A 2008 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 43|
25. Oktober 2013F
rüher war alles besser? Prof.Dr. med. Friedrich W.
Schwartz, ehemaliger Direktor des Zentralinstituts für die kassenärztli- che Versorgung in der Bundesrepu- blik Deutschland (ZI), kann das nicht bestätigen. Empirische For- schung und wissenschaftliche Stu- dien bildeten heutzutage eine wich- tige Grundlage für Verhandlungen zwischen Ärzteschaft und den Krankenkassen. So war es aber nicht immer, erinnerte Schwartz bei einer Fachtagung zum 40-jährigen Jubiläum des ZI Mitte Oktober in Berlin: „Vor den 70er Jahren spiel- ten sie keine Rolle. Dafür bestimm- ten persönliche Beziehungen oft- mals den Erfolg oder Misserfolg der Verhandlungen.“
Das ZI wurde von den Kassen- ärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) 1973 ins Leben gerufen. Es sollte, erinnerte Schwartz, vor allem „Gegengrün- dung zu dem seitens der AOK ge- planten wissenschaftlichen Institut WIdO“ sein. Beide Institute müssen sich seitdem vorwerfen lassen, par- teiisch zu sein. Beide haben aber mit ihren Studien dazu beigetragen, die Versorgungswirklichkeit zu be- leuchten. So hat das ZI wichtige Impulse gesetzt, um regionale Un- terschiede in der Versorgung zu er- kennen und darauf zu reagieren.
Zukünftig dürfte die Bedeutung dieses Analyseansatzes weiter wachsen. Von der Versorgungsfor- schung erhoffen sich viele Akteure neue Erkenntnisse, um innovative Lösungsstrategien zu erarbeiten.
Auch der KBV-Vorstandsvorsitzen- de, Dr. med. Andreas Köhler, sagte bei der Tagung: „Aus den regiona- len Unterschieden der Versorgungs- strukturen und -prozesse sowie aus ihrer Entwicklung im Zeitablauf
lassen sich Erklärungsmodelle und Handlungsbedarfe für die KVen und ihre Vertragspartner ableiten.“
„Die räumliche Versorgungsfor- schung, wie sie das ZI betreibt, kann ein Kompass für die Gestal- tung der Versorgung sein“, ergänzte ZI-Mitarbeiter Thomas Czihal. Er hält es allerdings für falsch, die Ver- sorgung überall an den Durch- schnitt angleichen zu wollen. Viel- mehr solle man bei der Sicherstel- lung jeweils eine lokale Benchmark anstreben. Damit gab Czihal zu er- kennen, dass er wie viele andere Fachleute nicht mehr davon aus- geht, dass die grundgesetzlich ga- rantierte Einheitlichkeit der Le- bensverhältnisse noch maßgebend für die Sicherstellung der medizini- schen Versorgung sein kann.
Denn Altersstrukturen, Arbeits- markt und Einkommen unterschei- den sich regional längst. „Eine Gleichheit der Lebensverhältnisse ist illusorisch. Man sollte vielmehr die Gleichwertigkeit der Lebens-
verhältnisse im Blick haben, und zwar dort, wo sie sich überhaupt noch herstellen lässt“, befand Prof.
Dr. Elke Pahl-Weber vom Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin.
Betroffen von schlechteren Ver- sorgungsstrukturen ist vor allem der Osten. Aber auch im Westen, gera- de im bevölkerungsreichen Nord- rhein-Westfalen, gebe es Gebiete, wo immer mehr alte, arbeitslose und arme Menschen lebten, stellte Pahl-Weber klar. Dort, wo Abwan- derung und Überalterung eine Regi- on prägen, wird es aber besonders teuer, Infrastrukturleistungen auf- rechtzuerhalten. Das gilt auch für die medizinische Versorgung.
Es kommt erschwerend hinzu, dass sich immer weniger Ärzte auf dem Land niederlassen. „Wir kön- nen nicht erwarten, dass Ärzte ausgerechnet dorthin gehen, wo kein anderer hin will“, sagte Pahl- Weber. Die Konsequenz: Über kurz oder lang ist eine bundesweit gleiche flächendeckende medizi- nische Versorgung nicht mehr möglich. Statt diesem Ideal nach- zuhängen, sollte man sich nach Ansicht der Wissenschaftlerin auf die Städte und Regionen konzen- trieren, die die Menschen besie- deln wollen. Sie seien wie Anker, die stabilisiert, weiterentwickelt und nachhaltig ausgestaltet wer- den sollten.
Pahl-Weber lehnt deshalb auch ei- ne rein quantitative Betrachtung von Versorgungsstrukturen, beispiels- weise feste Relationen für das Ver- hältnis von Arzt- und Einwohnerzah- len, ab. Sie plädiert stattdessen dafür, die Qualität der medizinischen Ver- sorgung in den Mittelpunkt zu rü- cken – selbst wenn dies bedeute, Siedlungen aufzugeben.
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Eugenie Ankowitsch
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Versorgungsatlas.de: Für den Überblick über die ambu- lante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung.Neben Strukturdaten werden Forschungsergebnisse und Analysen zu regionalen Besonderheiten präsentiert.
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ZI-Praxis-Panel (ZiPP): Seit 2010 veröffentlicht das ZI jährlich Daten zur betriebswirtschaftlichen Entwicklung von Praxen. Sie erlauben, aufbereitet für die einzelnen Fachgruppen, eine detaillierte Einsicht in die Umsatz- entwicklung, die Betriebskosten, das Investitionsver- halten und die Patientenstruktur.●
RX-Trendbericht: monatlich aktualisierte Übersicht zur Entwicklung des Verordnungsgeschehens in Deutsch- land.●
Studien: Unter anderem Auswertung von Früherken- nungsangeboten, zum Beispiel der Darmkrebs- und Hautkrebsfrüherkennung sowie dem Mammographie- Screening, und allgemeine Untersuchungen zur Ak- zeptanz von Früherkennungsuntersuchungen.EXPERTISE AUS DEM ZI
40 JAHRE ZI-ANALYSEN
Versorgung im Fokus
Seit 40 Jahren analysiert das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung die ambulante Versorgung aus verschiedenen Blickwinkeln. In Zukunft soll die räumliche Versorgungsforschung helfen, Herausforderungen gezielter zu begegnen.