Auswirkungen stoffpolitischer Regelungen auf die Metallindustrie am Beispiel von
Kupferlegierungen
Dr. Stefan Priggemeyer Wieland-Werke AG Abteilung EHS und Normung Metalle und REACH – eine Zwischenbilanz
Dortmund 10. November 2014
Recycling ist bei Metallen seit vielen Jahrzehnten gelebte Praxis
Metalle können beliebig oft ohne Qualitätsverlust recycelt werden
Schrotte sind daher eine wichtige Rohstoffquelle
Treiber für Recycling ist der Wert des daraus hergestellten Materials
Im Laufe der Zeit haben sich gut funktionierende Schrottkreisläufe etabliert
Schrottkreisläufe sind auf die Anforderungen der daraus
hergestellten Werkstoffe abgestimmt
Stoffpolitische Regelungen, die in die Zusammensetzung der Schrotte
eingreifen, gefährden die etablierten Kreisläufe
Metalle und Recycling
Quelle: Metals for Buildings Alliance
Metalle und REACH – eine Zwischenbilanz, Dortmund 10.11.2014 2
Vorschlag Risk Assessment Committee:
Einstufung von Blei:
Vorschlag zur Einstufung als reproduktionstoxisch, Kategorie 1A
H360FD, H362
Spezifische Konzentrationsgrenze (SCL) von 0,03 Gew.-%
Einstufung sowohl für Bleipulver als auch für massives Bleimetall
Einstufung Voraussetzung für weitere stoffliche Regelungen:
Aufnahme in Kandidatenliste
Aufnahme in Anhang XIV
der Einstufungsvorschlag und insbesondere die sehr niedrige SCL für massives Bleimetall betrifft die Metallindustrie massiv:
Produktion von Sekundär-Aluminium und -Aluminiumlegierungen
Produktion und Verwendung von Sekundär-Zink und -Zinkoxid
Batterierecycling
Nebenprodukte bei der Kupfererzeugung (Schlacken)
Verwendung und Recycling von Kupfer und Kupferlegierungen
insb. „Nachgeschaltete Anwender“, wie Halbzeugwerke und Gießereien, betroffen
Aktuelles Beispiel: Einstufungsvorschlag für Blei
Blei ist seit Jahrzehnten funktionaler Legierungsbestandteil in Kupferlegierungen
in Zerspanungswerkstoffen(insb. Zerspanungsmessing)
in Gusswerkstoffen
Blei wirkt als Schmiermittel und Spanbrecher
verbesserte Zerspanbarkeit
höhere Produktivität
energieeffiziente und ressourcenschonende Weiterverarbeitung, weniger CO2-Emissionen
Gussstücke: Abdichtung von Mikroporositäten
erhöhte Funktionssicherheit
seit vielen Jahren Entwicklungsarbeiten zur Reduzierung funktionaler Bleigehalteund zur Entwicklung „bleifreier“
Zerspanungswerkstoffe
für einige Anwendungen möglich
derzeit keine Alternativen für die große Bandbreite der Anwendungen und für die großen Mengenbedarfe
Kupfer und Kupferlegierungen ohne funktionalen Bleigehalt:
Bleiverunreinigungen aufgrund von Recycling und Schrottvermischungen
Blei ist ubiquitär in Stoffkreisläufen von Kupfer und Kupferlegierungen enthalten
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Warum sind Kupferwerkstoffe betroffen?
Quelle: Wieland-Werke AG
CEN-Normen: mehr als 170 Kupferwerkstoffe *
zusätzlich: international genormte Legierungen (z.B. ISO, ASTM, UNS)
zusätzlich: nicht genormte Legierungen
die meisten Cu-Legierungen enthalten Blei
Blei ist in 137 Legierungen genormt
als funktionaler Legierungsbestandteil:
68 Legierungen
Pb-Gehalte zwischen 0,5 und 4 Gew.-%, teilweise höher
als Verunreinigung:
meist Pb 0,1 %, aber auch bis 1%
die wichtigsten Legierungsgruppen:
Zerspanungsmessing (Pb-Gehalt bis zu 3,5 Gew.-%)
Binäres Messing (Pb-Verunreinigungen > 0,03 Gew.-%)
Gusslegierungen, z.B. Rotguss (Pb z.T. über 3 Gew.-%)
80 % der Legierungen haben Pb-Gehalte größer 0,03 Gew.-%
bei einem SCL von 0,03 % müssten diese Legierungen ebenfalls als reprotox. 1A eingestuft werden
Kupferwerkstoffe – ein Überblick
Quelle: Deutsches Kupferinstitut
* Stand 2013
Die Kupferkreislauf
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Mine
Primär- produktion
Sekundär- produktion
Halbzeugwerk / Gießerei
Produktherstellung Nutzungs-
phase Sammeln
und Aufbereiten
komplexe Schrotte verunreinigte Schrotte
qualitativ hochwertige Schrotte
Quelle: Europäisches Kupferinstitut
Direktes Einschmelzen und
Weiterverarbeiten
ca. 1.400 kt/a Kupfer in Legierungen
ca. 32 % des europäischen Kupferbedarfs
im „Urban stock“ ca. 37.000 kt Cu in Legierungen
80 % der Legierungen enthalten Pb in Gehalten größer 0,03 %
die mengenmäßig größte Legierungsgruppe sind Zerspanungsmessinge
Produktionsmenge:
800 – 1.000 kt/a
bis zu 3,5 % Pb
Schrottanteil je nach Legierungen:
70 - 100 %
die Schrottzusammensetzung bestimmt die Zusammensetzung des Produkts
für Halbzeugwerke/Gießereien technisch nicht möglich, Blei oder andere Legierungsbestandteile selektiv aus Schrotten zu entfernen
Volumenströme in Europa
Quelle: Europäisches Kupferinstitut
(Glosser et al., Environ. Sci. Technol. 2013)
Die Angaben beziehen sich auf den Kupferanteil im Werkstoff Bezugsjahr: 2010
Bevorzugter Prozess im Hinblick auf :
• Kosten
• Energieeffizienz
• Ressourceneffizienz
• CO2Emissionen
Einstufung von Blei und insbesondere die SCL haben unmittelbare
Auswirkungen auf die Verwendbarkeit von qualitativ hochwertigen Schrotten
„bleifreie“ Kupferlegierungen werden heute primär über die Anforderungen in der RoHS- und der Altauto-Richtlinie definiert: Pb 0,1 %
künftig wäre für „bleifrei“ Reduzierung von Bleiverunreinigungen auf ≤ 0,03 % erforderlich
erheblicher Substitutionsdruck auf
Werkstoffe mit funktionalen Bleigehalten im Falle eines sich an die Einstufung anschließenden Autorisierungsprozesses
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Stoffrechtliche Regelungen zu Blei – Zielkonflikte (I)
• zusätzliche
Umweltauswirkungen
• zusätzliche Kosten
• deutlich mehr Energie
• mehr Ressourcen
• Wertverlust Schrott
X
Bevorzugter Prozess im Hinblick auf :
• Kosten
• Energieeffizienz
• Ressourceneffizienz
• CO2Emissionen
Konsequenzen
direktes Einschmelzen nur noch eingeschränktmöglich
Schrottanteilim Legierungen sinkt deutlich
erhebliche Mehrmengen an Neumetallen erforderlich ( Primärproduktion)
anderer Recyclingweg für Schrotte erforderlich
Recyceln des Kupfers aus Legierungen über Sekundärkupferproduktion
Legierungsbestandteile gehen verloren
Wertverlustfür qualitativ hochwertige Schrotte
z.B. für Zerspanungsmessing bis zu 1.000 €/t
aufwändigere Sammlungen und Aufbereitungen von Schrotten noch lohnend?
höherer Export von qualitativ hochwertigen Schrotten
Nutzbarmachungdes „Urban stocks“ für Kupferlegierungen gefährdet
Zielkonflikt mit Ressourcen- und Energieeffizienzpolitik
Stoffrechtliche Regelungen zu Blei – Zielkonflikte (II)
• zusätzliche
Umweltauswirkungen
• zusätzliche Kosten
• deutlich mehr Energie
• mehr Ressourcen
• Wertverlust Schrott
X
Kupfer und Kupferlegierungen kommen in praktisch allen industriellen Anwendungen und Bereichen modernen Lebens zum Einsatz
Risiken aus der Anwendung von
Kupferwerkstoffen mit funktionalen Bleigehalten sind weitgehend identifiziert und geregelt
Beispiel: Verwendung von metallenen Werkstoffen in Kontakt mit Trinkwasser
Projekt des UBAs in Zusammenarbeit mit der Industrie
Entwicklung von CEN-Normen zur sachgerechten Prüfung von Werkstoffen unter Modellierung von Verbrauchsgewohnheiten
Prüfung aller verwendeten Werkstofffamilien
Kriterium: halber Grenzwert aus Trinkwasser-VO:
5 µg/L Pb
Ergebnis: je nach Verwendung sind in Messing Bleigehalte von 2,2 bzw. 3,5 % sicher
nur eine Berücksichtigung der tatsächlichen
Bleiabgabe in der jeweiligen Verwendung führt zu einer sachgerechten und fairen Bewertung des Werkstoffes
Metalle und REACH – eine Zwischenbilanz, Dortmund 10.11.2014 10
Anwendung von Kupferlegierungen
Major Uses of Copper:
Usage by End Use Sector, 2013
Quelle: International Copper Study Group, The World Copper Fact Book 2014
Die Angaben beziehen sich auf den Kupferanteil im Werkstoff
Übersicht über Bleibeschränkungen in Produkten
Produkt / Anwendung Regulierung
Elektro- und
Elektronikprodukte RoHS-RL
Pb max. 0,1 %, Kupferlegierungen bis 4 % ausgenommenAutos Altauto-RL
Pb max. 0,1 %, Kupferlegierungen bis 4 % ausgenommenTrinkwasserinstallation Trinkwasser-RL
Bleimigration max. 10 µg/L; Umsetzung in DE über Hygienische Liste des UBA; je nach Verwendung bis zu 3,5 % Pb zugelassenSpielzeug Spielzeug-RL
Bleimigration max. 160 mg/kg (Spielzeugmaterial)Schmuck (auch Uhren) REACH-Verordnung, Anhang XVII
Pb max. 0,05 %Lebensmittelherstellung
Metals and alloys used in food contact materials and articles:
A practical guide for manufacturers and regulators
, Council of Europe, 2013 Bleimigration max. 10 µg/kg (Lebensmittel)Bekleidung freiwillige Gütezeichen, z.B. Öko-Tex
Pb max. 0,009 %Neuer Vorschlag:
„Verbraucherprodukte“
REACH-Verordnung, Anhang XVII
Vorschlag: Bleigehalt max. 0,05 %, in Messing max. 0,5 %
Blei ist in den Stoffkreisläufen von Kupferlegierungen ubiquitär vorhanden
Die vorgeschlagene Einstufung von Blei und die SCL von 0,03 % betreffen über 80 % der Kupferlegierungen
Stoffpolitische Regelungen, die auf eine Substitution einzelner Bestandteile von Legierungen abzielen, gefährden den direkten Einsatz von qualitativ hochwertigen Schrotten
Daraus ergibt sich ein erheblicher Zielkonflikt mit politischen Zielen zu Ressourceneffizienz und Energieeffizienz
Risiken aus der Anwendung von Werkstoffen mit funktionalen Bleigehalten sind identifiziert und geregelt
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Zusammenfassung
... vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Stefan Priggemeyer Abteilung EHS und Normung
Wieland-Werke AG
Stefan.Priggemeyer@wieland.de