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Spezialfall Tessin | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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Die Volkswirtschaft   3 / 2021 29 In der Lombardei, die an die Schweiz grenzt, le-

ben über 10 Millionen Menschen. Im Jahr 2019 zählte die italienische Region 4,5 Millionen Er- werbstätige und fast 270 000 Arbeitslose. Diese Gegebenheiten beeinflussen die Wirtschaft des Tessins mit seinen 234 000 Erwerbstätigen  – anders gesagt, fast die Zahl der Arbeitslosen auf der anderen Seite der Grenze – massgeb- lich. Somit befindet sich das Tessin in einer für die Schweiz einzigartigen Situation.

Wer sich das Ausmass dieses «Epizentrums»

vor Augen hält – es erstreckt sich auf der ita- lienischen Seite der Grenze über einen Um- kreis von rund hundert Kilometern –, begreift die Dynamiken und die Rolle der Grenzgänger- arbeit im Tessin. Mit rund 70 000 Personen, das entspricht fast 30 Prozent der Erwerbstätigen im Kanton im Jahr 2019, verzeichnete der Kan- ton den höchsten Anteil an Grenzgängern aller Grossregionen der Schweiz. Natürlich vermag die geografische Lage allein das Grenzgänger- phänomen nicht zu erklären, das die Tessiner Wirtschaft seit je prägt. Zu einem starken An- stieg der ausländischen Pendler seit der Jahrtau- sendwende haben auch das Lohngefälle und die nach der Einführung der Personenfreizügigkeit enger verflochtenen Arbeitsmärkte beigetragen.

Lohndumping bekämpfen

Bei dieser Entwicklung der Grenzgängerbe- schäftigung lassen sich zwei Trends beobach- ten. Erstens steigt die Bedeutung der Dienst- leistungen: Zwischen 2010 und 2020 betrug die Zunahme der Grenzgänger im Dienst- leistungssektor 66 Prozent – während sie im

Industriesektor mit einem Plus von 11  Prozent relativ moderat ausfiel. Zweitens stieg das Qua- lifikationsniveau: Bei der Personengruppe mit höherer Ausbildung nahm der Anteil der Grenz- gänger zu, auch wenn diese bei den tieferen Bil- dungsniveaus nach wie vor stärker vertreten sind.

Insgesamt machen Grenzgänger einen we- sentlichen Teil der Tessiner Wirtschaft aus. Pa- rallel zu diesen Entwicklungen stieg jedoch der Druck auf dem Arbeitsmarkt – was sich etwa in Form von Lohndumping äussert. Der Kan- ton Tessin versucht hier Gegensteuer zu geben, indem er die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügig-

keit aktiv einsetzt. So hat er beispielsweise 21 sogenannte Normal- arbeitsverträge mit ob- ligatorischen Mindest- löhnen erlassen. Zum Vergleich: In der übri-

gen Schweiz gibt es insgesamt nur 7 Normal- arbeitsverträge. Dies ist das Ergebnis intensi- ver Kontrollen, von denen 2019 im Tessin rund 26 Prozent der Schweizer Arbeitgeber (in den Sektoren ohne für allgemeinverbindlich er- klärte Gesamtarbeits verträge) betroffen waren, gegenüber einem nationalen Durchschnitt von 5  Prozent.

Die spezielle Situation im Kanton Tessin er- fordert es, die Lage aufmerksam zu beobachten und zu steuern. Nur so lassen sich die Risiken und Chancen in Einklang bringen.

Christian Vitta ist Staatsrat und Vorsteher des Finanz- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Tessin.

STANDPUNKT VON CHRISTIAN VITTA

Die Nähe zur Lombardei bietet für das Tessin Chancen, setzt aber den kantonalen Arbeitsmarkt unter Druck.

Spezialfall Tessin

«Mit fast 30 Prozent

verzeichnet das Tes-

sin den höchsten An-

teil an Grenzgängern.»

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