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Das Abkommen EU-Mercosur

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Academic year: 2022

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Positionen

112 |IP • Juli / August 2020

Pro und Contra

Pro

D

as Abkommen wird auf beiden Seiten Gewinner und Verlierer produzieren, aber nach einer Studie der LSE (im Auftrag der EU) insgesamt den Handel ausweiten und den Wohlstand in beiden Regionen, wenn auch bescheiden, steigern. Es gilt die Chancen zu nutzen und nicht nur auf die Risiken zu verweisen. Han- delsabkommen stehen einer aktiven staatlichen Politik zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Ex- portförderung nicht im Wege; zumal bestimmten Branchen lange Über- gangszeiten eingeräumt werden.

Das Abkommen sollte auch unter geoökonomischen und geopolitischen Gesichtspunkten bewertet werden. Im Spannungsfeld zwischen China und den USA müssen sich Europa und Süd- amerika positionieren. Es geht um die Durchsetzung von Normen und Regeln im Handel und in den internationalen Beziehungen. Die südamerikanischen Staaten müssen miteinander kooperie- ren, um in der internationalen Politik eigenständig bestehen zu können. Der Mercosur braucht den Außenanker EU;

andernfalls erhöht sich das Risiko, dass der Wirtschaftsblock auseinanderfällt.

Die EU ist nicht der wichtigste Handelspartner und Importeur von Rohstoffen aus dem Mercosur, son- dern China. Dies gilt insbesondere für agrarische Produkte wie Soja und Rindfleisch, die für die Abholzung von Regenwald verantwortlich gemacht

werden. China ist auch der Hauptex- porteur von industriellen Produkten, die den einheimischen Produzenten in den Mercosur-Ländern Konkurrenz machen. Der ehemalige uruguayische Präsident José „Pepe“ Mujica, einer der intellektuellen Köpfe der Linken, hat immer wieder gefordert, Europa müsse ein Gegengewicht zu China in Lateinamerika bilden, und das Merco- sur-EU-Abkommen explizit unterstützt.

Die EU ist der zweitwichtigste Han- delspartner des Mercosur, vor den USA.

Und europäische Unternehmen sind die wichtigsten ausländischen Inves- toren in der Region. Mit dem Abkom- men kann sich die EU in Südamerika geoökonomisch und geopolitisch ge- genüber China und den USA behaup- ten und den offenen, regelbasierten Welthandel verteidigen. Damit können europäische Umweltstandards durch- gesetzt werden, zumindest bei Produk- ten, die in die EU exportiert werden.

Handelsverträge können einen poli- tischen Hebel an die Hand geben, den es zu nutzen gilt. Es ist leichter, den Re- genwald zu schützen, wenn Brasilien und die anderen Mercosur-Staaten in Abkommen eingebunden werden, um Netzwerke zum Schutz der Umwelt auszubauen und gemeinsam Druck auf Brasilien auszuüben. Umweltschutz und Handel schließen sich nicht aus.

Europa hat als Handelsmacht Gewicht, und die EU verfügt damit über Gestal- tungsmacht, die sie auch nutzen sollte.

Geopolitisches Pfund

Von Detlef Nolte

Prof. Dr. Detlef Nolte ist Associate Fellow im Amerika-Pro- gramm der Deut- schen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

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IP • Juli /August 2020 |113

Contra

Das Abkommen EU-Mercosur

U

nter dem Motto „Global Europe“

versucht die EU-Kommission seit 2006, „ihre“ Firmen wett- bewerbsfähiger zu machen und dem Globalen Süden eine neoliberale Han- delspolitik aufzuzwingen. Durch das im Juni 2019 angekündigte Assoziati- onsabkommen mit dem Mercosur wür- de die Rekolonialisierung Südamerikas weiter vorangetrieben. Dies aber liegt nicht im Interesse der Menschen. Sollte der Deal tatsächlich unterzeichnet und ratifiziert werden, wäre das vor allem ein Triumph transnationaler Konzerne und ihrer Profitlogik.

In der internationalen Arbeitstei- lung spielt Lateinamerika überwie- gend die Rolle des Rohstofflieferanten.

Darauf sollen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nach den Emanzipierungsversuchen des frü- hen 21. Jahrhunderts offenbar wieder dauerhaft festgenagelt werden. Von der schrittweisen Senkung der Zollschran- ken profitieren dort bestenfalls das Agrobusiness und der Importsektor;

Kleinbauern, Arbeiterinnen und Indi- gene bezahlen die Festschreibung des Systems mit der weiteren Zerstörung ihrer Rechte und Lebensgrundlagen.

Die geplante Liberalisierung des Handels würde Lohndrückerei und Stellenabbau verschärfen, europäische Firmen sollen jährlich vier Milliarden Euro Abgaben einsparen. Neue Ge- schäftsmöglichkeiten verspricht man sich auch im Telekom- und IT-Bereich.

Sollen nun auch Autoteile um die halbe Welt geschippert werden? Neben einer auch ökologisch unsinnigen Auswei- tung des Welthandels beharren die EU-Verhandler auf verschärftem Pa- tentschutz, was die Versorgung der Südamerikaner etwa mit bezahlbaren Generika aushöhlen würde. Bei Regie- rungskäufen, die oft zur Stärkung ein- heimischer Produzenten genutzt wer- den, sollen EU-Firmen gleichberechtigt mitspielen können. Für Mitverant- wortung bei Umweltverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen sind aber keine Sanktionen vorgesehen.

Mit den rechten Regierungen Brasi- liens, Paraguays und Uruguays hat die EU leichtes Spiel. Es ist skandalös, dass Jair Bolsonaro und seine Militärs stra- tegische Partner eines demokratischen Europas sein sollen. Argentiniens so- zialdemokratischer Präsident Alberto Fernández ist selbstbewusster, doch er braucht politische Unterstützung bei Umschuldungsverhandlungen.

„Vampirverträge“ hat Susan George von Attac die „Freihandels“abkommen genannt. Kommen sie nämlich ans Ta- geslicht, steht es schlecht um sie, einer demokratischen Debatte halten sie nur selten stand. Auch deshalb werden die Details des EU-Mercosur-Abkommens nur scheibchenweise bekanntgemacht.

Will sich die EU des Friedensnobelprei- ses würdig erweisen, muss sie sich vom neoimperialen Geist verabschieden, der auch diesen Vertrag prägt.

Neokoloniales Projekt

Von Gerhard Dilger

Gerhard Dilger leitet das Cono- Sur-Regionalbüro der Rosa-Luxem- burg-Stiftung in Buenos Aires.

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