Niveau und 7.3% bleiben bis zum Ende der achten Klasse dort. Wie beim Lesen bleiben auch beim Rechtschreiben die schlechtesten Kinder in ihrer Leistung weit hinter dem Durchschnitt zurück. Während sich durchschnittlich die Fehler in Standardisierten Rechtschreibtests (DRT 2+, Müller, 1975; DRT 3+, Müller, 1973) ab der zweiten Klasse bis zum Ende der Grundschulzeit jährlich halbieren, haben am Ende der vierten Klasse ungefähr 5% der Kinder einen Rückstand von mehr als zwei Jahren und nach 8 Jahren liegen 15% mehr als vier Jahre zurück (im DRT3+). Klicpera et al. (1993) führten auch eine qualitative Fehleranalyse für die Verwendeten Rechtschreibtests (DRT 2+, DRT 3+) durch, bei der sie drei Fehlerarten unterschieden.

 Bei graphemischen Fehlern wurde ein falscher Buchstabe wegen optischer Verwechslung im Wort verwendet.

 Orthographische Fehler wurden verzeichnet, wenn zwar lauttreu, aber nicht den Rechtschreibregeln entsprechend geschrieben wurde.

 Phonematische Fehler codieren die Autoren, wenn die Phonemfolge nicht korrekt wiedergegeben wird, also das Wort nicht lauttreu geschrieben wird.

Die Ergebnisse der Fehleranalyse zeigten eine ähnlich starke Abnahme aller Fehlerarten über die Grundschulzeit. Um zu prüfen ob die schwächsten Kinder im Rechtscheiben bestimmte Fehler in einer bestimmten Klasse öfter machen, als ihre durchschnittlichen oder guten KlassenkameradInnen, wurden die Kinder nach Prozenträngen(100-71 gut, 70-31 durchschnittlich, 30-16 unterdurchschnittlich, 1-16 schwach) in vier Leistungsgruppen anhand ihrer Fehleranzahl bei den Rechtschreibtests eingeteilt. Dabei zeigte sich, dass in der zweiten Klasse ein Unterschied in der Häufigkeit der phonematischen Fehler besteht. Die schwachen Kinder machen 37.7%, die guten nur 9.6%

phonematische Fehler. Diese Fehlerverteilung weist durch den hohen Anteil der phonematischen Fehler, also der nicht lauttreuen Schreibungen, darauf hin, dass die schwachen Kinder das alphabetische Stadium nach Frith in der zweiten Klasse noch nicht vollständig erreicht haben.

Am Ende der Grundschulzeit machen selbst schwache Kinder weniger phonematische Fehler (19.6%), zeigen aber mit mehr orthografischen Fehlern (24%) einen klaren Nachteil gegenüber den guten Kindern (1,5%). Damit stellen die Autoren fest, dass sich die schwachen RechtschreiberInnen nicht nur in der Anzahl ihrer Fehler, sondern auch in der Verteilung der Fehlertypen in den Jahren der Grundschulzeit unterscheiden. Sie betonen aber auch, dass das Fehlerprofil der älteren rechtschreibschwachen Kinder ungefähr dem der jüngeren

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22 durchschnittlichen Kinder entspricht. Der relative Anteil Fehler, die durch falsche Orientierung oder Umstellung von Buchstaben verursacht wurden, war bei guten und schlechten SchülerInnen gleich groß. Dadurch gehen die Autorinnen davon aus, dass sie nicht typisch für Rechtschreibschwache Kinder sind.

Zusammenfassend lernen die rechtschreibschwachen Kinder in der Grundschule nicht gleich sicher schreiben wie ihre MitschülerInnen. Während die durchschnittlichen Kinder in der ersten Klasse das Analysieren von Phonemfolgen lernen, diese in Grapheme umsetzen und somit lauttreu schreiben können, benötigen Rechtschreibschwache Kinder die gesamte Grundschulzeit um das zu schaffen. Das bedeutet nicht, dass diese in der vierten Klasse am Stand eines Kindes der ersten Klasse sind, bringt aber große Probleme im Schreiben mit sich.

Die Entwicklung der Schriftsprachlichen Fertigkeiten verläuft nicht nur langsamer, sondern auch anders als bei durchschnittlichen Kindern. Dadurch kann der normale Unterricht auch nicht ausreichend für jene sein, die sich nicht nach diesem Zeitplan entwickeln. Wie überdauernd die Probleme der Kinder mit Schriftsprachlichen Entwicklungsstörungen sind, erläutert der nächste Abschnitt

1.2.3 Befunde zur Stabilität

Um den Verlauf des Schriftspracherwerbs und die damit verbundenen Problem zu beobachten, eignet sich am besten eine Längsschnittstudie, welche die Kinder in ihrer Schullaufbahn begleitet. Klicpera Gasteiger-Klicpera & Schabmann (1994) habe das mit 23 Klassen in Wien durchgeführt und 283 Kinder am Ende der zweiten, dritten vierten und achten Klasse untersucht. Nach Auswertung der Tests wurden die Kinder nach ihren Leistungen im Lesen und Schreiben bei der Testung in der zweiten Klasse in Verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der gebildeten Gruppen durch den Vergleich der Zuordnung am Ender der zweiten Klasse, verglichen mit der Zuordnung am Ende der achten Klasse. Man sieht, dass sich nicht alle Gruppen gleich entwickelt haben. Am stabilsten ist die Gruppe der isoliert Leseschwachen, in der 83% zum Zeitpunkt der zweiten Testung gleich zugeordnet werden. Bei den Unauffälligen Kindern, die in der Tabelle 1 als

„Gut“ klassifiziert werden, schafften es 81% auch zum zweiten Testzeitpunkt gut abzuschneiden. Einige wenige Kinder dieser Gruppe entwickeln jedoch isolierte Lese-(1%) oder Rechtschreibschwierigkeiten (3%). Die lese- und rechtschreibschwachen Kinder behalten zu 64% beide Defizite bis zur achten Klasse, 10% sind jedoch nur mehr im Rechtschreiben, 3% nur mehr im Lesen schwach. Die isolierte Rechtschreibschwäche verhält

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23 sich anders als die anderen gebildeten Gruppen. Nur 22% bleiben dieser Gruppe zugeordnet, während 44% sich verbessern und 26% eine zusätzliche Leseschwäche entwickeln.

Tabelle 1

Entnommen aus Klicpera et al. (1994, Tabelle 1).

Soziales Umfeld

Die AutorInnen berichten, dass sich die Gruppen der Kinder mit überdauernden Rechtschreibschwierigkeiten und die mit überdauernden Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten in ihrem sozialen Umfeld recht ähnlich sind. In beiden Fällen wird von Familien mit drei und mehr Kindern berichtet und von einem niedrigen Bildungsniveau der Eltern. Die Wichtigkeit der Bildung der Mutter wird besonders hervorgehoben, da diese in den meisten Fällen die Person ist, die dem Kind bei seinen Aufgaben hilft. Kann die Mutter nicht helfen, folgt daraus eine geringere Förderung des Kindes.

Lesefehler und Geschwindigkeit

Die mündliche Lesefähigkeit wurde von Klicpera, Schabmann & Gasteiger Klicpera (1993) mit dem Züricher Lesetest (ZLT, Linder & Grissemann 1980) erhoben. Klicpera et al.

(1993) betonen, dass es wichtig ist Lesegeschwindigkeit und Lesegenauigkeit getrennt zu erheben, da diese eine unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Von den Autoren wurden Wortlisten und zusammenhängende Texte als Lesematerial vorgelegt. Im Durchschnitt verringert sich die Fehleranzahl beim Lesen von der ersten bis zur achten Klasse. Bei dem Lesen von Wortlisten werden in der ersten Klasse mehr Fehler gemacht als bei den zusammenhängenden Texten. Die Lesefehler bei den Listen nehmen aber ab dem Ende der

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24 Grundschule stärker ab und so ergeben sich in der achten Klasse weniger Fehler beim Listenlesen. Die Autoren geben zu bedenken, dass das jedoch nicht bedeutet, dass die Geschichten deshalb schlechter gelesen werden, sondern beim Textlesen Fehler begangen werden die den Sinn des Texts nicht verändern und somit unproblematisch sind.

Die Lesegeschwindigkeit nimmt über den gesamten beobachteten Zeitraum zu. Zu allen Testzeitpunkten wurden die Geschichten schneller gelesen als die Listen. Das führen die Autoren auf den Kontext zurück, der das schnellere Lesen erleichtert. Im Laufe der Schulzeit ist auch die Zunahme der Geschwindigkeit bei den zusammenhängenden Texten größer.

Betrachtet man die individuellen Unterschiede in der Leseleistung der Stichprobe von Klicpera et al. (1993) über die Schulzeit zeichnet sich ab, das das Niveau auf dem die Kinder lesen sehr unterschiedlich ist. Die maximale Fehleranzahl beim Lesen (Listen und zusammenhängende Texte kombiniert) verringert sich erst in der vierten Klasse erheblich. Sie liegt in der ersten bei 22% in der dritten bei 20% und erst in der vierten Klasse bei 12%. Die schlechtesten machen jedoch in der achten Klasse noch immer 11% Fehler. Als Kontrast dazu gibt es ab der zweiten Klasse 9%, ab der dritten 14% und bis zur achten 33% der Kinder die fehlerfrei lesen können. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten der Kinder, die mehr Lesefehler begehen als ihre MitschülerInnen, verringert sich insgesamt der Unterschied in der Lesesicherheit zwischen den Kindern.

Bei der Lesegeschwindigkeit zeigt sich auch ein Leistungsrückstand für einen Teil der Kinder. Ein Viertel der SchülerInnen liegt in den ersten vier Schuljahren mehr als ein Jahr zurück, 10% liegen zwei Jahre zurück. In der achten Klasse gibt es noch immer 11% die in ihrer Lesegeschwindigkeit vier Jahre Rückstand haben. Die Verbesserung der Lesegeschwindigkeit in den ersten vier Schuljahren ist davon abhängig in welcher Leistungsstufe sich ein Kind befindet. Der Zuwachs an gelesenen Wörtern ist größer, wenn ein Kind besser ist. Das Verursacht den Effekt, dass sich die Kluft zwischen dem Leseniveau der schlechteren und der besseren Leser immer weiter vergrößert. Die Leistungsgruppen der Lesesicherheit und Lesegeschwindigkeit, die die AutorInnen nach Prozenträngen, basierend auf den Lesefehlern zum Testzeitpunkt in der zweiten Klasse, einteilen(sehr schwach PR<5, schwach PR 6-15, unterdurchschnittlich PR 16-30, durchschnittlich 31-70, gut PR > 70), erwiesen sich für beide erhobenen Fähigkeiten als stabil über die Dauer der Schulzeit. Der Großteil der Kinder jeder Gruppe wurde zum ersten und zum letzten Testzeitpunkt der selben Leistungsgruppe zugeordnet. Am stabilsten erwiesen sich die sehr Schwachen und die Guten, bei denen meist mehr als die Hälfte der Kinder an beiden Testzeitpunkten in die selbe Gruppe fielen. In den durchschnittlicheren Gruppen war die Stabilität nicht ganz so hoch, wenn die

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25 Kinder jedoch besser oder schlechter wurden, dann meist nur um einen Leistungsschritt nach oben oder unten.

Der Verlauf der Rechtschreibentwicklung ist vor allem in den ersten vier Schuljahren interessant. In dieser Zeit werden von den meisten SchülerInnen große Fortschritte gemacht und es ergibt sich ein Deckeneffekt der Rechtschreibleistung am Ender der Grundschulzeit (Klicpera et al. 1993). Wie auch beim Lesen berichten die Autoren von großen interindividuellen Unterschieden zwischen den durchschnittlichen und den schlechtesten jeder Klasse. Auch hier liegen ungefähr 10% bis 15% um ein Schuljahr in ihrer Rechtschreibleistung zurück. Zum letzten Messzeitpunk war der Unterschied noch größer.

Hier schreiben 15% weniger Wörter richtig als durchschnittliche ViertklässlerInnen, 10% sind unter dem Mittel der dritten Klasse. Das bedeutet, dass ein Drittel der Wörter von den Schlechtesten falsch geschrieben wird. Die Leistungsgruppen im Rechtschreiben bleiben über die Schulzeit recht stabil. Vor allem kommt das, wie auch beim Lesen, vor allem bei den Extremgruppen zu tragen. Die Autoren haben festgestellt, dass 75% der Kinder, die in der Zweiten gut sind, dieses Niveau bis in die achte Klasse halten können. Auch die unteren Extremgruppen sind stabil. Von den sehr schwachen schafft es nur ein Kind zum Durchschnitt aufzuschließen, von den schwachen nur 13%.Ungefähr die Hälfte der unterdurchschnittlichen Kinder schafft den Aufstieg zu den Durchschnittlichen, 20% verschlechtern sich jedoch.

Landerl und Wimmer (2008) haben sich in einer Längsschnittstudie über acht Jahre auch mit der Stabilität des Lesens und Rechtschreibens beschäftigt. Die Autoren testeten am Ende der ersten Klasse, in der vierten Klasse und in der achten Klasse die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten der Kinder. Wie auch Klicpera et al. (1993) konnten sie eine hohe Stabilität der Leseleistung der Kinder feststellen, vor allem in den Extremgruppen. Besonders interessant an der Studie von Landerl et al. (2008) ist, dass der erste Messzeitpunkt am Ende des ersten Schuljahres liegt. Die Rechtschreibleistung, die von ihnen über die zumindest lauttreue Schreibung der Diktatwörter definiert wurde, konnte die orthographische Rechtschreibleistung in der achten Klasse vorhersagen. Jene Kinder, welche am Ender der ersten Klasse mit ihrer Leistung eine Standardabweichung unter dem Durchschnitt lagen (n=15), waren in der achten Klasse fast alle, auch unterdurchschnittliche Rechtschreiber.

Die Gründe für die Stabilität der Leistungen im Lesen und Rechtschreiben sehen Klicpera et al. (1993) im Unterricht und in der Förderung durch Eltern und Schule. Es ergibt sich für die schwächeren Kinder bei dem üblichen Frontalunterricht weniger oft die Möglichkeit zu üben und zusätzlich ist nicht jede gelehrte Strategie für alle Leistungsgruppen angemessen. Die Förderung durch die Eltern ist bei den schwächsten Kindern auch nicht

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26 optimal. In der ersten Klasse wird zu wenig gefördert. In der zweiten Klasse kommt es zwar zu einem Anstieg, jedoch wird dieses Level an Unterstützung nicht lange genug gehalten und vermutlich wegen mangelnder Verbesserung wieder reduziert. Die Förderung in der Schule hat vom Umfang her laut den Autoren auch eher eine Alibifunktion.

Aus Sicht der Diagnostik führen die Daten zum Verlauf und der Stabilität der Lese- und Rechtschreibleistung zu dem Wunsch, die Kinder möglichst früh zu zumindest durchschnittlichen Lesern und Rechtschreibern zu machen. Wenn man bedenkt, dass zwischen Ende der ersten und zweiten Klasse schon der Grundstein für die folgende Schriftsprachliche Entwicklung gelegt ist, will man die Kinder zu diesem Zeitpunkt schon soweit gefördert haben, dass sich ihr Rückstand nicht vergrößert. Dies gelingt jedoch nur, wenn man Schwierigkeiten in der Entwicklung früh genug genau erkennt und dann entsprechende Fördermaßnahmen einleitet. Wie jedoch Landerl et al. (2008) diskutieren, ist die Verbesserung der äußerst stabilen Lesegeschwindigkeit wesentlich schwieriger, als die der Lesegenauigkeit. Dazu kommt laut den Autoren das Problem, dass die angebotenen Fördermaßnahmen größtenteils die phonologische Bewusstheit fördern, welche eher die Lesegenauigkeit als die Geschwindigkeit positiv beeinflusst. Somit wird die Förderung der Lesegeschwindigkeit vernachlässigt. Dass die Langzeitprognose für Kinder mit gestörter Schriftsprachlicher Entwicklung eher schlecht ist, wurde in diesem Abschnitt beschrieben.

Wie sich Lese- und Rechtschreibproblem einzeln oder in Kombination auswirken, wird im folgenden Abschnitt behandelt.

1.2.4 Defizite im Lesen und/oder Rechtschreiben

Die Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb sind, wie schon in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, nicht bei allen Kindern gleich. Es unterscheiden sich auch die Prävalenzraten für die isolierte Leseschwäche (6.49%), die isolierte Rechtschreibschwäche (6.67%) und die Lese- und Rechtschreibschwäche (3.74%, Cutoff 1SD; Moll, Kunze, Neuhoff, Bruder, Schulte-Körne, 2014). Zur Beschreibung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten in den ersten Schuljahren wird das Verhältnis der verschiedenen Schriftsprachlichen Problembereiche zueinander behandelt. Es soll anhand von Beispielen aus der empirischen Forschung gezeigt werden, wie sich Defizite im Lesen und im Rechtschreiben zueinander verhalten. Klicpera et al. (1993, S. 147) haben in ihrer Längsschnittstudie an ihren Lese- und Rechtschreibdaten aus zweiten und vierten Kassen verglichen, ob die Kinder mit isolierter Rechtschreibschwäche, Lese- und

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27 Rechtschreibschwäche und isolierter Leseschwäche unterschiedlich Rechtschreiben. Diese Gruppen wurden anhand der Leistung im Lesen und Rechtschreiben bei der Messung in der zweiten Klasse gebildet. Die isoliert Leseschwachen zeigten durchwegs vergleichbare Rechtschreibleistungen wie die nicht beeinträchtigte Gruppe. Zum Messzeitpunkt Mitte der zweiten Klasse produzierten die lese- und rechtschreibschwachen Kinder bei gleicher Gesamtfehleranzahl beim Rechtschreiben mehr nicht lauttreue Fehlschreibungen, als ihre isoliert rechtschreibschwachen MitschülerInnen. Das Fehlerprofil der Kinder mit Lese- Rechtschreibschwäche und mit isolierter Rechtschreibschwäche hatte sich bis zur Messung in der vierten Klasse verändert. Die Kinder mit isolierter Rechtschreibschwäche waren zu diesem Zeitpunkt in der Gesamtfehleranzahl beim Rechtschreiben wesentlich besser als die Lese- und Rechtschreibschwachen. Da die Lese- und Rechtschreibschwachen von allen ihren Fehlern einen größeren Anteil an lauttreuen Fehlschreibungen als in der zweiten Kasse produzieren, glich sich ihr Fehlerprofil dadurch dem der isoliert Rechtschreibschwachen an.

Damit machen sie weniger nicht lauttreue Fehler als noch in der zweiten Klasse. In der gleichen Stichprobe wurden auch die Lesesicherheit und Lesegeschwindigkeit in den gebildeten Gruppen miteinander verglichen. Die Testzeitpunkte waren zu Beginn der dritten Klasse, am Ende der vierten und am Ende der achten Klasse. Die Autoren fanden bei den isoliert Rechtschreibschwachen keinen Nachteil bei den Lesefertigkeiten, verglichen mit unauffälligen Kindern. Die isoliert Leseschwachen begingen gleich viele Lesefehler wie die Lese- und Rechtschreibschwachen. Der Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte jedoch eine langsamere Lesegeschwindigkeit der isoliert Leseschwachen. Dieser Unterschied existierte aber nur für seltene Wörter und Pseudowörter, nicht für häufige Wörter. Aus diesen Daten zum Lesen und Rechtschreiben schließen Klicpera et al. (1993), dass die frühen Lesefertigkeiten wichtiger für die Schriftsprachliche Entwicklung sind, als das Rechtschreiben, bei welchem die Kinder ihre Defizite noch eher über die Schullaufbahn kompensieren können. Da die Unterschiede bezüglich der Form, in der die schriftsprachlichen Fähigkeiten in ihrer Entwicklung gestört sind, die Frage nach dem Ursprung dieser Probleme aufwerfen, werden in den folgenden Abschnitten einige etablierte Verursachungsmodelle zur Lese- und Rechtschreibschwäche dargestellt.

(28)

28 1.2.5 Zentrale Verursachungsmodelle der Lese- und Rechtschreibschwäche

1.2.5.1 Vererbung/Genetik

Bei der Überprüfung, ob die Gene bei der Sprachentwicklung eine Rolle spielen, werden, wie bei anderen Fragen zur Vererbung, Zwillingsstudien durchgeführt. Dabei werden wie in der Arbeit von Olson et al. (2013) dargestellt, eineiige(EE) und zweieiige(ZE) Zwillingspaare in ihrer Entwicklung miteinander verglichen. Da sich die EE Zwillinge in ihrem Erbgut nicht unterscheiden, und die ZE sich die Hälfte ihres Erbgutes teilen, kann diese Differenz genutzt werden um Umwelteinflüsse und Einflüsse durch das Erbmaterial zu schätzen. Harlaar, Spinath, Dale & Plomin (2005) führten eine Zwillingsstudie durch, bei der der Zusammenhang der Gene und der frühen Leseentwicklung untersucht wurde. Als Gruppen mit einer Lesestörung wurden bei Harlaar et al. (2005) die schlechtesten zehn und fünf Prozent des TOWRE (Torgesen, Wagner & Rashotte, 1999), eines Wortlesetests, definiert. Die AutorInnen sehen auch davon ab, ein Intelligenzkriterium in Bezug auf die Einstufung in die Gruppe der Leseschwachen zu verwenden (siehe Kapitel Diskrepanzkriterium). Die Varianz in den TOWRE Ergebnissen der gesamten Stichprobe wird zu .65 für Buben und .67 für Mädchen durch genetische Faktoren aufgeklärt. Das bedeutet, dass die Unterschiede in der Wortlesefähigkeit stärker durch Gene als durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. Für die beiden gebildeten Gruppen der Leseschwachen mit einem 10%igen und 5%igen Cutoff-Kriterium ergaben sich auch Erblichkeiten von hg2

=.68 und .60 für Buben und hg2

=.50 und .40 für Mädchen. Das weist auf einen stärkeren genetischen Einfluss für Buben im Vergleich zu Mädchen im Bereich der schlechtesten fünf Prozent im Lesen hin. Es wurden zwei verschiedenen Cutoffs verwendet, um den genetischen Einfluss auf die verschieden starken Ausprägungen der Leseschwäche zu erforschen. Der wichtigste Schluss, der laut den AutorInnen aus deren Daten gezogen werden kann ist, dass die Varianz über den gesamten Leistungsbereich genetisch beeinflusst wird. In den folgenden Abschnitten wird auf Kognitive Verursachungsmodelle eingegangen.

1.2.5.2 Kognitive Verursachungsmodelle 1.2.5.3 Phonologisches Defizit

Die phonologische Defizithypothese von Stanovich und Siegel (1994) wird von Elliott und Grigorenko (2014) diskutiert. Die Autoren nehmen an, dass betroffene Kinder Phoneme

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29 nur ungenau speichern können. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten in den Teilbereichen der phonologischen Verarbeitung, die in diesem Abschnitt beschrieben werden.

Um die phonologische-Defizittheorie zu erläutern, ist es vorab notwendig, einige Begrifflichkeiten zu klären. Spricht man von diesem Defizit, muss man festlegen, welche Bereiche der phonologischen Verarbeitung man einbezieht und was man überhaupt als phonologische Verarbeitung definiert. Wie Elliott et al. (2014) umfassend den aktuellen Stand der Forschung diskutieren, bestehen für verschieden Forschergruppen unterschiedliche Zuordnungen und Reihenfolgen in der Hierarchie der Teilbereiche der phonologischen Verarbeitung. Als Anhaltspunkt wird hier die Definition von Goswami und Bryant (1990;

zitiert nach Castles & Coltheart, 2004, S. 78) „…phonological awareness refers to the ability to perceive and manipulate the sounds of spoken words.“ verwendet. Das verbale Kurzzeitgedächtnis und die Geschwindigkeit des Abrufs phonologischer Information aus dem Langzeitgedächtnis (in dieser Arbeit im Rahmen der Doppeldefizithypothese diskutiert), werden der Ansicht von Elliot und Grigorenko (2014) folgend, nicht miteinbezogen. Es soll an dieser Stelle lediglich die verminderte phonologische Bewusstheit und ihre Auswirkung besprochen werden. Außerdem wird kurz auf die möglichen neurologischen Hintergründe eines phonologischen Defizits, in der betreffenden Studie, samt Arbeitsgedächtnis und schnellem Benennen, eingegangen. Paulesu et al. (2001) zeigten an Dyslektikern aus England, Frankreich und Italien mittels PET-Scan die unterschiedliche Aktivierung des Gehirns beim Lesen verglichen mit Kontrollgruppen aus den entsprechenden Ländern. Die StudienteilnehmerInnen waren alle StudentInnen, um so schlechte Bildung und beeinträchtigte Intelligenz auszuschließen. Es zeigte sich während der Leseaufgabe bei den Kontrollpersonen eine stärkere Aktivierung im perisylvischen Cortex als bei den Dyslektikern. In allen Substichproben der verschieden Länder ergaben sich in den phonologischen Aufgaben (Wortspanne, Spoonerism (Vertauschung von Lauten oder Silben zwischen zwei Wörtern), Zahlen benennen) und in den Leseaufgaben (Wort und Pseudowort) für die Dyslektiker schlechtere Leistungen als für die Kontrollpersonen. Daraus schließen die AutorInnen, dass einer Lese- und Rechtschreibstörung in allen geprüften Orthographien ein gemeinsames neurokognitives Defizit zugrunde liegt, welches sich in flacheren Orthographien, also solchen mit starker Graphem-Phonem Korrespondenzen, nur weniger stark auswirkt. Die ungenaue Speicherung von Wörtern verhindert auch den Aufbau einer guten Verknüpfung der Schriftwörter mit den entsprechenden phonologischen Repräsentationen. Das wiederum beeinflusst die Lesegeschwindigkeit negativ. Wie schon von Paulesu et al. (2001) festgestellt haben, wirkt sich das phonologische Defizit in flacheren

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30 Orthographien weniger schlimm aus. Nun soll das an Studien aus dem deutschen Sprachraum genauer dargestellt werden. Landerl et al. (2013) untersuchten im Rahmen einer sprachvergleichenden Studie 518 Kontrollkinder und 425 dyslektische Kinder aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden(Alter 8-12 Jahre). Diese bildeten in der Gesamtstichprobe von 2252 Kindern die Gruppe der mittleren Sprachkomplexität. Die AutorInnen verwendeten Phonemauslassungen, um phonemische Bewusstheit zu operationalisieren. Eine um eine Standardabweichung niedrigere Leistung bei dieser Aufgabe, schlägt sich in dieser Gruppe durch eine Verdreifachung des relativen Risikos für Dyslexie (Relatives Risiko = 2.92) nieder. Bei komplexeren Orthographien (Englisch, Französisch) stieg das relative Risiko auf 4.39. Die AutorInnen zeigen so, dass die phonemische Bewusstheit als Prädiktor für Dyslexie gesehen werden kann, merken aber an, dass man Prädiktor in diesem Fall nur als statistischen Prädiktor interpretieren darf. Sie verweisen auf Längsschnittstudien um zu zeigen, ob sich Dyslexie vorhersagen lässt.

Um einen Schritt weiter zu gehen, werden durch eine Arbeit von Schneider, Roth und Ennemoser (2000) die Auswirkungen von einem Training der phonologischen Bewusstheit im deutschen Sprachraum gezeigt. Es handelt sich dabei natürlich um eine Trainigsstudie bei welcher die Kinder vor Schuleintritt selektiert und trainiert werden. Das bringt den Vorteil eines experimentellen Versuchsdesigns. Es wurden drei verschiedene Trainingsprogramme mit Kindergartenkindern durchgeführt (PA, Graphem-Phonem Korrespondenz, PA+

Graphem-Phonem Korrespondenz). Nach dem Screening mit dem Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, (BSIC; Jansen, Mannhaupt, Marx, &

Skowronek, 1999) wurden aus der Gesamtstichprobe (n = 726) die schlechtesten 25% als Risikokinder definiert. Nach Dropouts konnten die Daten von 138 Risiko- und 115 Kontrollkindern analysiert werden. Das wirksamste Trainingsprogramm war das der phonologischen Bewusstheit und Graphem-Phonem Korrespondenz, bei welchem die im Kindergarten als Risikokinder eingestuften in ihrer Rechtschreibleistung am Ende der ersten und zweiten Klasse zur Kontrollgruppe aufschließen konnten. Die rein phonologische Trainingsgruppe schaffte das zwar nicht ganz, konnte jedoch in Bezug auf die Altersnormen in den abgelegten Tests (Weingartener Grundwortschatz Rechtschreibtest, Birkel 1995;

DRT 2, Müller 1982) durchschnittliche Werte erzielen. Die Leseleistung der Kinder konnte durch das Training nicht so gut wie das Schreiben gesteigert werden. Schneider et al. (2000) schließen aus ihren Ergebnissen, dass auch Kinder die phonologische Schwierigkeiten haben von einem Training der phonologischen Fähigkeiten profitieren. Besser ist ein solches Training, wenn es noch mit einem Training der Graphem-Phonem Korrespondenz kombiniert

(31)

31 wird. Man kann so einem möglichen phonologischen Defizit entgegensteuern und die Kinder, die durch ihre schlechten Voraussetzungen im phonologischen Bereich benachteiligt wären, unterstützen. Da 6% der besten Trainingsgruppe (phonologischen Bewusstheit und Graphem- Phonem Korrespondenz), jedoch 20% der rein phonologischen Trainingsgruppe bei den Rechtschreibtests nach dem Training noch immer als Risikokinder eingestuft werden (Schneider et al. 2000), kann man darauf schließen, dass phonologisches Training alleine nicht die beste Hilfsmöglichkeit ist, die man Kindern anbieten kann. Oder, um es wie Bus und van Ijzendoorn (1999; zitiert nach Schneider et al., 2000) zu formulieren: „…phonological awareness is an important but not sufficient condition for learning to read and spell.“

Neueste Forschungsergebnisse von Gorecki und Landerl (2015) weisen darauf hin, dass die phonologische Bewusstheit spätere Lesefähigkeiten nicht vorhersagen kann, wenn die frühe Lesekompetenz zu Schuleintritt kontrolliert wird. In diesem Fall kann die phonologische Bewusstheit zu Beginn der ersten Klasse nur die phonologische Bewusstheit am Ende der ersten Klasse vorhersagen.

Wie sich die Hypothese zum phonologischen Defizit sinnvoll erweitern lässt, ist im folgenden Abschnitt beschrieben.

1.2.5.4 (2) Doppeldefizithypothese: RAN und phonologische Bewusstheit

Wolf und Bowers (1999) prägten den Begriff Doppeldefizithypothese. Sie kamen durch den damaligen Forschungsstand zum Schluss, dass eine Erklärung von Entwicklungsstörungen im Schriftspracherwerb nur durch phonologische Defizite nicht ausreichend wäre. Sie schlugen die Einbeziehung des schnellen Benennens (eng. rapid automatized naming, RAN) zur Vorhersage schriftsprachlicher Fertigkeiten vor. Da sich die beiden Defizite laut den Autoren in verschiedenen Orthographien unterschiedlich verhalten, wird nun speziell auf die Doppeldefizithypothese in Bezug auf die deutsche Sprache eingegangen. Eine Stichprobe von 530 österreichischen Buben wurde von Wimmer, Mayringer und Landerl (2000) über mehrere Jahre in ihrer Entwicklung begleitet. Bei der Einschulung wurden die phonologische Bewusstheit (eng. phonological awareness, PA) und die Benennungsgeschwindigkeit (RAN) erhoben. PA wurde mit einer Reimaufgabe und durch das Bestimmen der ersten Silbe, oder des Anfangskonsonant eines Wortes, erhoben. RAN wurde über das Benennen von Bildern bekannter Objekte realisiert. Anhand der erhobenen Werte wurde die Stichprobe in drei Gruppen eingeteilt: PA Defizit, RAN Defizit und Doppeldefizit. Für die Einzeldefizitgruppen lagen die Grenzwerte für die defizitären Leistungen mindestens eine Standardabweichung unter dem Stichprobenmittelwert, während die jeweils andere Leistung im Normalbereich

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