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Trend: Schock mit Wirkung. Bund und Länder haben den Kampf gegen den funktionalen Analphabetismus aufgenommen

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VHN, 83. Jg., S. 61 –63 (2014) DOI 10.2378/vhn2014.art05d

© Ernst Reinhardt Verlag

TREND

THEMENSTRANG

Funktionaler Analphabetismus

7,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland können zwar ein- zelne Worte und kürzere Sätze lesen und schrei- ben, nicht jedoch zusammenhängende Texte.

Das sind rund 14,5 % der erwachsenen Bevölke- rung. Diese im Februar 2011 in der Leo.Level- One-Studie veröffentlichten Daten markieren eine Zäsur im öffentlichen, politischen und praktischen Umgang mit dem Thema „funktio- naler Analphabetismus“ in Deutschland.

Das Thema ist für die Länder indes nicht neu.

Sie haben (wie auch die Kommunen und der Bund) schon lange vor Erscheinen der Leo- Studie Maßnahmen zur Bekämpfung des funk- tionalen Analphabetismus ergriffen. Als Bei- spiele seien genannt: das seit Jahrzehnten exis- tierende Kursangebot an den Volkshochschu- len, das Engagement des Deutschen Volkshoch- schulverbandes und seiner Landesverbände beim Aufbau regional vernetzter Beratungs- strukturen sowie das jahrzehntelange Engage- ment einer Vielzahl von Verbänden, Vereinen und Selbsthilfegruppen wie z. B. dem Bundes- verband Alphabetisierung und Grundbildung oder den bundesweit bekannten Vereinen „Le- sen und Schreiben“ und „Arbeitskreis Orien- tierungs- und Bildungshilfe“ in Berlin. Der Bund hat zudem mit der Ausrufung des Alpha- bund-Programms im Jahr 2008 die forschende und praktische Auseinandersetzung mit neuen Wegen zur Bekämpfung des funktionalen An- alphabetismus gefördert – nicht zuletzt durch die Finanzierung der Leo-Studie.

Die Aktivitäten und Angebote der Länder und Kommunen sowie das Engagement des Bundes haben jedoch nicht ausgereicht, um dem Problem des funktionalen Analphabe- tismus in Deutschland Herr zu werden. Le- diglich rund 20’000 Personen pro Jahr neh- men die Alphabetisierungsangebote der Volkshochschulen wahr, das sind weniger als ein Prozent der tatsächlich Betroffenen. Auch wenn jenseits der Volkshochschulen weitere Angebote existieren, die bislang nicht in Sta- tistiken aufgelistet werden, zeigt die geringe Nachfrage, vor welchen enormen Herausfor- derungen Bund, Länder und Kommunen stehen.

Die Nationale Strategie für

Alphabetisierung und Grundbildung Der „Leo-Schock“ hat einen bisher unge- kannten Aktivitätsschub bei Bund, Ländern und Verbänden ausgelöst. Im Dezember 2011 wurde die Nationale Strategie für Alphabeti- sierung und Grundbildung ins Leben geru- fen. Damit haben sich erstmals Bund und Länder, der Deutsche Volkshochschul-Ver- band (DVV), der Bundesverband Alphabeti- sierung und Grundbildung, die Agentur für Arbeit, der DGB sowie weitere Vertreter der Zivilgesellschaft auf ein gemeinsames Vorge- hen bei der Bekämpfung des funktionalen Analphabetismus in Deutschland bis zum Jahr 2016 verständigt.

Schock mit Wirkung

Bund und Länder haben den Kampf gegen den funktionalen Analphabetismus aufgenommen

Mark Rackles, Ulrich Raiser Berlin

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VHN 1 | 2014

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MARK RACKLES, ULRICH RAISER

Schock mit Wirkung – der Kampf gegen den Analphabetismus TREND

Die Länder haben in der Kultusministerkonfe- renz einen 8-Punkte-Katalog an Maßnahmen vereinbart, über dessen Umsetzung sie regel- mäßig berichten. Die Maßnahmen sehen un- ter anderem die Etablierung von Kontaktstel- len für Grundbildung in allen Ländern, einen höheren Mitteleinsatz für Kursangebote aus dem Europäischen Sozialfonds, verstärkte Öf- fentlichkeitsarbeit sowie den Austausch guter Praxis zwischen den Ländern vor.

Folgende konkrete Maßnahmen wurden im Rahmen der Nationalen Strategie vonseiten der Länder bislang ergriffen:

n Alle Länder haben Koordinierungs- und Kontaktstellen für Alphabetisierung und Grundbildung eingerichtet und Ansprech- partner in den zuständigen Ministerien benannt. Eine entsprechende Liste ist auf der Webseite der Kultusministerkonferenz (KMK) hinterlegt.

n Es wurden neue Beratungsstrukturen in den Ländern eingerichtet. Diese bieten aus einer Hand Fortbildungen für Lehrkräfte, Sensibilisierungsveranstaltungen und Kur- se für Betroffene an. Grundbildungszentren gibt es bereits in Hamburg und Niedersach- sen, in weiteren Ländern sind solche im Aufbau begriffen.

n Eine Angebotsstruktur ist durch die Kurse an den Volkshochschulen in allen Ländern bereits seit vielen Jahren vorhanden. Im Rahmen der Förderung aus dem Europäi- schen Sozialfonds sehen die meisten Länder für den Zeitraum 2014 – 2020 vor, eigene Förderbereiche zum Thema einzurichten bzw. bereits bestehende weiterzuführen.

n Es wurden Bündnisse und Netzwerke in den Ländern gegründet, z. B. das Bremer Bünd- nis für Alphabetisierung und Grundbil- dung, der Grundbildungspakt im Saarland und der Runde Tisch Alphabetisierung und Grundbildung in Berlin. Diese Bündnisse sind die Basis für koordinierte Aktivitäten und eine bessere Vernetzung im Land.

n Es finden im Rahmen der Nationalen Stra- tegie jährliche Treffen der Länder auf Ar- beitsebene statt. Diese dienen insbesondere dem Austausch guter Praxis und der gegen- seitigen Beratung.

Der Bund hat zudem in Kooperation mit den Ländern die Öffentlichkeitskampagne „Lesen und Schreiben – mein Schlüssel zur Welt“ ge- startet mit Plakaten, Fernseh- und Kinospots, die in den vergangenen Monaten gezeigt wur- den. Darüber hinaus wird in einer Vielzahl an Regionalveranstaltungen in Kommunen und Landkreisen für die Thematik sensibilisiert.

Zudem hat der Bund durch die erneute Auflage des Alphabund-Programms, mit dem Schwer- punkt arbeitsplatzorientierte Grundbildung, den Rahmen für die Entwicklung innovativer unternehmensnaher Maßnahmen bis zum Jahr 2015 gesetzt.

Weiterhin große Herausforderungen

Trotz einer spürbaren Aufbruchstimmung und einer Vielzahl an vielversprechenden Maßnahmen bei Bund, Ländern und Kommu- nen stehen wir weiterhin vor großen Heraus- forderungen in diesem bildungspolitisch so wichtigen Handlungsfeld. Die größten Knack- punkte aus Sicht des Landes Berlin seien hier in acht Punkten genannt.

1. Für die Umsetzung der Nationalen Strategie bedarf es eines langen Atems und einer diffe- renzierten Herangehensweise. Maßnahmen müssen teilnehmerbezogen sein und die un- terschiedlichen Strukturen in den Ländern (u. a. mit Blick auf Flächen- und Stadtstaa- ten) berücksichtigen.

2. Es sind innovative Beratungsformate not- wendig (mobile Beratung, integrierte Bera- tungsangebote, Einbeziehung von Bildungs- netzwerken), um potenzielle Lernerinnen und Lerner besser zu erreichen. Hierzu ge-

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MARK RACKLES, ULRICH RAISER

Schock mit Wirkung – der Kampf gegen den Analphabetismus TREND

hört auch die Sensibilisierung und Schulung von Schlüsselpersonen und Multiplikatoren in Ämtern, bei Jobcentern, in Schulen und Unternehmen. Grundbildungszentren in den Ländern können hier eine wichtige ko- ordinierende und umsetzende Funktion übernehmen.

3. Grundbildung muss als Querschnittsthema in den Verwaltungen etabliert und ressort- übergreifend bearbeitet werden. Hierzu zäh- len neben den federführenden Bildungsmi- nisterien vornehmlich die Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsverwaltungen. Eine aus- schließliche Zuständigkeit der Erwachse- nenbildung ist eine Überforderung und wird der Dimension der Herausforderung nicht gerecht.

4. Es bedarf noch größerer Phantasie und Krea- tivität bei der Ausgestaltung der Kursange- bote. Dabei sollte von der konkreten Situa- tion der Lernenden ausgegangen werden.

Eine Vielfalt der Methoden und Ansätze ist notwendig, um auch die zu erreichen, für die der klassische Alphabetisierungskurs an der Volkshochschule eine Überforderung darstellt. Auch diejenigen, die einer Be- schäftigung nachgehen, benötigen passge- naue Angebote.

5. Lernerinnen und Lerner sollten verstärkt in die Entwicklung von Konzepten und Maß- nahmen einbezogen werden. Das heißt Be- teiligungsstrukturen zu etablieren und die Bildung von Selbsthilfeinitiativen zu unter- stützen. Es kann aber auch heißen, Lerne- rinnen und Lerner als Lotsen zu schulen

und ihre Erfahrung und Kompetenz in der Alphabetisierungsarbeit einzusetzen.

6. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit muss durch Kampagnen, Veranstaltungen, Film- reihen, Lesungen usw. kontinuierlich fort- geführt werden.

7. Auch wenn Lesen, Schreiben und Rechnen die wichtigsten Kulturtechniken sind, be- deutet Grundbildung noch mehr. Aspekte der kulturellen und politischen Grundbil- dung sollten verstärkt in die Ausgestaltung von Konzepten und Angeboten einbezogen werden.

8. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen sind mehr Mittel erforderlich und eine noch en- gere Kooperation zwischen Bund und Län- dern; hierfür bedarf es der Sensibilisierung und Unterstützung durch die Länderparla- mente und den Bundestag.

Anschrift der Autoren

Mark Rackles

Berliner Staatssekretär für Bildung und Beauftragter der Länder für die Nationale Strategie für Grundbildung

Dr. Ulrich Raiser

Grundsatzreferent für Weiterbildung und Lebenslanges Lernen

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft

Bernhard-Weiß-Str. 6 D-10178 Berlin +49 (0)30 9 02 27 52 60 Ulrich.Raiser@senbjw.berlin.de

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