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«Larger then life» - Schweizer Performance in Krakau

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Academic year: 2022

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Christoph Büchels Idee, den Kunst-Raum zum Kühl- Raum umzugestalten, hätte das Budget gesprengt; alter- nativ den Bunkier Sztuki als Wärmestube für Obdach- lose zu öffnen, sprengte wiederum den Wagemut der Verantwortlichen der Krakauer Kunsthalle. Denn zwi- schen dem Wirken polnischer Künstler und Kunstver- mittler einerseits und der gesellschaftlichen Akzeptanz zeitgenössischer, kritischer Kunst klaffen Welten. Der konservative Geist reagiert auf Zeitgenössisches emp- findsam und bisweilen handgreiflich. Der physische Angriff zweier Abgeordneter auf Maurizio Catellans Der Heilige Vater in der Warschauer Galerie Zacheta war kein Einzelfall.

Auch Jaroslaw Suchan, Direktor des Bunkier Sztuki (Kunst-Bunker), wird von den Konservativen eher mis- strauisch beäugt. Das zeitgenössische Museum zieht vor allem das junge Publikum der traditionsreichen Universitätsstadt an, dieses dafür umso zahlreicher. Mit einem internationalen Programm, begleitenden Diskus- sionen und Symposien suchen Suchan und sein Kurator Adam Budak neue Bildwelten und Medien zu vermitteln, um nicht zuletzt auch die innovative polnische Kunst zu stärken.

Einen hierfür grundlegenden und regen Kulturaus- tausch praktiziert Pro Helvetia weltweit. Doch in Polen unterstützte Pro Helvetia - entgegen der üblichen Statu- ten - zunächst polnische Kunst. Im Gegenzug fokussiert die Krakauer Kunsthalle nun zum ersten Mal die vitale Performance-Szene aus der Schweiz. Unter dem Titel Larger than Life zeigen fünfzehn Künstler die aktuelle Weiterentwicklungen der ephemeren Kunstform.

Christoph Büchel quittierte die Zurückhaltung der Ausstellungsmacher mit anarchischem Humor und opti- scher Totalverweigerung. Wo die Kuratorin Beate Engel, Leiterin der Stadtgalerie Bern, Tendenzen zwischen Per- formance und Installation präsentiert, stellt Büchels High Fidelity den Besucher ins Zentrum. Der steht höchstselbst als Living Installation vor einer verschlos- senen Tür, aus deren Innerem Schimpftiraden in lupen- reinem Schwyzerdütsch erschallen. Marcel Duchamps Diktum Kunst sei nicht das, was man sieht, sondern

stecke in den Lücken, treibt nicht nur Büchels Audio- Installation auf den eidgenössischen Gipfel.

Manchen Vernissagebesucher bewegte Chantal Michel vor Neugierde wortwörtlich in die Knie. Im Stil Robert Gobers lugte ein Arm unter der Heizungsverklei- dung hervor. Nur gab es keine Wachs-Nachbildungen zu sehen, sondern die menschlichen Gliedmaßen der Künstlerin selbst. In der Ausstellung verbleiben Fotogra- fien der Performerin, die auf den ersten Blick an ein Kon- glomerat aus den intim-erotischen Stills von Cindy Sher- man und der aufgeladenen Dramaturgie des Duos The- resa Hubbard/Alexander Birchler erinnern. Durch den geschickten Dreh des Körpers, einen Augen-Blick oder die Einbeziehung der realen Welt via Fenster-Spiege- lungen und im Hintergrund agierender Besucher, findet die Teilnehmerin der diesjährigen Venedig-Biennale eine Schnittstelle, an der sie fotografische Dokumentation und Aktion zu plastischer Dynamik verdichtet.

Analog zum Ausstellungstitel hat Engel derlei Dimensionen von Leben und Kunst geschickt in Bezie- hung zu den Fit ins von Andrea Loux gesetzt. Mit atemberaubender Artistik steigt Loux in ihren Videos in kleine Holzkisten. Was dem Betrachter fast schmerz- haft erscheint, vollzieht die Künstlerin in ihren Körper- Schatullen mit Grazie und Kontemplation. Sie wirkt der Welt so entrückt, wie hoch oben in der Kastendecke die Möbelmodule und Monitore, die im Endlos-Loop die immergleichen, anmutigen Bewegungen wiederholen.

Michaela Nolte Larger then life - Schweizer Performance im Kunstbunker Krakau k 1/2001 - 1

Michaela Nolte

Larger then life - Schweizer Performance im Kunstbunker Krakau

Momentaufnahme der Performance von Chantal Michel.

k - Zeitschrift für Kunst- und Kulturgeschichte im Netz, Sektion Gegenwart http://www.kunsttexte.de/download/gegen/nolte.pdf

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Der menschliche Körper als Bestandteil der Living Instal- lation ist bei Victorine Müller nur noch als Denkmodell präsent. Wie einsame Torsi sind die Performance-Relikte in einem eisig-blauen Zelt arrangiert. Fluoreszierendes Gelb strömt durch transparente und voluminöse Plastik- Kleider, die, verlassen von ihren Trägerinnen, in ihrem permanenten Fluss an offengelegte Blutbahnen erinnern - ein pulsierendes Memento mori. Eingebettet in die überdimensionalen Sitz-Schläuche des Duos L/B und einer romantisch-virtuellen Insellandschaft von Markus Wetzel, erinnern Müllers «Hülsen» an die Kinder in Wil- liam Goldings Lord of the Flies - Gespenster ihrer selbst und unserer Phantasien.

Für rund zwei Mark können Krakauer während der Ausstellungsdauer eine Solo-Demonstration von San Keller mieten. Auf Vordrucken kann man dem Schweizer Künstler eine kurze Botschaft schreiben, die Keller dann auf einem Transparent in der Schweiz verbreitet. Aus- stellungsbesucher und Auftraggeber können die leben- digen und anrührenden Aktionen, die mit und aus die- sen politischen Statements oder persönlichen Ängsten in der Öffentlichkeit entstehen, dann per Video verfol- gen. Ein Kulturtransfer der unter die Haut geht und die vielschichtigen Phänomene der Living Installation auf einen sehr eindringlichen Punkt bringt.

Larger then life. Eine Ausstellung Schweizer Perfor- mance-KünstlerInnen im Bunkier Sztuki (Kunstbunker) Krakau,. KuratorInnen: Beate Engel und Adam Budak.

Bunkier Sztuki, pl. Szczepanski 3a, 31-011 Kraków, 29. Juni - 2. September 2001.

http://www.bunkier.com.pl/wystawy.html

Titel

Michaela Nolte, «Larger then life - Schweizer Perfor- mance im Kunstbunker Krakau», in: kunsttexte, Sektion Gegenwart,Nr. 1 2001 (2 Seiten)

www.kunsttexte.de

Michaela Nolte Larger then life - Schweizer Performance im Kunstbunker Krakau k 1/2001 - 2

Andrea Loux, Videostill aus Fit ins, 2001.

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