Therapie der Sepsis mit Antikörpern
Zur Zeit eine Phase der Enttäuschung
ei der Behandlung der Sepsis und Verhinderung des konsekutiven Multiorganversagens hatte man in letzter Zeit große Hoffnung auf die Ant- agonisierung von Entzündungsmediatoren gesetzt. In tierexperimentellen Untersuchungen wurde beobachtet, daß bereits geringe Mengen mikrobieller Erreger zu ei- ner massiven Aktivierung verschiedener Zytokine führen, die dann das Geschehen triggern und in alle End- strombahngebiete hineintragen. Mit Versuchen an stan- dardisierten Modellen war es dann auch gelungen, durch Inhibition dieser Mechanismen Organkomplikationen und konsekutiv die Sterberate zu reduzieren. Doch klini- sche Studien, beispielsweise mit Interleukin-1, um die überschießende Freisetzung des Tumor-Nekrose-Faktors und damit die Immunantwort der Hyperinflammation zu hemmen, hatten keine verbesserten Überlebensraten bei Sepsis und septischem Schock gezeigt.
ur Zeit befinden wir uns in der Phase der Enttäu- schung“, erklärte Professor Werner Seeger (Uni- versität Gießen) bei einer Pressekonferenz anläß- lich des 3. Deutschen Interdisziplinären Kongresses für Intensivmedizin in Hamburg. Es zeichne sich ab, daß die Situation sehr viel komplizierter sei, als man bislang an- genommen hatte. In dem komplexen Netzwerk der endo- genen Mediatorsysteme kann bisher nicht sicher zwi- schen hierarchisch entscheidenden Effektoren des septi- schen Geschehens und solchen Sequenzen unterschieden werden, denen eher Indikatorcharakter zukommt. Neben der akuten hyperinflammatorischen Phase, auf die man sich bisher in experimentellen Modellen konzentriert hat, scheinen offenbar im weiteren Verlauf der Sepsis auch antiinflammatorische Mechanismen zum Tragen zu kom- men, die mit ausgeprägter Immuninkompetenz verbun- den sein könnten.
herapeutische Ansätze müssen möglicherweise diesen phasenhaften Verlauf der Sepsis mehr berücksichtigen. Ob die verstärkte Meditorbil- dung und -freisetzung sich für den Patienten vorteilhaft oder nachteilig auswirkt, hängt unter anderem wahr- scheinlich auch vom mikrobiellen Auslöser der Sepsis so- wie von der primären Organmanifestation des infektiö- sen Geschehens ab. „Wir müssen also lernen, viel besser zu verstehen, in welchem Stadium der individuelle Pati- ent sich befindet und an welchen Parametern wir das fest- machen können“, so Seeger. „Wahrscheinlich wird erst ei- ne solche differenzierte Betrachtungsweise es ermögli- chen, die verschiedenen Werkzeuge zur Zytokin-Antago- nisierung oder Zytokin-Stimulation, die in jüngster Zeit verfügbar geworden sind, für den Patienten gewinnbrin- gend einzusetzen.“ Gabriele Blaeser-Kiel
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S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 9, 1. März 1996