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Das Braunschweiger Modell der Abwasserwiederverwertung unter besonderer Beachtung des Pflanzennährstoffs Phosphor

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Das Braunschweiger Modell der Abwasserwiederverwertung unter besonderer Beachtung

des Pflanzennährstoffs Phosphor

Bernhard Teiser

1. Abwasserverwertung in Braunschweig ...463

1.1. Voraussetzungen der landwirtschaftlichen Abwasserverwertung ...463

1.2. Vorteile der landwirtschaftlichen Abwasserverwertung ...464

2. Herausforderungen ...466

3. Nachwachsende Rohstoffe ...467

4. Neue Wege zur Nährstoffnutzung...468

4.1. Maßnahmen im Klärwerk Steinhof ...468

4.2. Fördermittel ...470

4.3. Düngerproduktion ...470

5. Ausblick ...470

6. Quellen ...471 Der Abwasserverband Braunschweig wurde 1954 als Wasser- und Bodenverband ent- sprechend den Bestimmungen des Wasserverbandsgesetzes gegründet. Die Mitglieder dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts sind

• die Stadt Braunschweig,

• der Wasserverband Gifhorn als Abwasserlieferanten und

• die Grundstückseigentümer der landwirtschaftlichen Nutzflächen als Abwasser- abnehmer.

Eine der Hauptaufgaben des Verbandes ist es, auf etwa 2.700 Hektar landwirtschaft- licher Produktionsfläche Abwasser zu verregnen und so sowohl das Wasser als auch die darin enthaltenen Pflanzennährstoffe sinnvoll zu nutzen. Diese landwirtschaftliche Abwasserverwertung führt

• durch weniger Aufwand beim Ausbau und Betrieb des Klärwerkes zu Kostenein- sparungen beim Abwassergebührenzahler,

• durch Wasser- und Nährstoffnutzung in der Landwirtschaft zu dauerhaft sicheren und hohen Erträgen und

• durch die Nutzung des Abwassers als Beregnungswasser zur Schonung der Grund- wasserressourcen.

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Obwohl Deutschland ein wasserreiches Land ist, herrscht zu Zeiten mit längerer Trockenheit in bestimmten Bereichen immer wieder Wassermangel. Schon vor Jahrzehnten hat die Wasserwirtschaft Lösungen gefunden, in dem sie das Wasser aus Überschussgebieten über Fernwasserleitungen in die Bedarfsgebiete leitet. Beispielhaft ist die Versorgung von Städten und Gemeinden in Norddeutschland durch Wasser aus den Harztalsperren zu nennen.

Anders ist das, wenn es darum geht Wasser für die Bewässerung großer Flächen mit Pflanzenanbau bereitzustellen. Die Notwendigkeit der Bewässerung ist aus klimatischen Gründen von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und immer nur für eine bestimmte Zeit des Pflanzenwachstums erforderlich.

Die jährliche klimatische Wasserbilanz in Deutschland ist grundsätzlich positiv, die Niederschläge sind höher als die Verdunstung. Leider ist diese Feststellung nicht überall für die Vegetationszeit der Pflanzen zutreffend. Die Wetteraufzeichnungen zeigen, dass die Zeiten mit einer negativen Wasserbilanz in Nordostniedersachsen, dem größten Beregnungsgebiet Deutschlands, seit Jahrzehnten zunehmen. In dem beschriebenen Gebiet, dazu gehört auch die Lüneburger Heide, wird auf den leichten Böden mit Bodenzahlen zwischen 18 und 35, eine intensive Landwirtschaft betrieben.

Aus den vorgenannten Gründen müssen hier die ausbleibenden Niederschläge durch Beregnung ausgeglichen werden. Der Sommer 2018 hat die Notwendigkeit dieser Beregnung eindrucksvoll demonstriert.

Verregnungsgebiet

Rieselfelder

Einzugsgebiet

Klärwerk Biogasanlage

Betriebshof

Bild 1:

Karte des Verbandsgebiet des Abwasserverbands Braun- schweig [4, 6]

(3)

In Niedersachsen ist die Entnahme von Wasser aus der fließenden Welle, aus Flüssen und Seen, grundsätzlich nicht zugelassen. Damit bleibt nur die Entnahme aus dem Grundwasser, die allerdings gesetzlich begrenzt ist, um sicherzustellen, dass durch eine zu starke Absenkung des Grundwasserspiegels die Vorfluter nicht trockenfallen und die Ökologie in Feuchtgebieten nicht beeinträchtigt wird.

Die Begrenzung erfolgt durch wasserrechtliche Erlaubnisbescheide, die im sieben- jährigen Durchschnitt Entnahmemengen von 80 mm je Hektar und Jahr zulassen.

Mit derart begrenzten Wassermengen wäre unter den gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Bewässerung der Felder des Abwasserverbandes Braunschweig nicht möglich. Das Problem konnte hier nur durch die Nutzung des Abwassers der Stadt Braunschweig gelöst werden.

1. Abwasserverwertung in Braunschweig

In Braunschweig hat die landwirtschaftliche Abwasserverwertung eine über hundert- jährige Tradition. Die bis heute genutzten Rieselfelder gingen 1895 in Betrieb. Sie wurden bis 1962 landwirtschaftlich für den Gemüseanbau genutzt und sind danach zur biologischen Nachreinigung des Kläranlagenablaufs umgestaltet worden. Sie bilden gleichzeitig ein Rast- und Brutgebiet für viele Vogelarten. Die Rieselfelder waren nur für 100.000 Einwohner ausgelegt und waren daher schon vor dem 2. Weltkrieg zu klein.

Anstelle einer Erweiterung oder eines Kläranlagenbaus wurde eine Abwasserverreg- nung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen geplant. Dafür gründete sich im Jahre 1954 der Abwasserverband Braunschweig als Wasser- und Bodenverband. Auf einer Fläche von 4.000 Hektar wurden in vier Bauabschnitten die vier Pumpwerksbezirke mit 2.700 Hektar Beregnungsfläche ausgebaut. Im Zuge des Ausbaues wurden 100 Kilometer Erdleitungen mit 900 Unterflurhydranten, aus denen das Wasser für die Regenmaschinen entnommen wird, verlegt.

1.1. Voraussetzungen der landwirtschaftlichen Abwasserverwertung

Abwasserverwertung kann ganzjährig nur dort stattfinden, wo die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. In Deutschland besteht die Beregnungsbedürftigkeit aufgrund des Klimas und der Bodengüte nur in bestimmten Gebieten. Damit ist auch der wichtigste Grund genannt, weshalb die landwirtschaftliche Abwasserverwertung nicht stärker in Deutschland verbreitet ist und größere Anlagen, neben denen in Braunschweig und Wolfsburg, nicht mehr entstanden sind.

Die Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes, Station Braunschweig, zeigen, dass in den Monaten April bis September die klimatische Wasserbilanz negativ ist (1924 bis 1993). Das Defizit zur Zeit der Gründung des Verbandes betrug 122 mm. In den letzten zehn Jahren ist die durchschnittliche Fehlmenge während der Vegetationszeit auf 181 mm angestiegen. Der Rückgang der Niederschläge im Frühjahr und Sommer wird weitgehend durch höhere Winterniederschläge ausgeglichen, was möglicher- weise auf die zu beobachtende Steigerung der durchschnittlichen Jahrestemperaturen zurückzuführen ist.

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Eine ganzjährige Abwasseraufbringung setzt leichte Böden in ebener Lage voraus. Die leichten Böden können auch nach Niederschlägen zusätzlich Wasser aufnehmen. Die ebene Lage ist erforderlich, damit das Wasser sich gleichmäßig auf der Fläche verteilt und nicht ab- oder zusammenfließt. Auch diese zweitwichtigste Voraussetzung ist in Braunschweig gegeben.

Grundwasserstände von mindestens etwa 1,50 Meter unter der Oberfläche müssen gegebenenfalls durch entsprechend tief verlegte Dränungen gewährleistet werden.

Eine möglichst geringe Besiedlungsdichte ist wünschenswert, weil die notwendigen Auflagen in der Wasserrechtlichen Erlaubnis durch die Wasserbehörde – besonders im Hinblick auf einzuhaltende Sicherheitsabstände usw. auch an öffentlichen Verkehrs- wegen – zu wirtschaftlich nicht zu vertretbaren Einschränkungen führen können. Die Akzeptanz durch die Anwohner muss in diesem Zusammenhang ebenfalls gesehen werden. Sie ist nur durch die Ausschaltung von Geruchsbelästigungen durch geeignete Maßnahmen zu erreichen.

Letztlich müssen optimal gestaltete Schlaggrößen und –formen den Einsatz moderner Beregnungsgeräte und -maschinen und damit den wirtschaftlichen Beregnungsbetrieb zulassen. In Braunschweig wurde diese Voraussetzung durch die Schaffung eines Wege- und Gewässernetzes und das damit identische Erdleitungsnetz mit den Entnahme- hydranten im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren geschaffen.

1.2. Vorteile der landwirtschaftlichen Abwasserverwertung

In den Beratungen vor der Verbandsgründung spielten natürlich die Vorteile aus der jeweiligen Sicht der Beteiligten die entscheidende Rolle. Die Stadt Braunschweig brauchte damals keine Kläranlage zu bauen und zu betreiben. Der inzwischen durchge- führte Kläranlagenbau verringert zwar den Vorteil des Abwasserlieferanten gegenüber früher (Rohabwasserverregnung), jedoch ist durch einen angepassten Kläranlagen- ausbau (geringere Nachklärbeckenkapazitäten, keine Filtration etc.) ein Vorteil der Abwasserverregnung gegenüber dem herkömmlichen Kläranlagenbetrieb vorhanden.

Bild 2:

Mittlere klimatische Wasser- bilanz von 1924 bis 2017 [2]

0 20 40

Niederschlag

April bis September ø 1926 bis 2017 = -128 mm ø 1998 bis 2017 = -189 mm

Verdunstung Janua

r Februa

r

März Apri l

Mai Juni Juli August

SeptemberOktobe r

Novembe r

Dezember 60

80 100 mm

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Auch die Mitverregnung des jetzt ausgefaulten Schlamms ist als Vorteil sowohl für den Abwasserlieferanten (geringere Entsorgungskosten) als auch für den Landwirt (Pflanzennährstoffe) zu sehen.

Für die Landwirtschaft spielte die Nutzung der Inhaltsstoffe, der Dünge- und organi- schen Stoffe, vor allem aber die Wasserbereitstellung, die wichtigste Rolle. Die leichten Sandböden werden durch die organischen Bestandteile aufgewertet, ihre wasserhal- tende Kraft wird verbessert und Nährstoffe und die im Durchschnitt der Jahre in der Vegetationszeit fehlenden Niederschläge werden durch die Beregnung ersetzt und die klimatische Wasserbilanz ausgeglichen.

Die jährlich mit dem Abwasser aufgebrachten Nährstoffmengen liegen bei

• 67 kg/ha mineralischen Stickstoff,

• 80 kg/ha P2O5,

• 90 kg/ha K2O sowie

• Schwefel und Kalk in nennenswerten Mengen.

Insbesondere die Phosphordüngung wird fast vollständig aus dem Abwasser bzw.

Klärschlamm geliefert.

Die Bereitstellung des fehlenden Wassers brachte die gewünschten und erwarteten Ertragssteigerungen. Viel wichtiger ist aber die Möglichkeit, auch andere, anspruchsvol- lere Früchte (Zuckerrüben, Mais, Weizen) anzubauen. Dabei ist die Ertragssicherung durch die Beregnung im Hinblick auf sichere Ernten besonders hoch einzuschätzen, hängt doch damit, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, die Liquidität und der langfristige Bestand der Betriebe zusammen. Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch, dass der heute in vielen Bereichen durchgeführte Vertragsanbau und die damit verbundene Verpflichtung zur Vertragserfüllung ohne Beregnung auf den leichten Böden nicht möglich wären.

Ein Vorteil aus heutiger Sicht ist unter den Stichworten Ökologie, Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft zu sehen. Hier muss zunächst die Vermeidung der Restverschmut- zung des Vorfluters genannt werden. Immerhin konnte zwischenzeitlich die Güteklasse II

Bild 3:

Beregnungsmaschine [1]

(6)

(mäßig belastet) im Unterlauf der Oker nördlich von Braunschweig erreicht werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Bereitstellung von Beregnungswasser durch Abwasser anstelle von Grundwasser. Um für die Verbandsfläche das durchschnittlich benötigte Beregnungswasser bereitzustellen, müssten 4 bis 5 Millionen m3 Grundwasser jährlich gefördert werden. Außerdem ist die erwähnte Doppelnutzung des Wassers sowie die Nutzung der Inhaltsstoffe und des Klärschlamms im Sinne des heute maßgebenden Kreislaufwirtschaftsgesetzes ein maßgeblicher Punkt.

2. Herausforderungen

Die vertretbaren Werte des Bodens und des Klärschlamms nach Klärschlammverord- nung konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Handlungsbedarf bestand, wenn die über längere Zeiträume zu befürchtende Akkumulation der Schadstoffe ausgeschlossen werden sollte. Ab 1980 durchgeführte Einleiterkontrollen durch den Kanalnetzbetreiber führten zu einer Senkung z.B. der Schwermetallfracht von über 90 %. Die Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz schaffte 1985 die Möglichkeit, Verstöße gegen die entsprechend geänderte Abwassersatzung der Stadt mit hohen Bußgeldern zu ahnden. Das Ergebnis war eine Unterschreitung der 1982 festgesetzten und der 1992 drastisch verschärften Grenzwerte der Klärschlammverordnung. Die in dem Maße nicht erwarteten Erfolge durch Einleiterkontrollen in etwa 500 Betrieben haben es mit sich gebracht, den Klär- schlamm landwirtschaftlich zu verwerten.

Bild 4:

Klärwerk Steinhof [3]

Stickstoff, einer der wichtigsten Nährstoffe für das Pflanzenwachstum, ist im Abwasser enthalten. Die Durchlässigkeit der leichten Sandböden legt die Annahme nahe, dass das leicht lösbare Nitrat ausgewaschen wird und in das Grundwasser gelangt. Es wird weiter davon ausgegangen, dass dieser Prozess bei der Aufbringung von Abwasser noch verstärkt wird, weil sie ganzjährig und weitestgehend unabhängig von den natürlichen Witterungsbedingungen erfolgt. Aus den genannten Gründen wurden und werden ständig im Verregnungsgebiet entnommene Grund- und Dränagewasserproben von staatlichen Stellen untersucht. Sie zeigen, dass eine Beeinträchtigung in dem Maße, wie angenommen werden könnte, nicht eintritt.

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Ohne dass dafür gesetzliche Vorschriften oder Auflagen gemacht wurden, sind vom Verband im Laufe der Jahre zahlreiche Maßnahmen getroffen worden, die einer Nitrat- verlagerung entgegenwirken. Die wichtigsten sind in der vegetationsarmen Zeit:

• die Eliminierung von mehr als 90 % des Stickstoffes durch Nitrifikation und De- nitrifikation im Klärwerk,

• die Verringerung der Abwasseraufbringungsmenge durch stärkere Nutzung der umgestalteten Rieselflächen bis hin zur Einstellung der Beregnung im Winter,

• die Förderung des Anbaues von Winterzwischenfrüchten zur Gründüngung mit dem Ziel der Aufnahme und Festlegung des von den Pflanzen nicht genutzten Reststickstoffes,

• die Beratung der Landwirte hinsichtlich der vorhandenen N-min-Werte,

• die wöchentliche Unterrichtung der Landwirte über die mit dem Abwasser aufge- brachten Nährstoffe, die es ermöglicht, dass vor allem der mineralisierte und damit von den Pflanzen aufnehmbare Stickstoff von den Landwirten bei der Düngung berücksichtigt werden kann,

• die Aufstellung eines schlagbezogenen Flächenkatasters entsprechend den Vor- schriften der Düngeverordnung und

• die Unterrichtung der Landwirte über alle wichtigen Fragen und Probleme in den Jahresversammlungen vor Beginn der Frühjahrsarbeit.

Schließlich sind hier noch die schwer abbaubaren organischen Schadstoffe zu nennen, die in den letzten Jahren zunehmend Beachtung gefunden haben. Die Klärschlamm- verordnung von 1992 schrieb deshalb Analysen zur Feststellung von halogenierten Kohlenwasserstoffen unter dem Summenparameter AOX und von Dioxinen und Furanen vor. Die Untersuchungsergebnisse in Braunschweig geben keinen Grund zu der Annahme, dass die festgesetzten Grenzwerte einmal erreicht oder gar überschritten werden könnten.

Auch die jetzt verstärkt untersuchten Mikroschadstoffe wie Arzneimittelreste, Duft- stoffe und andere schwer abbaubare Schadstoffe werden durch die Bodenpassage eher eliminiert als durch das Einleiten in ein Gewässer. Mehrere Forschungsprojekte haben dies belegt. Trotzdem besteht hier noch ein recht hoher Forschungsbedarf, um die Bodenpassage in die weitergehende Abwasserreinigung mit einzubeziehen.

3. Nachwachsende Rohstoffe

Um den Landwirten die Möglichkeit zu geben, neben der Lebensmittelproduktion auf nachwachsende Rohstoffe ausweichen zu können, hat der Verband im Verregnungs- gebiet eine Biogasanlage errichtet, die Biogas für 2,5 MWel erzeugt. 80 % des Gases werden direkt über eine 20 km lange Leitung nach Braunschweig transportiert, dort verstromt und Strom und Wärme wird in die kommunalen Netze eingespeist. Diesen Wasser-Nährstoff-Energiekreislauf nennen wir Das Braunschweiger Modell.

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4. Neue Wege zur Nährstoffnutzung

Mit der Neufassung der Klärschlammverordnung vom 27.9.2017 ist die landwirtschaft- liche Nutzung des Klärschlamms nur noch bis 2029 möglich. Daher müssen jetzt andere Wege beschritten werden. Neben der Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung des Klärschlamms ist die Rückgewinnung und Wiederverwertung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors ein wesentlicher Aspekt der neuen Klärschlammverordnung.

Die Neufassung der Düngeverordnung vom 26.5.2017 reduziert die in die Landwirt- schaft abgegebene Düngermenge ebenfalls erheblich. Zwar sind die Einschränkungen im Wesentlichen für stickstoffhaltige Düngemittel relevant, doch auch die Phosphor- düngung muss wesentlich differenzierter und mehr an den P-Gehalt im Boden angepasst durchgeführt werden.

Gleichwohl wurden sich in Braunschweig schon vor der Novellierung der Klärschlamm- und Düngeverordnung Gedanken über Pflanzennährstoffe gemacht, die auch bei der Rückbelastung der Kläranlage bei der Schlammentwässerung eine große Rolle spielen.

4.1. Maßnahmen im Klärwerk Steinhof

In Braunschweig wird eine Maßnahme zur Kläranlagenerweiterung umgesetzt, die

• die hohe Auslastung der Kläranlage hinsichtlich Stickstoff und Phosphor reduzieren soll,

• die sichere Einhaltung von Stickstoff- und Phosphor-Werten im Ablauf garantiert,

• die Eliminationsleistung der Kläranlage deutlich erhöht und

• die Kreisläufe für Phosphor und Stickstoff unabhängig vom Klärschlamm bzw. der Abwasserverregnung sicherstellt.

Bild 5:

Biogasanlage Hillerse [1]

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Nach umfangreichen Untersuchungen, Studien, Versuchen und Vorplanungen wurde sich für folgende Verfahrenskombination entschieden:

• Phosphorrückgewinnung durch Magnesium-Ammonium-Phosphat-Fällung (MAP-Fällung),

• Stickstoffrückgewinnung durch Ammoniak-Strippung kombiniert

• mit einer thermischen Desintegration des Überschuss-Schlamms der Kläranlage.

Die Gesamtinvestitionskosten dieser Baumaßnahme liegen bei etwa 10 Millionen EUR.

Der Überschuss-Schlamm aus der Nachklärung wird zunächst eingedickt, dann mesophil (bei etwa 37 °C) ausgefault. Nach der Faulung wird der Schlamm über eine Zentrifuge vorentwässert auf 6 bis 8 % TS. Das Zentrat wird der MAP-Fällung und danach der Ammoniak-Strippung zugeführt. Hier erfolgen die Prozesse der Nähr- stoffreduzierung und die Nährstoffentnahme aus der Kläranlage. Der vorentwässerte Schlamm wird in der Thermodruckhydrolyse (TDH) thermisch desintegriert und besser aufgeschlossen, so dass in der nachfolgenden Faulung eine höhere Gasausbeute erzielt werden kann. Nach der TDH wird der Schlamm zusammen mit dem Primärschlamm daher noch einmal ausgefault.

Effekte:

• Die MAP-Fällung entlastet die Kläranlage und produziert ein pflanzenverfügbares, direkt nutzbares Phosphordüngemittel,

• die Stickstoff-Strippung entlastet die Kläranlage und produziert ein stickstoffhalti- ges flüssiges Düngemittel (Diammonsulfat, DAS), welches aufbereitet in der Land- wirtschaft einsetzbar ist und

• die TDH erhöht den Faulgasanteil, reduziert die Klärschlammmenge und verbes- sert das Entwässerungsverhalten des Klärschlamms.

Bild 6:

Baumaßnahme KlärWert [5]

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4.2. Fördermittel

In dieser Kombination handelt es sich um ein innovatives Gesamtkonzept mit erprobten Einzelkomponenten. Das Gesamtkonzept ist durch das Bundesumweltministerium als förderfähig eingestuft worden und erhält daher eine 20-prozentige Förderung von etwa 1,8 Millionen EUR für das Kombinationsverfahren und eine 30-prozentige Förderung mit etwa 300.000 EUR für Baumaßnahmen, die aus den gewonnenen Roh- stoffen (Pflanzennährstoffe) direkt in der Landwirtschaft einsetzbare Düngerprodukte entstehen lassen.

4.3. Düngerproduktion

Die Maßnahme ist so geplant, dass pro Jahr

• 1.800 Tonnen stickstoffhaltiges DAS und

• 300 Tonnen phosphorhaltiges MAP entstehen.

Es ist beabsichtigt, diese anfallenden Düngestoffe im Abwasserverregnungsgebiet als Kompensation für die wegfallenden Nährstoffe aus dem Klärschlamm zu nutzen. Die Einzelheiten sind noch nicht endgültig geklärt, hier stehen mehrere Wege offen:

• Zumischung zum Beregnungswasser und Mitverregnung der Düngestoffe,

• direkter Einsatz über Landwirte im Verregnungsgebiet,

• Kooperation mit Sekundär-Dünger-Industrie (Mischung mit anderen Produkten) und direkter Einsatz über Landwirte im Verregnungsgebiet sowie

• Abgabe der Rohstoffe an die Düngerindustrie.

Das Gesamtprojekt ist technisch fertiggestellt und befindet sich jetzt in der Phase der Inbetriebnahme.

5. Ausblick

Die Abwasserlandbehandlung ist die älteste Art der Abwasserverwertung. Nur in we- nigen Fällen wird diese naturnahe Methode genutzt und ausgebaut. Der Abwasserver- band Braunschweig hat dieses System aufrechterhalten und ausgebaut. Dabei wurden viele Probleme gelöst und Widerstände überwunden. Gerade unter dem Aspekt der knapper werdenden Grundwasserressourcen für die Landwirtschaft, die endlichen Phosphatvorräte auf der Welt und die Reduzierung von Schadstoffen ist dieses System aktuell und zukunftsweisend.

Der Verband wird alles daransetzen, die landwirtschaftliche Abwasserverwertung auch morgen und in Zukunft weiter durchführen zu können. Gerade der Gedanke der Kreis- laufwirtschaft, der hier verwirklicht wird, kann zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gesamtökosystems führen. Dazu ist es auch notwendig, gerade für den Einsatz von Sekundär-Düngern noch neue, gegebenenfalls jetzt unbekannte Wege zu beschreiten.

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6. Quellen

[1] Abwasserverband Braunschweig

[2] Deutscher Wetterdienst, Station Braunschweig [3] Dieter Heitefuß

[4] Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen [5] Stadtentwässerung Braunschweig GmbH

[6] Steffen & Bach GmbH

Ansprechpartner

Dipl.-Ing. Bernhard Teiser Abwasserverband Braunschweig Geschäftsführer

Celler Straße 22

38176 Wendeburg, Deutschland +49 5303 509-0

bernhard.teiser@abwasserverband-bs.de

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Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker, Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.):

Verwertung von Klärschlamm

ISBN 978-3-944310-43-5 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH

Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Olaf Holm Alle Rechte vorbehalten

Verlag: Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH • Neuruppin 2018 Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc.

Erfassung und Layout: Janin Burbott-Seidel, Ginette Teske, Roland Richter, Sarah Pietsch, Cordula Müller, Gabi Spiegel

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

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