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Archiv "Mobilfunkgeräte: Entwarnung mit Vorbehalt" (22.06.2001)

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as universale, mobile Telekom- munikationssystem (UMTS) soll den derzeitigen „Handy-Boom“

aufrecht erhalten und erweitern. 2003 soll das neue mobile Zeitalter anbre- chen. Dann möchte man ungefähr 60 000 neue UMTS-Anlagen installiert haben, die einen lückenlosen Handy- Empfang garantieren. Trotz der Eupho- rie bezüglich der neuen Technologie be- zweifeln viele Wissenschaftler die Un- bedenklichkeit dieses Systems für die menschliche Gesundheit.

Schon lange ist bekannt, dass starke elektromagnetische Felder schädigen- de Wirkungen auf biologische Systeme und somit auch auf den Menschen auf- weisen. Ferner weiß man, dass jegliche Nutzung elektrischer Energie mit der Emission elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder ver- bunden ist. Mittlerweile liegen mehr als 4 000 Studien zu diesem Thema vor. Die Ergebnisse sind jedoch widersprüch- lich; die Übertragbarkeit von Tierver- suchen auf den Menschen ist fraglich.

Aufsehen erregten Verhaltensauffäl- ligkeiten und Missbildungen bei Rin- dern in Betrieben, die sich in der Nähe von Mobilfunksendemasten (DÄ, Heft 36/2000) befinden.

Fehlbildungen durch ein Virus oder durch Strahlung?

Daraufhin hatten Veterinäre der Uni- versitäten Gießen und München sowie Geoingenieure einer Münchener Firma zwei Jahre lang 38 Rinderzuchtbetriebe in Bayern und Hessen untersucht und tatsächlich bei 15 dieser Betriebe eine Missbildungsrate, die dreimal so hoch wie der Landesdurchschnitt war, festge- stellt. Ende letzten Jahres stellte sich al- lerdings heraus, dass zur gleichen Zeit in der untersuchten Gegend ein Virus gras- sierte, welches die Bovine Virusdiarrhoe

auslöst. Die Experten gehen davon aus, dass dieses Virus und nicht die Mo- bilfunkanlagen Ursache der Fehlbil- dungen gewesen ist: Trotzdem bestünde die Möglichkeit, dass Mobilfunknetze ebenfalls mit Auffälligkeiten bei Rin- dern korrelieren könnten.

Die meisten Institutionen entwarnen:

„Nach den derzeitigen wissenschaftlich- ten Erkenntnissen besteht bei Einhal- tung der Grenzwerte keine Gefährdung des Mobilfunknutzers, dennoch ist eine biologische Wirkung nicht gänzlich aus- geschlossen“, so das Bundesforschungs-

amt für Strahlenschutz. Durch die be- grenzte Sendeleistung der Mobilfunk- stationen seien schädigende thermische Wirkungen bei der Verwendung des Mobiltelefons wissenschaftlich ausge- schlossen.

Nachdenklich stimmt allerdings eine wissenschaftliche Studie der Univer- sitätsklinik Essen, die Anfang des Jah- res veröffentlicht wurde. 118 Patienten

mit einem Uvealmelanom wurden mit einer Kontrollgruppe von 475 nicht an Augenkrebs leidenden Menschen be- züglich ihrer Handy-Nutzung vergli- chen. Für den besonders mit Funkwel- len exponierten Personenkreis ergab sich ein 3,3-fach erhöhtes Risiko für die Erkrankung. Ob dieses Ergebnis darauf zurückzuführen ist, dass die Wasserbe- standteile des Auges die Aufnahme elektromagnetischer Wellen unterstüt- zen und daher bereits geringe Felder ei- ne schädliche Wärmeentwicklung her- vorrufen können, ist noch nicht geklärt.

Elektromagnetische Wechselfelder

Nicht bewiesen ist auch die Existenz athermischer Effekte, die möglicherwei- se schon unterhalb der international an- erkannten Grenzwerte auftreten könn- ten. Einen Wirkungsmechanismus ver- mutet man in der Beeinflussung der Zellkommunikation. Experimente ha- ben gezeigt, dass elektromagnetische Wechselfelder reduzierend auf die Pro- duktion des Hormons Melatonin wirken können. Da dieses den Schlafrhythmus des Menschen regelt und außerdem das Wachstum östrogenabhängiger Tumo- ren hemmt, könnten Handys sowohl Schlafstörungen verursachen als auch krebsfördernd wirken. Bei einer Unter- suchung von 17 000 Frauen stellte man 1996 in den USA tatsächlich ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko für die Frau- en fest, die an ihren Arbeitsplätzen star- ken Magnetfeldern ausgesetzt waren.

Als weitere athermische Effekte wer- den die Beeinflussung der Kalzium- homöostase, der Membranpermeabilität und der Leitfähigkeit zwischen Zellen sowie der Einfluss auf Immunsystem, Herzschlag und Blut-Hirnschranke dis- kutiert. Sicher ist, dass Handys keinen Einfluss auf den Herzschlag haben. An- T H E M E N D E R Z E I T

A

A1670 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 25½½22. Juni 2001

Mobilfunkgeräte

Entwarnung mit Vorbehalt

Mehr als 4 000 Studien untersuchten die

biologischen Wirkungen von Mobilfunkstrahlung.

Sendemasten sind die Pfeiler der mobilen Telekommunikation . Foto: BilderBox

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ders verhält es sich bei Herzschrittma- chern. Inwiefern dies medizinische Re- levanz hat, ist ungeklärt. Bezüglich des Membranverhaltens verschiedener Zel- len unter Feldeinfluss sind die Studi- energebnisse widersprüchlich; genauso wie bei der Diskussion um die Durchläs- sigkeit der Blut-Hirn-Schranke und die Auswirkungen von Mobilfunkgeräten auf das Immunsystem.

Beruhigend wirkt dagegen ein im Fe- bruar veröffentlichtes Forschungsergeb- nis des staatlichen Krebsinstituts Kopen- hagen. Beim Vergleich des Krebsregi- sters mit den Nutzungsdaten der Mobil- funkgesellschaften zeigte sich, dass der Anteil der Krebserkrankungen bei den 400 000 Handy-Nutzern ungefähr ge- nauso groß war wie in der Gesamtbevöl- kerung.

Dennoch lassen sich Gesundheitsrisi- ken – das sagen Wissenschaftler einstim- mig – nicht hundertprozentig aus- schließen. Besonders bei Kindern, deren Schädeldecke teilweise noch weich und deren Nervengewebe noch nicht voll- ständig ausgebildet ist, sollte man vor- beugend den Handygebrauch einschrän- ken. Die Vermeidung der Feldbelastung mit Hilfe einer Handyfreisprechanlage ist britischen Forschern zufolge fraglich.

Sie haben durch Messungen zeigen kön- nen, dass durch die Anlage, die per Ka- bel und Kopfhörer mit dem Mobilfunk- gerät verbunden ist, die Intensität der Mikrowellenstrahlung am Ohr um bis zu 250 Prozent stärker sein kann als beim normalen Handygebrauch. Die hochfre- quenten Wellen würden durch das Kabel der Freisprecheinrichtung direkt ins Ohr und in den Kopf geleitet.

Schutz vor den elektromagnetischen Feldern verspricht einen Gummiröhre einer britischen Firma, deren Produkti- on im Februar 2001 begann. Ein damit ausgestattetes Handy empfängt und sen- det zwar weiter seine Signale, doch die Entstehung eines energiereichen elek- tromagnetischen Feldes in Kopfnähe wird verhindert. Damit der Verbraucher sein Handy-Risiko einschätzen kann, haben sich die Mobilfunkanbieter noch für dieses Jahr dazu verpflichtet, die spe- zifischen Absorptionsraten ihrer Geräte mit anzugeben. Derzeit gibt es nur Emp- fehlungswerte für die maximale Energie, die je Maßeinheit Körpergewebe absor- biert werden sollte. Tanja Anheier

W

ir sind hier, um von ihnen zu lernen“ – mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Rolland Dickson, Entwicklungsdirektor der Mayo-Foundation, das Symposium

„New Perspectives in Health Care and Management: The Mayo Case“ in Ber- lin. Die Mayo-Klinik, 1863 von Dr. Wil- liam Worall Mayo in Rochester, Minne- sota, gegründet, ist das größte private medizinische Zentrum der Welt. Es fi- nanziert sich aus gestaffelten Mitglie- derbeiträgen und Spenden. „Seit über einem Jahrhundert verbinden wir damit erfolgreich Gesundheitsfürsorge, For- schung und Lehre“, erklärte Dickson.

Heute arbeiteten im Gesundheitssy- stem der Mayo-Klinik über 35 000 Per- sonen, davon 2 000 Ärzte. Fast eine hal- be Million Patienten werde pro Jahr be- handelt. Doch auch in den USA werde mit Sorge beobachtet, dass die Patien- ten immer älter und multimorbider wer- den, kürzer in der Klinik verweilen, der ambulante Bereich wächst und neue Technologien integriert werden müssen.

Ähnliche Probleme

Dass professionelles Management im Gesundheitsbereich wichtiger denn je ist, bekräftigte Prof. Dr. med. Stefan Willich, Direktor des Instituts für Ar- beits-, Sozialmedizin und Epidemiolo- gie an der Charité, Berlin. Es sei künftig unerlässlich, kleinere und effektivere Einheiten zu bilden und konventionelle und komplementäre Medizin besser aufeinander abzustimmen. Nur so wäre eine ärztliche Behandlung bezahlbar, die langfristig das Wohl des Patienten gewährleiste. Beide Seiten betonten, dass nicht nur wirtschaftliche Aspekte entscheiden dürften. „Verwaltung und ärztliche Leitung arbeiten bei uns sehr eng zusammen“, berichtete Dickson.

Die Führungsrolle komme aber immer dem Arzt zu.

Große Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gibt es bei For- schung und Lehre. Eindrucksvoll zeigte Prof. Sherine E. Gabriel, Direktorin des Zentrums für patientenorientierte For- schung der Mayo-Klinik, wie eng die ärztliche Tätigkeit in den USA auch mit den Bereichen Forschung und Lehre verzahnt ist. Die Mayo-Klinik verfüge über zahlreiche Stiftungsprogramme, die patienten-orientierte Forschungsak- tivitäten förderten. Darüber hinaus exi- stiere ein eigenes Programm, in dem junge Mediziner mit der Forschung ver- traut gemacht werden. Für Deutschland sieht Prof. Dr. Horst Domdey, Direktor des Innovations- und Gründerzentrums, Martinsried, in diesem Bereich großen Handlungsbedarf: „Im internationalen Vergleich wird bei uns zwar qualitativ hochwertig gearbeitet, aber bei der Quantität bestehen große Differenzen.“

Als problematisch erachtet er das stren- ge hierarchische System der deutschen Universitäten, das (noch) keine Junior- Professoren wie in den USA kennt.

„Unsere Grundlagenforschung kann sich sehen lassen“, meinte auch Dr.

Lange, Leiter des Referats Gesund- heitsforschung im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Aber im Bereich der klinischen und patienten- orientierten Studien gebe es Defizite.

Für Lange ist die Mayo-Klinik ein gutes Beispiel, wie wichtig der wissenschaftli- che Erfolg für eine klinische Einrich- tung ist. „Junge Leute gehen in die USA, um als Wissenschaftler Karriere zu machen. Das müssen wir ändern. Sie müssen stattdessen nach Deutschland zum Forschen kommen“, erklärte Lan- ge. Hingegen betonte Dr. Ingo Härtel, Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages, dass es in Deutschland genügend junge Ärzte gebe, die for- schen wollen. Sie fänden jedoch neben der klinischen Arbeit keine Zeit für die Forschung. Dr. med. Jan Andresen T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 25½½22. Juni 2001 AA1671

Gesundheitsmanagement

Über den Atlantik geblickt

Die Mayo-Klinik stellte ihr Gesundheitssystem vor.

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