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Strahlentherapie gegen Schmerzen bei Fersensporn?

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Anlässlich ihres Jahreskongresses in Wiesbaden empfahl die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) die sogenannte Schmerz- bestrahlung als Therapie bei Fer- sensporn.

RENATE BONIFER

Als Fersensporn bezeichnet man einen dornartigen Knochenauswuchs, wel- cher durch Anlagerung von Knochen- material am Sehnenansatz entsteht (Abbildung). Ursache dafür sind Mi- kro verletzungen des Gewebes we gen Über- und Fehlbelastungen, wie sie zum Beispiel durch Fussfehlstellungen oder Übergewicht entstehen. Etwa 10 Pro- zent der Bevölkerung haben einen Fer- sensporn, häufig ohne Beschwerden.

Wird der Bereich des verknöcherten Sehnenansatzes gereizt, kann es zu Ent- zündungen kommen. Dies ist oft mit grossen Schmerzen und Problemen beim Gehen verbunden. Die Schmerzen werden besonders spürbar, wenn der Fuss länger nicht belastet worden ist, zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen.

Zur Behandlung erhalten die Patienten in der Regel orthopädische Einlagen und Krankengymnastik. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) empfahl in einer Pressemit- teilung anlässlich ihres Jahreskongres- ses in Wiesbaden 2011 die sogenannte Schmerzbestrahlung als «eine sichere und sehr wirksame Methode, die Schmerzen zu lindern».

Grundlage der Empfehlung ist eine kleine Studie, die von Professor Mar- kus Niewald vom Universitätsklinikum

des Saarlandes durchgeführt wurde. Die An sprechraten seien mit 70 bis 100 Pro- zent hoch und zudem sei die Methode praktisch frei von akuten Nebenwir- kungen und Strahlenspätfolgen, sagte Ko-Autor PD Dr. med. Oliver Micke, Franziskus Hospital in Bielefeld. Er ist stellvertretender Vorsitzender in der DEGRO-Arbeitsgemeinschaft «Gutar- tige Erkrankungen», die sich mit der radiologischen Behandlung nicht mali- gner Erkrankungen befasst. Die Be- strahlung komme für Fersenspornpa- tienten infrage, bei denen die konven- tionelle Therapie und auch die Gabe von Schmerzmitteln nicht geholfen habe, sagte Professor Dr. med. Jürgen Dunst, Präsident der DEGRO und Di- rektor der Klinik für Strahlentherapie an der Universität Lübeck. Aber man dürfe nicht zu lange warten: Je früher bestrahlt werde, umso grösser sei der Behandlungserfolg.

Strahlentherapie gegen nicht maligne Schmerzen bisher wenig überzeugend In der Vergangenheit gab es bereits ran- domisierte Studien zur radiologischen Schmerztherapie. Die Ergebnisse waren jedoch ernüchternd, denn es fanden sich keine Unterschiede zwischen den Resultaten in der Behandlungs- und der Kontrollgruppe. Beispiele hierfür sind die Studien von Plenk aus dem Jahr 1952 (38 Patienten mit Schulter- schmerzen, 88 vs. 71% Besserung), Goldie 1970 (Doppelblindstudie mit 399 Patienten mit Armschmerzen, An- sprechrate mit und ohne Bestrahlung jeweils über 60%) und Valtonen 1975 (Doppelblindstudie mit 104 Patienten mit vielen verschiedenen Muskel- und Gelenkschmerzen; mit Bestrahlung Besserung bei 59%, ohne Bestrahlung bei 65%).

Dies sei jedoch kein Beweis, dass die ra- diologische Therapie tatsächlich nicht wirksam sei, so die Autoren der neuen Studie aus Deutschland. Bei den ge- nannten älteren Studien könne das ne- gative Ergebnis vielmehr durch metho- dische Schwächen bedingt gewesen sein. So hätten klar definierte End- punkte gefehlt, es habe sich um hetero-

gene Patientenkollektive mit unter- schiedlichen, teilweise ungeeigneten Entitäten gehandelt, und die Therapie sei im akuten Stadium oder mit einer zu kurzen Nachbeobachtungszeit durch- geführt worden.

Allerdings zeigte sich auch in einer neueren Studie aus dem Jahr 2007 (Heyd et al., mit 130 Patienten, End- punkt Calcaneodynie-Score) kein sta- tistisch signifikanter Unterschied zwi- schen den Behandlungsgruppen. Anzu- merken ist jedoch, dass hier beide Gruppen bestrahlt wurden – die einen mit 3 Gy, die anderen mit 6 Gy –, so- dass ein allfälliger Unterschied mögli- cherweise gar nicht zu erkennen gewe- sen sein könnte.

Design und Resultate der neuen Fersenspornstudie In der aktuellen Studie wurde nun die Dosis von 6 Gy mit der sehr deutlich ge- ringeren Dosis von 0,6 Gy verglichen.

Endpunkte waren das Schmerzniveau gemäss einer visuellen Analogskala, der Calcaneodynie-Score nach Rowe und der SF-12-Fragebogen in der Fremd- und Selbstbeurteilung. Der SF-12 ist die Kurzversion des längeren SF-36; ein Messinstrument, welches die

Strahlentherapie gegen Schmerzen bei Fersensporn?

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ARS MEDICI 3 2012

Pressemitteilung und Präsentation am DEGRO-Kongress 2011 in Wiesbaden:

Niewald M, Seegenschmiedt MH, Micke O et al.: Multizen- trische randomisierte Studie zur Effektivität der Strah- lentherapie in Abhängigkeit von der Dosierung beim schmerzhaften Fersensporn – definitive Ergebnisse nach 12 Monaten Follow-up für die GCGBD (German cooperative Group for Radiotherapy of Benign Diseases).

Abbildung: Fersensporn im MRI (a) und im Röntgenbild (b)

Die Fotos wurden von PD Dr. med. Oliver Micke, Franziskus Hospital Bielefeld, zur Verfügung gestellt.

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gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten anhand verschiedener Parameter (z.B. Funktionsfähigkeit, Schmerzen, Vitalität, Soziales) erfasst.

Zu den Einschlusskriterien gehörten unter anderem der klinische Nachweis eines schmerzhaften plantaren Fersen- beinsporns, der seit mindestens sechs Monaten bestand, sowie der radio - logische Nachweis des Sporns.Die Pa- tienten mussten mindestens 40 Jahre alt sein. Zu den Ausschlusskriterien ge- hörten eine Vor bestrahlung im Fuss - bereich, vorangegangene Traumata sowie zusätzliche rheumatische und schwere psychische Erkrankungen.

Die Strahlendosis wurde innert drei Wochen in Einzelfraktionen appliziert (2 ×pro Woche je 1 Gy oder 2 × pro Woche je 0,1 Gy). Nach drei Monaten war die randomisierte Phase beendet, danach konnte bei ungenügender Wir- kung ein zweites Mal mit einer Ge- samtdosis von 6 Gy bestrahlt werden.

In die Studie aufgenommen werden sollten urprünglich 200 Patienten (100 pro Studienarm). Wegen des ein- deutigen Resultats habe man die Studie jedoch bereits nach 66 Patienten vor- zeitig beendet, so Oliver Micke.

Detaillierte Zahlen liegen zurzeit nur für das Follow-up nach drei Monaten vor.

Statistisch signifikante Unterschiede fanden sich für den VAS-Score (im Mit- tel -43,4 vs. -20 Punkte; p = 0,001) und die körperliche Selbstbeobachtung gemäss SF-12 (im Mittel -16,1 vs.

-6,2 Punkte; p = 0,002).

Für das Follow-up nach 12 Monaten berichten die Autoren vorab, dass «si - gnifikant weniger Patienten nach 6 Gy zweitbestrahlt» wurden als nach 0,6 Gy und dass das schlechtere Ergebnis nach 0,6 Gy durch die Zweitbestrahlung mit 6 Gy ausgeglichen worden sei. Auch sei das Ansprechen nach 3 Monaten auch noch nach 12 Monaten nachweisbar, und die Ergebnisse würden «über die lange Zeit eher besser». Detaillierte Zahlen liegen hierzu noch nicht vor.

Trotz der relativ kleinen Patientenzahl und kurzen Beobachtungszeit (Fersen- spornschmerzen haben ohnehin eine gute Prognose) messen die Autoren ihrer Studie den Evidenzgrad 1b und den Empfehlungsgrad A (starke Emp-

fehlung) bei. ❖

Renate Bonifer

BERICHT

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KOMMENTAR

Dr. med. Luzi Dubs, Winterthur

«Fersensporn» –

eine semantische Fessel?

Der Diagnosebegriff «Fersensporn» ist kaum auszurotten. Er entspricht dem subjektiven Empfinden eines plantaren vertikalen Stachels, welcher bei jeder Fersenbelastung schmerzhaft werden kann. Im Röntgenbild kann man gelegentlich eine horizontal (!) gerichtete «Stachelbildung» im Sinn einer osteo- phytären Veränderung am Ansatz der Plantarfaszie am Calcaneus erkennen. Hat jemand mit einem Fersenschmerz zufällig diese Röntgenveränderung, ist die Diagnose «Fersensporn» nicht mehr zu verhindern. Das Böse der Krankheit scheint klar nachgewiesen!

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass das Vorliegen dieser radiologischen Veränderung in erster Linie mit dem Alter korreliert. Somit wundert es nicht, dass bei den Einschlusskriterien für die Studie von Niewald et al. einerseits das radiologische Phänomen dieses Osteophyten und anderseits ein Alter von mehr als 40 Jahren angegeben ist. Erfahrene Orthopäden wissen, dass es Patienten mit Fersen- schmerzen ohne diese Röntgenveränderungen und Personen ohne Fersenschmerzen mit solchen Röntgenveränderungen gibt. Sie wissen auch, dass diese «Sporne» nach jeder Art von Behandlung beziehungsweise nach spontanem Abklingen der Fersenschmerzen nicht verschwinden. Der Blick- winkel zum Verständnis dieses Krankheitsbildes sollte somit massiv erweitert werden.

Das Positive vorneweg: Es handelt sich um ein Krankheitsbild mit guter Spontanprognose (self limiting disease). Es sind keine Nachteilbelastungen zu erwarten. Unter diesen Rahmenbedingungen pflegen typischerweise die Autoren in ihren Vergleichsstudien von jeweils zwei verschiedenen Therapiekon- zepten nur einen kurzen Follow-up von wenigen Wochen oder Monaten einzusetzen. Sie befürchten, dass der gute Behandlungseffekt in der Initialphase im Vergleich zur Kontrollgruppe im Spontan verlauf mit der Zeit dahinschmilzt. Sowohl die Schmerzbestrahlungen, wie in dieser Studie, als auch Konzepte über die extrakorporelle Stosswellentherapie (ESWT) basieren auf der Wirkungshypothese einer

«Bombardierung» der Nozizeptoren im Sinne einer symptombasierten Therapie der Denervation, was kurzzeitig effektiv sein müsste. Bezeichnenderweise werden in der aufgeführten Studie keine konkre- ten Angaben über die 12-Monats-Resultate gemacht, obwohl sie im Titel angekündigt sind. Es wird nur darüber berichtet, dass sich das Behandlungsresultat mit der Zeit eher noch verbessert habe, was man durchaus auf den natürlichen Heilungsverlauf zurückführen kann.

Das Krankheitsbild des spontanen Fersenschmerzes wird durch komplexe Zusammenhänge geprägt, welche auch individuelle Patientenmerkmale mit einbeziehen. Auffällig häufig korrelieren Adipositas, Depressionen, psychosoziale Rehabilitationshindernisse und Tendenzen zur Schmerzchronifizierung recht gut mit dem Beschwerdebild. Wer sich ausserdem mit der Heiltheorie der muskulären Trigger- punkte auseinandersetzt und die Patienten diesbezüglich an der Wadenmuskulatur auch untersucht, findet regelmässig die zugehörigen schmerzhaften Verquellungsareale und neigt dazu, die entspre- chende manuelle Triggerpunkttherapie an der betroffenen Muskulatur einzusetzen, was erfahrungs- gemäss mindestens ebenso erfolgreiche Behandlungsresultate liefert wie die Bestrahlungs- und Beschallungsstrategien.

Solcherlei Erfahrungen fördern die Erkenntnis, dass es sich nicht um ein rein fokales Problem am Plantarfaszienansatz, sondern um ein komplexeres Problem des ganzen Trizepssystems handelt, wobei die oben angesprochene Ganzheitsbetrachtung stets im Auge behalten werden muss. Die Aus- sagen der Studie von Niewald et al. sind unter diesen Aspekten mit grosser Vorsicht zu geniessen, im- merhin müssen die Patienten während dreier Wochen sechsmal im Spital zur Bestrahlung erscheinen.

Zudem kontrastieren die von den Autoren angegebenen Resultate stark zu einer Studie aus dem Jahr 2007 (Heyd et al.), welche in einer ähnlichen Vergleichsanordnung von zwei verschiedenen Bestrah- lungsdosierungen (3 Gy versus 6 Gy) an einem Kollektiv von 130 Patienten nach sechs Monaten keinen Behandlungsunterschied feststellen konnte. Niewald et al. wählten eine tiefere Dosis (0,6 Gy) in der Kontrollgruppe, um mutmasslich die Frage eines Plazeboeffektes prüfen zu können, was wiederum den Anspruch an eine Verblindung der Patienten stellen würde. Es müsste somit geklärt sein, ob für die Patienten subjektiv allenfalls Wahrnehmungsunterschiede zwischen den verschiedenen Bestrah- lungsdosierungen angegeben werden können. Ausserdem finden sich keine Angaben über die Ver- blindung der Interventionisten beziehungsweise der Nachuntersucher, was unbedingt erforderlich wäre.

Den hohen Evidenz- und Empfehlungsgrad für die Strahlenbehandlung, den sich die Autoren selbst auferlegt haben, kann man bei kritischer Betrachtung nicht nachvollziehen, methodische Mängel recht- fertigen aus meiner Sicht diese Behandlung als neuen Goldstandard nicht. Man kann die Studie einmal zur Kenntnis nehmen, ohne zu Änderungen der Behandlungsstrategie gedrängt zu werden. ❖

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