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Laudatio für Wolfgang Fellner

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Vol. 38 (2-3) 2012 Der öff entliche Sektor - Th e Public Sector 17

Laudatio für Wolfgang Fellner

zur Verleihung des Egon-Matzner-Preises für Sozioökonomie

Wolfgang Blaas

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise, die schwerste und gefährlichste seit der Weltwirtschaftskrise der 20er/30er- Jahre, ist auch eine Krise der Ökonomie, und zwar im dop- pelten Sinn:

es ist eine Krise der Theorie, also der nationalökonomischen Disziplin; und es ist eine Krise, die durch die Anwendung wesentlicher Doktrinen der herrschenden Theorie erst er- möglicht, entstanden und verschärft worden ist. Also etwa durch die Doktrin, dass der unregulierte Markt die beste aller Welten garantieren würde.

Die nationalökonomische Disziplin hat sich in den letz ten Jahrzehnten systematisch und derartig in eine Sackgasse manövriert, dass allenthalben vom „Tod der Ökonomie“

(Paul Ormerod) gesprochen wird, dass Bücher zum Thema

„What`s wrong with Economics“ publiziert werden (Edward Fullbrook), oder dass Ökonomen sogar von ihresgleichen als „Blindgänger“ (Lisa Nienhaus) bezeichnet werden, die durch die Brille ihrer Modelle am Erkennen von wirtschaft- lichen Realitäten gehindert werden. Junge französische und britische Ökonomen werfen den etablierten Vertretern vor, sich autistisch nur mit sich selbst und ihrem Spielzeug zu beschäftigen, und Heiner Flassbeck, einer der Juroren des Egon-Matz ner-Preises, spricht vom Glasperlenspiel (H. Hes- se) dieser Zunft, in der die wirtschaftliche und politische Realität zwar keine Rolle spielt, dafür aber umso mehr die Einhaltung der kanonisierten Spielregeln.

Andererseits haben sich schon frühzeitig kritische Stimmen innerhalb der Nationalökonomie erhoben, die vor diesem Weg gewarnt haben und konstruktive Alternativen entwi- ckelt haben. Eine Reihe internationaler Ökonomen-Vereini- gungen wurde gegründet, deren Ziel es war und ist, Wege aus dieser Sackgasse aufzuzeigen. Um nur ein Beispiel zu nennen: im September 1989 wurde die European Associati- on for Evolutionary Political Economy gegründet, bei der ich von Anfang an dabei war. Eine Zeitlang saßen zwei IFIP- Mitarbeiter im Vorstand dieser Association: Egon Matz ner als Repräsentant Deutschlands (als er Direktor am Wissen- schaftszentrum Berlin war) und ich als Repräsentant Öster- reichs. Auch Wolfgang Fellner hat im Rahmen einer Summer School Bekanntschaft mit dieser Vereinigung gemacht.

Egon Matz ner hat aber schon viel früher, in den 70er Jahren, die – nach wie vor herrschende – neoklassische Theorie in Form des Allgemeinen Gleichgewichts als unhistorisch und weltfremd kritisiert. Wäre er noch unter uns, ich bin über- zeugt davon, dass er dann angesichts des von Ökonomen mitverschuldeten Desasters seine zeitlebens kritische Hal- tung verschärft hätt e und vehementest für eine Neuorien- tierung der Ökonomie eingetreten wäre. Und natürlich - was für ihn sicher Priorität gehabt hätt e - auch für eine radikale Kehrtwende in der europäischen Wirtschaftspolitik.

Und, er würde nach meinem Dafürhalten, auch den Beitrag Wolfgang Fellners schätz en, der einen Weg aufzeigt, wie das herrschende Paradigma der Ökonomie, zumindest in einem Teilbereich, überwunden werden kann.

Wolfgang Fellner wird seine Arbeit dann selbst vorstellen, nur soviel aus meiner Sicht dazu:

Die Arbeit Fellners setz t am Konsumverhalten des Menschen an und erweitert das enge Korsett der Lehrbuchmodelle un- ter anderem um die Tatsache, dass der Nutz en eines Gutes weniger im Kauf des Gutes selbst liegt, sondern mehr darin, was mit diesem Gut gemacht, erlebt, genossen werden kann.

Ein Gut zu verwenden oder zu genießen braucht aber Zeit, und diese ist, so wie meistens auch das Geld, ein knappes Gut. Neben der Entscheidung, ein Gut zu kaufen, muss auch eine Entscheidung getroff en werden über die – mehr oder weniger zeitaufwendige - Verwendung des Gutes.

Integriert man diesen Gedanken in die Theorie des Konsum- verhaltens, so ergeben sich daraus weitreichende Konse- quenzen. Ich möchte nur auf einen Punkt, der mir besonders wichtig erscheint, hinweisen, und der insbesondere auch für die Forschungsfelder unseres Fachbereiches, in denen Regu- lierung eine wichtige Rolle spielt, relevant ist:

In der Fellnerschen Modellierung des Konsumverhaltens ist der Entscheidungsraum des Konsumenten weder vollstän- dig bestimmt noch stabil. Dadurch gibt es keine vollständige Information und die Konsumenten können in ihren Entschei- dungen beeinfl usst werden, z.B. durch Produzenten oder an- dere Konsumenten.

Wenn also Konsumentensouveränität - wie im Lehrbuchmo- dell vorausgesetz t – nicht mehr angenommen werden kann,

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Der öff entliche Sektor - Th e Public Sector Vol. 38 (2-3) 2012 18

W. Blaas

dann können unregulierte Märkte auch nicht mehr automa- tisch als ideale Formen der Ressourcenallokation gesehen werden.

Dieser Schluss, der aus dem gegenüber dem herkömmlichen Modell realitätsnäheren Modell des Konsumverhaltens folgt, ist allerdings von enormer Reichweite. Er bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass eine generelle Politik der Deregulierung schlichtweg falsch ist und die Regulierungs-

form eines Marktes jeweils spezifi sch entwickelt und auch wieder verändert werden muss.

Bevor Wolfgang Fellner jetz t näher auf seine Arbeit eingeht, möchte ich ihm im Namen unseres Fachbereiches und wohl auch der ganzen Universität dazu gratulieren, dass er ziem- lich eindeutig aus dieser Bewerbung als Sieger hervorgegan- gen ist und darf ihm diesen Preis, der heuer in dieser Form das erste Mal vergeben wird, überreichen.

Wolfgang Blaas Wien, 14. Juni 2012

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