A 1270 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 25|
25. Juni 2010GYNÄKOLOGIE
Eisenmangel rasch identifizieren
Ein Stufenplan zur Diagnostik und Behandlung der Anämie und des Eisenmangels bei Schwangeren und Wöchnerinnen hilft, das Risiko für Mutter und Kind zu senken.
S
chwangere Frauen haben in Abhängigkeit vom Körper- gewicht einen Gesamteisenbedarf von mehr als 1 000 mg, der weder durch Diät noch aus den Eisen- speichern des Körpers gedeckt werden kann. Obwohl die Anämie und der Eisenmangel weltweit für Mutter und Kind ein erhöhtes Ri- siko darstellen, haben eine adä- quate Diagnostik und Behandlung bisher keine entsprechende Be- achtung gefunden. Unter der Lei- tung von Prof. Dr. med. Joachim Dudenhausen (Charité – Universi- tätsmedizin Berlin, Campus Vir- chow-Klinikum) wurde ein Stu- fenplan entwickelt, der mit gerin- gem diagnostischem Aufwand den Prophylaxe- und Therapiebedarf während der Schwangerschaft und im Wochenbett feststellt.Eine ungünstige Prognose haben vor allem auch Wöchnerinnen, die bereits an einem vorbestehenden
Eisenmangel leiden. Es zeigte sich, dass 50 Prozent der untersuchten Frauen, die während der Schwan- gerschaft keine Eisensubstitution erhalten haben, bis zu einem halben Jahr nach der Entbindung noch ent- leerte Eisenspeicher aufweisen. Zu- sätzlich korreliert die Eisenmangel- anämie bei Wöchnerinnen mit de- pressiven Verstimmungen, Stress und beeinträchtigter Kognition.
Diese Veränderungen können dazu führen, dass Mütter die Versorgung ihrer Säuglinge vernachlässigen und dadurch die Mutter-Kind- Beziehung gestört wird.
Die Diagnostik beschränkt sich bisher weitgehend auf die Bestim- mung des Hämoglobinwerts (Hb).
Dieser gibt jedoch keine Auskunft über den aktuellen Eisenstatus.
Durch die zusätzliche Messung des Serum-Ferritins können frühe Si - gnale eines Eisenmangels schon Wochen vor dem Auftreten einer
Anämie erkannt werden. Vorsicht ist jedoch bei aktiven Entzündun- gen geboten, da Serum-Ferritin ein Akutphaseprotein ist.
In solchen Fällen geben der lös - liche Transferinrezeptor oder Ery- throzytenindizes wie MCV (mitt le - res Zellvolumen eines Erythrozyten) und MCHC (mittlere Hämoglobin- konzentration eines Erythrozyten) sowie die Retikulozytenzählung Aufschluss über einen Eisenman- gel. Als unterer Grenzwert des Hä- moglobinwerts in der Schwanger- schaft gilt ein Hb < 11 g/dl im ersten und letzten Trimester und < 10,5 g/dl im zweiten Trimester. Postpartal wird ab einem Hb-Wert < 10 g/dl von einer klinisch signifikanten Anämie gesprochen. EB
LITERATUR
Bergmann HJ et al., Geburtsh Frauenheilk 2009; 69: 682–6.
Quelle: Vifor-Pharma Deutschland GmbH
Während der Schwangerschaft
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Generelle Durchführung einer Eisendiagnostik:Hb-Wert und Serum-Ferritin
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Serum-Ferritinwerte < 30 ng/ml zeigen insuffiziente und < 12 ng/ml entleerte Eisenspeicher an●
Generelle orale Eisenmangelprophylaxe bei allen Schwangeren ab Woche zehn 30 bis 40 mg/Tag●
Eine Anämie (Hb-Wert < 11 g/dl beziehungsweise< 10,5 g/di) und ein Serum-Ferritin-Wert < 30 ng/ml sind behandlungsbedürftig.
Serum-Ferritin < 30 ng/ml: 100 mg Eisen/Tag oral Serum-Ferritin < 12 ng/ml und Hb-Wert < 9 g/dl:
intravenöse Eisentherapie
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Bluttransfusion bei einer Schwangeren mit Anämie und Blutvolumenmangel-Symptomen●
Präpartale Indikation zur BluttransfusionHb-Wert < 7 g/dl ohne Blutvolumenmangel-Symptome Hb-Wert < 9 g/dl und geburtshilfliche Blutungsrisiken
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Intravenöse Eisengabe bei unwirksamer oraler Eisen- substitutionIm Wochenbett
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Bestimmung des Hb-Werts 24 bis 48 Stunden postpartum bei Blutverlusten von mehr als 500 ml●
Therapiepflichtige Anämie bei einem Hb-Wert< 1O g/dl
Hb-Wert 8 bis 10 g/dl: orale Eisentherapie mit 200 mg/Tag während des gesamten Wochenbetts Hb-Wert < 8 g/dl: intravenöse Eisentherapie mit 1 000 mg/Woche