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Archiv "Tricks der Natur zum Überleben der Art: Befruchtung und Implantation bei Tier und Mensch" (16.10.1985)

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Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Tricks der Natur

zum Überleben der Art

Befruchtung und Implantation bei Tier und Mensch

Auf dem Weg vom Wasser aufs Land mußten sich die Reproduk- tionsvorgänge der Lebewesen den Umweltbedingungen anpas- sen. Die technischen Schritte der extrakorporalen Befruchtung beim Menschen stellen aus dieser Sicht nichts „Sensationelles" dar.

W

elche Möglichkeiten die Natur selbst nutzt, um Spezies und Sub-Spe- zies, das heißt Art und Rasse ge- gen negative Umwelteinflüsse zu schützen, ist wissenswert in einer Zeit, in der sowohl beim Men- schen als auch Tier (Säuger) die Gebärende nicht mehr die geneti- sche Mutter zu sein braucht oder der Vater auch noch posthum im Reagenzglas Nachkommen zeu- gen kann. Das nicht domestizierte Tier ist voll und ganz den Umwelt- bedingungen ausgesetzt, in de- nen es lebt. Es muß daher seine Reproduktionsaufgaben an diese anpassen, sollen seine neugebo- renen Nachkommen nicht sofort verenden.

Zunehmende Domestikation kom- pensiert diese Umwelteinflüsse.

Beim höchstentwickelten Säuger, dem Menschen, ist die Ovulation weder an Jahreszeiten noch Part-

nerkontakt gebunden, also unab- hängig von Fortpflanzungszyklen und -perioden. Es besteht die Möglichkeit der ganzjährigen Paa- rungszeiten. Unterschieden wer-

den im Prinzip drei Arten, nach denen Nachkommen gezeugt werden:

1. Die zweigeschlechtliche Be- fruchtung.

2. Die ungeschlechtliche Ver- mehrung, auch Parthogenese be- ziehungsweise Jungfernzeugung oder Parthenokarpie (Jungfern- früchtigkeit bei der Pflanze, zum Beispiel Banane, Tomate und so weiter) genannt.

3. Die Gynogenese: Das männ- liche Spermatozoon übernimmt nach der Penetration der Eihülle nur die Stimulation des Eiwachs- tums; der in die weibliche Eizelle penetrierte Spermakörper tritt mit dem weiblichen Chromosomen- satz nicht in Verbindung.

Mit diesen drei Möglichkeiten der Wachstumsregelung einer Eizelle hat sich die Natur wesentliche Steuerungsmöglichkeiten der Reproduktion vorbehalten. Nun gilt es, darüber hinaus die Geburt des neuen Individuums in die Jah- reszeit zu legen, in der es eine op-

timale Überlebenschance hat. Der einfachste dieser „Tricks" der Na- tur ist das Tragzeitspektrum, das beim Säugetier von 13 Tagen beim Opossum bis zu 623 Tagen beim indischen Elefanten reicht.

Zur jahreszeitlichen Steuerung der Geburt kennen wir die aperio- dische Implantation, das heißt die sogenannte embryonale Diapau- se, die zum Beispiel durch eine verzögerte Befruchtung oder Im- plantation entsteht. Diese Verzö- gerung kann etwa dadurch ge- lenkt werden, daß durch die Lak- tationsperiode eines schon gebo- renen Feten die Nidation des schon wieder neu gezeugten und in utero noch frei flottierenden Embryo temporär blockiert wird;

Beispiele sind hier die Baummaus oder alle Beuteltiere.

Auch im Bereich der Ovulation kennt die Natur verschiedene Mo- dalitäten. So findet der Eisprung beispielsweise beim Kaninchen, Frettchen, der Katze und anderen nur statt, wenn ein Paarungsakt vollzogen ist.

Kurt Semm

Aus der Abteilung Frauenheilkunde im Zentrum für Operative Medizin I

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. med. vet. h. c. Kurt Semm) der Christian-Albrechts-Universität

und Michaelis-Hebammenschule zu Kiel

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FLEDERMAUS

\ /

SAMEN-

KONSERVIERUNG BEIM

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HERBST WINTER FRÜHJAHR

10 Std. Tragzeit 28 - 31 Tage

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Ovulationstätigkeit des Kaninchens:

Ovulationen finden nur nach einem Geschlechtsakt statt

Abbildung 2: Grafische Darstellung der Tragzeitverschiebung bei der Fledermaus durch Samenkonservierung mit nachfolgender Befruchtung im Frühling

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tricks der Natur zum Überleben

Als praktisches Beispiel der indu- zierten Ovulation mag die begat- tungsabhängige Ovulation des Kaninchens aufgeführt sein. Es lebt sein Leben lang ohne Ovula- tion, wenn es nicht kopuliert. Wird dagegen ein monatelang ovula- tionsloses Einsiedler-Kaninchen von einem männlichen Ge- schlechtspartner vaginal irritiert, so springt etwa zehn Stunden später der gereifte Follikel, und nach einer Tragzeit von 28 bis 31 Tagen erfolgt der Wurf der jungen Kaninchen (Abbildung 1).

Einen völlig anderen Weg, die Be- fruchtung der Eizelle zu steuern, nehmen Tiere, die in der Lage sind, nach der Kopulation die männlichen Samen für viele Mo- nate zu speichern. Als Beispiel sind hier die Fledermäuse zu nen- nen. Sie üben die sogenannte ver- zögerte Befruchtung aus.

Nach der Kopulation im Herbst speichern die Fledermäuse (Ab- bildung 2) die männlichen Samen- zellen in Krypten der Gebärmutter oder Taschen der oberen Vagina.

Dort bleiben sie immobil, bis das weibliche Tier im Frühjahr aus dem Winterschlaf erwacht und ovuliert. Die Fledermäuse werden dann zu optimalen klimatischen Bedingungen geboren.

Eine Samenkonservierung in Krypten der Tubenwand ist auch bei unserem Haushuhn bekannt.

Das Ei trifft auf diesen Vorrat, wenn es im Tubenlumen vorbei- wandert.

In diesem Zusammenhang, wenn dies auch nicht zum Säugebe- reich gehört, darf erwähnt wer- den, daß die längste Speiche- rungszeit für Spermien wohl bei der Honigbiene besteht. Diese hat auf dem Hochzeitsflug nur einmal die Möglichkeit zur Kopulation mit einer Drohne. Der Spermienvorrat reicht dann für mehrere Jahre. Die Bienenkönigin ist in der Lage selbst zu entscheiden, ob sich ei- ne ihrer Eizellen parthenogene- tisch teilen soll, um dann zu ei- nem Mitglied der Bienenfamilie

mit niederen Aufgaben heranzu- wachsen oder ob durch Befruch- tung ein zweigeschlechtliches, höher differenziertes Individuum entsteht. In letzterem Falle hat die Biene das Vermögen, für dieses Ei im Eileiter ein bis drei Spermien aus ihrem Spermienvorrat zur Verfügung zu stellen, um es auf der Wanderschaft durch den Eilei- ter zu befruchten.

Ist das Ei nun entsprechend über- geordneter Regelmechanismen

befruchtet, so unterliegt sein Wachstum weiteren, von der Um- welt diktierten Einflüssen, um ent- sprechend der exakt für jede Spe- zies festgelegten Tragzeit ungün- stige Jahreszeiten überbrücken zu können. Die Natur bedient sich hier drei verschiedener Metho- den. Die erste wurde soeben be- schrieben, in Form der Samen- konservierung. Die zweite Mög- lichkeit ist die der Retardierung der Wachstumsentwicklung des Embryo durch Senkung der Kör-

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bis Anfang Januar JULI -

REH

Tragzeit

5---% 120 Tage Geburt

APRIL - MAI

ROTES RIESENKÄNGURUH MILCH: Eiweiß --0-reich reich-*---- Fett =arm

/ Eiruhe

flÖstrus 35 Tage

Tragzeit 33 Tage

Beutelzeit 235 Tage 3 verschiedene Reifestadien

Abbildung 3: Schematische Darstellung der Verlängerung des intrauterinen Lebens beim Reh durch mehrmonatige Eiruhe im Stadium der Blastozyste zur jahreszeit- lichen Adaption des Wurfes

Abbildung 4: Schematische Darstellung der „dreifachen Mutterschaft" eines Beutel- tieres, z. B. Känguruh mit mehrmonatiger Eiruhe im Stadium der Blastozyste zur Überbrückung der Zeit, in der „sein" Beutel besetzt ist

pertemperatur im Winterschlaf, was automatisch zu einer Verlän- gerung der Gravidität führt.

Einen wesentlich interessanteren Regelmechanismus stellt jedoch die dritte Möglichkeit dar, die an- fangs schon zitierte embryonale Diapause. Wir sprechen auch von Eiruhe. Als klassisches Beispiel soll hier zunächst das Reh (Abbil- dung 3) vorangestellt werden. Die- ses kopuliert im Juli/August, das Ei entwickelt sich während seiner Wanderschaft durch den Eileiter per continuitatem bis zur Blasto- zyste. Dann verweilt es frei flottie- rend im Cavum uteri ohne weite- res Wachstum bis Anfang Januar.

Es hat aber während dieser Zeit voll die endokrine Dominanz über seinen Wirt, die Mutter, gewon- nen; das Endometrium wandelt sich um in eine Dezidua, die Hy- pertrophie und -plasie des Uterus- muskels beginnt, und im Ovar fin- den wir das Corpus luteum gravi- ditatis. Mit anderen Worten, das Tier ist trächtig.

Dieses Beispiel mag eine Antwort sein auf eine in letzter Zeit im Zu- sammenhang mit dem § 218 oft gestellte Frage: „Wann beginnt eine Schwangerschaft oder das neue Leben?" Antwort: Wenn sich die beiden haplonten Chro- mosomensätze der Spezies ver- eint haben. Damit ist ein enzym- autarkes neues Leben entstan- den, das dem Muttertier den wei- teren Ablauf der Repro- duktionsvorgänge auf endokri- nem Weg diktiert.

Etwa im Januar erhält der Embryo dann entsprechend den wetterbe- dingten Umwelteinflüssen einen Impuls zur Fortsetzung seines kontinuierlichen Wachstums, und nach einer Tragzeit von weiteren 120 Tagen, Ende April/Anfang Mai, wird das Rehkitz im Sonnen- schein des Frühlings geboren.

Diese embryonale Diapause, ge- nannt Eiruhe, ist auch bei den Beuteltieren bekannt. So entläßt das Känguruh (Abbildung 4) nach

einer intrauterinen Tragzeit von ca. 31 bis 33 Tagen sein Junges aus der Gebärmutter. Spontan kriecht dieses dann über eine mit Speichel markierte Straße über das Bauchfell in den Beutel, wo es sich für weitere 235 Tage fest- saugt. Inzwischen lief aber der pe- riodische Ovulationszyklus bei der Mutter weiter. Bereits nach 35 Ta- gen fand der neue Oestrus statt.

Der durch die Kopulation gezeug- te Embryo wächst, wie auch beim Reh, nur bis zum Blastulastadium heran. Dann erkennt er, daß drau- ßen der Platz im Beutel durch sein Geschwister besetzt ist.

Offenbar über den Laktationsre- flex gesteuert, verweilt die Blasto- zyste frei flottierend im Cavum uteri, also im Stadium der Eiruhe,

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KOALA — BÄR 3 verschiedene Reifestadien

Abbildung 5: Schematische Darstellung der „dreifachen Mutterschaft" eines Beutel- tieres, z. B. Koala-Bär: vielmonatige intrauterine Eiruhe im Stadium der Blastozyste zur Adaption der Geburt bis zum Freiwerden der Zitze im Beutel, die der Ernährung des Beuteltieres in seiner zweiten Entwicklungsstufe dient

HERMAPHRODITE

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fakultativ cr

Abbildung 6: Schematische Darstellung des Befruchtungsvorganges bei echten Hermaphroditen: Findet keine normale zweigeschlechtliche Kopulation statt, erfolgt die bisexuelle Selbstbefruchtung aus den eigenen zweigeschlechtlichen Gonaden

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tricks der Natur zum Überleben

für etwa 200 Tage, bis sein Ge- schwister den Beutel seiner Mut- ter verläßt. Sofort setzen die wei- teren Zellteilungen in der Blasto- zyste ein, und nach ihrer Nidation erfolgt die Geburt nach einer Tragzeit, die sich zusammensetzt aus ca. 33 Tagen kontinuierlichem Embryowachstum, dem eine Dia- pause von 200 Tagen dazwischen- geschaltet ist.

Ähnliche Verhältnisse treffen wir auch bei der Koala-Bär-Mutter an.

Sie gibt nach vergleichbaren pe- riodischen Ovulationen, embryo- nalen Diapause- und Tragzeiten während ihres geschlechtsreifen Lebens ebenfalls drei jungen Indi- viduen gleichzeitig Entwicklungs- raum und Nahrung. Diese (Abbil- dung 5) drei Individuen gruppie- ren sich wie folgt:

1. Die intrauterin frei flottierende Blastozyste, die sich in der für die Beuteltiere charakteristischen embryonalen Diapause befindet;

2. der im Beutel festgesaugte Embryo, der für 200 Tage mit fett- armer, aber proteinreicher Milch gesäugt wird und

3. das im Nacken des Muttertie- res sitzende, zuvor geborene Ge- schwister, das infolge fehlender Fermente im Intestinaltrakt noch nicht in der Lage ist, sich von Eu- kalyptusblättern zu ernähren und daher speziell zubereiteten Kot der Mutter frißt.

Deshalb verspeist das Muttertier am Morgen einige Eukalyptusblät- ter, läßt sie besonders rasch sei- nen Intestinaltrakt passieren und dadurch partiell fermentativ auf- schließen. Diesen angedauten Eu- kalyptusbrei schlürft dann das vom Nacken des Muttertieres her- untergekrabbelte Jungtier aus der Analöffnung seiner Mutter, indem es sich diese mit seinen Krallen temporär erweitert.

Erst wenn seine eigene Bakterien- flora im Intestinaltrakt herange- reift ist, verläßt es den Nacken des Muttertieres und ernährt sich selbst von den Eukalyptusblät- tern. Es räumt damit seinen Schul- terplatz für sein aus dem Beutel schlüpfendes Geschwister; der Beutelplatz wird dann wenige Ta- ge später von dem soeben die embryonale Diapause und das in- trauterine Wachstum überstanden habende Geschwister besetzt.

Um das Spektrum der biologi- schen Varianten der Befruchtung im Rahmen des Tierreiches zu vervollständigen, sei es noch er- laubt, einige Beispiele aus dem Nicht-Säuger-Bereich zu bringen.

So sind die Schnecken grundsätz- lich Hermaphroditen. Sie können fakultativ als männliche oder weibliche Tiere fungieren. Wie in Abbildung 6 gezeigt, ist auch hier die Kopulation der normale Weg zwischen zwei Tieren, um ge- schlechtsreife Nachkommen zu zeugen. Interessant ist, daß die

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bei Tier und Mensch

Prokonzeption und Antikon- zeption sind in einem der vori- gen Generation unvorstellba- ren Maß innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem Stadium wissenschaftlicher Überlegun- gen in das Stadium einer brei- ten praktischen Anwendung getreten. Zu einer Anzahl älte- rer unzuverlässiger Methoden der Empfängnisverhütung tra- ten Pille und Intrauterinpessar als sicherer Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft.

Sex ohne Zeugung wurde möglich. Eine Liberalisierung- des Schwangerschaftsab- bruchs korrigierte Fehler, Nachlässigkeit und Unwissen- heit. Über die individuellen Wünsche des sich liebenden Paares hinweg griffen gesetz- liche Regelungen der Famili- enplanung in die persönliche Entscheidung ein, um einen Geburtenüberschuß abzubrem- sen, zum Beispiel in China.

Auf der anderen Seite eröffne- te die Reproduktionsbiologie mit der Erforschung von Ver- fahren zur künstlichen Be- fruchtung auch beim Men- schen den Weg, Frauen in ei- ner kinderlosen Ehe den sehnlichen Kinderwunsch zu erfüllen. Die künstliche Be- fruchtung in der Retorte er- möglicht Zeugung ohne Sex.

Diese Entwicklung geht ohne Zweifel mit zunehmender Per- fektion in beiden Richtungen weiter. Wir stehen damit — wie in vielen anderen Bereichen — vor der Frage, inwieweit wir mit moralischen und ethi- schen Grundsätzen unseres ärztlichen Handelns der medi- zinischen Technik nachkom- men. Wie weit nimmt der Mensch die Erschaffung von Leben und die Beseitigung von Leben aus den Händen Gottes in seine eigene Hand?

Unermeßlich ist die Natur in der Zeugung von Leben, ver-

schwenderisch ist sie auch in der frühzeitigen Vernichtung ungeborenen Lebens durch Defekte und Fabrikationsfeh- ler. Für den Menschen gilt, daß der Verlust an angeleg- tem Leben in der Frühschwan- gerschaft etwa 70 Prozent be- trägt (Gametopathie, Embryo- pathie). Wir sind in der Ent- wicklung der humanen Pro- konzeption und Antikonzep- tion den Forschungen und Er- gebnissen der Veterinärmedi- zin gefolgt. Hier sind die Steuerungsmechanismen der Reproduktion vielgestaltiger und darauf angelegt, Art und Rasse vor den Gefährdungen der Umgebung zu schützen.

Die extrakorporale Befruch- tung erweist sich bei manchen Spezies als ein natürlicher Vorgang. Der humanmedizini- schen Forschung der Zukunft wird es vorbehalten sein, wie weit sie veterinärmedizini- schen Möglichkeiten auch beim Menschen folgt. Wird die Emanzipation und die hormo- nale Behandlung schließlich dahin führen, daß nur noch Wunschovulationen stattfinden und das Sperma zur Befruch- tung tiefgefrostet aus der Sa- menbank bezogen wird, um ein Wunschkind zu zeugen?

Und wird das Wunschkind ein Wunschkind bleiben?

Dies sind humane Erwägun- gen, wie sie aus der Veterinär- medizin nicht übernommen werden können. Werden wir aber doch in Zukunft aus dem vielfältigen Spektrum biologi- scher Varianten der Fortpflan- zung im Tierreich die eine oder andere für den Men- schen nutzbar machen kön- nen?

Professor

Dr. med. Peter Stoll Collini-Center 18/19 6800 Mannheim 1

rennen geschieht. Dem Tier stirbt der eigene männliche Samen ab, das als erstes Sperma des Part- ners erhält. Es handelt sich hier wohl in erster Linie um immunolo- gische Reaktionen, die eventuell für die derzeit im Gange befind- lichen menschlichen Versuche der immunologischen Sperma- beeinflussung im Sinne einer Kontrazeptionsforschung von Be- deutung sind.

Findet dagegen die Schnecke kei- nen Partner oder träumt sie nur davon, wie auf dem Bild skizziert ist, oder ist sie infolge ihrer physi- kalischen Fortbewegungsge- schwindigkeit nicht in der Lage, einen Partner zu finden, so kann sie sich im Sinne eines echten Hermaphroditen mit eignem Sperma selbst befruchten, um mit dieser Fortpflanzungsart sowohl zweigeschlechtliche, als auch wiederum zum Hermaphroditis- mus befähigte Nachkommen zu zeugen.

Um diesen Beobachtungszyklus zu schließen, sei am Ende eine Spezies genannt, bei der die jetzt beim Homo sapiens Bedeutung erlangt habende extrakorporale Befruchtung die natürliche Art der Zeugung darstellt:

Bei den Fischen (Abbildung 7) — als Beispiel sei hier nur die Forel- le genannt — besamt der männ- liche Partner extrakorporal in ei- nem für den Organismus völlig fremden Milieu, nämlich im Was- ser, die dort abgelagerten weib- lichen Eier. Daß manche Fische für diesen Laich- und Zeugungs- akt große Wegstrecken zurückle- gen, ja ganze Weltmeere durch- queren, mag wohl darin begrün- det sein, daß sie ein geeignetes Milieu für diesen extrakorporalen Zeugungsakt suchen müssen, welches den Samenfäden den ei- genen Trophismus erlaubt, über relativ große räumliche Distanzen und gegen die Strömung den an- deren haplonten Chromosomen- satz im Ei, das heißt Laich zu fin- den. I>

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Abbildung 7: Schematische Darstellung der grundsätzlich extrakorporal stattfinden den Befruchtung der weiblichen Fischeier (Laich) durch die männlichen Spermato zoen im freien Wasser (= Medium)

Abbildung 8: Schematische Darstellung der Brutpflege durch männliche Frösche (Maulbrüter)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tricks der Natur zum Überleben

Den Übergang von der extrakor- poralen Zeugung zur intrakorpo- ralen, nämlich die Evolution vom Wasser aufs Land, zeigen die Maulbrüter (Abbildung 8). Sie nehmen das extrakorporale Le- ben so lange wieder in ihrem Kör- per auf, bis es reif ist, in der Um- welt zu existieren!

Was bei Fischen und Fröschen, den Kaltblütern, die natürliche Art des Zeugungsaktes darstellt, ist

beim Homo sapiens gegenwärtig Sensation. Die Schwierigkeit beim Menschen für die extrakor- porale Befruchtung liegt nicht im Medium, in dem die Konjugation stattfindet, sondern in der Rück- führung des extrakorporal fertili- sierten Embryo in die Gebärmut- terschleimhaut. In der Natur wan- dert das Ei nach der Befruchtung von der Ampulla tubae Falloppii ohne Größenwachstum bis zur Morula heranreifend etwa 5 bis 6

Tage durch den Eileiter, um sich dann am 6./7. Tag im Stadium der Blastozyste in das Endometrium nach infiltrierendem und de- struierendem Wachstum als Art Saprophyt dort einzunisten.

Gelingt die Ei-Aspiration aus über- stimulierten Follikeln des Eier- stockes per pelviskopiam heute nahezu mit 90 Prozent und die ex- trakorporale Fertilisierung sol- cher Eier mit 70 bis 80 Prozent ih ,

den dafür ausgerüsteten Zentren, dann liegt die Implantationsrate noch bei 5 bis 25 Prozent. Ursa- che dafür ist die Tatsache, daß das extrakorporal fertilisierte Ei in den bislang erarbeiteten Flüssig- keiten, Medien genannt, langsa- mer heranreift, als dies in der mit 500 Zilien/mm 2 besetzten Tuben- schleimhaut der Fall ist.

Aus der Tiermedizin bezogen wird die Erkenntnis, daß Alter der Ei- zelle und Reifungszustand der Gebärmutterschleimhaut auf die Stunde gleichalt sein müssen. Ist das nicht der Fall, sind also die Rezeptoren in der Gebärmutter- schleimhaut nicht alterssynchron aufgebaut wie das Ei, so hat letz- teres keine Chance, sich zu im- plantieren.

Aus den experimentellen Versu- chen in der Tiermedizin, den Mäu- semodellen, wissen wir, daß eine Desynchronisation von > 12 Stun- den die Nidationschance auf null Prozent mindert. Da sich das menschliche Endometrium nicht, wie zum Beispiel bei der Kuh, durch Prostaglandin oder irgend- eine andere bislang bekannten Substanz „synchronisieren" läßt, implantiert man die extrakorporal fertilisierten Eizellen im 2- bis 4-Zellstadium, hoffend, daß sie sich frei flottierend, bis zur Im- plantation am 5. bis 6. Tag im Ca- vum uteri besser ernähren, als dies bislang im Reagenzglas mög- lich ist.

Der einzige Ausweg aus dieser Si- tuation wäre das Einfrieren der Embryonen, wie es Mukarjee schon 1977 mit Erfolg in Calcutta

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durchgeführt hat. Man implantiert den tiefgefrorenen Embryo dann zeitgerecht, das heißt auf die Stunde genau synchronisiert, in einem anderen Zyklus derselben Frau (oder einer anderen!).

Da aber bislang bei menschlichen Embryonen die Absterberate durch Tiefgefrierung ebenfalls bei weit über 50 Prozent liegt, ist ge- genwärtig auch in dieser Methode kein Gewinn zu suchen.

So gesehen stellt die extrakorpo- rale Befruchtung beim Menschen im Rahmen der biologischen Va- riationen im Tierreich keine fun- damentale Neuigkeit dar. Neu ist sie nur für die Spezies Mensch, um die Natur zum Wohle oder zum Wehe des Fortbestandes der Spezies Homo sapiens zu überli- sten!

Welche Manipulationen heute schon in der Veterinärmedizin an

der fertilisierten Eizelle möglich sind, solange sie extrakorporal dem Tun und Machen des Men- schen zugänglich ist, möge einem anderen Beitrag vorbehalten blei- ben.

Anschrift des Verfassers:

o. Prof. Dr. med. Dr. h. c. K. Semm Direktor der Universitäts-

Frauenklinik und

Michaelis-Hebammenschule Hegewischstraße 4, 2300 Kiel 1

FÜR SIE GELESEN

Betreuungsstrukturen im psychosozialen Versorgungsbereich

Immer mehr Patienten werden heute in der Allgemeinmedizin psychotherapeutisch versorgt.

Dort wurden 1983 80 Prozent der allgemeinen und psychiatrischen Psychotherapie geleistet (Creme- rius). Insbesondere leichte neuro- tische Störungen werden außer- halb der Fachpraxen behandelt, während Psychotherapeuten von Krankheitsbildern berichten, die bis dahin wenig bekannt waren:

Schwerste Formen von Charakter- störungen mit sozialen Defekten, Borderline-Zustände, psychose- nahe Zustände und narzißtische Neurosen.

Für den Psychotherapeuten for- dert Cremerius eine am Patienten orientierte Technik der Therapie, die Bezug nimmt auf frühe Ich-De- fekte, die Pathologie des Selbst, die Störungen der frühen Mutter- Kind-Beziehung und den Einfluß präödipaler Störungen.

Willi sieht eine bedeutende Auf- gabe des Psychotherapeuten in Ausbildung, Supervision und Un- terstützung der hausärztlichen Psychotherapie. Aus der Erfah- rung des Allgemeinmediziners in der alltäglichen Zusammenarbeit mit dem Psychotherapeuten sieht

die Realität oft so aus: „Gerade von Spezialisten für zwischen- menschliche Kommunikation kommt am wenigsten Echo in be- zug auf den zugewiesenen ge- meinsamen Patienten" (Burk- hardt).

Bösch beschreibt ein Modell, wel- ches die Zusammenarbeit Psy- chotherapeut — Hausarzt als ge- meinsamen Lehr- und Lernprozeß auffaßt. Die Ausbildung des Haus- arztes zu eigener psychothera- peutischer Kompetenz erfolgt dort durch:

Balintgruppen-Arbeit, Training in Gesprächsführung mit Hilfe von Tonbandprotokollen, Rollenspie- le, Telefon-Supervision, Co-

Therapie. shr

Bösch, J.: Die Zusammenarbeit Psychothera- peut — Hausarzt als gemeinsamer Lehr- und Lernprozeß. Psychother. med. Psychol. 35:

112-115 (1985). — Dr. med. J. Bösch, Abteilung für Psychosoziale Medizin, Universitätsspital, Culmannstraße 8, CH-8091 Zürich.

Burkhardt, S.: Erwartungen des Allgemeinme- diziners an den ärztlichen Psychotherapeuten.

Psychother. med. Psychol. 35: 116-119 (1985).

— Dr. med. S. Burkhardt, Arzt für Allgemeinme- dizin FMH, Thunstraße 67, CH-3074 Muri b.

Bern.

Cremerius, J.: Krankheitswandel oder Verla- gerung und Umschichtung der Neurosen im medizinischen Versorgungsbereich. Prax.

Psychother. Psychosom. 30: 60-71 (1985). — Prof. Dr. med. J. Cremerius, Habsburger Stra- ße 52,7800 Freiburg i. Br.

Willi, J.: Die Zusammenarbeit Psychothera- peut — Hausarzt in der psychosozialen Primär- versorgung. Psychother. med. Psychol. 35:

108-111 (1985). — Prof. Dr. med. J. Willi, Abtei- lung f. Psychosoziale Medizin, Culmannstraße 8, CH-8091 Zürich

Aspergillose

mit Kolonulcera nach Nierentransplantation

Bei nierentransplantierten Patien- ten sind Blutungen aus Kolonul- cera insbesondere bei einer Zyto- megalie-Virusinfektion wiederholt beschrieben worden. Im Rahmen der lmmunsuppression stellen auch Pilzinfektionen, z. B. mit Aspergillus fumigatus, keine Rari- tät dar. Die Autoren berichten über eine 37jährige Patientin, bei der es 3 und 6 Jahre nach einer Nierentransplantation zu einer Sepsis mit Salmonella typhimuri- um kam. Während des letzten sta- tionären Aufenthaltes trat am 12.

Tag eine peranale Blutung auf. Als Blutungsquelle konnten zunächst ein Ulcus im Sigmabereich, bei ei- ner erneuten Blutung mehrere fla- che Ulcera im rechtsseitigen Ko- lon nachgewiesen werden. So- wohl in der Sputumkultur als auch bei der histologischen Untersu- chung der Ulcera konnte Aspergil- lus fumigatus nachgewiesen wer- den. Die Blutung wurde auf eine direkte Invasion der Gefäße durch Pilzmyzele trotz einer Behand- lung mit Amphotericin B zurück- geführt.

Kinder, R. B., Jordan, M. H.: Disseminated as- pergillosis and bleeding colonic ulcers in renal transplant patient. Roy. Soc. Med. J. 78:

338-339,1985

Department of Surgery, Guy's Hospital, Lon- don SE1 9RT

Referenzen

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