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(1)

Analysis III

Martin Brokate

Inhaltsverzeichnis

1 Maße 1

2 Das Lebesgue-Integral 26

3 Normierte und metrische R¨ aume 38

4 Konvergenzs¨ atze und L

p

-R¨ aume 48

5 Mehrfachintegrale, Satz von Fubini 63

6 Metrische R¨ aume: Weitere Grundbegriffe 74

7 Metrische R¨ aume: Stetigkeit, Kompaktheit 82

8 Substitutionsformel und Faltung (Teil 1) 95

Vorlesungsskript, WS 2004/05

Zentrum Mathematik, TU M¨ unchen

(2)

1 Maße

Einige Bemerkungen zur Motivation. Der mathematische Begriff eines Maßes ist in ganz unterschiedlichen (mathematischen) Zusammenh¨ angen hilfreich.

• Man m¨ ochte einer m¨ oglichst großen Klasse von Teilmengen des R

n

einen “Inhalt”

(L¨ ange, Fl¨ ache, Volumen, . . .) zuordnen. F¨ ur nichtganzzahlige Dimensionen f¨ uhrt dies auf den Begriff der fraktalen Menge, bei deren Untersuchung das sogenannte Hausdorffmaß eine zentrale Rolle spielt.

• Hausdorff hat aber bereits 1914 gezeigt: Will man einen Inhaltsbegriff haben, der sich hinsichtlich Summation und Kongruenz “vern¨ unftig” verh¨ alt, so kann man ihn nicht f¨ ur jede Teilmenge des R

n

definieren.

• Betrachtet man die Menge M = {1, 2, 3, 4, 5, 6} als die Menge aller “Elementa- rereignisse” beim W¨ urfeln, so kann man als Maß einer Teilmenge A von M die Wahrscheinlichkeit ansehen, mit der in einem Wurf eine Zahl in A gew¨ urfelt wird.

Der Begriff des Maßes ist f¨ ur die gesamte Stochastik grundlegend. Da Wahrschein- lichkeiten je nach Situation ganz unterschiedlich aussehen k¨ onnen, ist es wesentlich, einen allgemeinen Maßbegriff zu haben.

• Man m¨ ochte eine m¨ oglichst allgemeine und handhabbare Integrationstheorie haben.

• In der “h¨ oheren Analysis”, etwa der Funktionalanalysis, spielt der Maßbegriff an vielen Stellen eine Rolle unter anderem wegen des folgenden Sachverhalts. Ist K ein kompakter metrischer Raum, etwa K = [a, b], und ist T : C(K ) → R ein lineares Funktional, welches bez¨ uglich der Supremumsnorm auf C(K ) stetig ist, so gibt es ein Maß µ mit der Eigenschaft, daß T (f) gerade das Integral von f bez¨ uglich des Maßes µ ist. Das hat zur Folge, dass bei der Untersuchung solcher Funktionale die Integrationstheorie eingesetzt werden kann.

Definition 1.1 (σ-Algebra)

Sei Ω eine Menge. Ein System A von Teilmengen von Ω, A ⊂ P(Ω), heißt σ-Algebra in Ω, falls gilt

Ω ∈ A , (1.1)

A ∈ A ⇒ Ω \ A ∈ A , (1.2)

(A

n

)

n∈N

Folge in A ⇒

[

n=1

A

n

∈ A . (1.3)

Die Elemente A von A heißen A-messbar (oder messbar, falls klar ist, welches A gemeint

ist). 2

Triviale Beispiele von σ-Algebren in Ω sind

A = P (Ω) , A = {∅, Ω} .

(3)

Lemma 1.2 Seien Ω, Ω

0

Mengen, T : Ω → Ω

0

Abbildung, A

0

σ-Algebra in Ω

0

. Dann ist A = {T

−1

(A

0

) : A

0

∈ A

0

} (1.4) eine σ-Algebra in Ω.

Beweis: Es ist Ω = T

−1

(Ω

0

) ∈ A. Sei A ∈ A, w¨ ahle A

0

∈ A

0

mit A = T

−1

(A

0

), dann ist Ω \ A = Ω \ T

−1

(A

0

) = T

−1

(Ω

0

\ A

0

) ∈ A ,

da Ω

0

\ A

0

∈ A

0

. Sei (A

n

)

n∈N

Folge in A, w¨ ahle A

0n

∈ A

0

mit A

n

= T

−1

(A

0n

), dann ist [

n∈N

A

n

= [

n∈N

T

−1

(A

0n

) = T

−1

[

n∈N

A

0n

!

∈ A .

2 Lemma 1.3 Sei Ω Menge, A σ-Algebra in Ω. Dann gilt

∅ ∈ A , (1.5)

(A

n

)

n∈N

Folge in A ⇒

\

n=1

A

n

∈ A . (1.6)

Beweis: Folgt unmittelbar aus der Definition einer σ-Algebra, da

∅ = Ω \ Ω , \

n∈N

A

n

= Ω \ Ω \ \

n∈N

A

n

!

= Ω \ [

n∈N

(Ω \ A

n

) .

2 Satz 1.4 Sei Ω Menge, sei E ⊂ P (Ω). Dann ist

σ(E ) = \

{A : A ⊂ P(Ω), A ist σ-Algebra, E ⊂ A} (1.7) eine σ-Algebra in Ω mit der Eigenschaft

E ⊂ σ(E ) ⊂ A (1.8)

f¨ ur jede σ-Algebra A mit E ⊂ A, das heißt, σ(E ) ist die kleinste σ-Algebra, welche E umfasst. Die σ-Algebra σ(E ) heißt die von E erzeugte σ-Algebra in Ω.

Beweis: Die Elemente von σ(E ) sind genau diejenigen Teilmengen A von Ω, die in jeder σ- Algebra liegen, welche E umfasst. Da das insbesondere auf die Elemente E von E zutrifft, folgt die Eigenschaft (1.8) unmittelbar aus der Definition von σ(E ). Es ist Ω ∈ σ(E ), da Ω ∈ A f¨ ur jede σ-Algebra A in Ω. Ist A ∈ σ(E ), so ist A ∈ A f¨ ur alle σ-Algebren A, welche E umfassen, also auch Ω \ A ∈ A f¨ ur alle solche σ-Algebren, und damit Ω \ A ∈ σ(E ).

Analog zeigt man, dass (1.3) f¨ ur σ(E ) erf¨ ullt ist. 2 Bemerkung. Die folgende Definition setzt den Begriff des metrischen Raumes voraus.

Dieser wird in einem sp¨ ateren Kapitel behandelt. Bis dahin betrachten wir die Borel-

Algebra nur f¨ ur den Fall Ω = R

n

, O = O

n

, siehe (1.12).

(4)

Definition 1.5 (Borel-Algebra) Sei (Ω, d) metrischer Raum, sei

O = {U : U ⊂ Ω, U offen} . (1.9)

Die σ-Algebra σ(O) heißt die Borel-Algebra in (Ω, d). Die Elemente A ∈ σ(O) heißen

Borelmengen. 2

Wir f¨ uhren halboffene Intervalle im R

n

ein. Sind a, b ∈ R

n

, so setzen wir [a, b) =

n

Y

i=1

[a

i

, b

i

) = {x : x ∈ R

n

, a

i

≤ x

i

< b

i

f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n} . (1.10) Es ist [a, b) = ∅ falls a

i

≥ b

i

f¨ ur mindestens ein i. Wir bezeichnen mit

J

n

= {[a, b) : a, b ∈ R

n

} (1.11) die Menge aller halboffenen Intervalle im R

n

, und mit

O

n

, C

n

, K

n

(1.12)

die Menge aller offenen bzw. abgeschlossenen bzw. kompakten Teilmengen von R

n

. Bemerkung. Der Begriff einer kompakten Menge wird erst in einem sp¨ ateren Kapitel behandelt. Bis dahin verwenden wir diesen Begriff nur f¨ ur Teilmengen des R

n

. Eine Teilmenge K des R

n

ist kompakt genau dann, wenn sie abgeschlossen und beschr¨ ankt ist.

Hinweis: In Funktionenr¨ aumen ist diese ¨ Aquivalenz nicht g¨ ultig ! Satz 1.6 Es gilt

σ(J

n

) = σ(O

n

) = σ(C

n

) = σ(K

n

) , (1.13) das heißt, die Borel-Algebra wird auch von den halboffenen Intervallen bzw. den abge- schlossenen Mengen bzw. den kompakten Mengen erzeugt.

Beweis: Es ist C

n

= {A : R

n

\ A ist offen}. Aus Satz 1.4 folgen C

n

⊂ σ(O

n

) und σ(C

n

) ⊂ σ(O

n

). Analog beweist man σ(O

n

) ⊂ σ(C

n

). Aus K

n

⊂ C

n

folgt K

n

⊂ σ(C

n

) und damit σ(K

n

) ⊂ σ(C

n

). Umgekehrt: Sei A ⊂ R

n

abgeschlossen. Wir setzen

K

m

= A ∩ {x : x ∈ R

n

, kxk ≤ m} .

Dann ist K

m

kompakt und A = ∪

m∈N

K

m

, also A ∈ σ(K

n

). Da A beliebig war, folgt C

n

⊂ σ(K

n

) und damit σ(C

n

) ⊂ σ(K

n

). Wir zeigen zum Abschluss, dass σ(J

n

) = σ(O

n

):

Seien a, b ∈ R

n

. Dann gilt [a, b) =

n

Y

i=1

[a

i

, b

i

) = \

k∈N

I

k

, I

k

:=

n

Y

i=1

(a

i

− 1 k , b

i

) .

Alle I

k

sind offen, also ist [a, b) ∈ σ(O

n

). Da a, b beliebig waren, folgt σ(J

n

) ⊂ σ(O

n

) wie gehabt. Zum Beweis der umgekehrten Inklusion betrachten wir zun¨ achst offene Quader

(a, b) :=

n

Y

i=1

(a

i

, b

i

) = [

k∈N

I

k

, I

k

:=

n

Y

i=1

[a

i

+ 1

k , b

i

) ,

(5)

welche also alle in σ(J

n

) liegen. Da jede offene Teilmenge des R

n

sich als abz¨ ahlbare Vereinigung von offenen Quadern darstellen l¨ aßt (im Zweifelsfall: ¨ Ubung), folgt O

n

σ(J

n

) und wieder σ(O

n

) ⊂ σ(J

n

). 2

Das in Satz 1.4 enthaltene Verfahren, von einem Ausgangsobjekt (dort E ) ein kleinstes umfassendes neues Objekt mit mehr Struktur (dort σ(E )) zu erzeugen, ist auch in anderen mathematischen Zusammenh¨ angen n¨ utzlich. So kann man etwa f¨ ur Teilmengen M des R

n

den von M erzeugten Untervektorraum span (M ) definieren als den Durchschnitt aller Unterr¨ aume, welche M enthalten. Wir k¨ onnen span (M ) aber auch definieren als die Menge aller endlichen Linearkombinationen von Elementen aus M . Diese Definition ist konstruktiver als die vorstehende. F¨ ur die Borel-Algebra steht eine vergleichbar einfache Konstruktion einer beliebigen Borelmenge aus den offenen Mengen aber leider nicht zur Verf¨ ugung.

Definition 1.7 (Maß)

Sei Ω Menge, A σ-Algebra in Ω. Eine Funktion µ : A → [0, +∞] heißt Maß, falls gilt

µ(∅) = 0 , (1.14)

und falls µ σ-additiv ist, das heißt, falls µ

[

n=1

A

n

!

=

X

n=1

µ(A

n

) (1.15)

f¨ ur jede Folge (A

n

)

n∈N

paarweise disjunkter A-messbarer Mengen gilt. Ein Maß µ heißt endlich, falls µ(Ω) < +∞. Ein Maß µ heißt σ-endlich, falls es eine Folge (A

n

)

n∈N

von A-messbaren Mengen gibt mit µ(A

n

) < +∞ f¨ ur alle n und

[

n∈N

A

n

= Ω . (1.16)

2 Wir gehen aus von der ¨ ublichen Vorstellung von L¨ ange, Fl¨ acheninhalt und Volumen und definieren das Volumen eines halboffenen Intervalls (halboffenenen Quaders) I = [a, b) ⊂ R

n

durch

λ(I) =

n

Y

i=1

(b

i

− a

i

) . (1.17)

Es erhebt sich die Frage: K¨ onnen wir auf der Borel-Algebra σ(O

n

) ein Maß µ definieren, so daß µ(I) = λ(I) f¨ ur alle halboffenen Intervalle ? Diese Frage wird im sogenannten Ma- ßerweiterungssatz positiv beantwortet. Dieser Satz erfordert aber etwas Vorbereitung.

Definition 1.8 (Ring)

Sei Ω Menge. Ein System R von Teilmengen von Ω heißt ein Ring in Ω, falls gilt

∅ ∈ R , (1.18)

A, B ∈ R ⇒ A \ B ∈ R , (1.19)

A, B ∈ R ⇒ A ∪ B ∈ R . (1.20)

2

(6)

Aus (1.19) folgt unmittelbar, dass

A, B ∈ R ⇒ A ∩ B ∈ R , da A ∩ B = A \ (A \ B). Offenbar ist jede σ-Algebra ein Ring.

Die Bezeichnung ‘Ring’ r¨ uhrt daher, dass ein Ring von Mengen im Sinne von Definiti- on 1.8 auch ein Ring im Sinne der Algebra ist, wenn wir als Multiplikation in R die Durchschnittsbildung und als Addition die symmetrische Differenz

A∆B = (A \ B) ∪ (B \ A) definieren.

Die Menge der halboffenen Intervalle ist kein Ring, im allgemeinen sind weder I ∪ J noch I \ J halboffene Intervalle, falls I, J solche sind. Andererseits lassen sich sowohl I ∪ J als auch I \ J als endliche Vereinigung von halboffenen Intervallen darstellen.

Definition 1.9 (Figur)

Eine Menge F ⊂ R

n

heißt Figur, falls F sich als endliche Vereinigung von halboffenen Intervallen darstellen l¨ asst. Wir definieren

F

n

= {F : F ⊂ R

n

, F ist Figur} . (1.21) Lemma 1.10 Seien I, J ∈ J

n

. Dann ist auch I ∩ J ∈ J

n

, und I \ J l¨ asst sich als disjunkte endliche Vereinigung von halboffenen Intervallen darstellen. Insbesondere gilt I \ J ∈ F

n

.

Beweis: Seien I = [a, b), J = [a

0

, b

0

). Dann ist

I ∩ J = [a

00

, b

00

) ∈ J

n

, a

00i

= max{a

i

, a

0i

} , b

00i

= min{b

i

, b

0i

} . (1.22) Wegen I \ J = I \ (I ∩ J) und (1.22) gen¨ ugt es, den Fall J ⊂ I zu betrachten. Es ist dann entweder J = ∅ oder

a

i

≤ a

0i

< b

0i

≤ b

i

, 1 ≤ i ≤ n . I \ J ist disjunkte Vereinigung von Intervallen der Form

n

Y

i=1

[c

i

, d

i

) ,

wobei [c

i

, d

i

) entweder gleich [a

i

, a

0i

) oder gleich [a

0i

, b

0i

) oder gleich [b

0i

, b

i

) ist. (Man erh¨ alt I \ J, indem man alle m¨ oglichen Kombinationen durchl¨ auft bis auf diejenige, welche J

liefert.) 2

Satz 1.11 F

n

ist ein Ring. Jedes F ∈ F

n

l¨ asst sich darstellen als disjunkte Vereinigung

von halboffenen Intervallen.

(7)

Beweis: Direkt aus der Definition folgt

F, G ∈ F

n

⇒ F ∪ G ∈ F

n

. (1.23)

Wir zeigen als n¨ achstes

F, G ∈ F

n

⇒ F ∩ G ∈ F

n

. (1.24)

Sei n¨ amlich

F =

k

[

i=1

I

i

, G =

l

[

j=1

J

j

, (1.25)

mit I

i

, J

j

∈ J

n

, dann folgt

F ∩ G = [

i,j

I

i

∩ J

j

,

und nach Lemma 1.10 ist I

i

∩ J

j

∈ J

n

f¨ ur alle i, j, also gilt (1.24). Wir zeigen jetzt

F, G ∈ F

n

⇒ F \ G ∈ F

n

. (1.26)

Aus der Darstellung (1.25) folgt F \ G = [

i

I

i

!

\ [

j

J

j

!

= [

i

I

i

!

∩ Ω \ [

j

J

j

!

= [

i

I

i

!

∩ \

j

(Ω \ J

j

) = [

i

\

j

(I

i

∩ (Ω \ J

j

))

= [

i

\

j

(I

i

\ J

j

) .

Nach Lemma 1.10 ist I

i

\ J

j

∈ F

n

f¨ ur alle i, j , also ist wegen (1.24) auch F \ G ∈ F

n

. Also ist F

n

ein Ring. Sind die Darstellungen von F, G ∈ F

n

in (1.25) disjunkte Vereinigungen, so gilt das auch f¨ ur deren Durchschnitt,

F ∩ G =

[

i,j

I

i

∩ J

j

. (1.27)

Wir zeigen nun, dass sich jedes F ∈ F

n

als disjunkte Vereinigung halboffener Intervalle darstellen l¨ asst. Sei F ∈ F

n

,

F =

k

[

i=1

I

i

. Es gilt dann

F = I

1

(I

2

\ I

1

) ∪

(I

3

\ (I

1

∪ I

2

)) · · · =

[

i i−1

\

j=1

(I

i

\ I

j

) .

Nach Lemma 1.10 lassen sich alle I

i

\ I

j

als disjunkte Vereinigung halboffener Intervalle darstellen, dasselbe gilt auch f¨ ur die Mengen

i−1

\

j=1

(I

i

\ I

j

) ,

(ist in (1.27) f¨ ur den Durchschnitt zweier Mengen bewiesen worden, gilt also auch f¨ ur

endliche Durchschnitte). Damit ist die Behauptung bewiesen. 2

(8)

Definition 1.12 (Endlich-additive Mengenfunktion)

Sei Ω Menge, R Ring in Ω. Eine Funktion µ : R → [0, ∞] heißt endlich-additiv, falls gilt µ

n

[

i=1

A

i

!

=

n

X

i=1

µ(A

i

) (1.28)

f¨ ur jedes endliche System A

1

, . . . , A

n

paarweise disjunkter Mengen A

i

∈ R. µ heißt σ- additiv, falls

µ

[

i=1

A

i

!

=

X

i=1

µ(A

i

) (1.29)

gilt f¨ ur jede Folge (A

i

)

i∈N

paarweise disjunkter Mengen A

i

∈ R mit ∪

i=1

A

i

∈ R. 2 Satz 1.13 Der n-dimensionale Elementarinhalt

λ(I) =

n

Y

i=1

(b

i

− a

i

) , I = [a, b) ∈ J

n

, (1.30) l¨ asst sich auf genau eine Weise zu einer endlich-additiven Funktion λ : F

n

→ [0, ∞) fortsetzen.

Beweis: Wir bemerken zun¨ achst: Wird I = [a, b) durch eine Hyperebene x

j

= γ, γ ∈ [a

j

, b

j

), in zwei Teile

I

1

= [(a

1

, . . . , a

j

, . . . , a

n

), (b

1

, . . . , γ, . . . , b

n

)) , I

2

= [(a

1

, . . . , γ, . . . , a

n

), (b

1

, . . . , b

j

, . . . , b

n

)) , zerschnitten, so gilt

λ(I ) =

n

Y

i=1

(b

i

− a

i

) = [(b

j

− γ) + (γ − a

j

)] Y

i6=j

(b

i

− a

i

) = λ(I

1

) + λ(I

2

) . Ebenso folgt

λ(I) =

k

X

i=1

λ(I

i

) , (1.31)

falls ein Intervall I durch endlich viele Hyperebenen in k Teilintervalle I

i

∈ J

n

zerschnitten wird. Wir zeigen nun, dass λ auf J

n

endlich-additiv ist. Sei I = [a, b) ∈ J

n

dargestellt als disjunkte Vereinigung

I =

k

[

i=1

I

i

, I

i

= [a

i

, b

i

) ∈ J

n

. Wir zerschneiden I durch alle Hyperebenen der Form

x

j

= a

ij

, x

j

= b

ij

, 1 ≤ i ≤ k , 1 ≤ j ≤ n .

(9)

Dadurch wird I in endlich viele Teilintervalle zerlegt; diejenigen, welche in I

i

enthalten sind, bilden eine disjunkte Zerlegung J

ij

, 1 ≤ j ≤ k

i

, von I

i

durch Zerschneiden. Nach (1.31) gilt dann

λ(I ) = X

i,j

λ(J

ij

) = X

i

X

j

λ(J

ij

) = X

i

λ(I

i

) . (1.32)

Wir definieren nun die Fortsetzung von λ auf F

n

. Sei F ∈ F

n

. Nach Satz 1.11 l¨ asst sich F schreiben als disjunkte Vereinigung

F =

k

[

i=1

I

i

, I

i

∈ J

n

. Wir setzen

λ(F ) =

k

X

i=1

λ(I

i

) . (1.33)

Wir m¨ ussen zeigen, dass diese Definition von der Wahl der Zerlegung (I

i

) unabh¨ angig ist.

Ist

F =

l

[

j=1

J

j

, J

j

∈ J

n

, eine weitere disjunkte Zerlegung, so gilt

I

i

=

[

j

(I

i

∩ J

j

) , J

j

=

[

i

(I

i

∩ J

j

) , also, da λ auf J

n

endlich-additiv ist,

X

i

λ(I

i

) = X

i

X

j

λ(I

i

∩ J

j

) = X

j

λ(J

j

) .

Wir zeigen nun, dass λ endlich-additiv ist auf F

n

. Ist F dargestellt als disjunkte Vereini- gung

F =

k

[

i=1

F

i

, F

i

∈ F , so stellen wir die F

i

einzeln als disjunkte Vereinigung dar,

F

i

=

[

j

I

ij

, I

ij

∈ J

n

, und es folgt

λ(F ) = X

i,j

λ(I

ij

) = X

i

X

j

λ(I

ij

) = X

i

λ(F

i

) .

Die Eindeutigkeit der Fortsetzung von λ ist offensichtlich, da (1.33) f¨ ur jede endlich-

additive Fortsetzung gelten muss. 2

(10)

Notation 1.14 Sei Ω Menge, sei E ⊂ Ω, sei (E

n

)

n∈N

Folge von Teilmengen von Ω. Wir schreiben

E

n

↓ E , falls E

1

⊃ E

2

⊃ . . . , E = \

n∈N

E

n

, (1.34)

und

E

n

↑ E , falls E

1

⊂ E

2

⊂ . . . , E = [

n∈N

E

n

. (1.35)

Lemma 1.15 Sei Ω Menge, R Ring in Ω, µ : R → [0, ∞] endlich-additiv. Es gelte außerdem

n→∞

lim µ(E

n

) = 0 (1.36)

f¨ ur jede Folge (E

n

)

n∈N

in R mit E

n

↓ ∅. Dann ist µ auch σ-additiv.

Beweis: Sei (A

n

)

n∈N

eine Folge paarweiser disjunkter Mengen A

n

∈ R mit A =

[

n∈N

A

n

∈ R . Wir setzen

E

n

= A \

n

[

k=1

A

k

. Dann gilt E

n

↓ ∅ und, da µ endlich-additiv ist,

µ(A) = µ(E

n

) +

n

X

k=1

µ(A

k

) . Aus (1.36) folgt nun

µ(A) =

X

k=1

µ(A

k

) .

2 Satz 1.16 (Rechenregeln f¨ ur endlich-additive Mengenfunktionen)

Sei Ω Menge, R Ring auf Ω, µ : R → [0, ∞] endlich-additiv. Dann gelten f¨ ur beliebige A, B, A

i

∈ R

µ(A ∪ B) + µ(A ∩ B) = µ(A) + µ(B) , (1.37)

A ⊂ B ⇒ µ(A) ≤ µ(B ) , (1.38)

A ⊂ B , µ(A) < ∞ ⇒ µ(B \ A) = µ(B ) − µ(A) , (1.39) µ

n

[

i=1

A

i

!

n

X

i=1

µ(A

i

) . (1.40)

Ist µ außerdem σ-additiv, so gilt A

0

[

n=1

A

n

⇒ µ(A

0

) ≤

X

n=1

µ(A

n

) , (1.41)

(11)

und insbesondere

µ

[

n=1

A

n

!

X

n=1

µ(A

n

) , (1.42)

falls ∪

n∈N

A

n

∈ R.

Beweis: Ist A ⊂ B, so ist B = A ∪

(B \ A), also

µ(B) = µ(A) + µ(B \ A) . (1.43)

Hieraus folgen (1.38) und (1.39). Ist µ(A∩B) = ∞, so gilt (1.37) trivialerweise, andernfalls folgt (1.37) aus

µ(A ∪ B) = µ(A) + µ(B \ A) . (1.44)

µ(B \ A) = µ(B) − µ(A ∩ B ) . (1.45)

Mit

B

i

= A

i

\

i−1

[

k=1

A

k

gilt

B

i

∈ R , B

i

⊂ A

i

,

n

[

i=1

A

i

=

n

[

i=1

B

i

, die B

i

sind paarweise disjunkt, also

µ

n

[

i=1

A

i

!

= µ

n

[

i=1

B

i

!

=

n

X

i=1

µ(B

i

) ≤

n

X

i=1

µ(A

i

) , also folgt (1.40). Zum Beweis von (1.41) sei B

i

wie eben definiert, dann gilt

A

0

= [

n∈N

(A

0

∩ A

n

) =

[

n∈N

(A

0

∩ B

n

) , also

µ(A

0

) = µ [

n∈N

(A

0

∩ B

n

)

!

=

X

n=1

µ(A

0

∩ B

n

) ≤

X

n=1

µ(A

n

) ,

da A

0

∩ B

n

⊂ A

n

. 2

Satz 1.17 Die nach Satz 1.13 eindeutig bestimmte Fortsetzung λ : F

n

→ [0, ∞) des Elementarinhalts

λ([a, b)) =

n

Y

i=1

(b

i

− a

i

) (1.46)

ist σ-additiv auf F

n

.

(12)

Beweis: Wegen Satz 1.13 und Lemma 1.15 gen¨ ugt es zu zeigen, dass lim

n→∞

λ(F

n

) = 0 gilt f¨ ur jede Folge (F

n

)

n∈N

von Figuren mit F

n

↓ ∅. Dazu gen¨ ugt es zu zeigen: Ist (F

n

)

n∈N

fallend, das heißt F

n

⊃ F

n+1

f¨ ur alle n, und gilt

n→∞

lim λ(F

n

) = δ > 0 , (1.47) so ist

\

n=1

F

n

6= ∅ . (1.48)

(Der Limes in (1.47) existiert, da λ(F

n

) monoton fallend und durch 0 nach unten be- schr¨ ankt ist.) Zum Beweis dieser Aussage verwenden wir ein Kompaktheitsargument. Als ersten Schritt konstruieren wir G

n

∈ F

n

mit G

n

⊂ F

n

und

λ(F

n

) − λ(G

n

) ≤ 2

−n

δ . (1.49)

Die Mengen G

n

werden folgendermaßen konstruiert: Ist F

n

=

m

[

i=1

I

i

, I

i

= [a

i

, b

i

) , so setzen wir

G

n

=

m

[

i=1

I ˜

i

, I ˜

i

= [a

i

, b

i

− ε

i

(1, . . . , 1)) , wobei ε

i

> 0 so klein gew¨ ahlt wird, dass (1.49) gilt. Wir definieren

H

n

=

n

\

i=1

G

i

. (1.50)

Dann gilt H

n

∈ F

n

,

H

n+1

⊂ H

n

, H

n

⊂ F

n

, (1.51)

f¨ ur alle n ∈ N . Als n¨ achstes zeigen wir mit vollst¨ andiger Induktion, dass gilt

λ(H

n

) ≥ λ(F

n

) − δ(1 − 2

−n

) (1.52) f¨ ur alle n ∈ N . F¨ ur n = 1 folgt (1.52) aus (1.49), da H

1

= G

1

. Induktionsschritt n → n +1:

Es ist H

n+1

= G

n+1

∩ H

n

, also mit (1.37) und (1.49) λ(H

n+1

) = λ(G

n+1

) + λ(H

n

) − λ(G

n+1

∪ H

n

)

≥ λ(F

n+1

) − 2

−(n+1)

δ + λ(F

n

) − δ(1 − 2

−n

) − λ(F

n

) , (da G

n+1

∪ H

n

⊂ F

n

)

= λ(F

n+1

) − δ(1 − 2

−(n+1)

) .

Da nach Voraussetzung λ(F

n

) ≥ δ ist f¨ ur alle n, folgt aus (1.52)

λ(H

n

) > 0 , (1.53)

also auch H

n

6= ∅ f¨ ur alle n ∈ N . Die Mengen H

n

sind beschr¨ ankt (da alle Figuren beschr¨ ankt sind), also kompakt. F¨ ur jede endliche Indexmenge I ⊂ N gilt

\

i∈I

H

i

= H

m

6= ∅ , m := max{i : i ∈ I} ,

(13)

also gilt, da die kompakte Menge H

1

die endliche Durchschnittseigenschaft (siehe Analysis 2, Kapitel 15) besitzt,

\

n∈N

H

n

6= ∅ ,

woraus (1.48) wegen (1.50) folgt. 2

Als letzte Vorbereitung f¨ ur den Maßerweiterungssatz f¨ uhren wir noch den Begriff des Dynkin-Systems ein.

Definition 1.18 (Dynkin-System)

Sei Ω eine Menge. Ein System D von Teilmengen von Ω heißt Dynkin-System, falls gilt

Ω ∈ D , (1.54)

D ∈ D ⇒ Ω \ D ∈ D , (1.55)

(D

n

)

n∈N

Folge paarweiser disjunkter Mengen in D ⇒ [

n∈N

D

n

∈ D . (1.56)

Offensichtlich ist jede σ-Algebra ein Dynkin-System.

Lemma 1.19 Sei Ω Menge, D Dynkin-System in Ω. Dann gilt

D, E ∈ D , D ⊂ E ⇒ E \ D ∈ D . (1.57)

Beweis: F¨ ur D, E ∈ D mit D ⊂ E gilt

E \ D = Ω \ (D ∪ (Ω \ E)) ∈ D ,

da D und Ω \ E disjunkt sind. 2

Satz 1.20 Sei E ⊂ P(Ω) ein Mengensystem in Ω, sei D Dynkin-System mit

E ⊂ D ⊂ σ(E ) . (1.58)

Ist E schnittstabil, das heißt,

E

1

, E

2

∈ E ⇒ E

1

∩ E

2

∈ E , (1.59)

so ist

D = σ(E ) . (1.60)

Beweis: Wir definieren δ(E ) = \

{ D ˜ : ˜ D ist Dynkin-System in Ω, E ⊂ D} ˜ . (1.61)

Wie in Satz 1.4 beweist man, dass δ(E ) ein Dynkin-System ist, und zwar das kleinste,

welches E enth¨ alt; es heißt das von E erzeugte Dynkin-System. Es gilt dann δ(E ) ⊂ D ⊂

σ(E ). Zum Beweis von (1.60) gen¨ ugt es zu zeigen, dass δ(E ) eine σ-Algebra ist (dann folgt

(14)

σ(E ) ⊂ δ(E )). Zu diesem Zweck definieren wir f¨ ur beliebiges, aber fest gew¨ ahltes D ∈ δ(E ) das Mengensystem

D

D

= {Q : Q ⊂ Ω , Q ∩ D ∈ δ(E )} . (1.62) Wir zeigen, dass D

D

ein Dynkin-System ist. Offensichtlich ist Ω ∈ D

D

. Weiter gilt mit Lemma 1.19

Q ∈ D

D

⇒ (Ω \ Q) ∩ D = D \ Q = D \ (Q ∩ D) ∈ δ(E )

⇒ Ω \ Q ∈ D

D

,

und f¨ ur eine Folge (Q

n

)

n∈N

paarweiser disjunkter Mengen in D

D

[

n∈N

Q

n

!

∩ D =

[

n∈N

(Q

n

∩ D) ∈ δ(E ) , da Q

n

∩ D ∈ δ(E ) und δ(E ) Dynkin-System ist, also

[

n∈N

Q

n

∈ D

D

. D

D

ist also Dynkin-System. Als n¨ achstes zeigen wir

D ∈ δ(E ) , E ∈ E ⇒ D ∩ E ∈ δ(E ) . (1.63)

Es ist n¨ amlich

E ⊂ D

E

, f¨ ur alle E ∈ E , (1.64) da mit E

1

∈ E auch E

1

∩ E ∈ E (E ist schnittstabil) und damit E

1

∈ D

E

(da E ⊂ δ(E )).

Aus (1.64) folgt δ(E ) ⊂ D

E

und damit D ∩ E ∈ δ(E ). Damit ist (1.63) bewiesen. Wir zeigen jetzt

D, E ∈ δ(E ) ⇒ D ∩ E ∈ δ(E ) . (1.65)

Aus (1.63) folgt E ⊂ D

D

, also wieder wegen der Minimalit¨ at von δ(E ), dass δ(E ) ⊂ D

D

, und damit E ∩ D ∈ δ(E ). Schließlich zeigen wir, dass δ(E ) eine σ-Algebra ist. Sei eine Folge (D

n

)

n∈N

in δ(E ) gegeben. Wir setzen

D

n0

=

n

[

i=1

D

i

, D

00

= ∅ .

Dann ist D

00

∈ δ(E ) und (mit Induktion ¨ uber n) D

n

\ D

n−10

= D

n

∩ (Ω \ D

0n−1

) ∈ δ(E ) wegen (1.65), also auch

D

0n

= (D

n

\ D

n−10

) ∪ D

n−10

∈ δ(E )

als disjunkte Vereinigung zweier Mengen in δ(E ). Die Mengen D

0n

\ D

0n−1

sind paarweise disjunkt, also folgt

[

n∈N

D

n

= [

n∈N

(D

n0

\ D

0n−1

) ∈ δ(E ) .

Damit ist δ(E ) eine σ-Algebra. 2

(15)

Theorem 1.21 (Maßerweiterungssatz, Existenz)

Sei Ω Menge, R Ring in Ω, sei µ : R → [0, ∞] eine σ-additive Mengenfunktion mit µ(∅) = 0. Dann kann µ zu einem Maß auf σ(R) fortgesetzt werden.

Beweis: Der Beweis besteht aus zwei Teilen. Zuerst wird µ zu einem sogenannnten ¨ auße- ren Maß µ

: P (Ω) → [0, ∞] fortgesetzt; µ

hat aber nicht alle Eigenschaften eines Maßes.

Im zweiten Teil wird bewiesen, dass die Restriktion von µ

auf σ(R) ein Maß ist.

Zu beliebigem Q ⊂ Ω definieren wir die Menge U (Q) aller abz¨ ahlbaren ¨ Uberdeckungen von Q durch Mengen in R,

U (Q) = {(A

n

)

n∈N

: A

n

∈ R f¨ ur alle n, Q ⊂ [

n∈N

A

n

} . (1.66)

Wir definieren das zu µ geh¨ orende “¨ außere Maß” µ

: P (Ω) → [0, ∞] durch µ

(Q) =

( inf

U(Q)

P

n=1

µ(A

n

) , falls U (Q) 6= ∅ ,

+∞ , falls U (Q) = ∅ . (1.67)

Offensichtlich gilt µ

(Q) ≥ 0 f¨ ur alle Q ⊂ Ω. Es gilt weiter

µ

(A) = µ(A) , f¨ ur alle A ∈ R, (1.68) da einerseits µ

(A) ≤ µ(A) wegen (A, ∅, ∅, . . . ) ∈ U (A) und andererseits

µ(A) ≤

X

n=1

µ(A

n

)

f¨ ur alle (A

n

)

n∈N

∈ U (A) nach Satz 1.16, also auch µ(A) ≤ µ

(A). µ

ist also eine Fortset- zung von µ. Aus (1.68) folgt insbesondere

µ

(∅) = 0 . (1.69)

Weiter gilt

Q

1

⊂ Q

2

⇒ µ

(Q

1

) ≤ µ

(Q

2

) , (1.70) da U (Q

2

) ⊂ U (Q

1

). F¨ ur eine beliebige Folge (Q

n

)

n∈N

von Teilmengen von Ω gilt

µ

[

n=1

Q

n

!

X

n=1

µ

(Q

n

) . (1.71)

Ist n¨ amlich U (Q

n

) = ∅ f¨ ur ein n ∈ N , so hat die rechte Seite in (1.71) den Wert +∞.

Andernfalls w¨ ahlen wir zu beliebig vorgegebenem ε > 0 f¨ ur jedes n ∈ N eine Folge (A

nm

)

m∈N

in U (Q

n

) mit

X

m=1

µ(A

nm

) ≤ µ

(Q

n

) + 2

−n

ε , dann ist

(A

nm

)

n,m∈N

∈ U

[

n=1

Q

n

!

,

(16)

und

µ

[

n=1

Q

n

!

X

n,m=1

µ(A

nm

) ≤

X

n=1

µ

(Q

n

) + ε ,

woraus (1.71) folgt. Wenden wir (1.71) auf die Folge (Q ∩ A, Q \ A, ∅, . . . ) an, so folgt µ

(Q) ≤ µ

(Q ∩ A) + µ

(Q \ A) , f¨ ur alle A, Q ∈ P (Ω) . (1.72) Damit ist der erste Teil des Beweises abgeschlossen. Der zweite Teil beginnt mit der eigentlichen Idee dieses Existenzbeweises, die auf C. Carath´ eodory (1914) zur¨ uckgeht.

Wir definieren das Mengensystem

A = {A : A ⊂ Ω, A erf¨ ullt (1.74)} , (1.73) wobei

µ

(Q) = µ

(Q ∩ A) + µ

(Q \ A) , f¨ ur alle Q ⊂ Ω . (1.74) Der Rest des Beweises besteht darin, zu zeigen, dass A eine σ-Algebra ist mit σ(R) ⊂ A, und dass µ

|A ein Maß ist. Wir zeigen als erstes, dass

R ⊂ A . (1.75)

Seien A ∈ R, Q ∈ P (Ω) beliebig. Wegen (1.72) ist in (1.74) nur “≥” zu zeigen. Sei U (Q) 6= ∅ (andernfalls ist µ

(Q) = ∞), sei (A

n

)

n∈N

Element von U (Q). Dann gilt

µ(A

n

) = µ(A

n

∩ A) + µ(A

n

\ A) f¨ ur alle n ∈ N , also

X

n=1

µ(A

n

) =

X

n=1

µ(A

n

∩ A) +

X

n=1

µ(A

n

\ A) ,

also, da die Folgen (A

n

∩ A)

n∈N

und (A

n

\ A)

n∈N

in U (Q ∩ A) bzw. U (Q \ A) liegen,

X

n=1

µ(A

n

) ≥ µ

(Q ∩ A) + µ

(Q \ A) , also ( ¨ Ubergang zum Infimum bez¨ uglich U (Q) auf der linken Seite)

µ

(Q) ≥ µ

(Q ∩ A) + µ

(Q \ A) . Damit ist (1.75) gezeigt. Direkt aus der Definition von A folgt

Ω ∈ A . (1.76)

Weiter gilt

A ∈ A ⇒ Ω \ A ∈ A , (1.77)

da Q ∩ (Ω \ A) = Q \ A und Q \ (Ω \ A) = Q ∩ A f¨ ur alle Q ⊂ Ω gelten und damit aus der G¨ ultigkeit von (1.74) f¨ ur A auch die G¨ ultigkeit f¨ ur Ω \ A folgt. Wir f¨ uhren f¨ ur den Rest des Beweises die abk¨ urzende Schreibweise

A

c

= Ω \ A

(17)

f¨ ur das Komplement einer Menge A ⊂ Ω ein. Wir zeigen als n¨ achstes

A, B ∈ A ⇒ A ∪ B ∈ A . (1.78)

Sind n¨ amlich A, B ∈ A, so gilt f¨ ur alle Q ⊂ Ω

µ

(Q) = µ

(Q ∩ A) + µ

(Q ∩ A

c

) (1.79)

= µ

(Q ∩ A ∩ B ) + µ

(Q ∩ A ∩ B

c

) + µ

(Q ∩ A

c

∩ B) + µ

(Q ∩ A

c

∩ B

c

) . (1.80) Setzen wir Q ∩ (A ∪ B ) ein statt Q in (1.80), so erhalten wir

µ

(Q ∩ (A ∪ B )) = µ

(Q ∩ A ∩ B) + µ

(Q ∩ A ∩ B

c

) + µ

(Q ∩ A

c

∩ B) , (1.81) und aus (1.79) und (1.81)

µ

(Q) = µ

(Q ∩ (A ∪ B )) + µ

(Q ∩ (A ∪ B )

c

) und damit A ∪ B ∈ A. Aus (1.77) und (1.78) folgt

A, B ∈ A ⇒ A ∩ B ∈ A , A \ B ∈ A , (1.82)

da A ∩ B = (A

c

∪ B

c

)

c

, A \ B = A ∩ B

c

. Falls nun A, B ∈ A mit A ∩ B = ∅, so folgt aus (1.81)

µ

(Q ∩ (A ∪ B)) = µ

(Q ∩ A) + µ

(Q ∩ B ) (1.83) f¨ ur alle Q ⊂ Ω. Sei nun (A

n

)

n∈N

eine Folge paarweiser disjunkter Elemente von A. Wir wollen zeigen, dass gilt

A = [

n∈N

A

n

∈ A , µ

(A) =

X

n=1

µ

(A

n

) . (1.84)

Zun¨ achst ist ∪

ni=1

A

i

∈ A wegen (1.78). Aus (1.83) folgt f¨ ur alle Q ⊂ Ω und alle n ∈ N µ

Q ∩

n

[

i=1

A

i

!

= µ

Q ∩

n−1

[

i=1

A

i

!

+ µ

(Q ∩ A

n

) =

n

X

i=1

µ

(Q ∩ A

i

) mit Induktion, also

µ

(Q) = µ

Q ∩

n

[

i=1

A

i

!

+ µ

Q \

n

[

i=1

A

i

!

n

X

i=1

µ

(Q ∩ A

i

) + µ

(Q \ A) , also wegen (1.71), mit n → ∞,

µ

(Q) ≥

X

i=1

µ

(Q ∩ A

i

) + µ

(Q \ A) ≥ µ

[

i=1

Q ∩ A

i

!

+ µ

(Q \ A) (1.85)

= µ

(Q ∩ A) + µ

(Q \ A) , (1.86)

und wegen (1.72) folgt A ∈ A, und es gilt Gleichheit ¨ uberall in (1.85). Setzen wir Q = A in (1.85), so ergibt sich

µ

[

n=1

A

n

!

= µ

(A) ≥

X

n=1

µ

(A

n

) , (1.87)

(18)

und die umgekehrte Ungleichung folgt ebenfalls aus (1.71). Damit ist (1.84) bewiesen. Ist nun (A

n

)

n∈N

eine beliebige Folge in A, so wird durch

B

n

= A

n

\

n−1

[

i=1

A

i

eine Folge (B

n

)

n∈N

paarweise disjunkter Mengen definiert, welche wegen (1.78) und (1.82) ebenfalls in A liegt, also ist wegen (1.84)

[

n∈N

A

n

= [

n∈N

B

n

∈ A

Zusammen mit (1.76) und (1.77) ergibt sich, dass A eine σ-Algebra ist. Aus der bereits bewiesenen Inklusion R ⊂ A folgt nunmehr

σ(R) ⊂ A ,

und wegen (1.84) ist µ

|A ein Maß. 2

Theorem 1.22 (Maßerweiterungssatz, Eindeutigkeit)

Sei Ω Menge, E ⊂ P (Ω), sei E schnittstabil. Seien µ

1

, µ

2

Maße auf σ(E ), es gelte

µ

1

|E = µ

2

|E , (1.88)

und es gebe eine Folge (E

n

)

n∈N

in E mit ∪

n∈N

E

n

= Ω und µ

1

(E

n

) = µ

2

(E

n

) < ∞ f¨ ur alle n ∈ N . Dann ist µ

1

= µ

2

auf σ(E ).

Beweis: F¨ ur E ∈ E definieren wir

D

E

= {D : D ∈ σ(E ), µ

1

(E ∩ D) = µ

2

(E ∩ D)} . (1.89) Da E schnittstabil ist, gilt

E ⊂ D

E

⊂ σ(E ) , f¨ ur alle E ∈ E . (1.90) Wir zeigen, dass D

E

ein Dynkin-System ist, falls E ∈ E und µ

1

(E) = µ

2

(E) < ∞.

Offensichtlich ist Ω ∈ D

E

. Ist D ∈ D

E

, so ist Ω \ D ∈ σ(E ), also

µ

1

(E ∩ (Ω \ D)) = µ

1

(E \ D) = µ

1

(E) − µ

1

(E ∩ D) = µ

2

(E) − µ

2

(E ∩ D) = µ

2

(E \ D)

= µ

2

(E ∩ (Ω \ D)) ,

also ist auch Ω \ D ∈ D

E

. Sei nun (D

n

)

n∈N

eine Folge paarweiser disjunkter Mengen in D

E

, dann ist ∪

n∈N

D

n

∈ σ(E ), also

µ

1

E ∩ [

n∈N

D

n

!

= µ

1

[

n∈N

E ∩ D

n

!

= X

n∈N

µ

1

(E ∩ D

n

) = X

n∈N

µ

2

(E ∩ D

n

)

= µ

2

E ∩ [

n∈N

D

n

!

,

(19)

woraus ∪

n∈N

D

n

∈ D

E

folgt. D

E

ist also ein Dynkin-System. Aus Satz 1.20 folgt nun, dass D

E

= σ(E ) ,

also ergibt sich

µ

1

(E ∩ D) = µ

2

(E ∩ D) (1.91)

f¨ ur alle D ∈ σ(E ) und alle E ∈ E mit µ

1

(E) < ∞. Wir definieren F

n

= E

n

\

n−1

[

i=1

E

i

.

Dann ist F

n

∈ σ(E ), F

n

⊂ E

n

, die F

n

sind paarweise disjunkt, und Ω = ∪

n∈N

F

n

. Wegen (1.91) gilt daher f¨ ur alle A ∈ σ(E ) und alle n ∈ N

µ

1

(F

n

∩ A) = µ

1

(E

n

∩ (F

n

∩ A)) = µ

2

(E

n

∩ (F

n

∩ A)) = µ

2

(F

n

∩ A) , also gilt

µ

1

(A) = µ

1

[

n∈N

F

n

∩ A

!

= X

n∈N

µ

1

(F

n

∩ A) = X

n∈N

µ

2

(F

n

∩ A) = µ

2

[

n∈N

F

n

∩ A

!

= µ

2

(A)

f¨ ur alle A ∈ σ(E ). 2

Folgerung 1.23 Der n-dimensionale Elementarinhalt λ([a, b)) =

n

Y

i=1

(b

i

− a

i

) (1.92)

l¨ aßt sich auf genau eine Weise zu einem Maß λ auf der Borel-Algebra σ(O

n

) im R

n

fortsetzen. Dieses Maß λ heißt das Lebesgue-Maß (oder das Lebesgue-Borel-Maß).

Beweis: Es gilt σ(O

n

) = σ(J

n

) nach Satz 1.6. Wegen Satz 1.17 erf¨ ullt λ die Vorausset- zungen des Existenzsatzes 1.21 auf dem Ring R = F

n

. Da die Menge J

n

der halboffenen Intervalle schnittstabil ist, folgt die Eindeutigkeit aus Satz 1.22, angewandt auf E = J

n

. 2

Das Problem, den Inhalt einer m¨ oglichst großen Klasse von Mengen zu definieren, wird vom Maßerweiterungssatz (Theoreme 1.21 und 1.22) in f¨ ur viele Zwecke der Analysis befriedigender Weise gel¨ ost.

Satz 1.24 Sei Ω Menge, sei R Ring in Ω, seien µ

1

, µ

2

Maße auf σ(R), es gelte

µ

1

(E) ≤ µ

2

(E) , f¨ ur alle E ∈ R, (1.93) es gebe eine Folge (E

n

)

n∈N

in R mit ∪

n∈N

E

n

= Ω und µ

2

(E

n

) < ∞ f¨ ur alle n ∈ N . Dann gilt

µ

1

(A) ≤ µ

2

(A) , f¨ ur alle A ∈ σ(R). (1.94)

(20)

Beweis: Durch

ν(E) =

( µ

2

(E) − µ

1

(E) , falls µ

2

(E) < ∞,

+∞ , falls µ

2

(E) = ∞, (1.95)

wird ein endlich-additives ν : R → [0, ∞] definiert mit ν(∅) = 0. Aus Lemma 1.15 folgt, dass ν auf R σ-additiv ist. Nach Theorem 1.21 l¨ asst sich ν zu einem Maß auf σ(R) fortsetzen. Es gen¨ ugt nun zu zeigen, dass

A ∈ σ(R) , µ

2

(A) < ∞ ⇒ µ

1

(A) ≤ µ

2

(A) . (1.96) Dieser Beweis wird analog zum Beweis des Eindeutigkeitssatzes 1.22 gef¨ uhrt. F¨ ur E ∈ R mit µ

2

(E) < ∞ definieren wir

D

E

= {D : D ∈ σ(R), ν(E ∩ D) = µ

2

(E ∩ D) − µ

1

(E ∩ D)} . (1.97) Wie im Beweis von 1.21 ergibt sich, dass D

E

ein Dynkin-System ist, also D

E

= σ(R) nach Satz 1.20, also

0 ≤ ν(E ∩ D) = µ

2

(E ∩ D) − µ

1

(E ∩ D) (1.98) f¨ ur alle D ∈ σ(E ) und alle E ∈ E mit µ

2

(E) < ∞. Wir definieren wieder

F

n

= E

n

\

n−1

[

i=1

E

i

.

Wie im Beweis von 1.22 folgt f¨ ur alle A ∈ σ(R) mit µ

2

(A) < ∞ und alle n ∈ N 0 ≤ ν(F

n

∩ A) = µ

2

(F

n

∩ A) − µ

1

(F

n

∩ A) ,

also gilt

µ

1

(A) = µ

1

[

n∈N

F

n

∩ A

!

= X

n∈N

µ

1

(F

n

∩ A) ≤ X

n∈N

µ

2

(F

n

∩ A) = µ

2

[

n∈N

F

n

∩ A

!

= µ

2

(A)

Damit ist (1.96) bewiesen. 2

Definition 1.25 (Meßbare Abbildung)

Seien Ω, Ω

0

Mengen, seien A, A

0

σ-Algebren auf Ω bzw. Ω

0

. Eine Abbildung T : Ω → Ω

0

heißt messbar, falls T

−1

(A

0

) ∈ A gilt f¨ ur alle A

0

∈ A

0

(das heißt, falls alle Urbilder von messbaren Mengen wieder messbar sind). (Falls nicht klar ist, welche σ-Algebren gemeint

sind, sagen wir, dass T A-A

0

-messbar ist.) 2

Lemma 1.26 Seien Ω, Ω

0

Mengen, A σ-Algebra auf Ω, E

0

⊂ P (Ω

0

) Mengensystem, A

0

= σ(E

0

), sei T : Ω → Ω

0

Abbildung. Gilt T

−1

(E

0

) ∈ A f¨ ur alle E

0

∈ E

0

, so ist T messbar.

Beweis: Nach ¨ Ubungsaufgabe ist

B

0

= {B

0

: B

0

⊂ Ω

0

, T

−1

(B

0

) ∈ A}

eine σ-Algebra in Ω

0

. Aus E

0

⊂ B

0

folgt A

0

= σ(E

0

) ⊂ B

0

. 2

(21)

Folgerung 1.27 Seien (Ω, d), (Ω

0

, d

0

) metrische R¨ aume. Dann ist jede stetige Abbildung T : Ω → Ω

0

messbar bez¨ uglich der Borel-Algebren (kurz: Borel-messbar).

Beweis: Ist U

0

offen in Ω

0

, so ist T

−1

(U

0

) offen in Ω und damit Borel-messbar. Aus Lemma

1.26 folgt die Behauptung. 2

Satz 1.28 (Bildmaß)

Seien Ω, Ω

0

Mengen, seien A, A

0

σ-Algebren auf Ω bzw. Ω

0

, sei T : Ω → Ω

0

messbar. Dann wird f¨ ur jedes Maß µ auf A durch

µ

0

(A

0

) = µ(T

−1

(A

0

)) (1.99)

ein Maß µ

0

auf A

0

definiert, es heißt das Bild von µ unter der Abbildung T , geschrieben

µ

0

= T (µ) . (1.100)

Beweis: µ

0

ist wohldefiniert, da T

−1

(A

0

) ∈ A f¨ ur alle A

0

∈ A

0

. Ist (A

0n

)

n∈N

eine Folge paarweise disjunkter Mengen in A

0

, so gilt

µ

0

[

n∈N

A

0n

!

= µ T

−1

[

n∈N

A

0n

!!

= µ [

n∈N

T

−1

(A

0n

)

!

= X

n∈N

µ(T

−1

(A

0n

))

= X

n∈N

µ

0

(A

0n

) .

2 Satz 1.29 Seien Ω

1

, Ω

2

, Ω

3

Mengen, seien A

i

σ-Algebren auf Ω

i

, seien T

1

: Ω

1

→ Ω

2

und T

2

: Ω

2

→ Ω

3

messbar. Dann ist auch T

2

◦ T

1

messbar. Ist µ Maß auf A

1

, so gilt

(T

2

◦ T

1

)(µ) = T

2

(T

1

(µ)) . (1.101) Beweis: F¨ ur alle A ∈ A

3

ist T

2−1

(A) ∈ A

2

, also

(T

2

◦ T

1

)

−1

(A) = T

1−1

(T

2−1

(A)) ∈ A

1

, also ist T

2

◦ T

1

messbar. F¨ ur A ∈ A

3

gilt weiter

(T

2

(T

1

(µ)))(A) = (T

1

(µ))(T

2−1

(A)) = µ(T

1−1

(T

2−1

(A))) = µ((T

2

◦ T

1

)

−1

(A))

= ((T

2

◦ T

1

)(µ))(A) .

2 Das Lebesgue-Maß ist translationsinvariant:

Satz 1.30 Sei a ∈ R

n

, T

a

: R

n

→ R

n

definiert durch T

a

(x) = x + a. Dann ist

T

a

(λ) = λ . (1.102)

(22)

Beweis: T

a

ist stetig, also messbar. F¨ ur alle halboffenen Intervalle [b, c) ∈ J

n

gilt (T

a

(λ))([b, c)) = λ(T

a−1

([b, c))) = λ([b − a, c − a)) =

n

Y

i=1

((c

i

− a

i

) − (b

i

− a

i

))

=

n

Y

i=1

(c

i

− b

i

) = λ([b, c)) .

Aus dem Eindeutigkeitssatz 1.22 folgt, dass λ und T

a

(λ) auf der Borel-Algebra ¨ uberein-

stimmen. 2

Wir betrachten nun die Streckung D

iα

: R

n

→ R

n

um den Faktor α in die i-te Koordina- tenrichtung,

D

iα

(x

1

, . . . , x

n

) = (x

1

, . . . , x

i−1

, αx

i

, x

i+1

, . . . , x

n

) . (1.103) Es gilt

(D

αi

)

−1

([a, b)) = [(a

1

, . . . , a

i

α , . . . , a

n

), (b

1

, . . . , b

i

α , . . . , b

n

)) , α > 0 , (1.104) (D

αi

)

−1

([a, b)) = [(a

1

, . . . , b

i

α , . . . , a

n

), (b

1

, . . . , a

i

α , . . . , b

n

)) , α < 0 , (1.105) also

(D

αi

(λ))([a, b)) = λ((D

iα

)

−1

([a, b))) = 1

|α|

n

Y

j=1

(b

j

− a

j

) = 1

|α| λ([a, b)) . (1.106) Wieder folgt aus dem Eindeutigkeitssatz 1.22, dass

D

αi

(λ) = 1

|α| λ (1.107)

auf der Borelalgebra gilt. Eine Homothetie

H

r

: R

n

→ R

n

, H

r

(x) = rx , r 6= 0 fest, (1.108) l¨ asst sich darstellen als

H

r

= D

r1

◦ D

r2

◦ · · · ◦ D

rn

, (1.109) also folgt, wenn wir Satz 1.29 und (1.107) mehrfach anwenden,

H

r

(λ) = 1

|r|

n

λ , (1.110)

und insbesondere

H

−1

(λ) = λ , (1.111)

das Lebesgue-Maß ist also invariant bez¨ uglich Spiegelung an den Koordinatenachsen (das

gilt sogar bez¨ uglich beliebiger orthogonaler Abbildungen, siehe unten Satz 1.33).

(23)

Satz 1.31 Sei µ ein Maß auf der Borelalgebra im R

n

, welches translationsinvariant ist, es gelte also

T

a

(µ) = µ , f¨ ur alle a ∈ R

n

. (1.112) Gilt außerdem µ([0, 1)) < ∞, so folgt

µ = αλ , (1.113)

wobei α = µ([0, 1)).

Beweis: Wir setzen α = µ([0, 1)), dann ist µ([0, 1)) = αλ([0, 1)), und wir setzen weiter B

k

= [0, ( 1

k , . . . , 1

k )) , k ∈ N , G

k

= {(a

1

, . . . , a

n

) : a

i

= m

i

k , m

i

∈ {0, 1, . . . , k − 1}} .

Dann l¨ aßt sich f¨ ur jedes k ∈ N das halboffene Intervall [0, 1) darstellen als disjunkte Vereinigung

[0, 1) = [

a∈Gk

T

a

(B

k

) , (1.114)

und wegen µ(T

a

(B

k

)) = µ(B

k

), λ(T

a

(B

k

)) = λ(B

k

), folgt

µ([0, 1)) = k

n

µ(B

k

) , λ([0, 1)) = k

n

λ(B

k

) , (1.115) also weiter

µ(B

k

) = αλ(B

k

) , f¨ ur alle k ∈ N . (1.116) Sei nun

B = [0, (b

1

, . . . , b

n

)) , b

i

∈ Q ∩ R

+

f¨ ur alle i, dann ist mit geeigneten k, j

1

, . . . , j

n

∈ N

B = [0, ( j

1

k , . . . , j

n

k )) , also l¨ asst sich B darstellen als disjunkte Vereinigung

B = [

a∈G(b)

T

a

(B

k

) , wobei

G(b) = n m

1

k , . . . , m

n

k

: 0 ≤ m

i

< j

i

, m

i

∈ N o

. Es folgt f¨ ur alle solchen Mengen B

µ(B) = µ(B

k

)

n

Y

i=1

j

i

= αλ(B

k

)

n

Y

i=1

j

i

= αλ(B) , und weiter f¨ ur beliebige a, b ∈ Q

n

µ([a, b)) = µ([0, b − a)) = αλ([0, b − a)) = αλ([a, b)) . (1.117)

(24)

Sei nun

J

ratn

= {[a, b) : a, b ∈ Q

n

}

die Menge aller halboffenen Intervalle, deren Ecken rationale Koordinaten haben. Da sich jedes offene Intervall in R

n

, und damit auch jede offene Teilmenge des R

n

, als abz¨ ahlbare Vereinigung solcher halboffener Intervalle schreiben l¨ asst, gilt O

n

⊂ σ(J

ratn

), also σ(O

n

) ⊂ σ(J

ratn

), also

σ(J

ratn

) = σ(O

n

) .

Da das Mengensystem J

ratn

ebenfalls schnittstabil ist, l¨ asst sich der Eindeutigkeitssatz 1.22 mit E = J

ratn

anwenden, und aus (1.117) folgt die Behauptung. 2 Folgerung 1.32 Das Lebesgue-Maß ist das einzige translationsinvariante Maß auf der Borel-Algebra im R

n

, welches dem Einheitsw¨ urfel [0, 1) das Maß 1 zuordnet. 2 Satz 1.33 Sei T : R

n

→ R

n

eine orthogonale lineare Abbildung, das heißt, T ist linear und es gilt

hT x, T yi = hx, yi , f¨ ur alle x, y ∈ R

n

. (1.118) Dann gilt

T (λ) = λ . (1.119)

Beweis: Nach Folgerung 1.32 gen¨ ugt es zu zeigen, dass T (λ) ein translationsinvariantes Maß ist mit (T (λ))([0, 1)) = 1. Wegen

T (x) + a = T (x + T

−1

(a)) f¨ ur alle x, a ∈ R

n

gilt

T

a

◦ T = T ◦ T

b

, b = T

−1

(a) , also

T

a

(T (λ)) = (T

a

◦ T )(λ) = (T ◦ T

b

)(λ) = T (T

b

(λ)) = T (λ) , da T

b

(λ) = λ, also ist T (λ) translationsinvariant. Weiter gilt

(T (λ))([0, 1)) = λ(T

−1

([0, 1))) < ∞ , da T

−1

([0, 1)) beschr¨ ankt ist. Aus Satz 1.31 folgt nun, dass

T (λ) = αλ , α = (T (λ))([0, 1)) . (1.120) F¨ ur die Einheitskugel B = {x : x ∈ R

n

, kxk

2

≤ 1} gilt B = T

−1

(B), da mit T auch T

−1

orthogonal ist, es folgt also

αλ(B ) = (T (λ))(B) = λ(T

−1

(B )) = λ(B) . (1.121) Hieraus folgt α = 1 und damit die Behauptung des Satzes, da 0 < λ(B) < ∞, da B beschr¨ ankt ist und

[0, ( 1

n , . . . , 1

n )) ⊂ B .

2

(25)

Definition 1.34 (Bewegung)

Eine Abbildung T : R

n

→ R

n

heißt Bewegung, falls

kT x − T yk

2

= kx − yk

2

, f¨ ur alle x, y ∈ R

n

. (1.122) Zwei Mengen A, B ⊂ R

n

heißen kongruent, falls es eine Bewegung T gibt mit B = T (A).

2

Satz 1.35 Das Lebesgue-Maß ist bewegungsinvariant, das heißt, es gilt

T (λ) = λ (1.123)

f¨ ur jede Bewegung T : R

n

→ R

n

. Insbesondere gilt

λ(A) = λ(B ) , (1.124)

falls A und B kongruente Borelmengen sind.

Beweis: Ist T Bewegung mit T (0) = 0, so ist T eine orthogonale lineare Abbildung (folgt aus einem Satz der Linearen Algebra, siehe auch ¨ Ubung). Sind T, T

0

Bewegungen, so folgt unmittelbar aus der Definition, dass auch T

0

◦ T eine Bewegung ist. Ist T eine Bewegung und setzen wir a = −T (0), so ist T

a

◦ T eine Bewegung mit (T

a

◦ T )(0) = 0. Hieraus folgt, dass sich jede Bewegung T darstellen l¨ asst als

T = T

T(0)

◦ S , S : R

n

→ R

n

orthogonal . Aus Satz 1.33 und der Translationsinvarianz von λ folgt, dass

T (λ) = T

T(0)

(λ) = λ

gilt f¨ ur jede Bewegung T . 2

Satz 1.36 Sei T : R

n

→ R

n

linear und invertierbar. Dann gilt T (λ) = 1

| det T | λ . (1.125)

Beweis: Sei A die zu T geh¨ orende Matrix bez¨ uglich der Standardbasis. Dann gibt es orthogonale Matrizen U, V ∈ R

(n,n)

und eine Diagonalmatrix D = diag {d

1

, . . . , d

n

} ∈ R

(n,n)

, d

i

> 0, mit

A = U DV . (1.126)

Es handelt sich hier um die sogenannte Singul¨ arwertzerlegung von A, siehe Lineare Alge- bra oder Numerik. Da D sich als Produkt der Streckungen D

di

i

schreiben l¨ asst, folgt aus (1.107) und Satz 1.33

T (λ) = 1 Q

n

i=1

d

i

λ . (1.127)

Andererseits gilt

| det(T )| = | det(A)| = | det(U )| · | det(D)| · | det V | = | det(D)| =

n

Y

i=1

d

i

.

2

(26)

Satz 1.37 Es gibt eine Menge K ⊂ R

n

, die keine Borelmenge ist.

Beweis: Wir definieren eine ¨ Aquivalenzrelation ∼ auf R

n

durch

x ∼ y ⇔ x − y ∈ Q

n

. (1.128)

Wir w¨ ahlen aus jeder ¨ Aquivalenzklasse genau ein Element k, und zwar so, dass k ∈ [0, 1).

Wir definieren K als die Menge aller so gew¨ ahlten Elemente. Dann gilt R

n

= [

y∈Qn

(y + K) , (1.129)

denn zu jedem x ∈ R

n

gibt es ein k ∈ K mit x ∼ k, also x − k ∈ Q

n

, x ∈ (x − k) + K.

Die Vereinigung in (1.129) ist disjunkt: Sind x, y ∈ Q

n

mit (x + K) ∩ (y + K) 6= ∅, so gibt es k

1

, k

2

∈ K mit x + k

1

= y + k

2

, also

k

2

− k

1

= x − y ∈ Q

n

,

also k

1

∼ k

2

und daher k

1

= k

2

nach Konstruktion von K, also folgt x = y. Wir zeigen nun, dass die Annahme, K sei Borelmenge, zu einem Widerspruch f¨ uhrt. Mit K sind auch alle Mengen y + K Borelmengen, und es gilt, da λ translationsinvariant ist,

∞ = λ( R

n

) = X

y∈Qn

λ(y + K) = X

y∈Qn

λ(K) ,

also ist λ(K) > 0. Andererseits gilt y + K ⊂ [0, 2) f¨ ur y ∈ [0, 1), da K ⊂ [0, 1) nach Konstruktion, also

2

n

= λ([0, 2)) ≥ λ

 [

y∈Qn∩[0,1)

(y + K)

 = X

y∈Qn∩[0,1)

λ(y + K) = X

y∈Qn∩[0,1)

λ(K) ,

also ist λ(K) = 0, da Q

n

∩ [0, 1) eine unendliche Menge ist. Widerspruch. 2

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Let X be a Riemann surface and let O and Ω be the sheaves of holomorphic functions (resp.. holomorphic differential 1-forms)