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Wider das Undingk

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Academic year: 2022

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Wider das Undingk

Für seinen Beitrag über die Ausbreitung der normwidrigen Aussprache von silbenauslau- tendem -ig sei Manfred Klotz Dank gesagt.1 Es ist wirklich so, daß die Grenzen des Tole- rierten immer weiter hinausgeschoben werden. Sehr weit ist es dann nicht mehr, bis allge- mein der Standpunkt akzeptiert wird, den einer meiner Schüler kämpferisch vertrat, um die Kritik seines Deutschlehrers an seinem Ausdruck und seiner Rechtschreibung zurück- zuweisen: »Sie verstehen doch, was gemeint ist, oder? Und außerdem ist sowieso alles richtig, was ein Deutscher in seiner Muttersprache von sich gibt.« Auch die Sprachpfleger

1 Manfred Klotz: Dagegen hab' ich was: -ik statt -ig; in: Der Sprachdienst Nr. 5/1987, S. 132-134.

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finden sich in zunehmendem Maße damit ab, daß Normen der Sprachrichtigkeit nicht nur übergangen werden, sondern daß sie sich auflösen. Ich erachte es als eine der Aufgaben dieser Zeitschrift, sich im Gefolge W . E . Süskinds2 der Kritik an aufweichlerischen Tendenzen des Sprachgebrauchs - des schriftlichen wie des mündlichen - zu widmen.

Die Aussprache -ik für auslautendes -ig der Schrift stört mich, einen Bayern, kaum.3 Eine andere Mode in der Aussprache des geschriebenen g ist es, wogegen ich mich hier wende.

Es geht um silbenauslautendes -ng.

Nach den Normen der deutschen Aussprache ist festzuhalten, daß geschriebenem g folgende Lautwerte entsprechen: 1. g im Silbenanlaut (gehen, wegen)', 2. k im Silbenaus- laut (Zug, biegsam)', 3. g in -ig (König, eifrigst - allerdings mit bestimmten Einschränkungen4); 4. ohne eigenen Lautwert in der Buchstabenverbindung ng (Ding, singen).

Eigentlich gehört also die Buchstabenverbindung ng gar nicht in diesen Zusammenhang;

denn dem Buchstaben g kommt hier kein Eigenwert als Konsonant zu. Er fungiert ausschließlich als graphisches Signal, das anzeigt, daß das davorstehende Zeichen n den Lautwert rj hat5.

Daß n und rj zwei eindeutig voneinander zu trennende Phoneme des Deutschen sind, bedarf überhaupt keiner Diskussion. Es handelt sich um zwei distinkte lautliche Einheiten von sinnunterscheidender Qualität. Zwischen rj und n einerseits besteht der entsprechende arti- kulatorische Abstand wie zwischen n und m andererseits.6 Man vergleiche: Wange - Wanne - Wamme, Dünger - dünner - dümmer.

Auch im Auslaut - worauf es hier ankommen soll - findet man unschwer Minimalpaare, wodurch n und rj als vollwertige Phoneme ausgewiesen sind: Beginn - beging, Bann - bang, rann - rang, Sinn - sing\ dran - Drang, (he)ran - Rang, usw.

Den unausgebildeten Sprechern (die der eingangs angeführte Beitrag der Einführung und Verbreitung von Aussprachemarotten zeiht) war und ist diese phonetische und phonologi- sche Eindeutigkeit offenbar nicht deutlich genug. Nur so ist der dumme Fehler zu erklären, der darin besteht, daß die beiden Zeichen n und g einzeln artikuliert werden, was, im Verein mit der üblichen Auslautverhärtung, zur Lautung rjk führt. Ansager und Moderato- ren in Rundfunk und Fernsehen, Quizmaster und Unterhaltungsmanager, Politiker und sonstige öffentliche Redner, nicht zuletzt die Lehrer haben eine Lautgebung verbreitet, vor der im Siebs ausdrücklich gewarnt wird.7 Allenthalben kann man heute hören: er gingk, ichfingk, Dingk, Rechnungk, Meldungk, Kundgebungk, Gesetzgebungk, Beschaf- fungk, Ausschaltungk, Vereinigungk (wenn nicht gar Vereinjungk) usw.

Noch schlimmer als in deutschen Wörtern stört die «^-Aussprache in Wörtern, die aus dem Englischen oder Französischen entlehnt sind. Tatsächlich war aber neulich in den

2 W. E . Süskind: Dagegen hab' ich was. Sprachstolpe reien; Stuttgart, 1969.

3 Immerhin läßt Siebs (Deutsche Aussprache, 19. Aufl., 1969, S. 100) die-/^-Aussprache als gemäßigte Hochlau- tung für den Süden des deutschen Sprachraumes gelten.

4 Wie Anm. 3, S. 100.

5 So gesehen, ist das g in dieser Kombination im heutigen Deutsch vergleichbar mit dem -e- in lieben oder dem -h- in gehen: Diese Zeichen fungieren als Ausspracheanweisung für den Buchstaben davor. Davon getrennt zu halten sind Fälle wie Ungar oder Winkel, wo der Konsonant rj durch ein bloßes n ausgedrückt wird: furjgar, virjkl]. Vgl. dazu Siebs (wie Anm. 3), S. 89. - Die Trennungsregelung bringt allerdings ein Scheinargument gegen die Einheit des mit ng verschrifteten Konsonanten. Sinngerechter erschiene es, Mel-du-ngen zu trennen und nicht Mel-dun-gen.

6 m - n - rj sind die drei Nasalphoneme des Deutschen: labial - dental - velar.

7 Siebs (wie Anm. 3), S. 89: »Man hüte sich, hier rjk oder rjg zu sprechen [larjk, erjglant], wie es besonders in Norddeutschland üblich ist. Langsam [larjza:m] und lenksam [lerjkza:m] müssen deutlich unterschieden werden.«

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Rundfunknachrichten von einem [hi:rirjk] die Rede, und man kann [li:zirjk] ebenso hören wie [zeizorjk] oder [aboneimarjk] {Hearing, Leasing, Saison, Abonnement) * Solche Lautungen sind wahrhaftig ein Unding - kein Undingk, wohlgemerkt! Doch diese Marotte hat sich in erstaunlich hohem Maße durchgesetzt, und zwar auch bei ausgebildeten Sprechern, etwa bei Schauspielern. Viele Lehrer gebrauchen die ngk-Lautung, wohl einem Drang (nicht Drangk) nach besonderer Deutlichkeit der Artikulation nachgebend.

Diese häßliche Mode bringt das phonologische System der deutschen Konsonanten ins Wanken. Denn auf einmal gäbe es dann keinen lautlichen Unterschied mehr zwischen so deutlich geschiedenen Paaren wie bang - Bank, fing - Fink, sang - sank, Tang - Tank, schlang - schlank, schwang - Schwank, rang - rank.9

Es muß deutlich gesagt werden, daß die hyperkorrekte Aussprache von auslautendem -ng der Schrift nur in Unkenntnis des deutschen Orthographie- und Lautsystems zustande kommen konnte: in dem einfältigen Bestreben, »nach der Schrift« zu sprechen (was der Engländer als »spelling pronunciation« bezeichnet). Es ist also - was die Bezeichnung Hyperkorrektion schon zum Ausdruck bringt - eine Fehlleistung, ein Hinausschießen über das Ziel und damit eindeutig ein Verstoß gegen die Sprachrichtigkeit: nicht etwa ein Zeichen von Bildung und Sprachkultur, sondern genau das Gegenteil!

Denn Verdeutlichung lasse ich als Argument dafür nicht gelten; rj und n sind, wie oben festgestellt, ebenso deutlich voneinander unterscheidbar wie m und n. Würde man analog zu der modischen Dingk-Aussprache auch die anderen beiden Nasale phonetisch verdeutli- chen wollen1 0, so müßte dies ebenfalls durch den Zusatz des jeweiligen homorganen Verschlußlautes geschehen, und das hieße dann, daß Mann, wann, Sinn, Gewinn als

»Mannt«, »wannt«, »Sinnt«, »Gewinnt« zu sprechen wären und Studium, Telegramm, Problem, Publikum als »Studiump«, »Telegrammp«, »Problemp«, »Publikump«. Das klänge dennt dannt doch recht dummp, nicht wahr?1 1

Aber nicht erst solche vorstellbaren Exzesse, sondern bereits die um sich greifenden -ngk- Lautungen führen auf den Weg, den die »Starckdeutsch«-Gedichte beschreiten, wo Umweltverschmutzung humoristisch hinaufgesteigert wird zu »Ommwöltvargeschmautze- runck« und Abonnement als »Abbonannamungk« erscheint.1 2 Hier ist es eine durchaus originelle Sprachspielerei. In ernsthafter Rede jedoch, beim sachlichen Vortrag und im Mund von Sprechern, die ein Millionenpublikum über die Medien erreichen, da haben -ungk und -ingk keine Daseinsberechtigungk - Verzeihung: keine Daseinsberechtigung.

Ludwig Zehetner, Regensburg

8 Das Englische neigt eher zur artikulatorischen Annäherung an den dentalen Nasal (waitin für waiting). Das Französische hat nasalierte Vokale ohne konsonantischen Nachklang. Vgl. dazu Siebs (wie Anm. 3), S. 89.

9 Hier handelt es sich nicht um Minimalpaare im strengen Sinne, da sich die ähnlichen Wörter hinsichtlich der Phonemzahl unterscheiden: Das jeweils erste weist nach dem Vokal nur ein konsonantisches Phonem auf:

ba-rj, während das jeweils zweite deren zwei hat: ba-rj-k. So gesehen, ist der »Schaden«, der durch die hyperkor- rekte Aussprache rjk statt rj entsteht, gravierender als der durch die Auslautverhärtung bedingte Zusammenfall von Bund und bunt und ähnlichen Paaren (Aufhebung der Opposition zwischen »stimmhaft« und »stimmlos«, Neutralisierung); denn im letzteren Fall wird immerhin kein zusätzlicher Laut angefugt.

1 0 Für die Verdeutlichung von m oder n besteht nicht selten ein durchaus berechtigter Bedarf, etwa um Dativ und Akkusativ {dem, den) klarzustellen.

1 1 Nicht verschwiegen sei, daß das ältere Deutsch durchaus solche Formen kannte, z. B. lamp, lember, kamp, kemben, tump (tumb), ein tumber (Lamm, Lämmer, Kamm, kämmen, dumm, ein dummer) - was teilweise in den Mundarten weiterlebt - , und daß im Rahmen der Wortbildung homorgane Verschlußlaute als Sproßkonso-

nanten auftreten, z. B. Dirn-d-l < Dim-l(ein), Hen-d-l < Henn-l(ein). - Die hier diskutierte /^-Lautung scheint auf das Mittelhochdeutsche zurückzugreifen, wo es tatsächlich z. B. dinc, er fienc, der ganc (Ding, fing, Gang) hieß. Dem heutigen Suffix -ung entsprach im Mittelhochdeutschen allerdings -unge (und nicht -und); nur in Personennamen finden wir -unc, z. B. Nibelunc. Auch Familiennamen wie Humperdinck sind hier zu nennen.

1 2 Matthias Koeppel: Starckdeutsch. Sämtliche Gedichte; 5. Aufl., 1981, S. 51 und S. 77.

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