Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Prinzhorn-Sammlung
richtigstellen, was bisher in allen Mitteilungen über Prinzhorns Leben falsch berichtet worden ist:
1) Prinzhorn ist in Hemer in Westfa- len nicht nur geboren, sondern hat dort auch seine Kindheit verbracht (nicht in Wien).
2) Nach dem Abitur Ostern 1904 am Realgymnasium der Nachbarstadt Iserlohn hat Prinzhorn Kunstge- schichte in Tübingen, Leipzig und München studiert (nicht in Wien).
3) Seine Ausbildung zum Konzert- sänger absolvierte er nicht nur in London, sondern vorher in Leipzig, Berlin und Mailand.
4) Die Übersetzung von Andrö Gi- des Frühwerk „Les nourritures terre- stres" hat er nur zum kleinsten Teil in Paris durchgeführt; die meiste Zeit hat er daran bei einem Freund in Südfrankreich, in seinem Ferien- haus im Südschwarzwald und in Schloß Morp in Erkrath bei Düssel- dorf (dem Wohnsitz des Kunstmä- zens P. Multhaupt), der übrigens auch veranlaßte, daß Georg Kolbe eine Bronzebüste von Prinzhorn an- gefertigt hat), gearbeitet.
5) Schließlich ist noch die Mittei- lung, Thomas Mann habe zu seinem Freundeskreis gehört, zu berichti- gen. Prinzhorn hatte zwar einen ganz ungewöhnlich großen Freun- des- und Bekanntenkreis (J. H.
Schultz, der Begründer des Autoge- nen Trainings, schrieb in seinen Le- benserinnerungen, Prinzhorn habe als seinen eigentlichen Hauptberuf das Menschensammeln bezeichnet), aber mit Thomas Mann bestand nur während relativ weniger Jahre ein gutes Verhältnis. 1931 hat Prinzhorn Thomas Mann außerordentlich scharf angegriffen (in „Deutsche Rundschau" 57, 188, 1931). In einem Brief vom 22. Dezember 1930 schreibt er an eine Freundin: „Näch- stens wird Th. Mann gemetzget, d. h.
er ist schon; nur noch nicht ge- druckt."
Prof. Dr. Wolfgang Geinitz Blumenthalstraße 41 6900 Heidelberg
Bedenkliche Einstellung
Dem Anspruch, Ausstellung und Ka- talog der Prinzhorn-Sammlung zu kommentieren, wird in der Beeck in seinem Beitrag ... nicht gerecht.
Denn während er die Geschichte Prinzhorns und seiner Sammlung, die Auseinandersetzung mit psycho- pathologischer Kunst und die Kate- gorien Navratils ausführlich und — gemessen am sonstigen Niveau des Artikels — erstaunlich wenig entstel- lend darlegt, während er sich auch bemüht, Rezensionen dieser Aus- stellung wiederzugeben, macht er keine Anstalten, Konzept der Aus- stellung, Anliegen und Inhalte der Katalogbeiträge sowie der „polemi- schen Schautafeln" ... darzustel- len und zu kritisieren. Seine Form der Auseinandersetzung besteht in dem ' Versuch, mit willkürlich aus dem Zusammenhang gerissenen Zi- taten die Beiträge und deren Verfas- ser verächtlich und lächerlich zu machen.
Vielleicht bescheidet sich in der Beeck nicht ohne Grund damit, Kurzbiographien wiederzugeben und wörtliche Zitate (die fast durch- weg aus den Anfangssätzen der Bei- träge stammen) abzuschreiben. Der Versuch, aus zwei Zitatbruchstük- ken eigenständig einen Satz zu bil- den, geht prompt schief. Eine einfa- che Gleichsetzung von „Schwarzer Theologie" mit „Religion der Schwarzen in den USA" (S. 1879) ist schlicht falsch und sinnentstellend.
. . . Aus seiner Wut auf Autoren, die es als Fachfremde, „Inkompetente"
und „Dilettanten" (so bezeichnet in der Beeck direkt und indirekt drei Ärzte, einen Gefmanisten, einen Kli- nikseelsorger ...) wagen, sich mit Bildern Schizophrener auseinander- zusetzen, spricht jedoch eine be- denkliche Einstellung eines Psychia- ters zu psychisch Kranken. Er hätte wohl die Bilder zusammen mit den psychisch Kranken gerne selbst in seiner Verfügungsgewalt und würde gerne die adäquate Weise des Um- gangs mit beiden bestimmen: ästhe- tisch und diagnostisch. Wenn wir uns aber weigern, uns Leidenden gegenüber als Fachleute aufzuspie-
len, wenn wir hinter Bildern und an- deren Ausdrucksformen den Men- schen suchen, wenn wir Sensibilität und Betroffenheit ausdrücken, erre- gen wir „rundumschlagende" Ag- gressionen bei Herrn in der Beeck.
Sind diese Aggressionen ein Zei- chen seiner Angst?
Dr. phil. Bettina Brand, Kunsthistorikerin
Dr. phil. Henning Burk, Publizist Hans Gercke, Leiter des Heidelber- ger Kunstvereins
Dr. med. Eberhard Haas, Oberarzt Dr. med. Inge Jarchov,
Kustodin der Prinzhorn-Sammlung Dr. phil. Stefanie Poley,
Kunsthistorikerin Peter Pulheim,
Klinikseelsorger, Dipl.-Psych.
Thomas Roth, Journalist
Christine Schaumberger, Theologin, wissenschaftl. Assistentin
Katholische Klinikgemeinde Hospitalstraße, Gebäude 34 6900 Heidelberg
Unsachlich gelenktes Treiben
. . . Warum stehen die deutschen Ordinarien der Psychiatrie und der Medizingeschichte nicht auf wie ein Mann gegen dieses unsachlich ge- lenkte Treiben der Ideologisierung und Agitation mit Hilfe eines Fundes subjektiver psychiatrisch-künstleri- scher Zeugnisse der Vergangen- heit? Warum erscheint Ihre Arbeit — nun nach draußen gerichtet, woher die Angriffe auf die Psychiatrie kom- men — nicht in den Tageszeitungen der Bundesrepublik? Warum ver- handelt man nicht den Mißbrauch dieser Sammlung in den internatio- nalen Gremien der Psychiatrie? Aus den Werken, Werkchen und Materia- lien der Prinzhorn-Sammlung ist dreierlei sicher nicht abzuleiten, wenn man sie als erfahrener Arzt betrachtet:
1) Die Ästhetisierung und Verharm- losung der großen Psychosen mit ihrem oft progredienten Zerfall der Persönlichkeit, ihren oft ungünsti- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 36 vom 3. September 1981 1697
Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Prinzhorn-Sammlung
gen Prognosen der Eigen- und Fremdbedrohung, der individuellen und gesellschaftlichen Rehabilita- tion.
2) Die Ausprägung ideologischer und agitatorischer Parolen moder- nen Stils in den graphischen und bildnerischen Versuchen einer krankheitsverhafteten und -bezoge- nen Ausdruckswelt zwischen 1890 und 1920.
3) Die Bildnerei der Geisteskranken als hochwillkommener Schlüssel ei- nes alles analysierenden Intellekts zu dem Wesen und Werk bestimmter Künstler — ja der gesamten moder- nen Kunst.
Dr. med. Herbert H. Böttger Schulweg 48
2000 Hamburg 19
Schlußwort
„Der deutsche medizinische Weltre- kord" als Titelblatt, brachte mit mei- nem Aufsatz zur Prinzhorn-Ausstel- lung ein vielseitiges Echo: 400 Son- derdrucke sind fast vergriffen; Zu- schriften, Ergänzungsvorschläge, z. T. seitenlange Erläuterungen, viel- fältige Telefonanrufe im Sinne von Dr. Böttger, Hamburg, erfolgen noch heute. Einen Rück-„Spiegel" gab es nicht, auch keine „Zeit"-Dokumen- tation; keine weitere „Gemeinde"
meldete sich zu Wort.
Gewiß sind,die Beiträge des Ausstel- lungskataloges und die aufgestell- ten Poster zeitgebunden aufschluß- reich, wie Prof. Janzarik die ambi- tendenten Wiedergaben charakteri- siert. Ich stimme sogar Prof. Siefert zu, wenn er von grotesk spricht. Die Verbindung von scheinbar Unver- einbarem, wunderlich überhöht, trifft die Kombination der klassi- schen Prinzhorn-Exponate mit den um Emanzipation bemühten Schau- tafeln.
Pointierte Diskussion ist weder pein- lich noch Ausdruck von Aggressio- nen. Die Sensibilität und Betroffen- heit der Mitglieder der Katholischen
Klinikgemeinde ist im wohlverstan- denen Sinne ein nachempfindbares Durchgangssyndrom. Der Weg, in einem „schiefen" Satz „schwarzen"
Humor zu erkennen, liegt noch of- fen, ebenso ist der Abstand für diese engagierten Betrachter bisher zu kurz, den Gestaltwandel in den psy- chopathologischen Ausdrucksfor- men schon genügend erkennen zu können. Angst-, gewalt- und wertfrei geht dennoch mein „Blick zurück
‚ohne' Zorn"! Die bisher von mir be- fragten Träger der Prinzhorn-Me- daille in der Internationalen und Deutschen Gesellschaft für Psycho- pathologische Ausdrucksformen (SIPE und DGPA) bieten Zusammen- arbeit an: Prinzhorn hat am 18. 6. 1986 den 100. Geburtstag.
Die biographischen Berichtigungen von Prof. Geinitz sind gebührend vermerkt. Prof. Gronemeyer, Wies- baden, verdanke ich den Hinweis auf den Nachruf von Prof. Karl Maria Hansen mit der Laudatio des Ameri- kaners David Lindsey Watson in Deut. Mediz. Wschr. 1933 Nr. 23, S.
944: „In the teeth of all formalist thought" — Front gegen jede Art von Formalismus" (Titel von Watson aus einem Brief Prinzhorns an ihn über- nommen).
Prof. Gronemeyer schickte mir Nr.
343 des Bandes nachgelassener Ge- dichte von Prinzhorn, die Prof. Han- sen als Freund aus der gemeinsa- men Heidelberger Zeit 1934 in einem Privatdruck (ohne Verlagsangabe) herausgegeben hat. Mit folgenden Zeilen beginnt das letzte Gedicht von Prinzhorn:
Was Euch trügt — mich täuscht es nimmer
Was Euch lockt — als Wahn erkannt ich's
Was ich weiß — Ihr mögt's nicht wissen
Was ich sah — Ihr wollt's „nicht glauben".
Dr. med. Dr. phil.
Manfred in der Beeck Forensische Psychiatrie und Psychologie,
Ltd. Arzt, Landeskrankenhaus 2380 Schleswig
BEKANNTMACHUNGEN
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Beschlüsse der Arbeitsgemein- schaft gemäß § 19 des Arzt/Er- satzkassenvertrages aus der 86. Sitzung am 11./12. August 1981 in Winterscheid
320. Zu Abschnitt B V E-GO — Ambulantes Operieren
Die Arbeitsgemeinschaft beschließt:
Das Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 319 vom 25. 6. 1981 wird auf den 1. 8. 1981 verschoben.
(Gültig ab 1. 8. 1981)
321. Zu Anlage 2 Abschnitt C Ziffer 3 des Vertrages
Die Arbeitsgemeinschaft beschließt:
Der Beschluß Nr. 285 vom 24. 10. 1979 wird aufgehoben.
(Gültig ab 1. 10. 1981)
Kassenarztsitze
Pfalz
Von der Kassenärztlichen Vereinigung Pfalz werden folgende Kassenarztsitze zur vordringlichen Besetzung ausge- schrieben:
Dannenfels, Donnersbergkreis, ein All- gemein-/praktischer Arzt. Einzugsgebiet ca. 2700 Einwohner. Der am Ort tätige Allgemeinmediziner wird zum 31. 12.
1981 auf seine kassenärztliche Tätigkeit verzichten. Eine Wiederbesetzung ist aufgrund der Bedarfsplanung erforder- lich.
Landstuhl, Landkreis Kaiserslautern, ein Hautarzt. Einzugsgebiet ca. 45 000 Einwohner. Die Niederlassung ist auf- grund der Bedarfsplanung erforderlich.
Landstuhl, Landkreis Kaiserslautern, ein Gynäkologe. Einzugsgebiet ca.
45 000 Einwohner. Bisher waren in die- sem Bereich drei Gynäkologen tätig. Ein Gynäkologe ist vor einiger Zeit verstor- ben. Die Praxis kann evtl. übernommen werden.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 1700 Heft 36 vom 3. September 1981