Deutsches Ärzteblatt
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24. Februar 2012 A 377 den Anästhesisten mit ihren speziel-len Komplikationen nicht vertraut.
Das Wissen über Narkosen bei die- sen Patienten ist äußerst gering, bis auf Fallberichte liegen oft wenige Informationen vor. Damit ist die in- dividuelle Erfahrung des einzelnen Anästhesisten äußerst begrenzt.
Der Wissenschaftliche Arbeitskreis Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) hat dieses Problem erkannt und deshalb das Projekt „OrphanAnesthesia“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, evidenz- basierte Handlungsempfehlungen zu erstellen, die das vorhandene Wissen zur Durchführung von Nar- kosen und die spezifischen Gefah- ren bei Patienten mit seltenen Er- krankungen zusammenfassen.
In diesem Jahr ist es gelungen, die Internetplattform www.orphananes thesia.eu ins Leben zu rufen und die ersten zehn Handlungsempfehlun- gen zu publizieren. Angesichts der Zahl von etwa 8 000 seltenen Er- krankungen kann das nur ein Anfang sein. Alle publizierten Empfehlun- gen sind durch mehrere internationa- le Gutachter peer reviewed und re- flektieren damit das derzeit vorhan- dene Wissen. Diese Informationen stehen allen Besuchern der Plattform unentgeltlich zur Verfügung . . .
PD Dr. med. Tino Münster MHBA, Anästhesiologi- sche Klinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlan- gen-Nürnberg, 91054 Erlangen
Dr. med. Uta Emmig, Regione Piemonte, Azienda Sanitaria Locale Verbano Cusio Ossola, Ospedale Castelli, IT-28922 Verbania
Was Ärzte längst tun
Manchmal wünscht man sich als Arzt einfach, dass wenigstens das DÄ die eigenen Bemühungen der Ärzteschaft wohlwollend zur Kenntnis nimmt und gegenüber der Politik offen darstellt. Da hat die KV Nordrhein, die seit vielen Jah- ren eine Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen und Ärzte hat, jahrelang Gespräche und Round- Table-Veranstaltungen unter ande- rem mit Selbsthilfegruppen zu selte- nen Erkrankungen geführt, und das DÄ titelt „mehr Koordination erfor- derlich“. Da haben Facharztgrup- pen, wie zum Beispiel die Pneumo- logen in Köln, seit Jahren eine Liste
mit Spezialisten für seltene Lungen- erkrankungen und überweisen ein - ander entsprechend. Da gibt es seit 1964 eine WATL, die jetzt im Janu- ar 2012 einen Kongress in Berlin zu seltenen Lungenkrankheiten abhält, und da schreibt das DÄ „Das bisher Erreichte ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Da führen Ärzte landauf, landab zum Nulltarif lange Gespräche und lesen dicke Mappen mit Befundunterlagen, besuchen Kongresse, lesen Fachzeitschriften und googlen in Pubmed und Coch- rane, und das DÄ zitiert Politiker mit „Ärzte benötigen mehr Informa- tionen zu seltenen Erkrankungen“.
Danke liebes Ärzteblatt! . . . Ich glaube, ihr Journalisten braucht mehr Informationen . . .
Norbert K. Mülleneisen, 51371 Leverkusen
Fast 6 000 Krankheiten in der Orphanet-Datenbank
Wir begrüßen sehr, dass sich das DÄ ausgiebig dem Thema „Seltene Erkrankungen“ widmet. In dem Ar- tikel von Petra Spielberg wird auch zu Recht darauf verwiesen, dass die BMG-Studie die Notwendigkeit zentraler qualitätsgesicherter Infor- mationsdatenbanken herausstellt, um die Ziele einer beschleunigten Diagnosestellung, einer verbesserten Versorgung und einer intensiveren Erforschung seltener Erkrankungen zu erreichen. Leider hat sich bei der Erwähnung des europäischen Infor-
mationsportals Orphanet (www.orp ha.net, siehe auch Schmidtke, Jörg, DÄ 38/2003) ein Fehler eingeschli- chen. In der Orphanet-Datenbank sind nicht nur 600 der vermutlich et- wa 8 000 seltenen Erkrankungen eingespeist, sondern 5 954 (Stand 15. 12. 2011) jeweils mit einer eige- nen Kodierung (dem „Orpha-code“) versehen. Die Orphanet-Enzyklopä- die enthält derzeit 2 878Kurzbe- schreibungen (2 475 ins Deutsche übersetzt) und 877 ausführliche Be- schreibungen (Reviews) seltener Krankheiten. Darüber hinaus sind in Orphanet alleine aus Deutschland folgende Serviceleistungen zu selte- nen Erkrankungen gelistet: 1 484 Expertenzentren, 184 Klinische La- bors (mit 5 228 Diagnostiken), 1 031 Forschungsprojekte, 452 Klinische Studien, 270 Selbsthilfeorganisatio- nen, 228 Register und Biobanken, 138 Netzwerke unter anderem Or - phanet Deutsch land ist aktiv am na- tionalen Aktionsbündnis für Men- schen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) beteiligt und in Zusam- menarbeit mit dem Bundesministeri- um für Gesundheit (BMG) und der Allianz Chronischer Seltener Er- krankungen (ACHSE) bestrebt, das Informationsangebot über seltene Erkrankungen stetig auszubauen und zu verbessern.
Prof. Dr. med. M. Stuhrmann-Spangenberg, Prof. Dr. med. Jörg Schmidtke,
Orphanet Deutschland, Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule Hannover,
30625 Hannover
INTEN SIVP ATIENTEN
In einer Studie wur- de untersucht, wann der Beginn einer par enteralen Ernäh- rung bei Intensivpa- tienten sinnvoll ist (DÄ 43/2011: „Wann soll eine parenterale Ernährung begin- nen?“ von Susanne Heinzl).
Ein wichtiger Schritt
Die EPaNIC-Studie ist sicherlich ein wichtiger Schritt, um in der Ernäh- rung kritisch kranker Patienten vor - anzukommen, dennoch muss auf ei- nige Punkte in der Studie hingewie-
sen werden, die im Verlauf noch weiter diskutiert werden müssen:
Die Studie vergleicht eine frühe hochkalorische Ernährung mit einer langsam ansteigenden hypokalori- schen Ernährung.
In der Early-Gruppe wurden die Pro- banden zusätzlich zur hochkalori- schen Substitution mit einem sehr hohen prozentualen Anteil von Koh- lenhydraten ernährt. Sie erreichte bereits am dritten bis vierten Tag 100 Prozent des errechneten Kalo- rienbedarfs, also eine sehr hohe KH- Belastung zu einer Zeit, wo noch wenig verstoffwechselt werden kann.
Hohe Glukosekonzentrationen wir- ken bekannt proinflammatorisch I
d d p r t ( soll eine parenterale
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24. Februar 2012 und sind mit erhöhten Infektionsra-ten und Leberschädigungen einher- gehend. Die Leberschädigungen werden in der Studie in erhöhten Werten der Gamma-GT und AP in der Early-Gruppe beschrieben.
Zudem zeigt sich noch deutlicher als in der Gesamtstudie in der Sub- gruppe der chirurgischen Patienten, die keine enterale Ernährung erhal- ten konnten, der extrem erhöhte Anteil von Infektionen. Dies könnte unter anderem auch auf die – im Vergleich zu der Gesamtgruppe – deutlich erhöhten Menge der Koh- lenhydrate in der parenteralen Er- nährung zurückzuführen sein.
Zur Verstoffwechslung von KH wird mehr Sauerstoff benötigt als zur Verstoffwechslung von Fetten, was erhöhte Atemarbeit nach sich zieht.
Weiterhin bleibt das Überangebot von KH in der Diskussion, eine CIP zu begünstigen. Mögliche Faktoren für eine Verlängerung der Be - atmungstherapie?
Das Fazit scheint daher zu weitge- hend, zeigt die Studie doch „nur“, dass eine frühe hochkalorische, kohlenhydrathaltige Ernährung ei- ner langsamen hypokalorischen un- terlegen ist. Aber was ist mit einer moderat in kcal ansteigenden, ami- nosäurelastigen Ernährung zur Ver- meidung der Katabolie?
Ich bin weiterhin sehr gespannt, wohin der Weg in der Ernährung kritisch Kranker geht und sehe die Frage nach früh oder spät einset- zender Ernährung noch nicht – wie im Fazit des Artikels angedeutet – geklärt.
Dr. med. Ingmar Gröning, 40219 Düsseldorf
FOR SC HUNG
Verbessert eine leis- tungsorientierte Mit- telvergabe (LoM) die Forschung? (DÄ 49/2011: „Leis- tungsorientierte Mit- telvergabe: Welche Faktoren fördern Forschung?“ von René Krempkow).
Riesiger Aufwand mit wenig Erfolg
Mit großem Interesse habe ich den Artikel gelesen. Offenbar hat der riesige im Zusammenhang mit der leistungsorientierten Mittelvergabe (LoM) betriebene Aufwand für die Forschung wenig gebracht. Das überrascht mich nicht, denn bei der LoM werden nur zahlenmäßig fass- bare Parameter wie Impact-Faktor, Drittmitteleinwerbung und Zahl der Publikationen erfasst. – Die für die real und alltäglich stattfindende Medizin so wichtigen Fragen wie Zielstellung, gesellschaftliche Not- wendigkeit, Erkenntnisgewinn und bezahlbare Anwendbarkeit der Er- gebnisse kommen bei der LoM überhaupt nicht vor.
Auf die Hauptaufgaben einer medi- zinischen Fakultät (Lehre, Weiter- bildung, Nachwuchsgewinnung) hat die LoM nur negative Auswir- kungen gehabt. Immer noch haben in der LoM und bei dem heute im- mer noch verbreiteten infantilen Impact-Faktor- und Drittmittelfeti- schismus Leistung und Engagement in der Lehre ja nur den Stellenwert
„letzter Dreck“. Da ist es nicht ver- wunderlich, dass die vorklinischen Institute (Anatomie, Biochemie, Physiologie) heute nicht mehr in der Lage sind, junge Medizinerin- nen und Mediziner als Nachwuchs zu gewinnen . . .
Prof. Dr. med. Arnold Honig, 14662 Friesack
O SC U G
V t t F 4 t t Faktoren fördern For
epidemiologische Studien direkt am Menschen an.
Die Verbesserung des zellulären Stoffwechsels, das heißt die Regu- lationsfähigkeit des Organismus, scheint eine neue erfolgverspre- chende Strategie zu sein . . .
Dr. med. Marion Balscheit, 23970 Wismar
A LZHEIMER-DEMENZ
105 Jahre nach Erstbeschreibung der Alzheimer-Er- krankung stehen viele Forschungsan- sätze auf dem Prüf- stand (DÄ 1–2/2012:
„Alzheimer-Demenz: Die Forschung steht unter Druck“ von Beate Grübler).
Epidemiologische Studien
Bezug nehmend auf den Artikel stellt sich gerade die Alzheimer-Er- krankung als Paradebeispiel für die Erfolglosigkeit der tierexperimen- tell ausgerichteten Forschung dar . . . Fragen zum Einfluss von Um- weltfaktoren könnten jedoch von Relevanz sein. Der Blick richtet sich auf die Prävention. Tatsächlich sind die Ursachen beim Menschen ganz andere, der Hauptrisikofaktor ist ein höheres Lebensalter. Der Le- bensstil wird durchaus diskutiert (metabolisches Syndrom, Nikotin - abusus, geistige und kognitive In- aktivität, psychische Verfassung, geistige Bildung).
Genveränderungen werden ursäch- lich beim Menschen eher nicht an- genommen.
Neben der In-vitro-Forschung mit Zellkulturen bieten sich vor allem
1 E d k v s s Alzheimer-Demenz
BYP ASS-OPER ATION
Schlaganfallpatien- ten profitieren lang- fristig nicht von ei- ner Bypass-Operati- on der Arteria carotis interna (DÄ 1–2/
2012: „Gefäß-Bypass ohne Vorteil für Schlaganfallpatienten“).
Falscher Eindruck
. . . Der oben genannte Beitrag er- weckt beim „normalen“ Mediziner einen falschen Eindruck. Sie mein- ten in Ihrem Beitrag den sogenann- ten EC-IC-Bypass, den extrakra- niellen intrakraniellen Bypass bei Verschluss der extrakraniellen A.
carotis interna. Auf diese Termino- logie . . . verzichten Sie leider, und es bleibt beim normalen Betrachter der Eindruck . . . es seien die übli- chen Eingriffe an der extrakraniel- len A. carotis interna bei Stenose oder akutem Verschluss gemeint . . . Da der Beitrag bei Haus- und Allge- meinmedizinern . . . den Eindruck hinterlassen könnte, die OP bei Ste- nose der A. carotis interna nütze nichts, mit fatalen Konsequenzen, ist eine Richtigstellung oder Kom- mentierung sinnvoll . . .
Dr. med. Siamak Pourhassan, Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie, 46145 Oberhausen
SS O
S t f n o i 2 ohne Vorteil fürSchla