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Häufigkeit und Relevanz des Systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) auf der pädiatrischen Intensivstation

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Pädiatrische Kardiologie

und Pädiatrische Intensivmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover

Häufigkeit und Relevanz des Systemischen

inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) auf der pädiatrischen Intensivstation

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Christina Richter

aus Aktjubinsk

März 2017

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1 Angenommen vom Senat: 23.09.2019

Präsident: Professor Dr. Michael P. Manns Wissenschaftliche Betreuung: PD Dr. med. Kathrin Seidemann

1. Referent: Prof. Dr. med. Florian Guthmann 2. Referent: Prof. Dr. med. Alexander Osthaus

Tag der mündlichen Prüfung: 23.09.2019

Prüfungsausschuss

Vorsitz: Prof. Dr. med. Reinhold Ernst Schmidt 1. Prüfer PD Dr. med. Bernhard Schmidt

2. Prüfer Prof.‘in Dr. med. Bettina Wedi

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2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung... 5

1.1. Inflammationssyndrome – SIRS und Sepsis ... 5

1.2. Pathophysiolgie von SIRS und Sepsis ... 8

1.3. Therapie und Prävention von SIRS und Sepsis ... 10

1.4. Häufigkeit von SIRS und Sepsis ... 11

2. Zielsetzung der Arbeit ... 13

3. Material und Methodik ... 14

3.1. Datenerhebung ... 14

3.2. Patientenkollektiv ... 15

3.2.1. Patientencharakteristika ... 15

3.3. Aufteilung der Patienten in verschiedene Altersgruppen ... 16

3.3.1. Altersgruppenspezifische Grenzwerte für Vital- und Laborparameter ... 17

3.4. Normwerte für Gerinnung und klinische Chemie... 18

3.5. Definitionen von Inflammationssyndromen ... 18

3.5.1. Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) ... 18

3.5.2. Definition einer Infektion ... 19

3.5.3. Definition einer Sepsis ... 19

3.5.4. Definition einer schweren Sepsis ... 19

3.5.5. Definitionen der Organdysfunktionen nach der IPSCC 2005 ... 19

3.5.6. Verwendete Organversagenskriterien nach internationalen Definitionen ... 23

3.6. Pediatric Index of Mortality II (PIM2) ... 24

3.7. Datenerfassung ... 26

3.7.1. Demografische Daten der Patienten ... 26

3.7.2. Klinische Verlaufsdaten ... 27

3.7.3. Statistische Auswertung ... 28

4. Ergebnisse... 30

4.1. SIRS und schweres SIRS im Verlauf des Intensivaufenthaltes ... 30

4.1.1. SIRS im Verlauf ... 30

4.1.1.1. SIRS-Häufigkeit nach Geschlecht ... 30

4.1.1.2. SIRS-Verteilung auf die Altersgruppen ... 31

(4)

3 4.1.1.3. SIRS-Häufigkeit im Verlauf in Abhängigkeit von vorrausgegangenen

Operationen ... 31

4.1.2. SIRS-Häufigkeit im Intensivverlauf in den verschiedenen Erkrankungsgruppen ... 32

4.1.3. Schweres SIRS im Intensivverlauf ... 33

4.1.4. Verteilung der Patienten mit schwerem SIRS im Intensivverlauf auf die Grunderkrankungsgruppen ... 33

4.2. SIRS und schwere SIRS bei Aufnahme auf die Intensivstation ... 35

4.2.1. SIRS-Häufigkeit bei Intensivaufnahme ... 35

4.2.2. SIRS-Häufigkeit bei Aufnahme in Abhängigkeit vorausgegangener Operationen ... 35

4.2.3. Verteilung der SIRS-Fälle bei Aufnahme auf die unterschiedlichen Grunderkrankungsgruppen ... 36

4.2.4. Häufigkeit des schweren SIRS bei Aufnahme ... 37

4.2.5. Verteilung des schweren SIRS bei Aufnahme auf die unterschiedlichen Erkrankungsgruppen ... 38

4.3. Patienten mit SIRS bei Aufnahme sowie im Verlauf ... 39

4.4. Auswirkung von SIRS und schwerem SIRS auf den Krankheitsverlauf ... 40

4.4.1. Auswirkungen von SIRS und schwerem SIRS auf die Beatmungsdauer ... 40

4.4.2. Auswirkungen von SIRS und schwerem SIRS auf die Intensivliegedauer ... 41

4.4.3. Auswirkungen von SIRS und schwerem SIRS auf die Gesamtverweildauer ... 42

4.4.4. Auswirkung von SIRS und Sepsis im Verlauf auf die Mortalität ... 43

4.4.4.1. Mortalität mit und ohne SIRS/schweres SIRS ... 43

4.4.4.2. Mortalität mit und ohne Sepsis/schwere Sepsis ... 43

4.5. Relevanz von SIRS bei Aufnahme für die Intensivstation ... 44

5. Diskussion ... 46

5.1. Relevanz der erhobenen Daten ... 46

5.2. Datengrundlage aus der Literatur ... 46

5.3. Geschlechts- und Altersabhängigkeit von SIRS ... 46

5.4. Mögliche Effekte der neu etablierten SIRS-Kriterien ... 48

5.5. Relevanz von SIRS und schwerem SIRS bei pädiatrischen Intensivpatienten ... 51

5.6. Häufigkeit und Relevanz von SIRS bei Aufnahme auf die pädiatrische Intensivstation ... 52

(5)

4

5.7. Vergleich mit anderen Studienergebnissen ... 52

5.8. Risikofaktoren für SIRS: Operation vs. keine Operation vor Aufnahme ... 55

5.9. SIRS-Häufigkeit nach Grunderkrankung ... 56

5.10. Kritische Stellungnahme zu den erhobenen Daten ... 57

6. Zusammenfassung ... 59

7. Literaturverzeichnis ... 60

8. Abbildungs-, Tabellen und Abkürzungsverzeichnis ... 64

8.1 Abbildungsverzeichnis ... 64

8.2. Tabellenverzeichnis ... 65

8.3. Abkürzungsverzeichnis ... 66

9. Danksagung ... 68

10. Anhang: Statistische Berechnungen zur Darstellung des Einflusses von SIRS bei Aufnahme auf Mortalität, Beatmungsdauer und Intensivliegedauer in Abhängigkeit von der Grunderkrankungsschwere (PIM2) ... 69

(6)

5

1. Einleitung

1.1. Inflammationssyndrome – SIRS und Sepsis

Weiterhin gehört die Sepsis zu den Haupttodesursachen pädiatrischer Patienten mit einer beschriebenen Mortalität in den entwickelten Ländern zwischen 8 und 10 % (1, 2). SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom) und Sepsis sind zwei sehr ähnlich verlaufende und pathophysiologisch eng miteinander verwandte Krankheitsbilder, die sich lediglich hinsichtlich ihres Auslösers unterscheiden. SIRS beschreibt eine unspezifische, systemische Reaktion des Körpers auf einen Stimulus und wurde 1992 erstmals genauer beschrieben und definiert (3, 4). Der auslösende Stimulus für diese unspezifische und gleichförmig verlaufende Reaktion des Körpers kann vielfältig sein. Meist handelt es sich um ein Trauma, eine Operation, Verbrennung, Infektion oder Pankreatitis (5). Sobald als Ursache für das klinisch definierte Inflammationssyndrom jedoch ein Erregernachweis gelingt oder mit hoher Wahrscheinlichkeit eine infektiöse Ursache vorliegt, spricht man von einer Sepsis (6). Hierbei reicht nach den gültigen Definitionen der begründete klinische Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion aus, da der Nachweis aufgrund mangelnder Sensitivität der Nachweismethoden oft nicht sicher möglich ist (7). Ein solcher Verdacht gilt als „bestätigt/begründet“, wenn sich ein klinisch eindeutiges Ansprechen auf eine neu initiierte antibiotische Therapie demonstrieren lässt (8). Bei der Sepsis wie auch beim SIRS besteht eine Graduierung in Sepsis/SIRS, schwere Sepsis/schweres SIRS und septischer Schock, die auf dem Vorliegen möglicher assoziierter Organdysfunktionen basieren. Liegen zusammen mit den klinischen Parametern des SIRS oder der Sepsis beispielsweise Zeichen eines Lungenversagens oder ein Versagen von zwei anderen Organsystemen vor (Leber, Niere, ZNS (zentrales Nervensystem)), so spricht man von einem schweren SIRS bzw. einer schweren Sepsis. Sobald ein volumenrefraktäres und/oder katecholaminpflichtiges Kreislaufversagen eintritt, liegt ein septischer Schock vor. Kommt es zu einem gleichzeitigen Versagen von mehreren Organsystemen, spricht man von einem Multiorgan- Dysfunktionssyndrom (MODS) (9).

SIRS wird durch die Kombination von verschiedenen klinischen und paraklinischen Parametern wie Leukozytose oder Leukopenie, Erhöhung der Körperkerntemperatur, Erhöhung der Atemfrequenz und/oder der Herzfrequenz

(7)

6 definiert (4, 6). Durch verschiedene neurophysiologische Einflussfaktoren wie Angst, Aufregung/Unruhe und Schmerz können vor allem bei Kindern die diagnostischen Kriterien erheblich beeinflusst werden. Ebenso können unterschiedliche chirurgische oder intensivmedizinische therapeutische Maßnahmen die klinischen Zeichen eines SIRS auslösen. Aufgrund dieser diagnostischen Unschärfe und der Vielfalt der möglichen Einflussfaktoren auf die SIRS-Diagnosekriterien während eines intensivmedizinischen Aufenthaltes wird ein SIRS im intensivmedizinischen Krankheitsverlauf nur selten diagnostiziert oder als eigene Krankheitsentität wahrgenommen und genießt dementsprechend wenig Aufmerksamkeit hinsichtlich seines potenziellen Einflusses auf die Gesamtprognose des jeweilig zugrunde liegenden Krankheitsbildes (10, 11).

Um dieser Unschärfe entgegenzuwirken und SIRS als Diagnose mit eigenständigem Krankheitswert präziser erfassen zu können, erfolgte auf der Internationalen Pädiatrischen Sepsis Konsensus Konferenz (IPSCC) im Jahr 2005 die Revision der SIRS- und Sepsis-Kriterien. Im Rahmen dieser multidisziplinären Konsensuskonferenz wurden neue, altersspezifische SIRS- und Sepsiskriterien speziell für Kinder definiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war es üblich, die anerkannten einheitlichen Kriterien für Erwachsene auf Kinder zu übertragen, trotz der nach Einschätzung von Experten unzureichenden Adaptation der Messwerte (12-14). Vor allem aufgrund der Altersabhängigkeit physiologischer Parameter mit sehr großer Normwertspanne zwischen dem Neugeborenenalter bis zur Adoleszenz waren die SIRS-Kriterien bis 2005 nach der allgemeinen Einschätzung zu ungenau (15-18). Die Neufassung von 2005 hingegen berücksichtigt explizit die Altersabhängigkeit der zu erhebenden klinischen Parameter und erlaubt so eine präzise Definition von SIRS und Sepsis auch in heterogenen Altersgruppen.

Die neuen Kriterien definieren die Körpertemperaturerhöhung für die Diagnose SIRS/Sepsis im Kindesalter erst ab 38,5 °C (Grad Celsius) anstelle von zuvor 38,0 °C. Eine weitere sehr wesentliche Veränderung betraf die Wertung der einzelnen Diagnosekriterien: Mindestens eines der zwei SIRS-Kriterien für die Diagnosestellung muss entweder die Veränderung der Körpertemperatur (Hyperthermie oder Hypothermie) oder der Leukozytenzahl (Leukozytose oder Leukopenie) sein. Damit kann nach den neuen Kriterien ein SIRS nicht mehr ausschließlich über eine Erhöhung der Atem- und Herzfrequenz definiert

(8)

7 werden, was die diagnostische Präzision deutlich erhöht. Additiv wurden für die Definition der Leukozytose und Leukopenie neue, eng gestaffelte altersabhängige Grenzwerte festgelegt. Des Weiteren wurden auch neue, enger gestaffelte altersspezifische Normwerte für die Atem- und Herzfrequenz sowie für die Organfunktionen erstellt. Auch hierbei galt die Einschränkung, dass Einfluss nehmende Faktoren, wie etwa die durch die Medikation eines Beta- Blockers herbeigeführte Bradykardie oder eine Tachykardie zum Zeitpunkt von Interventionen, ausgeschlossen werden mussten. Die Altersgruppen werden ab dem Jahre 2005 wie folgt definiert: Neugeborene I (1 Tag - 1 Woche alt), Neugeborene II (1 Woche - 1 Monat alt), Säugling (1 Monat - 1 Jahr alt), Kleinkind (2 - 5 Jahre alt), Schulkind (6 - 12 Jahre alt), Adoleszent (13 - 18 Jahre alt).

Alle diese Veränderungen sollten zu einer höheren Spezifität der SIRS-Diagnose beitragen und letztendlich die Aussagekraft und Trennschärfe der Diagnose SIRS stärken.

Das Ziel der neu eingeführten Definitionen für die unterschiedlichen Organdysfunktionen ist es, durch eine frühzeitigere und spezifischere Diagnosestellung einen zeitnahen Einsatz möglicher Therapieoptionen zu gewährleisten, um die Entwicklung eines deutlich schwerer wiegenden Organversagens im Verlauf zu verhindern (19).

Wie wichtig ein früher Therapiebeginn und die Beherrschung der sekundären Organfolgen vor allem bei der Primärbehandlung der Sepsis sind, zeigen verschiedene Studien. So konnten Brierley und Kollegen nachweisen, dass der frühzeitige leitliniengerechte Therapiebeginn das Outcome der Sepsis deutlich verbessern kann. In dieser Studie konnte beeindruckend gezeigt werden, dass jede vergangene Stunde bis zum Beginn der zielgerichteten Behandlungen zu einer Erhöhung des Mortalitätsrisikos um den Faktor 1,4 führte (20). Auf Basis der alten (vor 2005) Kriterien konnten Han et al. ähnliche Daten auch schon für Kinder zeigen. So führt in der 2003 veröffentlichten Studie bei Patienten mit schwerer Sepsis jede Stunde, bis die Wiederherstellung einer normalen Rekapillarisierungszeit gelang und/oder die Rehydrationstherapie initiiert werden konnte, zu einer Steigerung der Mortalität um 40 % (21).

Verlässliche Daten über mögliche Effekte der 2005 revidierten SIRS- /Sepsiskriterien auf die Häufigkeit und Behandlungsqualität liegen uns bislang

(9)

8 nicht vor. Der überwiegende Teil der derzeit schon vorliegenden Studien legt den Fokus auf die Sepsis, sodass die Relevanz von (nicht infektiösem) SIRS und schwerem SIRS bei Kindern weiterhin nur sehr begrenzt einzuschätzen ist.

Eine erhöhte Spezifität der neuen Kriterien für Kinder konnte ebenfalls bislang nicht ausreichend belegt werden. Pavare und Kollegen zeigten, dass die Graduierung des SIRS nach den neuen Kriterien bei pädiatrischen Patienten zum Zeitpunkt der Vorstellung in der pädiatrischen Notfallambulanz eine suffiziente Risikostratifizierung gewährleisten kann. Alle Patienten, die eine spätere Sepsis oder einen septischen Schock zeigten, hatten bei Aufnahme die SIRS-Kriterien erfüllt, wohingegen in der Gruppe der Patienten ohne Vorliegen von SIRS-Kriterien (beispielsweise Vorliegen von nur Fieber oder nur Leukozytose) kein einziges Kind diesen Erkrankungsverlauf zeigte (22).

Derzeit liegen keine Daten über die Häufigkeit und Aussagekraft der neuen Kriterien für den Intensivverlauf von Patienten auf der pädiatrischen Intensivstation vor.

1.2. Pathophysiologie von SIRS und Sepsis

SIRS und Sepsis beschreiben einen typischen und relativ stereotypen pathophysiologischen Ablauf komplexer immunologischer Vorgänge als Reaktion des Körpers auf einen unphysiologischen externen oder internen Stimulus.

Letztlich kommt es im Verlauf eines jeden Inflammationssyndromes nach Triggerung der Inflammationsreaktion durch einen auslösenden Stimulus zur Aktivierung immunkompetenter Zellen und zur Ausschüttung von verschiedensten Inflammationsmediatoren wie TNF-alpha (Tumor-Nekrose- Faktor alpha) und IL-1 (Interleukin 1) (23, 6).

Nach der primären Immunantwort folgt die kaskadenartige Freisetzung einer Vielzahl sekundärer Mediatoren, die zu einer Verstärkung der Inflammation und letztendlich zu einer klinischen Reaktion des Gesamtorganismus mit den genannten Veränderungen der Vital- und Laborparameter führen und prinzipiell alle Organsysteme des Körpers negativ beeinflussen können.

Im Rahmen einer Sepsis wird das Ausmaß der Inflammationsreaktion zusätzlich von der Virulenz des Erregers, der Eintrittspforte, der Empfindlichkeit und der Stärke der Immunantwort des Wirtes beeinflusst (7). Im Rahmen eines raschen Progresses oder einer stark überschießenden Immunreaktion können

(10)

9 verschiedene nachfolgende Körperreaktionen regelhaft ausgelöst und beobachtet werden. Zu diesen gehören unter anderem:

 Die durch Schädigungsmechanismen hervorgerufene Expression von Tissue Factor führt zu einer Aktivierung des Gerinnungssystems, die mit gleichzeitiger Hemmung physiologischer Antikoagulantien (Antithrombin III, Protein C/Protein S-System, tissue factor pathway inhibitor) einhergeht. Die Folge ist die Auslösung einer disseminierten, intravasalen Gerinnung (24).

 Endothelzellen exprimieren Adhäsionsmoleküle für Leukozyten, die durch den Kontakt mit diesen mit der Ausschüttung zytotoxischer Substanzen („respiratory burst") reagieren (25). Diese schädigen die endotheliale Integrität, was Störungen der Mikrozirkulation sowie die Ausbildung eines Kapillarlecks bewirkt, in dessen Folge es zum Austritt intravasaler Flüssigkeit in das Interstitium kommen kann, wodurch es im Rahmen schwerer Inflammationsreaktionen zur teilweise ausgeprägter Ödembildung kommt. Die folglich resultierende Flüssigkeitsverschiebung aus dem Gefäßbett in den sogenannten dritten Raum bewirkt und verstärkt den intravasalen Volumenmangel, der bis zum Kreislaufversagen und Schock führen kann (24).

 Die durch Inflammationsmediatoren stimulierte endotheliale NO- Synthetase bewirkt durch die Bildung von NO (Stickoxid) eine ausgeprägte Vasodilatation (26). Folge der Vasodilatation ist eine Verringerung der kardialen Vorlast durch den verminderten venösen Rückstrom, wodurch zusätzlich zum intravasalen Flüssigkeitsverlust über das Kapillarleck die arterielle Hypotension verstärkt wird. Dieser Mechanismus ist wesentlich mitverantwortlich und charakteristisch für die Entstehung insbesondere des septischen Schocks (27).

 Schwere Inflammation und Sepsis gehen regelhaft mit einer Beeinträchtigung der diastolischen und systolischen kardialen Funktion einher. Durch die Hypotension und den intravasalen Volumenmangel, bei zeitgleich zumeist stark erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Sauerstoffbedarf des Myokards, kommt es zwangsläufig zu einer relativen koronaren Minderperfusion. Aus der Kombination dieser Veränderungen und durch potenziell direkte zytotoxische Effekte der

(11)

10 Entzündungsmediatoren resultiert die kardiale Dysfunktion, die sich bei mangelnder therapeutischer Intervention rasch bis zum kardialen Pumpversagen mit Notwendigkeit eines mechanischen Kreislaufersatzes (ECMO = extrakorporale Membranoxigenierung) weiter entwickeln kann.

 Aktuelle Daten weisen auf eine ausgeprägte endokrine Dysfunktion in der Sepsis hin, die sich in einer relativen Nebennierenrindeninsuffizienz, einer inadäquaten Vasopressin- und Insulinsekretion sowie einer Umwandlungsstörung von T4 in aktives T3 äußert (27). Zurzeit eruieren verschiedene aktuelle Studien die Auswirkungen dieser Pathomechanismen auf den klinischen Verlauf.

Die ausgeprägten kardiozirkulatorischen Störungen führen zu einer schweren Beeinträchtigung der Mikrozirkulation im gesamten Organismus und die konsekutiv verminderte Organperfusion resultiert in der Entstehung eines Multiorgan-Dysfunktionssyndroms, welches sich in schweren Fällen zu einem Multiorganversagen weiterentwickeln kann. Die Entwicklung eines Multiorganversagens steigert die Mortalität und stellt die häufigste Todesursache im Verlauf eines Inflammationsgeschehens dar (9, 19, 28-30, 31).

1.3. Therapie und Prävention von SIRS und Sepsis

Das primäre Ziel der therapeutischen Intervention ist es, innerhalb der ersten Stunde nach Diagnose eines SIRS ausreichende Oxygenierung, Ventilation und Endorganperfusion sicherzustellen, um sekundäre Schäden wie die Entwicklung einer möglichen Organdysfunktion oder eines Organversagen zu vermeiden. Die Maßnahmen sollten unverzüglich eingeleitet werden, am besten noch vor Erreichen der Intensivstation, da sich die verstrichene Zeit, wie zuvor bereits erwähnt, unmittelbar negativ auf die Prognose und das Überleben auswirkt (20, 32).

Um einen septischen Schock oder ein schweres SIRS mit Multiorgandysfunktion abzuwenden, stehen momentan bis auf eine empirische Antibiotikatherapie nur supportive Maßnahmen wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr und positiv inotrope und/oder vasoaktive Medikamente zur Verfügung (33-35).

Versuche ein (nichtinfektiöses) SIRS von einer Sepsis klar zu trennen, um damit dem Patienten eine unnötige Antibiotikatherapie zu ersparen, waren wenig erfolgreich. Marker wie Calcitonin reaktives Protein (CRP) oder Procalcitonin

(12)

11 (PCT) sind zwar im Rahmen einer Sepsis oft stärker erhöht als im SIRS, weisen allerdings keine ausreichende Trennschärfe auf, um diese beiden Inflammationssyndrome klar zu differenzieren (36).

Sowohl das SIRS als auch die Sepsis gehen, nach einem variablen Zeitraum von Stunden bis Tagen, regelhaft in eine zweite Phase über, in der die systemische Entzündungsreaktion in einen antientzündlichen Prozess mündet.

Durch die Freisetzung antiinflammatorischer Zytokine versucht der Organismus die Immunreaktion und deren Folgen zu begrenzen (9)(37). Therapeutische Strategien, SIRS und Sepsis mit spezifischen oder unspezifischen antientzündlichen Medikamenten zu behandeln, wie etwa eine hoch dosierte Steroidtherapie (38-40), oder die Immunreaktion durch Elimination der zirkulierenden inflammatorischen Mediatoren günstig zu beeinflussen, wie z. B.

durch High-volume Hemofiltration, Plasmapherese oder Immunadsorptionsverfahren (41), wiesen bislang keine signifikant positiven Effekte hinsichtlich der Gesamtprognose und des Outcomes auf (42).

1.4. Häufigkeit von SIRS und Sepsis

Zurzeit liegen zahlreiche Studien zur Inzidenz und Prävalenz der Sepsis für erwachsene Patienten vor. Eine der größten Studien ist die 2006 veröffentlichte SOAP-Studie (Sepsis Occurrence in Acutely Ill Patients). Im Rahmen dieser Studie wurde gezeigt, dass 37,4 % (n = 1177) aller erwachsenen Patienten auf der Intensivstation eine schwere Sepsis während ihres Aufenthaltes erwerben.

24,7 % (n = 777) der Patienten hatten eine Sepsis schon bei Aufnahme (19, 43, 44).

Padkin et al. berichtet, dass 27 % der Intensivstationspatienten in Großbritannien eine schwere Sepsis in den ersten 24 Stunden nach Aufnahme entwickelten (44, 45).

Für pädiatrische Patienten liegen ebenfalls Daten zur Sepsishäufigkeit vor. In den Vereinigten Staaten wird eine Inzidenz für schwere Sepsis von 42000 Fällen pro Jahr angegeben, wobei diese Daten noch nach den alten Kriterien erhoben wurden. 10 % der erkrankten Kinder mit schwerer Sepsis in dieser Erhebung verstarben (46). In einer großen italienischen Studie, die ebenfalls die alten SIRS-Kriterien verwendet hat, wurde eine Sepsisrate bei Kindern auf pädiatrischen Intensivstationen im gesamten Land von 11,6 % angegeben, wobei

(13)

12 hiervon bei 77,5 % der Fälle die Aufnahmediagnose Sepsis war und 22,5 % der Sepsis-Fälle im Intensivverlauf auftraten (47). Angaben zu nicht infektiösen Inflammationssyndromen wurden in beiden Studien nicht gemacht.

In Großbritannien berichteten Inwald und Kollegen im Kollektiv der pädiatrischen Intensivpatienten von einer Letalität der schweren Sepsis von 20 % (34).

Die größten berichteten pädiatrischen Datensätze stammen aus der neonatologischen Intensivmedizin. Hier liegen vor allem Studien zum Outcome bei neonataler Sepsis vor, die die Verbesserung der Therapie über die letzten Jahrzehnte gut dokumentieren. 1966 lag die Mortalität der schweren Sepsis noch bei 97 % (48). Diese konnte bis zum Jahre 1990 auf 9 % gesenkt werden (20, 46, 49, 50). Zusammenfassend ist die Mortalität bei der pädiatrischen Sepsis insgesamt in nahezu allen Studien deutlich niedriger als bei erwachsenen Patienten, was vor allem auf die deutlich geringere Rate an Komorbiditäten bei Kindern zurückzuführen ist (50).

Eine erste Studie, die nach Erneuerung der Kriterien im Jahr 2005 durchgeführt wurde, beschreibt die Häufigkeit und Aussagekraft der neuen Kriterien für Patienten einer Notaufnahme eines großen lettischen Universitätskranken- hauses. Pavare und Kollegen konnten in dieser Studie zeigen, dass 10 % der in die Notaufnahme vorgestellten Kinder Fieber (definiert nach IPSCC > 38,5 °C) hatten. 72 % dieser Kinder mit Fieber erfüllten auch die SIRS-Kriterien nach der IPSCC. 15 % der Kinder, die die Kriterien erfüllten, entwickelten im weiteren Verlauf auch das klinische Bild einer Sepsis oder eines SIRS mit Organbeteiligung. Jedoch entwickelten Kinder, die nur Fieber bei Aufnahme hatten, ein solches Krankheitsbild nicht (22).

Eine weitere aktuelle Studie, der die Definitionen der IPSCC 2005 zugrunde liegt, stammt aus China und wurde im Jahre 2012 veröffentlicht. In dem von den Autoren beschriebenen Kollektiv lag die Inzidenz der Sepsis bei kritisch kranken Kindern bei 38,9 % und die Mortalität bei 11,3 % (51).

Wirklich verlässliche Daten auf Basis größerer Erhebungen zur Häufigkeit und zum Outcome von SIRS und Sepsis liegen bislang nur aus Erwachsenenstudien vor (52). Das Auftreten von SIRS bei Erwachsenen prädisponiert die Patienten ein Organversagen zu entwickeln und bestimmt damit auch das klinische Outcome (3). Dulhunty et al. konnten in einer multizentrischen Studie mit 3500 Intensivpatienten (interdisziplinäre, chirurgische und internistische Patienten)

(14)

13 zeigen, dasssich Mortalität und Morbidität bei schwerem SIRS nicht von schwerer Sepsis unterscheiden (53). Napolitano und Kollegen konnten bei kritisch kranken Traumapatienten demonstrieren, dass, wenn ein SIRS schon bei Aufnahme vorlag, sich dieses signifikant auf die Mortalität und die Aufenthaltsdauer auswirkt (54). In dieser Studie zeigte sich, dass je mehr SIRS-Kriterien bei einem Patienten erfüllt waren, desto höher die Wahrscheinlichkeit war, ein akutes Respiratorisches Distress-Syndroms (ARDS), akutes Nierenversagen (ANV) oder eine disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC - Disseminated Intravascular Coagulation) zu entwickeln. Die Mortalität zeigte sich ebenfalls signifikant erhöht (54).

2. Zielsetzung dieser Arbeit

Kurze Zeit vor der Erhebung der Daten dieser Arbeit wurden die Sepsiskriterien für Kinder in einer Konsensuskonferenz eingehend überarbeitet (15). Studien zu SIRS und Sepsis im Kindesalter, die in Deutschland nach den neuen Kriterien der IPSCC 2005 durchgeführt wurden, fehlen bislang. Somit liegen keine verlässlichen Daten zur Häufigkeit, Verlauf und Relevanz von SIRS und schwerem SIRS in der Pädiatrie vor, die sich auf die revidierten Kriterien stützen.

Die pädiatrische Intensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover behandelt Patienten aus ganz Deutschland. Schwerpunktmäßig werden Kinder mit angeborenen Herzfehlern, Organversagen, Transplantationen sowie Polytrauma als auch Patienten aller chirurgischen Disziplinen versorgt. Durch die Anzahl von über 1000 Patienten pro Jahr und das breite Spektrum von unterschiedlichen Krankheitsentitäten ermöglicht die Erhebung eine repräsentative Aussage über die aktuellen SIRS- und Sepsisinzidenzen auf einer pädiatrischen Intensivstation.

Im Rahmen der Studie wurde der Intensivverlauf von 406 pädiatrischen Patienten prospektiv dokumentiert, retrospektiv validiert und ausgewertet.

Erhoben und bestimmt wurden neben dem etablierten Pediatric Index of Mortality Score (PIM2) klinische und epidemiologische Daten, klinische Verlaufsparameter und Laborparameter. Mit Hilfe dieser Daten wurden die Patienten nach den Kriterien der IPSCC auf das Vorliegen eines SIRS und dessen Schweregrad geprüft und kategorisiert. Prognostische Bedeutungen des

(15)

14 SIRS für den Krankheitsverlauf wurden im Anschluss untersucht. Zielsetzung war es, Erkenntnisse über die Häufigkeit, Relevanz und mögliche Folgen von SIRS und Sepsis nach den neuen Kriterien der IPSCC von 2005 (15) bei pädiatrischen Intensivpatienten erstmalig zu beschreiben.

3. Material und Methodik

3.1. Datenerhebung

An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nahmen vom 01.02.2005 bis zum 30.09.2008 807 Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren an der Studie mit dem Titel „Prospektiv randomisierte Studie zur Wirksamkeit von In-line Filtration bei kritisch kranken Kindern“ teil. Die Studie wurde von der klinischen Ethikkommission der Medizinischen Hochschule genehmigt und das Studienprotokoll in ClinicalTrials.gov veröffentlicht (ClinicalTrials.gov number:

NCT00209768). Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 0-18 Jahren nach Aufklärung und schriftlicher Einwilligung der Eltern, unabhängig von ihrer Grunderkrankung, wenn sie für mindestens 6 Stunden auf der Station aufgenommen wurden. Im Rahmen der Studie wurden Patienten hinsichtlich der Verwendung von Infusionsfiltern randomisiert. Die Patienten der Kontrollgruppe wurden ohne die Verwendung von Filtern behandelt, unterzogen sich aber den identischen standardisierten Behandlungen und Untersuchungen wie die Interventionsgruppe.

Diese Arbeit basiert auf den erhobenen und validierten Daten der 406 Patienten der Kontrollgruppe, die im Rahmen dieser Arbeit erweitert und vervollständigt wurden, um die Grundlage für diese Doktorarbeit zu ermöglichen.

Die Daten zur Demografie und zum intensivmedizinischen Verlauf wurden prospektiv erhoben. Die Auswertung und Validierung der Daten zur Anamnese, zur Grunderkrankung und deren Verlauf erfolgte retrospektiv mithilfe des MHH- internen Datenverwaltungsprogramms ALIDA (Arzt und Leistungsstellen unterstützendes Informationssystem der digitalen Dokumenten-Archivierung) sowie manueller Aktenauswertung.

(16)

15 3.2. Patientenkollektiv

Um eine Verfälschung der Daten zu vermeiden, wurden alle Patienten, deren Aufenthaltsdauer weniger als 6 Stunden betrug, nicht ausgewertet. Diese Patienten werden meist nur aufgrund von kleinen Eingriffen wie Anlage eines zentralvenösen Katheters, Durchführung einer Bronchoskopie oder Pleuradrainagenanlage u. a. auf Station aufgenommen und weisen damit in der Regel keine intensivmedizinisch zu versorgende Erkrankungsschwere auf.

3.2.1. Patientencharakteristika

230 Patienten (56,7 %) waren männlich, 176 Patienten (43,3 %) waren weiblich.

Das durchschnittliche Alter betrug 5,58 Jahre mit einer Standardabweichung von 5,59 Jahren. Das Gewicht betrug im Durchschnitt 21,8 kg mit einer Standardabweichung von 20,1 kg. Der Pediatric Index of Mortality II (PIM2) lag im Durchschnitt bei 4,15 (mit einer Standardabweichung von 8,76). Eine Übersicht über die epidemiologischen und klinischen Charakteristika des untersuchten Kollektivs sind in der nachfolgenden Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Patientencharakteristika des Gesamtkollektivs (absolut & prozentual)

Parameter Anzahl

Männlich 230

Weiblich 176

Altersdurchschnitt 5,58± 5,59 Jahre

Durchschnittsgewicht 21,8± 20,1 kg

Pediatric Index of Mortality ll (PIM2) 4,15± 8,76 Grunderkrankungen

Kardiologie/Kardiochirurgie 150 (36,9 %)

Hämato/Onkologie 24 (5,9 %)

Nephrologie 18 (4,4 %)

Gastroenterologie 37 (9,1 %)

Pulmonologie 21 (5,2 %)

Kinderchirurgie 59 (14,5 %)

Unfallchirurgie 34 (8,4 %)

Neurochirurgie 26 (6,4 %)

Andere 37 (9,1 %)

(17)

16 Die Grunderkrankungen waren in absteigender Häufigkeit (siehe Abbildung 1) kardiologisch/kardiochirurgisch (150 von 406 Patienten, 36,9 %), kinderchirurgisch (59 von 406 Patienten, 14,5 %), gastroenterologisch (einschließlich Patienten nach Lebertransplantation, 37 von 406 Patienten, 9,1 %) unbestimmte Erkrankungen wie etwa Stoffwechselkrankheiten (37 von 406 Patienten, 9,1 %), traumatologisch (34 von 406 Patienten, 8,4 %), neurochirurgisch (26 von 406 Patienten, 6,4 %), hämato-/onkologisch (24 von 406 Patienten, 5,9 %), pulmonologisch (einschließlich Patienten nach Lungentransplantationen, 21 von 406 Patienten, 5,2 %) und nephrologisch (einschließlich Patienten nach Nierentransplantation, 18 von 406 Patienten, 4,4 %).

Abbildung 1: Verteilung der Grunderkrankungen (prozentual)

3.3. Aufteilung der Patienten in verschiedene Altersgruppen

In der Bewertung klinischer und laborchemischer Parameter spielt das Alter eine erhebliche Rolle. Die Patienten wurden deshalb gemäß entsprechender Kriterien der Internationalen Pädiatrischen Sepsis Konsensus Konferenz in 6 Altersgruppen unterteilt (siehe Tabelle 6).

36,9%

14,5%

9,1% 9,1% 8,4%

6,4% 5,9% 5,2% 4,4%

0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

30,0%

35,0%

40,0%

Patienten

(18)

17 Tabelle 2: Aufteilung der Patienten in sechs Altersgruppen

Altersgruppe Alter

Neugeborene I 0 Tage bis 1. Lebenswoche

Neugeborene II 1. Woche bis 1. Lebensmonat

Säuglinge 1. Monat bis 1. Lebensjahr

Krabbler/Vorschulkinder 2.-5. Lebensjahr

Schulkinder 6.-12. Lebensjahr

Jugendliche/junge Erwachsene 13. bis < 18. Lebensjahr

3.3.1 Altersgruppenspezifische Grenzwerte für Vital- und Laborparameter In der folgenden Tabelle 3 werden die oberen und unteren Grenzwerte für die Vitalparameter (entsprechend der 5. und 95. Perzentile) sowie die Grenzwerte der Laborparameter für die jeweiligen Altersgruppen dargestellt.

Tabelle 3: Altersspezifische Grenzwerte für Vital- und Laborparameter (n. a. - nicht angegeben)

Altersgruppe Tachykardie (Schläge/min)

Bradykardie (Schläge/min)

Tachypnoe (Züge/min)

Leukzytose/- penie (x 103/mm)

Hypotonie RR sys (mmHg)

0 Tage bis

1 Woche > 180 < 100 > 50 > 34 < 65

1 Woche bis

1 Monat > 180 < 100 > 40 > 19,5 oder < 5 < 75

1 Monat bis

1 Jahr > 180 < 90 > 34 > 17,5 oder < 5 < 100

2-5 Jahre > 140 n. a. > 22 > 15,5 oder < 6 < 94

6-12 Jahre > 130 n. a. > 18 > 13,5 oder < 4,5 < 105

13 bis

< 18 Jahre > 110 n. a. > 14 > 11 oder < 4,5 < 117

(19)

18 3.4. Normwerte für Gerinnung und klinische Chemie

Quick (Prothrombinzeit): 70-120 %

International Normalized Ratio (INR): 1,25-0,9 Kreatinin: 59-104 μmol/l (m), 45-84 μmol/l (w) Harnstoff: 3,3-6,7 mmol/l

Bilirubin (gesamt): < 17 μmol/l, nicht anwendbar für Neugeborene

3.5. Definitionen von Inflammationssyndromen

Die Definitionen der Inflammationssyndrome bei Kindern basieren in dieser Arbeit auf den Kriterien der Internationalen Pädiatrischen Sepsis Konsensus Konferenz von 2005 (15).

Laut der Konsensus-Konferenz werden die Inflammationssyndrome in folgende Kategorien unterteilt:

1) Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) 2) Sepsis

3) schweres SIRS/schwere Sepsis 4) Schock/septischer Schock

3.5.1. Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS)

SIRS liegt vor, wenn zwei der folgenden vier Kriterien erfüllt sind, wobei eines der Kriterien die veränderte Körperkerntemperatur oder die Leukozytenzahl sein muss:

 eine Körperkerntemperatur von mehr als 38,5 °C oder unter 36 °C;

 eine Tachykardie, definiert als eine durchschnittliche Herzfrequenz mit zwei Standardabweichungen (SD) über dem altersentsprechenden Normwert in Abwesenheit externer Stimuli, medikamentös induzierter Tachykardie, schmerzhafter Stimuli oder einer anderen unerklärten dauerhaften Erhöhung der Herzfrequenz über eine Zeitspanne von 0,5 bis 4 Stunden; ODER bei Kindern im ersten Lebensjahr: eine Bradykardie, definiert als eine mittlere Herzfrequenz unter der 10. altersentsprechenden Perzentile in Abwesenheit von externen Vagusreizen, Beta-Blocker- Therapie, kongenitalen Herzfehlern oder anderen unerklärten, über eine halbe Stunde andauernden Depressionen der Herzfrequenz;

(20)

19

 eine mittlere Atemfrequenz, die zwei Standardabweichungen über der altersentsprechenden Norm liegt, oder eine mechanische Beatmung, die nicht Therapie einer zugrundeliegenden neuromuskulären Erkrankung oder Teil einer Vollnarkose ist;

 eine Leukozytenzahl, die im Vergleich zur Altersnorm erhöht oder zu niedrig ist (nicht sekundär durch Chemotherapie induzierte Leukopenie) (15).

3.5.2. Definition einer Infektion

In dieser Studie geht man von einer durch ein Pathogen verursachten Infektion aus, wenn diese nachgewiesen (durch positive Blutkultur, Immunhistochemie, oder PCR-Test (Polymerase Chain Reaction), ODER aufgrund eines klinischen Symptoms, das mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit einer Infektion in Verbindung steht, vermutet wird. Der Nachweis einer Infektion beinhaltet positive klinische Befunde, Bildgebung oder Laborbefunde (z.B. Leukozyten in sonst sterilen Körperflüssigkeiten, Organperforationen, Röntgenthorax mit Zeichen einer Pneumonie, Petechien oder Purpura oder Purpura Fulminans).

3.5.3. Definition einer Sepsis

Sepsis ist ein SIRS (siehe 3.5.1.) mit einer vermuteten oder nachgewiesenen Infektion (3.5.2.) oder eine Folge dieser Infektion.

3.5.4. Definition einer schweren Sepsis

Eine schwere Sepsis ist definiert als Sepsis (siehe 3.5.3.) mit zusätzlichem Vorliegen:

 eines Herz-Kreislaufversagens ODER

 eines akuten Respiratorischen Distress-Syndroms (ARDS) ODER

 von zwei oder mehr Organdysfunktionen (Definition der Organdysfunktionen siehe 3.5.5).

3.5.5. Definitionen der Organdysfunktionen nach der IPSCC 2005

Im Rahmen der IPSCC (15) wurden folgende Organdysfunktionen definiert, die kardiovaskuläre, respiratorische, neurologische, hämatologische und renale Dysfunktionen umfassen:

(21)

20 A Kardiovaskuläre Dysfunktion

Eine kardiovaskuläre Dysfunktion ist definiert als - nach Verabreichung eines intravenösen Flüssigkeitsbolus von größer gleich 40 ml/kg Körpergewicht isotoner Flüssigkeit in einer Stunde - weiter bestehende:

 arterielle Hypotension mit einem Blutdruck unterhalb der 5.

altersentsprechenden Perzentile oder einem systolischen Blutdruck niedriger als die zweifache Standardabweichung der Altersnorm oder

 Notwendigkeit einer Katecholamintherapie, um den Blutdruck im Normalbereich zu halten. Für die Katecholamintherapie gilt der Einsatz der Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin oder Dobutamin in jeglicher Dosierung, bei dem Einsatz von Dopamin gilt eine Dosis von mehr als 5 μg/kg Körpergewicht/min oder

 folgende Symptomatik, bei der zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:

- eine metabolische Azidose mit einem Basen Exzess kleiner -5 mmol/l, die nicht durch andere Ursachen erklärbar ist

- ein erhöhtes arterielles Laktat zweifach größer als die Norm (>3,6 mmol/l)

- Auftreten einer Oligurie mit einer Diurese unter 0,5 ml/kg Körpergewicht pro Stunde für mindestens 6 Stunden

- eine Verlängerung der Rekapillarisierungszeit auf mehr als 5 Sekunden - eine Differenz zwischen der Körperkerntemperatur und der peripher

gemessener Körperkerntemperatur von mehr als 3 °C.

B Respiratorische Dysfunktion

Für die Definition der respiratorischen Dysfunktion ist die Kenntnis des Oxygenierungsindexes (OI) notwendig, er wird wie folgt berechnet (55)

OI =

Eine respiratorische Dysfunktion besteht bei:

 einem OI unter 300 in Abwesenheit eines zyanotischen Herzfehlers oder einer bestehenden Lungenerkrankung oder

 einem arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2) über 65 mmHg oder

(22)

21

 einem Anstieg des PaCO2 um 20 mmHg über dem Ausgangswert,

 einem nachweislichen Sauerstoffbedarf mit einem FiO2 von 50 %, um eine Sauerstoffsättigung von größer gleich 92 % aufrecht zu erhalten oder

 der Notwendigkeit einer invasiven oder nicht-invasiven maschinellen Beatmung.

Ein Akutes Respiratorisches Distress-Syndrom (ARDS) besteht bei:

 einem OI kleiner gleich 200 und

 akutem Beginn der Symptomatik und

 gleichzeitig bestehendem Nachweis von bilateralen Infiltraten im Röntgen-Thorax und

 einem pulmonalkapillären Verschlussdruck unter 18 mmHg (oder keinen klinischen Zeichen der Linksherzdekompensation).

C Neurologische Dysfunktion

Als Grundlage dient die Pädiatrische Glasgow-Koma-Skala (GCS, aus dem angloamerikanischen Sprachgebrauch, Glasgow Coma Scale) (56) (siehe Tabelle 4)

Eine neurologische Dysfunktion besteht bei einem pGCS kleiner als elf Punkte oder einer akuten Veränderung des mentalen Status mit einem Abfall des pGCS um mehr als drei Punkte.

Tabelle 4: Pädiatrischer Glasgow-Koma-Skale (pGCS) Augen öffnen

Punkte 0 - 1 Jahr > 1 Jahr

4 spontan spontan

3 auf lautes Zurufen auf Aufforderung

2 auf Schmerzreiz auf Schmerzreiz

1 keine Reaktion keine Reaktion

Fortsetzung Tabelle 4: Pädiatrischer Glasgow-Koma-Skale (pGCS) s. S. 22

(23)

22 Beste verbale Antwort

Punkte 0 - 2 Jahre 2 - 5 Jahre > 5 Jahre

5 Altersentsprechende

Worte, Laute, Plappern spricht orientiert spricht orientiert, kommuniziert 4 Weinen, lässt

sich trösten verwirrt verwirrt

3 anhaltendes Weinen auf

Schmerzreiz inadäquate Worte

auf Schmerzreiz inadäquate Worte auf Schmerzreiz

2 Jammern, Stöhnen auf Schmerzreiz

Jammern, Stöhnen auf Schmerzreiz

Jammern, Stöhnen auf Schmerzreiz

1 keine Reaktion keine Reaktion keine Reaktion

Beste motorische Antwort

Punkte 0 - 1 Jahre > 1 Jahr

6 spontan befolgt Aufforderung

5 lokalisiert Stimulus lokalisiert Stimulus 4 Zurückziehen auf

Schmerzen Zurückziehen auf

Schmerzen 3 Abnorme Flexionshaltung Abnorme

Flexionshaltung

2 Abnorme

Extensionshaltung Abnorme

Extensionshaltung

1 keine Bewegung keine Bewegung

D Hämatologische Dysfunktion

Eine hämatologische Dysfunktion besteht bei:

 einer Thrombozytenzahl unter 80.000/μl oder

 einem Abfall der Thrombozytenzahl von 50 % des höchsten Wertes, der über die letzten drei Tage gemessen wurde (für chronisch hämatologisch- onkologisch kranke Patienten) oder

 einer International Normalized Ratio (INR) größer als 2.

E Renale Dysfunktion

Eine renale Dysfunktion besteht bei:

 einem Anstieg des Serum-Kreatinins auf mehr als das Zweifache der oberen altersentsprechenden Norm oder

 einer Erhöhung des Kreatinins auf das Zweifache des Vorwertes.

(24)

23 3.5.6. Verwendete Organversagenskriterien nach internationalen

Definitionen

Definition des Organversagens:

A Akutes Lungenversagen (57):

 Bilaterale Infiltrate im Röntgenbild der Lunge (im A. p.-Strahlengang)

 Pulmonal-arterieller Verschlussdruck kleiner 18 mmHg (nicht obligatorisch) oder

 keine klinischen Hinweise auf eine Hypertension im linken Vorhof (z.B.

stauungsbedingtes Lungenödem)

 Oxigenierungsindex von PaO2 (Sauerstoffpartialdruck) / FiO2 (InspiratorischeSauerstoff-Fraktion) < 200 mmHg

B Akutes Nierenversagen (pRIFLE-Kriterien - pediatric Risk, Injury, Failure, Loss, End stage renal disease) (58):

 Oligurie mit stündlicher Urinproduktion < 0,5 ml/kg KG über 24 Stunden oder Anurie über 24 Stunden (nach adaptierten RIFLE-Kriterien)

 Abfall der geschätzten Kreatinin-Clearance auf weniger als 75 % des Ausgangswertes oder unter 35ml/min/1,73m²

C Akutes Leberversagen (59)

Ein akutes Leberversagen liegt vor bei akut aufgetretener Leberinsuffizienz mit Ikterus und Gerinnungsstörung und/oder einer Bewusstseinsstörung bei hepatischer Enzephalopathie (INR > 2 ohne Encephalopathie; INR > 1.5 mit Encephalopathie).

D Akute Kreislaufinsuffizienz (62)

Ein akutes Kreislaufversagen wird definiert als Notwendigkeit jeglichen Einsatzes vasoaktiver oder herzkraftstützender Substanzen zur Aufrechterhaltung des arteriellen Blutdruckes über der 5. Perzentile des altersentsprechenden Normbereiches und eines ausreichenden Herzzeitvolumens.

(25)

24 3.6. Pediatric Index of Mortality II (PIM2)

Der PIM2 Score ist ein gut evaluiertes und bewährtes klinisches Scoring System zur prognostischen Abschätzung des Mortalitätsrisikos während des Intensivaufenthaltes (60). Er wird anhand von Informationen berechnet, die bei Aufnahme eines Kindes auf einer pädiatrischen Intensivstation erhoben werden, und beschreibt, wie das Ausmaß der klinischen Gefährdung zum Zeitpunkt der Aufnahme war. Dabei werden die beim ersten direkten Patientenkontakt erhobenen Informationen ausgewertet.

Verwendet werden die Messwerte vom Zeitpunkt des Erstkontakts bis maximal einer Stunde nach Aufnahme des Kindes auf der Intensivstation.

Der PIM2 score besteht aus folgenden 10 Variablen (61), die mit einer 1 bei

„Ja“ und mit einer 0 bei „Nein“ codiert werden:

1. Systolischer Blutdruck, mmHG (wenn unbekannt = 120) (bei Herzstillstand = 0;

bei nichtmessbarem Druck (bei Schockpatienten) = 30);

2. Lichtreaktion der Pupillen (> 3 mm und bds. fixiert = 1, andere oder unbekannt

= 0) (Hier als Index der Gehirnfunktion; ausgeschlossen sind abnorme Pupillenreaktionen durch Medikamente, Gifte oder lokale Augenverletzungen);

3. PaO2, mmHg (unbekannt = 0), FIO2 zur Zeit des PaO2 (Sauerstoffpartialdruck), bei Sauerstoffinsufflation über Tubus oder über Headbox (unbekannt = 0);

4. Base Excess arteriell gemessen oder aus Kapillarblut, mmol/l (unbekannt = 0);

5. künstliche Beatmung während der ersten Stunde der Aufnahme auf der Intensivstation, nein = 0, ja = 1, (eingeschlossen werden Nasenbeatmung oder nasales CPAP (Continuous positive airway pressure) oder BiPAP (Biphasic positive airway pressure) oder Unterdruckbeatmung);

6. elektive Aufnahme auf Intensivstation (nein = 0, ja = 1) (eingeschlossen werden Aufnahmen nach elektiven Operationen oder Aufnahmen zu elektiven Maßnahmen, z. B. Anlage eines zentralen Venenkatheters);

7. Erholung in der postoperativen Phase oder nach anderen Behandlungen, die Haupteinweisungsgrund auf die Intensivstation sind;

8. Aufnahme zur/nach Herz-Bypass-OP (nein = 0, ja = 1) (dieses Kriterium des Patienten kann auch in postoperative Erholung kodiert werden)

9. Hochrisikodiagnose: codiert werden folgende Nummern (falls nicht eindeutig zuzuordnen = 0):

(26)

25 a. der Aufnahme auf der Intensivstation vorangegangener Herzstillstand (eingeschlossen sind im Krankenhaus und außerhalb des Krankenhauses erfolgte Herzstillstände, bei denen Pulslosigkeit dokumentiert wurde oder die Notwendigkeit einer Herzdruckmassage notwendig war; nicht eingeschlossen werden weiter zurückliegende Herzstillstände);

b. schwerer kombinierter Immundefekt (SCID);

c. Leukämie oder Lymphom nach Induktionstherapie;

d. spontane zerebrale Blutungen (z.B. Aneurysma oder AV-Malformation (arteriovenöse)), nicht eingeschlossen sind traumatische zerebrale oder intrakranielle Blutungen, die nicht intrazerebral sind (z.B. subdurale Blutungen);

e. Kardiomyopathie oder Myokarditis;

f. Linksherzhypoplasie (bei Patienten in jeglichem Alter, einbezogen wurden jedoch nur Fälle, die als Neugeborene eine Norwood-Operation o. ä. als lebenserhaltende Maßnahme bereits erhalten haben oder noch benötigen);

g. HIV-Infektion (Humanes Immundefizienz-Virus);

h. Leberversagen (akut oder chronisch) als Haupteinweisungsgrund auf die Intensivstation (eingeschlossen werden Patienten, die zur Nachbehandlung nach einer Lebertransplantation bei akutem oder chronischen Leberversagen aufgenommen werden);

i. neurodegenerative Erkrankung (setzt eine Anamnese eines fortgeschrittenen Verlustes wichtiger grundlegender Funktionen voraus oder eine Diagnose, bei der dieser Verlust zwangsläufig auftreten wird).

10. Niedrigrisikodiagnosen (falls nicht eindeutig =0):

a. Asthma als Haupteinweisungsgrund auf die Intensivstation;

b. Bronchiolitis als Haupteinweisungsgrund auf die Intensivstation, (eingeschlossen werden Kinder mit Atemnot oder mit zentraler Apnoe bei chronischer Bronchiolitis);

c. Diabetische Ketoazidose als Haupteinweisungsgrund auf die Intensivstation.

(27)

26 3.7. Datenerfassung

Der Zeitraum der Datenerfassung erstreckte sich vom 01.02.2005 bis zum 30.09.2008. Die Daten wurden den Akten bzw. den klinikinternen Patienten- dokumentationssystem ALIDA entnommen und in einer Accessdatenbank (Access 2003; Microsoft Corp.) übernommen. Die standardisierte Datenerfassung erfolgte über eine Eingabe in zwei Formularmasken. Eine Maske beinhaltete die Felder zur Eingabe der demografischen Daten, Daten der Grunderkrankung und möglicher Voroperationen (siehe 3.7.1). Eine zweite Maske die Felder zur Eingabe der gesamten Intensivverlaufsdaten (siehe 3.7.2).

In dieser Intensivmaske wurden alle Daten über den Aufenthalt auf der Intensivstation erfasst, indem hier ein Datenblatt pro Intensivtag in einer hinterlegten Tabelle erzeugt wurde. Für die Nachuntersuchung der Patienten wurden Daten in einer Excel-Datenbank erfasst (Excel 2003; Microsoft Corp.), die Daten ergänzt und später in SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) transferiert. Im Rahmen der Datenerfassung wurden die klinischen Parameter sowie laborchemische Daten der Patienten erhoben.

3.7.1. Demografische Daten der Patienten

Für die Patienten wurden folgende demographische Daten erhoben:

 Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht

 Begleiterkrankungen des Patienten

 Voroperationen

 Krankenhausverweildauer in Tagen, hierunter fiel die gesamte Verweildauer des Patienten, die er in der Klinik verbracht hat

 Verweildauer auf der Intensivstation in Minuten vom Zeitpunkt des Eintreffens auf der Intensivstation; haben sich Patienten bereits zu einem vorherigen Zeitpunkt auf der Intensivstation aufgehalten, wurde dieser Aufenthalt als separater Fall gewertet.

 Beatmungsdauer in Minuten vom Zeitpunkt des Eintreffens auf der Station; bei bereits bestehender Beatmung z.B. im OP oder in einem anderen Krankenhaus wurden diese Zeiten nicht berücksichtigt.

Die Daten wurden kontinuierlich und prospektiv während des gesamten Zeitraumes auf der Intensivstation erhoben. Ein Intensivtag wurde hierbei von 12 Uhr bis 11.59 Uhr definiert.

(28)

27 3.7.2. Klinische Verlaufsdaten

Folgende klinische Verlaufsdaten wurden an jedem Intensivtag erhoben:

Hämodynamische Parameter:

 Herzfrequenz (HF), Zentraler Venendruck (ZVD), Blutdruck

 Katecholamin-Bedarf in Form von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Dobutamin, Milrinon (kreislaufunterstützendes Medikament aus der Gruppe der Phosphodiesteraseinhibitoren, kein Katecholamin)

 Körperkerntemperatur in Grad Celsius gemessen oral, rektal oder intravesikal

Laborparameter:

 Entzündungsparameter mit C-reaktivem-Protein (CRP), Procalcitonin und Interleukin-6 (Il-6); jeweils höchster Wert des Tages

 Kreatinin, Harnstoff, GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase), GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase), GLDH(Glutamatdehydrogenase), Bilirubin, Gamma-GT (γ-Glutamyltransferase), AP (Alkalische

Phosphatase), Ammoniak, Lipase, Blutbild mit Hämoglobin (Hb), Leukozyten, Tz (Thrombozyten) und Gerinnung mit Quick, INR (International Normalized Ratio), PTT (Partial Thromboplastin Time), Fibrinogen, AT (Antithrombin), D-Dimere, Faktor II und V; jeweils pathologischster Wert im Tagesverlauf

Andere erhobene Parameter:

 Diurese in ml/kg/h, bei einer Oligurie von 0,5 - 1 ml/kg/h mit Angabe über den bestehenden Zeitraum der Oligurie in Stunden, bei Anurie mit

Notwendigkeit einer Dialyse wurde auch diese erfasst

 Transfusionsbedarf in Form von Erythrozytenkonzentraten, Frischplasmakonserven, Thrombozytenkonzentraten, Gerinnungsprodukten (Antithrombin III und andere Gerinnungsfaktorenkonzentrate)

 Art der Immunsuppression

 Antibiotikatherapie mit Unterteilung in unterschiedliche Antibiotikaklassen

 Erregernachweis durch mikrobiologischen oder virologischen Befund

 Anzahl der peripheren und zentralen Venenkatheter

 höchste Beatmungsparameter mit Beatmungsform, Beatmungsfrequenz,

(29)

28 höchster Spitzendruck, höchster mittlerer Beatmungsdruck, höchster endexspiratorischer Druck im Tagesverlauf

 niedrigstes, aber repräsentatives Tidalvolumen, Atemminutenvolumen, Sauerstoffbedarf, daraus errechneter schlechtester Oxygenierungsindex im Tagesverlauf

 auffälligste, aber repräsentative Blutgasanalyse in 24 Stunden inklusive Laktat und zentralvenöser Sättigung (ZVS), wenn vorhanden.

3.7.3. Statistische Auswertung

Alle statistischen Berechnungen wurden im Rahmen einer umfassenden Beratung durch die Abteilung Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt. Die Berechnungen erfolgten im Institut für Biometrie durch Herrn PD Dr. Ludwig Hoy, der auch beratend die Interpretation der Daten begleitet hat.

Erkrankungsraten bzw. Sterberaten wurden anhand folgender Formeln berechnet:

Anzahl SIRS-Patienten im Intensivverlauf

___________________________________ x 100 = Häufigkeit SIRS im Intensivverlauf Anzahl der gesamten Patienten

Anzahl schwere SIRS-Patienten im Intensivverlauf

_________________________________________ x 100 = Häufigkeit schweres SIRS im Intensivverlauf Anzahl der gesamten Patienten

Anzahl Sepsis Patienten im Intensivverlauf

____________________________________ x 100 = Häufigkeit Sepsis im Intensivverlauf Anzahl der gesamten Patienten

Anzahl schwere Sepsis-Patienten

______________________________ x 100 = Häufigkeit schwere Sepsis im Intensivverlauf Anzahl der gesamten Patienten

Anzahl SIRS-Patienten bei Intensivaufnahme

______________________________________ x 100 = Häufigkeit SIRS bei Intensivaufnahme Anzahl der gesamten Patienten bei Aufnahme

Anzahl schwerer SIRS-Patienten bei Intensivaufnahme

_____________________________________________ x 100 = Häufigkeit schweres SIRS bei Intensivaufnahme Anzahl der gesamten Patienten bei Aufnahme

Anzahl Sepsis-Patienten bei Intensivaufnahme

______________________________________ x 100 = Häufigkeit Sepsis bei Intensivaufnahme Anzahl der gesamten Patienten bei Aufnahme

Anzahl schwere Sepsis-Patienten bei Intensivaufnahme

_____________________________________________ x 100 = Häufigkeit schwere Sepsis bei Intensivaufnahme Anzahl der gesamten Patienten bei Aufnahme

Anzahl Verstorbener SIRS Patienten

______________________________ x 100 = Mortalität Anzahl gesamte Todesfälle

(30)

29 Die Datenerfassung erfolgte in dem Computerprogramm Access 2003 (Microsoft Corp.) und für die Verlaufsdaten in Excel 2002 (Microsoft Corp.).

Die statistische Auswertung der in Excel exportierten Daten erfolgte mittels des Programms SPSS 17 (Statistical Package for the Social Sciences Inc.).

Zunächst wurde eine univariante Risikofaktorenanalyse mit unterschiedlichen Variablen und deren Einfluss auf das Auftreten von SIRS, Sepsis, schweres SIRS, schwerer Sepsis und den oben genannten Organdysfunktionen untersucht. Alle Merkmale wurden anhand von absoluten und relativen Häufigkeiten in Tabellen beschrieben und jeweils für die beiden Ausprägungen

„ja“ und „nein“ der Einflussgröße mittels Chi- Quadrat-Test verglichen.

Ein signifikanter Unterschied zwischen zwei Merkmalen wurde angenommen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 5 % war (p < 0,05).

Anschließend wurden alle Patienten in Abhängigkeit vom Vorhandensein eines Inflammationssyndroms in zwei Gruppen eingeteilt (Patientengruppe mit Inflammationssyndrom versus ohne).

Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich klinischer Parameter wie Beatmungsdauer, Verweildauer im Krankenhaus, Verweildauer auf der

Intensivstation und Mortalität wurden mittels Kaplan-Meier-Methode und log- Rank Test untersucht. In den Überlebensanalysen wurden Patienten, die verstorben waren oder von Station entlassen wurden, zensiert zum Zeitpunkt des Events. Im Falle von statistisch signifikanten Ergebnissen wurden die Signifikanzniveaus der Datensätze an das „Baseline-Risiko“ adjustiert. Hierfür wurde der PIM2 score als Maß für die Erkrankungsschwere bei Aufnahme herangezogen. Methodisch erfolgte diese Adjustierung mittels Cox-Regression und Omnibus-Test für Model Coefficients und der Betrachtung und Interpretation des logistischen likelihood ratios und des resultierenden kovarianten Signifikanzniveaus.

Weitere mögliche Confounder wurden hinsichtlich deren Einflusses auf die definierten Outcomekriterien (Mortalität, Intensivliegedauer, Beatmungsdauer und Krankenhausverweildauer) nicht separat betrachtet.

(31)

30

4. Ergebnisse

4.1. SIRS und schweres SIRS Im Verlauf des Intensivaufenthaltes

Nachfolgend werden die Häufigkeiten des SIRS und schweren SIRS im Verlauf des Aufenthaltes auf der Intensivstation dargestellt.

4.1.1. SIRS im Verlauf

Die Abbildung 2 zeigt die Anzahl der im Verlauf des Aufenthaltes aufgetretenen SIRS-Fälle. Um eine Verfälschung der Daten zu vermeiden, wurden alle Patienten, deren Aufenthaltsdauer weniger als 6 Stunden betrug, nicht mit eingeschlossen. Diese Patienten weisen in der Regel keine grunderkrankungsbedingte Indikation für eine intensivmedizinische Aufnahme auf (s. 3.2.). Die Inzidenz für SIRS betrug 123 von 406 Patienten, somit 30,3 %.

Abbildung 2: SIRS-Häufigkeit im Intensivstationsverlauf (absolut und prozentual); hier ist zu beachten, dass sich die 123 Fälle aus SIRS und schwerem SIRS zusammensetzen

4.1.1.1. SIRS-Häufigkeit nach vorliegendem Geschlecht

30,4 % der männlichen und 30,1 % der weiblichen Patienten zeigten ein SIRS im Verlauf. Damit ergibt sich aus den vorliegenden Daten dieses Kollektivs kein Hinweis auf eine geschlechterspezifische Neigung für die Entwicklung eines SIRS im Intensivverlauf.

123

283

SIRS-Häufigkeit im Intensivstationsverlauf

SIRS n=123 (30,3 %)

kein SIRS n=283 (69,7 %)

(32)

31 4.1.1.2 SIRS-Verteilung auf die Altersgruppen

In der statistischen Auswertung dieser Daten der altersgruppenspezifischen Verteilung zeigte sich in dem untersuchten Patientenkollektiv keine Altersgruppe in der SIRS signifikant häufiger oder seltener auftrat. Die niedrigste Rate zeigte sich bei den neonatologischen Patienten mit 23,4 %, die höchste bei den Grundschulkindern (1-5 Jahre) mit 36,3 %.

Tabelle 5: SIRS-Verteilung auf die Altersgruppen (absolut und prozentual)

Altersgruppe Patienten-

anzahl SIRS-Fälle Anteil SIRS in der Altersgruppe ( %)*

Anteil an allen SIRS-Fällen ( %)

< 1 Monat 47 11 23,4 8,9

1 - 12 Monate 89 25 28,1 20,3

1 - 5 Jahre 91 33 36,3 26,8

6 - 12 Jahre 101 26 25,7 21,1

13 - 18 Jahre 78 28 35,9 22,8

Summe 406 123 30,3 100

* keine statistisch signifikanten Unterschiede nachweisbar

4.1.1.3 SIRS-Häufigkeit im Verlauf in Abhängigkeit vorausgegangener Operationen

Die Abbildung 3 zeigt, dass zwischen der Auftretenshäufigkeit eines SIRS im Intensivstationsverlauf bei den postoperativen Patienten (90/294; 30,6 %) im Vergleich zu den Patienten ohne vorausgehenden operativen Eingriff (33/113;

29,2 %) kein signifikanter Unterschied besteht.

(33)

32 Abbildung 3: SIRS-Häufigkeit im Verlauf bei operierten und nicht operierten Patienten im Vergleich (absolut und prozentual)

4.1.2. SIRS-Häufigkeit im Intensivverlauf in den verschiedenen Erkrankungsgruppen

Tabelle 6 zeigt, wie häufig SIRS in den jeweiligen Erkrankungsgruppen auftritt.

Tabelle 6: Verteilung der SIRS-Fälle im Verlauf auf die unterschiedlichen Grunderkrankungsgruppen (absolut und prozentual); eine statistische Auswertung der Erkrankungsgruppen untereinander wurde nicht durchgeführt

Grunderkrankunsgruppe gesamt SIRS %

Unfallchirurgie 34 15 44,1

Pulmonologie 21 9 42,9

Gastroenterologie 37 14 37,8

Hämato/Onkologie 24 9 37,5

Kardiologie 150 55 36,7

Unbestimmt 37 12 32,4

Kinderchirurgie 59 7 11,9

Nephrologie 18 1 5,6

Neurochirurgie 26 1 3,8

29,2%

70,8%

SIRS-Häufigkeit bei nicht operierten

Patienten

SIRS Nicht OP Patienten im Verlauf n=33 Nicht OP Patienten ohne SIRS n= 80 30,6%

69,4%

SIRS Post OP im Verlauf n= 90

Post OP Patienten ohne SIRS n=204

SIRS-Häufigkeit bei operierten Patienten

(34)

33 4.1.3. Schweres SIRS im Intensivverlauf

Von den 123 SIRS-Patienten erfüllten 66 Patienten zusätzlich die Kriterien eines schweren SIRS im Verlauf des Intensivaufenthaltes.

Somit waren 66 von 406 Patienten, entsprechend 16,3 %, an schwerem SIRS im Verlauf des Aufenthaltes erkrankt (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Schweres SIRS im Verlauf des Intensivaufenthaltes (absolut und prozentual)

4.1.4. Verteilung der Patienten mit schwerem SIRS im Intensivverlauf auf die Grunderkrankungsgruppen

Abbildung 5 zeigt die Verteilung der 66 Patienten mit schwerem SIRS auf die verschiedenen Grunderkrankungsgruppen.

Die meisten Patienten mit schwerem SIRS sind in der Gruppe der Patienten mit kardiologischen/kardiochirurgischen Erkrankungen zu finden. 41 von 66 Patienten mit SIRS entwickelten im Verlauf ein schweres SIRS (62,1 %). Der größte Teil der Patienten wurde in der Folge herzchirurgischer Eingriffe, überwiegend mit Einsatz der Herzlungenmaschine, stationär auf die Intensivstation aufgenommen. Um zu verdeutlichen, welche Krankheitsgruppe am häufigsten von einem schweren SIRS betroffen ist, wurde die absolute Zahl an Patienten mit schwerem SIRS im Verhältnis zur gesamten Patientenzahl in der jeweiligen Krankheitsgruppe ermittelt und in Tabelle 7 tabellarisch dargestellt.

123 66

283

Schweres SIRS im Intensivverlauf

schweres SIRS n=66 (16,3%)

SIRS gesamt n=123 (30,3%)

kein SIRS n=283 (69,7 %)

(35)

34 Abbildung 5: Schweren SIRS: Verteilung auf die Grunderkrankungsgruppen

(absolut)

Der höchste Anteil von Patienten mit schwerem SIRS findet sich in der Gruppe der Patienten mit kardiologischer/kardiochirurgischer Grunderkrankung mit einem Anteil von 27,3 % (41 von 150). Am zweithäufigsten trat mit einem Anteil von 20,8 % ein schweres SIRS im Verlauf in der Gruppe der Patienten mit hämato-/onkologischer Grunderkrankung auf (5 von 19).

Tabelle 7: Verteilung der schweren SIRS-Fälle auf die Grunderkrankungsgruppen (absolut und prozentual)

Grunderkrankunsgruppe gesamt Schweres

SIRS %

Kardiologie 150 41 27,3

Hämato/Onkologie 24 5 20,8

Pulmonologie 21 4 19

Unfallchirurgie 34 5 14,7

Gastroenterologie 37 5 13,5

Unbestimmt 37 4 10,8

Neurochirurgie 26 1 3,8

Kinderchirurgie 59 1 1,7

Nephrologie 18 0 0

109

19 29 32

17

33 25

58

18 41

5 5 5 4 4 1 1 0

0 20 40 60 80 100 120

kein schweres SIRS n=321

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