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Archiv "Die erworbenen hämolytischen Anämien" (06.03.1975)

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Die erworbenen

hämelytischen Anämien

Diagnostik, Klinik und Therapie

Johannes C. F. Schubert, Helmut Martin 1) und F. Walther

Aus dem Zentrum der Inneren Medizin,

Abteilung für Hämatologie {Direktor: Professor Dr. med. Helmut Martin), der Universität Frankfurt am Main

Autoimmunhämolytische Anämien werden durch Autoantikörper ausgelöst, die sich gegen antigene Strukturen der Erythrozyten- oberfläche richten. Sie können symptomatisch, meist im Verlauf ei- ner lymphatischen Systemerkrankung, akut passager, zum Beispiel bei Virusinfektionen, und als idiopathische chronische Formen auf- treten. Je nach Art der zugrunde liegenden Autoantikörper unter- scheidet man durch Wärmeautoantikörper bedingte (71 ,2 Prozent), durch Kälteagglutinine hervorgerufene (23,7 Prozent) und durch Do- nath-Landsteiner-Hämolysine verursachte {5, 1 Prozent) Formen.

Die Therapie der Wärmeantikörperanämien mit Glukokortikosteroi- den, immunsuppressiv· wirksamen Zytostatika und gegebenenfalls der Splenektomie bringen in 75 Prozent der Fälle komplette oder Teilremissionen. Die Behandlung der anderen Formen ist auch heu- te noch problematisch.

Autoimmunhämolytische Anämien werden durch Autoantikörper aus- gelöst, die sich gegen antigene Strukturen der Erythrozytenober- fläche richten. Die autoimmunhä- molytischen Anämien werden je nach den ihnen zugrunde liegen- den Autoantikörpern in drei Grup- pen eingeteilt {Tabelle 1); sie kön- nen bedingt sein durch

..,.. Wärmeautoantikörper, ..,.. Kälteagglutinine,

..,.. Donath-Landsteiner-Hämolysine.

Durch Wärmeantikörper bedingte autoimmunhämolytische Anämie Man unterteilt diese Gruppe in vier Formen:

..,.. die idiopathische chronische,

· ..,.. die symptomatische chronische, der ein Grundleiden zugrunde liegt, ..,.. die symptomatische akute Form, die sich meist nach oder während einer Virusinfektion einstellt, ..,.. die unter antihypertensiver The- rapie mit a-Methyldopa und ande- ren Medikamenten auftritt; sie ist sonst von der idiopathischen chro- nischen Form nicht zu unterschei- den .

Die Antikörper stellen kein einheit- liches monoklonales Immunglobu- lin, sondern eine heterogene Grup- pe dar. Sie richten sich in der Re- gel gegen einzelne, mehrere oder alle Rh-Bestandteile des Erythrozy- ten. ln einigen Fällen findet man

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KOMPENDIUM

nur Komplement an den Erythrozy- ten, während zur Hämolyse das Komplement nur eine untergeord- nete Rolle spielt. Die Antikörper gehören meistens der Immunglo- bulinklasse lgG an. Sie können mit Antikörpern der Klasse lgM und lgA und/oder lgG vergesellschaf- tet sein, wobei seltener lgM oder lgA oder lgG vorkommen kön- nen. Ihr Wirkungsoptimum haben sie bei erhöhter Körpertemperatur.

Sie sind in der Regel inkomplett, das heißt für ihren Nachweis braucht man Antihumanglobulin;

darauf beruht das Prinzip des Coombs-Tests2).

Die am Erythrozyten sitzenden An- tikörper scheinen seine Oberfläche besonders "klebrig" zu machen. [>

1) Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer.

2) Coombs-Test: Kaninchen werden mit Humanglobulin immunisiert und nach Gewinnung des Serums die störenden Heteroagglutinine absorbiert. Das so gereinigte Antihumanglobulinserum (Coombsserum) wird mit sorgfältig ge- waschenen Testerythrozyten zusammen- gebracht. Befinden sich auf der Erythro- zytenoberfläche inkomplette Antikörper, kommt es zur Agglutination. Mit diesem direkten Coombs-Test weist man also die zellständigen Antikörper nach. Die frei im Serum befindlichen Antikörper stellt man dar, indem man Testerythro- zyten, die auf ihrer Oberfläche keine Antikörper enthalten, in diesem antikör- perhaltigen Serum inkubiert. Die freien Antikörper heften sich dann an die Ery- throzyten und können anschließend mit Antihumanglobulinserum nachgewiesen werden. Dieses zweite Testverfahren nennt man den indirekten Coombs-Test.

Statt des gegen alle Immunglobulinklas- sen gerichteten Antihumanglobulinse- rums kann man auch spezifischere Se- ren, die sich nur gegen einzelne Im·

munglobulinklassen richten, verwenden.

DEUTSCHES ARZTEBLATI'

Heft

10

vom 6. März

1975

655

(2)

Hämolytische Anämien

Tabelle 1: Einteilung der autoimmunhämolytischen Anämien*) (in Anlehnung an Schubothe und Mitarbeiter, 1971)

1. Durch Wärmeautoantikörper bedingt (71,2 0/0)**) O Idiopathische chronische Form

O Symptomatische chronische Form

z. B. bei lymphoproliferativen Erkrankungen, Thymomen, Hämo- blastosen, soliden Tumoren, Autoaggressionskrankheiten und ver- wandten Leiden (Erythematodes!) und anderen Erkrankungen, zum Beispiel M. Boeck

O Symptomatische akute passagere (postinfektiöse) Formen O a-Methyldopa-induzierte Form

II. Durch Kälteagglutinine hervorgerufen (23,70/0)*) O Idiopathische chronische Kälteagglutininkrankheit

I) Symptomatische chronische Kälteagglutininkrankheit zum Bei- spiel bei chronischer Lymphadenose und M. Waldenström

• Symptomatische akute passagere (postinfektiöse) Kälteaggluti- ninkrankheit, zum Beispiel bei Viruspneumonien

III. Durch Donath-Landsteiner-Hämolysine verursacht (5,1 0/0)*) O Chronische nichtsyphilitische Kältehämoglobinurie

O Symptomatische chronische syphilitische Kältehämoglobinurie O Symptomatische akute passagere (postinfektiöse?) nichtsyphili- tische Form

*) Die Tabellen 1, 3 und 4 sind mit freundlicher Genehmigung des F. J. Lehmanns Verlags entnommen aus: Nowicki, Martin, Schubert „Hämolyse — hämolytische Erkrankungen"

**) nach Dacie und Mitarbeiter, 1969

Tabelle 2: Autoimmunhämolytische Anämie durch inkomplette Wärmeantikörper

Meist chronischer Verlauf und schweres Krankheitsbild (akute Exazerbationen, Remissionen)

Alle Lebensalter,

9 >

Anämie > Ikterus, Fieber möglich Nachweis: Coombs-Test

Ultrazentrifuge: 7 S

Immunelektrophorese: lg-G Leber: (+) bis +-

Knochenmark: Erythropoese + + +

(Mitreaktion von Myelo- und Megakaryopoese) Blutbild: Retikulozyten + + +

Aniso- und Poikilozytose, Polychromasie, Mikro-, Makro- und Sphärozyten

Osmotische Resistenz: normal, vermindert, erhöht Price-Jones-Kurve: breite Basis (Anisozytose)

doppelgipfelig (Retikulozyten)

BSG: meist stark bis extrem beschleunigt Schleudersenkung (Retikulozyten)

Gelegentlich: schwerer Ikterus mit Cholostase

656 Heft 10 vom 6. März 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Antikörper haften dann an der Oberfläche von Makrophagen vor- zugsweise in der Milz fest und wer- den beispielsweise durch Phagozy- tose hämolysiert.

Die Ursachen der durch Wärmean- tikörper bedingten autoimmunhä- molytischen Anämie liegen auch bei den symptomatischen Formen heute noch im dunkeln. Eine Rolle spielen möglicherweise Störungen der Thymusfunktion, Virusinfektio- nen sowie genetische Faktoren.

Bei den symptomatischen sowie den durch a-Methyldopa und an- dere Medikamente induzierten Formen wird der hämolytische Pro- zeß in der Regel durch die Grund- krankheit beziehungsweise das Medikament unterhalten; er kann nach Behebung der Grundkrank- heit oder Absetzen der Medikation noch eine Zeitlang fortbestehen.

Etwa ein Drittel der durch Wärme- antikörper bedingten autoimmun- hämolytischen Anämien sind sym- ptomatisch bedingt; man sollte da- her immer sorgfältig, gegebenen- falls auch während des Ablaufs der Erkrankung, wiederholt nach einem Grundleiden suchen (Tabelle 1).

Krankheitsverlauf

Die Erkrankung nimmt meist einen chronischen Verlauf (Tabelle 2);

akute Exazerbationen mit rapider Entwicklung einer lebensbedrohli- chen Anämie können aber ebenso vorkommen wie Remissionen. Au- toimmunhämolytische Anämien tre- ten in jedem Lebensalter auf; das weibliche Geschlecht wird etwas bevorzugt befallen. Die Patienten machen meist einen schwerkran- ken Eindruck. Die Symptome der Anämie stehen ganz im Vorder- grund. Der Ikterus ist in der Regel weniger ausgeprägt als bei ande- ren hämolytischen Anämien. Häufig fiebern die Kranken. Die Milz kann tastbar vergrößert sein, der Milz- tumor ist aber selten besorgniser- regend; manchmal besteht auch eine begleitende Leberschwellung.

Der im Knochenmark erheblich ge- steigerten Erythropoese entspricht die regelmäßig stark vermehrte Re- tikulozytenzahl. Im Blutausstrich

(3)

weisen die Erythrozyten deutliche Anomalien, wie Aniso- und Poikilo- zytose auf. Die osmotische Resi- stenz der Erythrozyten kann nor- mal, vermindert oder auch erhöht sein. Der Anisozytose entspre- chend ist die Price-Jones-Kurve verbreitert. Ursache der zweigipfe- ligen Kurve sind die Retikulozyten mit ihrem größeren Durchmesser;

sie sedimentieren bei der meist extrem beschleunigten Blutsen- kung langsamer und bedingen die sogenannte Schleiersenkung.

Gelegentlich besteht als Folge der chronischen Hämolyse zusätzlich eine ausgeprägte Cholestase.

Therapeutisches Ziel

Bei den symptomatischen Formen zielt die Therapie in erster Linie darauf ab, die Grundkrankheit zu beheben. Solange sie sich nicht gebessert hat, muß die durch Wär- meantikörper bedingte autoimmun- hämelytische Anämie wie die idio- pathischen Formen behandelt wer- den; man muß also in erster Linie versuchen, die Autoantikörperbil- dung zu unterdrücken.

Als Schema ist das Immunsystem mit den an der Bildung und Reak- tion von Antikörpern beteiligten Zellen in Darstellung 1 wiederge- geben. An der Antikörperbildung sind zwei voneinander isolierbare Lymphozytenarten beteiligt: die dem Knochenmark entstammen- den, überwiegend festsitzenden B-Lymphozyten und die durch den Thymus geprägten, mobilen T-Lym- phozyten. ln den Organismus ein- gedrungenes Antigen wird zu etwa 90 Prozent von Makrophagen in den Lysosomen vernichtet und zu etwa zehn Prozent an dendritische Makrophagen gebunden, wo es persistiert. Spuren des Antigens treffen entweder direkt oder durch Vermittlung der dendritischen Ma- krophagen auf spezifische T- und B-Lymphozyten. Diese spezifisch sensibilisierten Zellen müssen zu- sammen kooperieren, wobei ein bis drei T-Zellen für hundert B-Zel- len ausreichen sollen. Dadurch werden, vermutlich über ein Bla-

Tabelle 3: Möglichkelten · der Immunsuppression Medikamentös

Glukokortikosteroide Zytostatika

Alkylantien Antimetaboliten Antimitotika

spezifische Antibiotika Antilymphozytenglobuline

Chirurgische Maßnahmen Lymphdrainage Splenektomie (Thymektomie) Strahlentherapie

Tabelle 4:

Glukokortikosteroide Einfluß auf die

..,.. Lymphozyten: Lyse und Proliferationshemmung (zum Beispiel durch Störung der DNS-Synthese über die Hemmung der Proteinsynthe- se durch verminderte Bereit- stellung von Ribosomen) Folgen: Lymphopenie, Rück- bildung von Thymus, Lymph- knoten, Milz, lymphatischen Ansammlungen mit Produk-

tionseinschränkung für 7 S-

Giobuline

..,.. Monozyten: Funktionsein- schränkung

(zum Beispiel Phagozytose- hemmung unter anderem, vermutlich über eine Stabili- sierung der Lysosomenmem- bran)

stenstadium, zahlreiche Zellteilun- gen bewirkt. Der größere Teil die- ser Zellen reift zu kurzlebigen Plas- mazellen heran, deren alleinige Aufgabe es ist, Antikörper zu pro- duzieren. Ein kleinerer Teil der Zel- len reift nicht mit; er bildet das immunologische Gedächtnis, von dem dann die sogenannte Sekun- därreaktion bei Zweitkontakt mit dem gleichen Antigen ausgeht.

Dieser komplizierte Mechanismus läßt sich auf mehreren Wegen be-

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hämelytische Anämien

einflussen. Den besten Effekt er- zielt man auch heute noch mit dem Einsatz von Glukokortikoiden, die durch Zytostatika unterstützt und manchmal auch ersetzt werden können. Von den zur Vertügung stehenden Zytostatika werden überwiegend Antimetaboliten ver- wendet. Als dritte Möglichkeit bleibt noch der Versuch einer Splenektomie (Tabelle 3).

Medikation

Glukokortikoide greifen (außer an der Knochenmarkstammzelle) in alle Phasen des immunologischen Vorganges ein. Bei entsprechend hohen Dosen setzen schon nach wenigen Stunden Veränderungen an den Lymphozyten (Tabelle 4) ein. Es kommt über Kernpyknose zum Zertall der Lymphozyten; sie können nicht mehr proliferieren.

Der wesentliche Faktor an diesen Vorgängen scheint eine Hemmung der RNS-Synthese zu sein. Sie führt über die gestörte Proteinbil- dung zum Zusammenbruch der DNS-Synthese und zum Zelltod mit folgender Lymphopenie und Rück- bildung aller lymphatischen Gewe- be. Die Produktion von lgG wird dabei eingeschränkt, während die lgM-Bildung weniger beeinflußt zu werden scheint. Die Tätigkeit der Monozyten oder Makrophagen wird über eine Funktionseinschränkung der Lysosomen behindert, die zum Beispiel zu einer verminderten Phagozytosefähigkeit führt. Außer- dem nimmt die Antikörpermenge auf der Erythrozytenoberfläche un- ter dem Einfluß von Glukokortikoi- den ab, was zusätzlich die Gefahr der Erythrozytenphagozytose min- dert.

Die immunsuppressiv wirksamen Zytostatika - neben Antimetaboli- ten kommen auch Alkylantien in Frage - besitzen ein engeres Wir- kungsspektrum als Glukokortikoi- de. Alkylantien wirken direkt auf die DNS der Zellen ein, deren Stränge sie vernetzen, während Antimetaboliten vorwiegend stoff- wechselaktive Zellen beeinflussen, also bevorzugt in der Phase der

DEUTSCHES ARZTEBLATr Heft 10 vom 6. März 1975 657

(4)

dendritiscbe Mak roi4)ägen

primäre Stammzelle

Ag ( C )

M Ak

Thymus

Makro- phagen

Gedächtnis- zellen

Hämolytische Anämien

Proliferation einsetzen, die nach dem Antigenstimulus liegt.

Die immunsuppressive Effektivität beider Stoffgruppen, auch auf die Immunität vom verzögerten Typ, ist nicht nur durch zahlreiche Tierver- suche, sondern auch beim Men- schen belegt, wobei die Alkylantien den Antimetaboliten überlegen zu sein scheinen.

Dosierungsschema

Zweckmäßigerweise beginnt man mit hohen Prednisondosen von 2 bis 3 mg/kg/die. Bei fallender Reti- kulozytenzahl verringert man die tägliche Dosis um 5 bis 10 mg, bis sie auf 50 mg abgesunken ist; von da an reduziert man die Dosis nur noch um 2 bis 5 mg/Tag, bis die Erhaltungsdosis von 5 bis 15 mg erreicht worden ist. Diese Medika-

tion sollte bei Erwachsenen gleich zu Beginn mit einem Zytostatikum kombiniert werden (zum Beispiel mit Azathioprin [Imurek®], 1,5 bis 2,5 mg/kg/die, bei Dauertherapie 1,5 mg/kg/Tag).

Bei Unverträglichkeitserscheinun- gen oder Resistenz können auch Alkylantien eingesetzt werden. Die Therapie soll erst abgesetzt wer- den, wenn eine komplette Remis- sion erreicht worden ist. Sprechen die Patienten auf die Behandlung nicht an, sollte die Splenektomie versucht werden, allerdings erst nach vorausgegangener Prüfung des Abbaus mit 51 Cr-markierten Erythrozyten.

Wir haben seit mehr als 15 Jahren unsere Kranken auf diese Weise behandelt und bei 16 Kranken zwölfmal, also in 75 Prozent der Fälle, eine komplette beziehungs-

weise Teilremission erreicht. Unse- re Ergebnisse decken sich in etwa mit den Resultaten an 56 in der Li- teratur beschriebenen Patienten.

Beispiele

Zwei Beispiele mögen das eben Gesagte veranschaulichen: Bei Frau A. K. (Darstellung 2) stellte sich mit 26 Jahren eine durch Wär- meantikörper bedingte autoimmun- hämolytische Anämie mit Throm- bopenie ein; diese Kombination kommt bei etwa einem Sechstel der Kranken vor. Da die Patientin auf Prednison in Dosen bis zu 75 mg/

die nur ungenügend ansprach, wur- den zusätzlich 150 mg/die 6MP (Purinethol®) verabreicht. Als 6MP wegen Unverträglichkeitser- scheinungen abgesetzt werden mußte, kam es prompt zu einem Rezidiv. Schon nach kurzer Zeit

Antimetaboliten Alkylantien

Prednison

Induktionsphase Produktionsphase Ag-Ak-Reaktion Hämolyse

Darstellung 1: Schema des Immunsystems mit den an der Bildung und Reaktion von Antikörpern beteiligten Zellen (alle Darstellungen mit freundlicher Genehmigung des J.F. Lehmanns Verlags entnommen aus: Martin, Nowicki, Schubert:

„Hämolyse — hämolytische Erkrankungen")

658 Heft 10 vom 6. März 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATT

(5)

Milz 6 cm 4 cm Rippenbogen Actinomycin C bzw.

0,2 mg/d. 6- MP bzw. Cyclophosphamid 1,0 Procarbazin

EI

H0,4 mg/d.

0

Pat. A. K. 26J.: EVANS-Syndrom

0,6 mg/Woche 100-

50- mg 1001 50 0 Coombs-Test

m60 150

111111111111miiiii 0 0

11111111111111111111111111111,,

Bilirubin 2 1,7 im Serum '1

2,9 Knochenmark :436

:161

4,2 3,1 1,7

:222

1,6 2,9 1,6 2,2

3,0 3,7 1,9 13 1,7 1,1 1,1 1,1 1,2 Strumaresektion

1,1

Retikulozyten 0/00 Thrombozyten •103/m m3

260 - •

e

Hb g

Schwerer Steroid -Cushing

' 1 11 3 1 11

68 I 69

Retikulozyten _ - - -•- - • 3 7 11 3 7 9

71 72

200 - 1 - 120 - 80 - 40 -

15 12 -

9 - 6 - 3 -

0 Monat 3 '7 111 1963

3 7 11 70

6-MP Actinomycin C • Prednison

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Darstellung 2: Patient A. K.,

y,

26, Jahre; Evans Syndrom

kam es unter Prednison zu einem schweren Cushing-Bild mit einer symptomatischen Psychose. Nach Gabe von Actinomycin C (dreimal 200 7 pro Woche) und 6MP bahnte sich eine Remission an, beide Mit- tel mußten wir aber wegen der ent- stehenden Schleimhautulzera wie- der absetzen; gleiches galt für Pro- carbazin (Natulan®), das bei der Patientin eine schwere Nausea her- vorrief. Cyclophosphamid (Endo- xan®) in vier Einzeldosen von einem Gramm kombiniert mit 25 mg Prednison täglich brachte eine Teilremission, die sich unter einer

„Schaukeltherapie" mit 6MP und Prednison fast zwei Jahre lang auf- rechterhalten ließ. Leider stellte sich allmählich wieder eine Throm- bopenie ein, die sich unter acht Monate dauernden Injektionen von Actinomycin C wieder zurückbilde- te. Seit dieser Zeit stand Frau K.

unter einer Dauermedikation von 6MP und kleinen Prednisongaben;

seit 1970 befindet sie sich in kom- pletter Remission, sogar der Milz-

tumor ist geschwunden. Die Kran- ke hat es übrigens immer abge- lehnt, sich die Milz entfernen zu lassen. Im November 1971 haben wir Prednison abgesetzt. Frau K.

erhält zur Zeit nur noch 50 mg 6MP/die (Darstellung 2).

Der Patient F. M. litt an einer chro- nischen Lymphadenose, die durch zweimalige Gaben von je zwei Gramm Cyclophosphamid in Re- mission gebracht werden konnte.

Trotzdem entwickelte sich danach eine extreme Autoimmunhämolyse mit gleichzeitiger aplastischer Kri- se des Knochenmarkes. Innerhalb weniger Tage erhielt Herr M. 8500 Milliliter Blut und kurzfristige „Ver- zweiflungsdosen" von Prednison bis zu 900 mg/die. Unter zusätzlich verabfolgtem Ifosfamid (Cyclophos- phamidderivat — nicht im Handel) gelang eine komplette, bis heute anhaltende Remission, die uns be- wog, Prednison abzusetzen (Dar- stellung 3 auf Seite 660).

Splenektomie

und Bluttransfusionen

Außer der medikamentösen Thera- pie kommt in besonders gelagerten Fällen noch die Splenektomie in Frage, wenn sie durch Untersu- chung mit 51 Cr-markierten Erythro- zyten als der Hauptabbauort (Milz/

Leber-Quotient > 1,5) der Erythro- zyten entlarvt worden ist. Der Ein- griff bringt in etwa einem Drittel der Fälle keine Besserung, manch- mal sogar eine Verschlechterung, was in der Regel auf IgM-Antikör- per zurückzuführen ist; zwei Drittel der Kranken profitieren von ihm; in Einzelfällen sind jahrelange kom- plette Remissionen, ja Heilungen beschrieben worden.

Von Bluttransfusionen sollte man nur in Notfällen Gebrauch machen, da Fremderythrozyten ebenso schnell, manchmal sogar schneller, hämolysiert werden als die eige- nen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 6. März 1975 659

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Hämolytische Anämien

Durch Kälteantikörper bedingte autoimmunhämolytische Anämie Weit weniger Bedeutung als den durch Wärmeantikörpern beding- ten autoimmunhämolytischen An- ämien kommt den durch Kälte- antikörper verursachten zu. Sie kommt in drei Verlaufsformen vor, entweder als chronisch idiopathi- sche oder chronisch symptomati- sche oder akute Verlaufsform (letz- tere sieht man relativ häufig nach Virusinfektionen — insbesondere Viruspneumonien); sie pflegen spontan auszuheilen.

Kälteantikörper gehören der Im- munglobulinklasse M an; sie rich- ten sich gegen die Blutkörperchen- eigenschaft I. Man ist heute der Auffassung, daß die idiopathischen Formen durch ein monoklonales IgM entstehen. Kälteantikörper ha- ben ihren Wirkungsbereich bei null bis 20 Grad Celsius, sie kommen im Serum Erwachsener physiolo- gisch vor, sind da aber klinisch oh- ne Bedeutung. Erst wenn die „Wär- meamplitude" bis hinauf zu 28 bis 32 Grad Celsius steigt, erhält der Kälteantikörper pathologische Be- deutung. Er agglutiniert in vivo die

Patientenerythrozyten, wobei es bei diesen Temperaturen in entspre- chend abgeschnittenen Gefäßpro- vinzen anschließend zur Hämolyse kommt.

Die Kälteagglutination führt zur Verlegung kleiner Gefäße, also zu Durchblutungsstörungen; durch den raschen Sauerstoffverlust des Blutes kommt es zum Leitsymptom der durch Kälte ausgelösten Akro- zyanose, die bei Wiedererwärmung rasch schwindet. Dauert die Ab- kühlung und infolgedessen die an sich reversible Obliteration kleiner

Pat. F. M.

d

53J. Chronische Lymphadenose mit AIHA

400 13

CP CP 2,0 2,0

200 0

zarigzeta 94 /die CA 4 mg/die

Retikulozyten 0/00 Bilirubin mg/100 ml HBDH I.E.

direkt Coombstest

indirekt Hb im Urin mg/100 ml Haptoglobin

Leukozyten .10 3 (•)

Hbg% (o)

5 1 0 0

5,76 524 1,68 490 1500 400 250 (+) +++

0 4., 5,6 2,8 0

+++

20

0

Bis August 1972 keine

Hämolysezeichen mehr

17 mal Erythrozytenkonzentrat

aus je 500 ml

• •

0

0

8- 0 0

0 0

6-

0

4 -

0

0 0 0

0

2-

T I 1

0,89 100

0

0

0 0

0

1

Monat 4

CP = Cyclophosphamid

6 7

CA = Chlorambucil

8 9 10 11 12 1970

Darstellung 3: Patient F. M., 53 Jahre, chronische Lymphadenose mit AIHA

660 Heft 10 vom 6. März 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATT

(7)

Zur Fbrtbildung Aktuelle Medizin

Gefäße lange, können irreversible Schäden mit Gewebsnekrose auf- treten. Es kann dabei das klinische Bild der Raynaudschen Krankheit imitiert werden. Bei manchen Pa- tienten kommt es im Anschluß an die durch Abkühlung ausgelöste Akrozyanose sogar zur Hämoglo- binurie.

Die betroffenen Patienten bedürfen häufig außer sorgfältigen Wärme- schutzmaßnahmen keiner Thera- pie. Behandlungsbedürftigkeit be- steht erst, wenn bei Agglutininti- tern von über 1 zu 1000 trotz Wär- meschutzmaßnahmen das Hämo- globin bei erhöhter Retikulozyten- zahl und Hyperbilirubinämie unter zehn g°/0 absinkt. Es kommt dann Chlorambucil (Leukeran ® ) in initia- len Dosen von 6 bis 10 mg/die und zur Erhaltung von 2 bis 4 mg/die in Frage. Als Alternativpräparate kön- nen Cyclophosphamid oder Pro- carbazin eingesetzt werden. Pred- nison sowie Splenektomie sind bei den Kälteagglutininkrankheiten in aller Regel wirkungslos.

Die paroxysmalen Kältehämoglo- binurien, die durch Donath-Land- steinersche Autohämolysine her- vorgerufen werden, spielen heute eine untergeordnete Rolle. Sie kommen entweder als chronische Kältehämoglobinurie bei Lues oder als akut passagere Form vor. Die chronische nichtsyphilitische Käl- tehämoglobinurie gehört zu den Raritäten in der Hämatologie. Hier- bei sind die Seroreaktionen auf Lues oft biologisch falsch positiv.

Die Antikörper, die sich gegen die Blutgruppeneigenschaft P richten, haben folgende Eigentümlichkeit:

Nur in der Kälte — unterhalb 15 Grad Celsius — erfolgt die Bin- dung an die Erythrozyten und bei Wiedererwärmung deren Hämoly- se; beide Reaktionen sind komple- mentabhängig. Die klinischen Be- funde sind typisch: Im Anschluß an eine Kälteexposition kommt es bei dem Patienten zu einem hämoglo- binurischen Anfall, der mit den häu- fig heftigen Begleiterscheinungen hämoglobinurischer Paroxysmen

Hämolytische Anämien

(elendes Gefühl, Kreuzschmerzen, Frösteln und nicht selten Schüttel- frost und Fieber) einhergeht.

Die akute passagere Form heilt spontan aus, die chronische Form bei Lues mit deren Ausheilung. Bei der chronischen nichtsyphilitischen Variante gibt es bis heute außer den Wärmeschutzmaßnahmen und Bluttransfusionen noch keine wirk- same Behandlung.

Die in letzter Zeit aktuell geworde- nen Antilymphozytenglobuline ha- ben für die Behandlung der auto- immunhämolytischen Anämien kli- nisch noch keine Bedeutung.

Anschrift der Verfasser:

6 Frankfurt am Main 70 Theodor-Stern-Kai 7

ECHO

Zu: „Infektionsbedingte Krank- heiten in der Bundesrepublik Deutschland" von Prof. Dr. Adolf Windorfer in Heft 52/1974, Sei- te 3745 ff.

Infektionskrankheiten

„Die meisten Infektions- krankheiten seien in der Bun- desrepublik durch Impfun- gen, bessere Hygiene und moderne Therapie zurückge- drängt worden, doch ausge- rottet sind sie noch nicht.

Manche infektionsbedingte Erkrankung könnte verhin- dert werden, wenn die Mög- lichkeit der Impfung mehr genutzt würde. Das gelte ins- besondere für die Tuberkulo- se, von der immer noch viele Kinder befallen werden. Die- se Auffassung vertritt Profes- sor Dr. Adolf Windorfer, Di- rektor der Kinderklinik an der Universität Erlangen — Nürnberg, im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT ..." (Rheini- sche Post und andere Tages- zeitungen)

IN KÜRZE

Therapie

Breitbasige solitäre Rektumpoly- pen sind als Präkanzerose anzuse- hen. Über die Art des therapeuti- schen Vorgehens entscheidet ihre Lokalisation. Sind sie mit dem Rek- toskop gut erreichbar, exzidiert man sie in Allgemeinnarkose an ih- rer Basis und entfernt gleichzeitig die sie umgebende Schleimhaut.

Erreicht man mit diesem Verfahren nicht die erforderliche Radikalität, muß der krebstragende Darmab- schnitt entfernt werden. Man führt dazu entweder eine Resectio ante- rior oder eine einzeitige Rektum- amputation mit Anlage eines Anus- praeter-sigmoideus durch. Rekto- skopisch gut einsehbare gestielte Polypen sind endoskopisch abzu- tragen; der Stiel muß histologisch genau untersucht werden. Kann ein zu großer Polyp nicht auf diese Weise entfernt werden, ist eine La- parotomie angezeigt. cb (Jünemann, A.: Med. Klin. 69 [1974]

1745-1748)

Frische Abszesse des Septum nasi lediglich zu eröffnen und zu drainieren ist keine ausreichen- de Behandlungsmethode. Etwaige funktionelle und kosmetische Spät- folgen lassen sich damit nicht si- cher verhindern. Einschmelzung oder Resektion des infizierten Sep- tumknorpels können die Stützfunk- tion der Scheidewand stören. Ist das der Fall, muß fehlendes Stütz- gewebe ersetzt werden. Dazu eig- net sich autoplastisches Knorpel- oder Knochenmaterial aus dem hinteren Septumbereich. Ist sol- ches Material nicht ausreichend vorhanden, muß die Sofortimplan- tation homoioplastischen Bank- knorpels vorgenommen werden.

Damit können in einer Sitzung der Abszeß ausgeheilt und Spätdefekte verhindert werden. cb (Hellmich, S.: HNO 22 [1974] 278- 281)

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 6. März 1975 661

Referenzen

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Peripheral benzodiazepine receptor ligands induce apoptosis and cell cycle arrest in human hepatocellular carcinoma cells and enhance chemosensitivity to paclitaxel,