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Localität der Kriege David's.
Von
Prof. Staiielin *).
Die von David zur Siclierung seines Reielies geführten Kriege
werden 2 Sam. VIII, 1—14. 1 Chron. XVIII, 1—13 übersichtlich er¬
zählt, und dann, 1 Sam. X und 1 Chron. XIX ausführlicher wie er
Amnion unterworfen berichtet. Er bekriegte die von Alters her gegen Israel feindlichen Völker und besiegte zuerst die Phi Iis ter, die ihn
schon einige Male angegriffen, indem er sich ihre Hauptstadt Gath
unterwarf, und somit die Hegemonie derselben an sich riss, ohne jedoch, wie aus 1 Kön. II, 39 erhellt, ihre Selbstständigkeit aufzuheben, so dass das Untcrthanenverhältniss der Philister gegen Israel wohl nur in
der Zahlung von Tribut bestand, wie so häufig im Oriente der
Fall ist. Darauf wird ein Krieg mit Moab erzählt, einem Israel
stammverwandten Volke, das südlich vom Arnon auf der östlichen
Seite des todten Meeres wobnte, und wie es scheint immer mehr
oder weniger ein Hirtenvolk blieb, das als solches seinen Nachbarn
immer gefahrdrohend ist. Warum David in diesem Kriege, in wel¬
chem er Sieger war, die Moabiter, zu denen er früher seine Eltern
geflüchtet, so grausam behandelte, dass er % der Gefangenen hin¬
richten liess, sagt der Text durchaus nicht, die That David's wird
ganz unvermittelt erzählt, vielleicht wollte David Roheiten, wie sie
Arnos II, .3 deu Ammoniten vorwirft, bestrafen. Weiter wird ein
Krieg mit Zoba berichtet. Zoba ist ein Landstrich , der das Ge¬
biet von Damascus so zu sagen umschloss, denn er grenzte nördlich (2 Chron. VIII, 3) an Hamat am Orontes , erstreckte sich ostwärts so weit dass sein König durch sein Gebot Aramäer über den Euphrat
her zu seiner Hülfe kommen zu lassen vermochte — 2 Sam. X, 16;
1 Chron. XIX, 16; und südwärts muss sich sein Gebiet so weit
ausgedehnt haben, dass es über die Grenzen des Stammes Gad und
bis in Ruben hinein ragte, so dass die Ammoniter sich Kriegsleute von Zoba gegen Israel dingen konnten — 2 Sam. X, 6; 1 Cbron. XIX, 6, und somit baben wir Zoba auf der Ostseite des jenseits des Jordan's
liegenden israelitischen Landes und bis über seine Nordgränzen
hinaus zu suchen, und sein König muss einen grossen Tbeil der
Wüste zwischen Palästina und dem Euphrat und also den südlichen
Theil Syriens beherrscht haben. Ich bin geneigt Zoba für eine
*) Gelesen in der dritten Sitzung der Augsburger Generalversammlung am 26. Septbr. 1862.
Bd. XVll. 38
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aramäisireude Forni des hebräischen — Zacharja IX, 8 nax
geschrieben — anzusehen und durch „Heeres- oder Kriegszug" zu er-
Iclären, so dass Zoba, vollständiger Aram Zoba — 2 Sam. X, G. 8.
Aram der Kriegszüge bedeutet d. h. das Aram, von wo aus die
Feinde in das Gebiet Israels einfielen, und berufe mich diese Er¬
klärung zu halten auf Wetzstein's Karte von Hau;-an, woselbst ein"
„Derb el Gazawat" eine Strasse der Raubzüge, die von Syrien nach
Hauran führt, angegebeu ist, und glaube somit, der König des an
Israel grenzenden Aram oder Syrien habe König von Zoba ge¬
heissen, weil er im Besitz dieser Landstrasse gewesen und durch
sie seine Züge in das Ostjordauland unternahm. Beispiele solcher
verschiedenen Aussprache geben Joppe, aus Jafo entstauden, und
•las Mocha der 70 für das hebräische Maacba. Bei dieser Ansicht
erklären sicb auch die mit Zoba vorkommenden Namen, denn das
2 Sam. VIII, 8 erwähnte Betach, wofür 1 Chron. XVIII, 8 Tibhat
hat, finden wir dann in Tefcha bei Schubba \yieder, und wenn wir
Maacha mit dem syrischen Uebersetzer 1 Chron. XIX, 6 durch
Haran wiedergeben, so ist es wohl dasselbe das wir auf Wetzstein's Karte des Hauran finden. Berothai hingegen, „die Brunnen" dürfte wohl das heutige „Ayun" sein, von seinen zwei ummauerten Quellen
so genannt — Ritter XV, 953, und. dass Namen übersetzt werden
weisst Wetzstein in seiner Scbrift über Hauran pag. 78. 79 nach. —
Nach der gegebenen Erklärung hätten wir die dem Könige von
Zoba gehörigen Städte Tibhat und Berothai im Hauran zu sucben,
wogegen sich doch nicht viel einwenden lässt. Hadadeser, den
König von Zoba, schlug David, nahm ihm 1000 Wagen und 7000
Reiter und 20,000 Mann gefangen, mit welcher Angabe der Chronik,
die wie Bertheau zeigt hier richtiger als 2 Sam. VIII, 4 liest,
Josephus harmonirt, und bracbte die goldenen Schild eund Rüstungen
der Umgebung Hadadesers nach Jerusalem, so wie auch das viele
in den Städten Tibhat und Berothai erbeutete Erz ; die Wagen
jedoch vernichtete er und bebielt dereu nur 100, wohl sie im Sieges¬
zuge aufzirführen. Das von Hadadeser Erzählte macht mir höchst
wahrscheinlich, dass wir uns unter dem Könige von Zoba einen
mächtigen Emir der Wüste zu denken haben, wie sich in derselben
von Zeit zu Zeit solche erheben, der überall hin seine Raubzüge
richtet, und der wohl auch in' Israel einfiel, wie wir auch in Bucking¬
ham's Reise nach Mesopotamien, deutsch pag. 119 von einem lesen,
der an der Spitze von 100,000 Arabern stand und an 20,000
Reiter unter seinem Befehle hatte, nur dass die Wagen Hadadeser's, die vrir auch auf den Ruinen von Ninive finden, es wahrscheinlich
machen, dass er an einem bestimmten Orte residirte. Buckingham
redet pag. 182 von Dienern dieses Emir, die sich durch ihre glän¬
zende Kleidung und ihre kostbaren Waffen auszeichneten, was die
goldenen Schilde oder Rüstungen der Knechte Hadadeser's erläutert.
Dass es sich so mit Hadadeser verhalte, schliesse ich aus dem Um-
Loealüät der Kriege David*. 571
Stande, Thoi der König von Hamath, habe seinen Sohn Joram oder
nach der Cbronilt Hadoram mit reichen Gescbenlcen an David abge¬
sandt, ihn zu seinem Siege zu beglüclcwünschen , weil er selber mit
Hadadeser im Kriege begriffen war. Hamath, das spätere Epiphania
am Orontes, war eine kanaanitische Stadt, nach Movers „das phönic.
"Altertbum" II pag. 161 eine Colonie der Phönicier, wie sie solche
zur Sicherung ihres Handels bis an den Euphrat hin anlegten, und
als deren Endpunkte vielleicht die von einem pböniciscben Colonie-
führer angelegte Stadt Eddana und Thapsakus können angesehen
werden, und wie wichtig überhaupt für den allgemeinen Verkehr
die Strasse vom Mittelmeer nach dem Euphrat ist, zeigen die vielen
nach Wetzstein 1. 1. pag. 105 zu ihrem Schutze errichteten Castelle
und die fielen auf ihr erbauten Chane, die nach Kremer, Damaskus
pag. 191 ff., Ritter XVII, pag. 1472 aufzählt. Hadadeser, der
mächtige Aramäer, hinderte diesen Handel, plünderte vielleicht die
phönicischen Karavaneu, oder belegte sie doch mit hohen Zöllen,
wie solches Emire vom höchsten Alterthume an — Movers III,
pag. 134 — bis auf unsere Zeit, wie Buckingham pag. 187 zeigt, zu
thun sich unterfingen ; eine Niederlage des Hadadeser mnsste also dem Könige *on Hamath sehr- erwünscht sein. Zum Angriff auf Zoba konnte
David durch Cölesyrien das Bekathal entlang ausziehen, und dann
bei Riblah sich östlich in die Ebene wenden, oder er konnte südlich
des Sees Genezai'eth über den Jordan setzen, und dann nordwärts
längs der Karavanenstrasse gegen Damascus zu ziehen, oder di¬
rect gegen Osten, wo nach Ritter XV, 1018 wenigstens in den
Zeiten der Kreuzzüge grosser Verkehr stattfand, was, wenn die Lage
der oben genaunten Ortschaften richtig bestimmt wurde, das Wahr¬
scheinlichste ist. Dass Damascus, wie 2 Sam. VIII, 5 berichtet
wird, dem Könige von Zoba zu helfen suchte, begreift, sich; denn
in Damascus wohnten Aramäer , also Stammverwandte des Hadadeser,
die den Pböniciern von Hamath und den Israeliten weniger geneigt
sein mochten, aber der Fürst von Damascus wurde besiegt, verlor
22000 Mann, und musste israelitische Besatzung aufnehmen.
Noch wird 2 Sam. VIII, 13. 14; 1 Chron. XVIII, 12. 13;
Ps. LX, 2. ein Sieg der Israeliten über Edom erwähnt, der 2 Sam.
dem David, in der Chronik dem Abisai, dem Bruder des Joab, und
im Psalm dem Joab zugeschrieben wird. Die beiden letzten Stellen
scheinen mir darauf hinzuweisen, dass zwar Alles unter Davids
Leitung geschah, Joab bei diesem Zug den Oberbefehl führte, den
Sieg aber speciell Abisai erfocht; so dass, wenn wir auch Uicht mit
Bertheau, Commentar zur Chron. pag. 179, den Text ändern wollen,
dennoch im Ganzen kein Widerspruch stattfindet. Auch Edom
wurde, wie Damaskus, unterworfen und mit israelitischen Besatzun¬
gen versehen, aber nach 1 Kön. XI, 16. höchst grausam behandelt,
indem David die waffenfähige Mannschaft ausrotten liess, was sich
jedoch aus der Natur der Bewohner dieses Landstrichs, des Gebirges
572 Localüäl der Kriege Davids.
Seir, liinlänglicli erltlären lässt ; deun seine rauhen und steilen Berge
wurden von Räubern bewohnt, die in ihren Höhlen hausten und so
wie noch heutzutage allen ihren Nachbarn gefährlich waren (Ritter XIV, 969 IT.), zugleich aber iin Besitz der Seehäfen am älanitischen
Meerbusen des rothen Meeres eine gewisse politische Bedeutung
hatten. Dürften wir mit Joseph. Antiqu. VII, 5. 1—4 diese Siege
in die Zeit nach dem beabsichtigten Tempelbau versetzen, so wäre
klar, dass hier phönicisehe Freundschaft mit unterlief; so viel scheint
jedenfalls, dass von Osten her ein Volksandrang gegen Israel und
die Lande westlich des Jordans stattfand, dem David sich entgegen¬
stellte und siegreichen Widerstand leistete. Auf welchem Wege das
hebräische Heer zur Besiegung Edoms heranzog, ob wie Ewald,
Gescbichte Isr. III, pag. 201 annimmt, auf der Westseite des Jor¬
dans und des todten Meeres, oder der Ostseite, so dass er dem
jetzt gewöhnlichen Wege der von Damaskus nach Mekka pilgernden
Karawanen folgte, wird nicht mehr zu bestimmen seyn; beides ist
möglich; auf letzterem Wege unternahm auch immer Sultan Saladin
von Aegypten aus- seine Züge nach Damaskus. , Bei den angegebe¬
nen Verbältnissen begreift sich auch wie der neue König von Am¬
mon sich fürchten konnte, die von David seinem Vater bewahrte
Freundschaft möchte nun aufhören, und David, der seinen Besitz
östlich des Jordans nun überall siegreich befestigt, werde auch ihn
zu unterjochen suchen; darum beschimpfte er unkluger Weise, nach
ilem Rathe seiner Umgehung, die ihm von David zur Beileidsbezeu¬
gung abgeschickten Gesandten, ihnen den Bart und die Kleider halb
abschneidend, wie im Jahr 1576 znerst Sultan Ghawri von Aegypten die
Gesandten des Sultan Sellin I., und dieser wieder den des ägypti¬
schen Herrschers, dessen Gefolge er hinrichten, dessen Bart uud
Haare er abscheeren und ihn dann mit einer Nachtmütze bekleidet
auf einem lahmen Esel zu seinem Herrn zurückreiten liess. Dass
solches Benehmen des Ammoniter - Königs einen Krieg mit David,
zur Folge baben musste, ist klar, und diesen voraussehend dingten
die Ammoniter um 1000 Talente (über 272 Millionen Reichsthaler)
Hülfsvölker von den Syrern in Zoba nnd Bethrehob, und von
Maacba und Tob (2 Sam. X, 6). — Wir finden ein Bethrehob an
der nördlichen Grenze von Palästina, nordwestlich vom See Hule,
woselbst es Robinson — biblische Forschungen pag. 488 — in den
Ruinen des Castells Huniu wieder aufgefunden haben will; indessen
darf man auch, da Jakuti pag. 204 mehrere Städte dieses Namens
aufzählt, an eine Stadt gegen den Euphrat hiu oder noch besser in
der Gegend von Damaskus denken, woselbst sich noch heute ein
Dorf Namens Ruhaibe findet. Kremer, Damaskus pag. 192. Ritter
XVII, pag. 1472. Tob, das auch Richter XI, 3 vorkommt, ist auf
jeden Fall in der Nähe der Ammoniter zu suchen, obschon die ge¬
naue Angabe seiner Lage streitig; vielleicht ist es, wie Ewald will
(Gesch. Isr. III, 196), das Quvfia des Ptolemäus, südöstlich von
Localüäl der Kriege Davids. 573
iramon, oder wie Knobel will, Cominentar zum Deuteronomium, das
heutige Tuben, etwa 12 Stunden südlich von Damask. Doch besser
noch scheint sich der alte'Name im Dorfe Taiba, hei Ritter XV,
891 u. 922 erwähnt, und auf Wetzstein's Karte nördlicb vou Tibni
angegeben, erhalten zu haben. Und diese Hülfstruppen alle, zum
Theil aus Wagen und Reitern bestehend, bei 30ÜÜ0 Mann, lagerten
sich bei Medeba, das nach Josua XIII, 16. dem Stamme Ruhen,
lem süfllichsten der östlich des Jordans wohnenden Stämme, gehörte.
Medeba lag in einer Ebene, daher sammelten sich dort die mit
Streitwagen versehenen Heere, und war mit schönen Weideländern
umgeben. Die Aufstellung dieses Hülfsheers zu Medeba, wenige
Stunden südlich von Ammon, scheint bezweckt zu haben eine Be¬
lagerung der ammonitischen Hauptstadt unmöglich zu machen, weil
das Belagerungsbeer immer eiuen Angriff zu fürchten hatte. Allein
der israelitische Heerführer Joab liess sich in seinen Unternehmun¬
gen nicht hemmen; er stellte sich mit dem grössten Theile seiner
Macht den Syrern entgegen, während sein Bruder Abisai mit andern
Völkern ihm gegen ^nen Ausfall der Ammoniter den Rücken decken
sollte. Der Sieg begünstigte ihn, er schlug die Aramäer, und als
die Ammoniter die Flucht derselben wahrnahmen, kebrten auch sie
in ihre Veste zurück. Aber die geschlagenen Aramäer sammelten
sich wieder und zogen von jenseits des Eupbrats Verbündete an sich,
die unter der Leitung des Heerführers des Hadadeser zu ihnen
stiessen, ohne dass, wenn wir mit Thenius den Text ändern, der
Ort der Vereinigung angegeben ist, der, wenn wir der gewöhnlichen
Lesart und den alten Versionen folgen, Helam heisst, mit dem man
die am Euphrat liegende Stadt Alamatha (Ritter XVII, 1458) zu¬
sammenstellen wollte, was mir jedocb unwahrscheinlich ist. Dieses
Mal zog David in Person gegen die Feinde zu Felde, besiegte sie
wieder glücklich und tödtete ihnen wie das erste Mal viel Volk,
darunter den Feldherrn, so dass Aram nun Frieden schloss und
Israel diente, d. h. wobl ihm Tribut gab. Nun wurde auch au die
Eroberung der Hauptstadt der Ammoniter, Rabbath Ammon, ge¬
dacht, womit David, der in seine Residenz zurückkehrte, seinen
Feldhen-n Joab beauftragte. Die Stadt Ammon liegt in einem Thale
längs den Ufern des Moiet Amman, der in der Nähe der Stadt in
einem kleinen Teiche entspringt, uud dieser Tbeil der Stadt ist
gewiss die 2 Sam. XII, 27 erwähnte Wasserstadt, die Joab auch
richtig eroberte; sie hat aber auf der Spitze eines der sie umge¬
benden Hügel ein starkes Castell von dicken Mauern, grosse Stein¬
blöcke ohne alles Cement aufeinander gefügt, innerbalb welcher
mehrere tiefe Cisternen, und 4fis Ganze hat die Form eines läng¬
lichen Vierecks (cf Ritter XV, pag. 1145 u. Burckhardt, Reisen
pag. 614 ff.), woselbst auch die Ruinen der späteren römischen
Zeit dargestellt sind. Dieses Castell widerstand längere Zeit, und
als endlich auch sein Fall nahe war, forderte Joab den David auf
574 Loealüät der Kriege Davids.
selbst zum Heere zu kommen, damit er den Buhm der Eroberung
davontrage. David kam, uud mit dem Castell fiel auch die 83
Pfund schwere, goldene und mit kostbaren Edelsteinen besetzte
Krone des Königs von Ammon, die wahrscheinlich über dem Haupte
am Thronsessel befestigt war, in seine Hand. Sodann verwüstete
er die Städte der Ammoniter; die Bewohner der Hauptstadt zer¬
sägte er mit Sägen oder Drescbscblitten, oder tödtete sie in Ziegel¬
öfen, wie die Stelle gewöhnlich erklärt wird, indem man annimmt,
pbia stehe durch einen Schreibfehler für "sr'D, wofür man sich
auf die ähnliche persisebe Todesart, einen in glühender Asche zu
tödten, berufen kann, wogegen aber schon Kimchi auftritt und
nach ihm auch Thenius annimmt, David habe die Ammoniter in
ihrem Molochbilde verbrannt, weil es sich um eine recht auffallende Bestrafung des Götzendienstes gehandelt, und insofern sei der Krieg ein heiliger gewesen.
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lieber die nabatäischen Inschriften.
Voll
Prof. Emu« Meier*).
I.
Indem ich es unternelime, die sogenannten nabatäischen
Inschriften einer neuen Prüfung zu unterwerfen, so ist von vorn¬
herein die auffallende Thatsache hervorzuheben, dass noch heute
wie von Anfang an zwei Ansichten — zunächst über die Sprache
dieser Denlcniale — sich schroff einander gegenüberstehen. Wäbrend Beer, der scharfsinnige Entziffei er des nabat. Alphabetes, die Sprache
für eine aramäische hielt, die aber gemischt sei mit arabischen
Elementen, so behaupteten dagegen Credner und Tuch (in dieser
Ztschr. 1849), die Sprache sei der Grundlage nach arabisch, und
nur gemiscbt mit eiuzelnen aramäiscben Bestandtheilen. Reer's An¬
sicht wurde sodann von Levy (in d. Ztsebr. Bd. XIV. 1860) mit
grosser Entschiedenheit weiter geführt.
So sehr diese Abhandlung im Einzelnen den Gegenstand ge¬
fördert hat , wohin ich namentlich rechne die Wiedererkennung des
von Beer noch nicht genau bestimmten o, und in Folge davon die
richtige Lesung des aüb statt des int, T'T, j'j des Pilgers bei
Tuch, ebenso sehr hat die Arbeit andrerseits geschadet, indem sie
zu viel beweisen wollte und dabei oft in paläographische und
grammatische Fehler verfiel. Es war deshalb für 0. Blau (in d.
Ztschr. Bd. XVI Heft III) nieht schwer, die schwachen Seiten von
Levy's Arbeit aufzudecken, und danach die Unhaltharkeit der An¬
sicht, dass die Sprache der nabat. Inschriften eine aramäische sei, aufs stärkste zu behaupten.
Indess fehlt viel, dass 0. Blau die fragliche Untersuchung zu
einem abschliessenden und überzeugenden Resultate gebracht hätte.
Nicht aus einer Masse von Eigennamen , die theils ein altsemitisches Gemeingut sind, theils bei verwandten Völkern, die sich berühi-en, leicht eindringen, lässt sich der specielle Sprachdialekt dieser In¬
schriften erschliessen, sondern zunächst aus den grammatischen
Flexionen; zweitens aus dem appellativen Sprachgut, und in dritter
Reihe können erst die Eigennamen in Betracht kommen. Mit jeneu
Flexionen aber hat man es von Anfang an bis heute sehr leicht
genommen. Wäbrend Blau (a. a. 0. S. 361) auf der einen Seite
den Verfassern dieser Inschriften eine grosse Frische und lebendige
*) Zum Vortrag in der Augsburger Generalversammlung bestiiomt.
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