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Gottesdienst aus der Dorfkirche Schönow bei Bernau bei Berlin am Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, 27. Januar 2021 Orgelmusik Begrüßung

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Gottesdienst aus der Dorfkirche Schönow bei Bernau bei Berlin am Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, 27. Januar 2021

Orgelmusik Begrüßung

Lied EG 390 „Erneure mich, o ewigs Licht“

1) Erneure mich, o ewigs Licht, und lass von Deinem Angesicht

mein Herz und Seel mit Deinem Schein durchleuchtet und erfüllet sein.

2) Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, der Dir mit Lust Gehorsam leist'

und nichts sonst, als was Du willst, will;

ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

3) Auf Dich lass meine Sinne gehn, lass sie nach dem, was droben, stehn, bis ich Dich schau, o ewigs Licht, von Angesicht zu Angesicht.

Psalm 126 (EG 750)

Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.

Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein.

Dann wird man sagen unter den Heiden:

Der HERR hat Großes an ihnen getan!

Der HERR hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.

HERR, bringe zurück unsere Gefangenen, wie Du die Bäche wiederbringst im Südland.

Die mit Tränen säen,

werden mit Freuden ernten.

Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen

und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen

Wir erkennen uns vor Gott:

Barmherziger Gott,

der Verlust der humanen Orientierung hat in Deutschland dazu geführt,

dass der Nationalsozialismus an die Macht kam und Sein Ungeist zur Staatsdoktrin wurde

für mehr als 12 lange Jahre.

„Wir konnten es nicht ahnen, was kommt“,

so sagen viele. „Wir haben von nichts gewusst“, oder „wir konnten nichts dagegen machen“.

Wogegen denn?

Gegen das, von dem man nichts wusste?

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Wir rufen zu Dir:

Kyrie eleison – Herr, erbarme Dich!

Christe eleison – Christe, erbarme Dich!

Kyrie eleison – Herr, erbarm Dich über uns!

Gott kennt uns, jede und jeden.

Wir können uns Ihm anvertrauen in jeder Lebenslage.

Er ist da, wo immer wir Ihn brauchen und befreit uns von aller Schuld.

Lasst uns beten:

Gott Israels, Gott der Barmherzigkeit, Schöpfer aller Menschen.

Du hörst unsere Klagen und kennst unsere Fragen.

Wir denken heute an die Opfer des

Nationalsozialismus, deren Blut zum Himmel schreit.

Daran erinnern wir uns und sehen unsere Verantwortung heute.

Wir bitten Dich: Lass uns nicht vergessen, was geschehen ist. Hilf uns, alles zu tun, dass Auschwitz nie wieder geschieht und wir eine gemeinsame Zukunft haben.

Das bitten wir Dich durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Brieflesung (Epistel) aus dem Neuen Testament für den Gedenktag der Opfer des National-

sozialismus im 1. Johannesbrief im 2. Kapitel, Verse 7-11

Meine Lieben, ich schreibe euch nicht ein neues

Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang an gehabt habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch; denn die

Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon.

Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu Fall.

Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht,

wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.

Lied EG 146 „Nimm von uns, Herr, Du treuer Gott“

1) Nimm von uns, Herr, Du treuer Gott, die schwere Straf und große Not,

die wir mit Sünden ohne Zahl verdienet haben allzumal.

Behüt vor Krieg und teurer Zeit,

vor Seuchen, Feu’r und großem Leid.

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2) Erbarm Dich Deiner bösen Knecht, wir flehn um Gnad und nicht um Recht;

denn so Du, Herr, den rechten Lohn uns geben wolltst nach unserm Tun, so müsst die ganze Welt vergehn

und könnt kein Mensch vor Dir bestehn.

3) Ach Herr Gott, durch die Treue Dein mit Trost und Rettung uns erschein.

Beweis an uns Dein große Gnad und straf uns nicht auf frischer Tat, wohn uns mit Deiner Güte bei,

Dein Zorn und Grimm fern von uns sei.

4) Gedenk an Deines Sohnes Tod, sieh an Sein heilig Wunden rot.

Die sind ja für die ganze Welt die Zahlung und das Lösegeld.

Des trösten wir uns allezeit und hoffen auf Barmherzigkeit.

5) Leit uns mit Deiner rechten Hand und segne unser Stadt und Land;

gib uns allzeit dein heilig Wort, behüt vors Teufels List und Mord;

ein selig End wollst uns verleihn, auf dass wir ewig bei Dir sein.

Evangelium für den Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, gleichzeitig auch Bibelwort zur Predigt bei Matthäus im 10. Kapitel,

Verse 26-31

Ehr sei Dir, o Herre

Jesus sagte: Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.

Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das verkündigt auf den Dächern.

Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.

Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen

Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater.

Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt.

Darum fürchtet euch nicht; ihr seid kostbarer als viele Sperlinge. Lob sei Dir, o Christe!

Gemeinde singt: Lob sei Dir, o Christe

Lied EG 379 „Gott wohnt in einem Lichte“

1. Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann.

Von Seinem Angesichte

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trennt uns der Sünde Bann.

Unsterblich und gewaltig ist unser Gott allein, will König tausendfaltig, Herr aller Herren sein.

2. Und doch bleibt Er nicht ferne, ist jedem von uns nah.

Ob er gleich Mond und Sterne und Sonnen werden sah,

mag Er Dich doch nicht missen in der Geschöpfe Schar,

will stündlich von Dir wissen und zählt Dir Tag und Jahr.

3. Auch Deines Hauptes Haare sind wohl von Ihm gezählt.

Er bleibt der Wunderbare, dem kein Geringstes fehlt.

Den keine Meere fassen und keiner Berge Grat,

hat selbst Sein Reich verlassen, ist Dir als Mensch genaht.

4. Er macht die Völker bangen vor Welt- und Endgericht und trägt nach Dir Verlangen, lässt auch den Ärmsten nicht.

Aus Seinem Glanz und Lichte tritt Er in Deine Nacht:

Und alles wird zunichte,

was Dir so bang gemacht.

5. Nun darfst Du in Ihm leben und bist nie mehr allein, darfst in Ihm atmen, weben und immer bei Ihm sein.

Den keiner je gesehen noch künftig sehen kann, will Dir zur Seite gehen und führt Dich himmelan.

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

in den letzten beiden Jahren haben wir den Gottesdienst für den Gedenktag der Opfer des

Nationalsozialismus an einem Sonntag Ende Januar begangen; an dem Sonntag, der vom Datum her am dichtesten dran war am 27. Januar, dem Tag, an dem die Rote Armee 1945 das Konzentrationslager

Auschwitz befreite. Weil wir aber momentan noch nicht wieder Präsenz-Gottesdienste anbieten, kann dieser Gottesdienst direkt heute, am 27. Januar, abgerufen und angehört werden.

Am 27. Januar 1945 fand die Rote Armee die letzten 7000 Gefangenen vor, die nicht mit auf die

berüchtigten Todesmärsche geschickt worden waren;

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diese 7000 Gefangenen aus ganz Europa, aus dem Herrschaftsbereich der Nazis, waren zu krank, zu schwach, zu versehrt, um noch auf andere Lager verteilt zu werden, die weiter im Lande lagen,

noch entfernt von der Front.

Hier in Auschwitz war der Vernichtungswille der nationalsozialistischen deutschen Machthaber

besonders zu spüren, hier waren in den letzten Jahren nahezu anderthalb Millionen Menschen fabrikmäßig ermordet worden.

Die das Lager betrieben und die vielen tausend

Gefangenen bewachten, hatten sich bereits abgesetzt, das Lager sich selbst überlassen, vorher noch die berüchtigten Gaskammern gesprengt und viele Akten verbrannt, um Beweise für ihre Untaten zu vernichten.

Weil der Name Auschwitz bis heute für das Grauen des Nationalsozialismus steht, der ab1933 in

Deutschland wütete und ab 1939 auch in weiten Teilen des übrigen Europas bis eben 1945, darum ist der Tag der Befreiung dieses Vernichtungslagers, der 27. Januar, Gedenktag der Opfer der NS-Herrschaft in Deutschland. Und er ist eben auch in der Kirche ein Gedenktag, dieser 27. Januar, und es finden

Gottesdienste statt, um diesen Gedenktag zu begehen, so wie etwa am 31. Oktober eben der Gedenktag der Reformation in deutschen Kirchen

mit einem Gottesdienst bedacht wird.

Nein, es kommt mir in diesem Zusammenhang nicht in den Sinn, diesen Gottesdienst mit dem Wort „feiern“

in Verbindung zu bringen, es ist ein Gedenken, ein Bedenken. Damit eben so etwas wie Auschwitz niemals wieder geschieht.

Für viele bedeutet der Name Auschwitz eine Zäsur.

Man spricht von einer „Theologie nach Auschwitz“

Und betont damit: Die Theologie, also wörtlich die Rede von Gott, alles Reden von Gott,

hat nach Auschwitz neu einzusetzen.

Und viele Zeitgenossen fragen in Gesprächen über den christlichen Glauben, wie man denn nach Auschwitz überhaupt noch an Gott glauben könne.

Ich erinnere mich, als ich Konfirmand war: Unser Pfarrer hatte auf der Rüste ein paar Monate vor der Konfirmation da auch mit uns drüber gesprochen, und ich weiß noch, wie einer meiner Freunde in der Konfirmandengruppe damals sagte: Für Auschwitz seien doch in erster Linie Menschen verantwortlich zu machen und nicht Gott. Gott führe doch nicht die Menschen wie Marionetten an Fäden.

Das stimmt sicherlich, und das hat bei mir damals, mit 15 Jahren, diese Frage nach dem Glauben

angesichts von so etwas Schrecklichem wie Auschwitz erst einmal verstummen lassen.

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In meiner Anfangszeit als Theologiestudent,

da tauchte diese Frage allerdings massiv wieder auf.

Ich war 22 Jahre alt, und in meiner Heimatstadt Potsdam gab es in der Nikolaikirche einen

Vortragsabend mit Heinz Zahrnt, einem alten weisen Mann, Jahrgang 1915, der viele kluge theologische Bücher geschrieben hatte. Auch eins über die Frage, warum Gott Leid und Katstrophen zulasse.

Und ich fragte ihn nach seinem Vortrag: „Was sagen Sie den Menschen, die fragen, warum Gott so etwas wie Auschwitz zugelassen habe?“

Heinz Zahrnt antwortete damals mit einer Gegenfrage.

„Wie ich sehe“, sagte er mit Blick auf meine Jeans- Jacke, „interessieren Sie sich für Fußball.“ Er meinte die Aufnäher von Hertha BSC und dem 1. FC Union, bis heute meine beiden Lieblingsvereine. „Wer ist Ihrer Meinung nach Schuld daran, dass Eintracht Frankfurt nicht deutscher Meister geworden ist?“

Ich war irritiert über diese Frage, aber ich habe dann die Antwort gegeben: „Na, der Schiedsrichter in Rostock, der hat am letzten Spieltag einen klaren Elfmeter für Frankfurt nicht gegeben.“ Eintracht

Frankfurt verlor damals 2:1 in Rostock, der FC Hansa stieg trotzdem ab, aber Meister wurde der VfB

Stuttgart, weil er auf der Ziellinie Frankfurt eben noch abfangen konnte.

Heinz Zahrnt schien mit meiner Antwort zufrieden.

Aber er führte aus: „Es ist doch erstaunlich, dass wir hier nicht sagen: Es war offenbar nicht Gottes Wille, dass Eintracht Frankfurt deutscher Meister wird, sondern wir sagen: Es war der Schiedsrichter.

Ich sehe das ganz genau wie Sie. Aber ich frage Sie:

Warum weichen wir von dieser Linie ab,

nach menschlichen Schuldigen zu suchen, sobald es um so etwas Monströses wie Auschwitz geht?“

Und jetzt wurde er sehr persönlich in diesem

Fragenteil nach seinem Vortrag. „Ich will Ihnen was sagen, junger Mann: Auschwitz hat meine Generation zu verantworten. Ich habe vieles natürlich nicht

gewusst, ich war ja nur einfacher Soldat der

Wehrmacht, aber ich habe manches eben auch nicht wissen wollen und manches eben nicht verhindert.“

Und dann dieser Satz, der mich sehr berührt hat:

„Wir Menschen haben kein Recht, Auschwitz Gott in die Schuhe zu schieben.“ Heinz Zahrnt, er starb 2003 und hat mich im Studium und auch im Pfarramt mit seinen Ansichten entscheidend geprägt.

Auschwitz ist also, wenn ich Heinz Zahrnt damals richtig verstanden habe, die Welt, die der Mensch eingerichtet hat, wo Gott keine Rolle mehr spielen soll und darf.

Etwas, das mit unserem Menschsein zu tun hat.

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Und da sind wir bei dem, was Jesus im Evangelium sagt, das für diesen Gedenktag festgelegt wurde.

Es ist ein Abschnitt aus dem 10. Kapitel im Matthäus- Evangelium, ein Auszug aus der Aussendungs-Rede.

Jesus redet hier zu den 12 Jüngern, die Er berufen hat. Und Er sagt ihnen hier unter anderem:

„Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.

Was ich Euch sage in der Finsternis: Das redet im Licht! Und was Euch gesagt wird in das Ohr:

das verkündigt auf den Dächern!“

Jesus sagt hier also: Die Wahrheiten des christlichen Glaubens, sie sind kein Geheimwissen, sondern sie gehören in die Öffentlichkeit. So eben auch die Erkenntnis, die in der „Theologie nach Auschwitz“

Gültigkeit hat: Niemals wieder darf die Kirche schweigen, wo Jüdinnen und Juden angegriffen werden. Der Antisemitismus, also die Ansicht,

die Juden seien eine bestimmte Menschenrasse, die man bekämpfen müsse – diesem Antisemitismus kann die Kirche Jesu Christi nicht gleichgültig gegenüber stehen. Und sage niemand, diese Ansicht sei

heutzutage doch allenfalls ein Randphänomen,

vertreten von ein paar einzelnen Geisteskranken wie etwa dem Attentäter von Halle, die doch aber keinerlei Einfluss auf die Debatten in der Gesellschaft hätten.

Gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Pandemie, da gibt es genug Verschwörungsgläubige, und sie befeuern die Judenfeindschaft in Deutschland.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus spricht etwa von einer „besorgniserregenden

Zunahme des Antisemitismus im Spektrum von Verschwörungstheorien“. Da wird von der

zionistischen Weltherrschaft gefaselt, über den Einfluss einer jüdischen Lobby in der Politik.

Keine Ahnung, warum, aber in Zeiten von Unsicherheit und wo wir nicht wissen, wann wir zu irgendeiner Form von Normalität zurückkommen werden, da haben

Weltsichten, die einfache Antworten auf komplexe Fragen bieten, eben Hochkonjunktur, da zeigen sich eben besonders viele Menschen anfällig für so

genannte Verschwörungstheorien.

Als ich neulich in der „Jüdischen Allgemeinen“ las, im Kabinett des neuen US-Präsidenten Joe Biden seien so viele Juden wie noch nie in einer US- Regierung, da habe ich mich mit der Zeitung erst einmal mitgefreut über diesen Ausdruck einer Vielfalt.

Aber natürlich werden sofort irgendwelche Spinner und Klappspaten kommen, die solche Statistiken nutzen, um vor einer angeblich zionistisch gelenkten US-Regierung zu warnen.

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Hass und Hetze werden in diesen Zeiten wieder groß, und wir in der Kirche müssen da ganz klar dagegen halten. Mir ist es etwa in der Arbeit mit Konfirmanden und Konfirmandinnen wichtig, dass unsere

Jugendlichen wissen, was die Kirche in der Vergangenheit versäumt hat, wie sie sich in der Nazizeit nicht vor ihre angegriffenen jüdischen

Schwestern und Brüder gestellt hat, von Ausnahmen wie Dietrich Bonhoeffer einmal abgesehen, der gesagt hat: „Nur, wer für die Juden schreit, darf auch

gregorianisch singen“. Und dass die Kirche heute eben Jesus klar nachfolgen will, der selber Jude war.

Im „Deutschen Pfarrerblatt“, der Fachzeitung für unseren Pfarrdienst, da findet sich in der aktuellen Ausgabe ein Aufsatz über Elisabeth Schmitz, eine Theologin in der Nazizeit, die unablässig ihre Stimme erhob gegen die Verfolgung von den sogenannten

„getauften Juden“, die ja nach der Rasse-Logik der Nazis Jüdinnen und Juden blieben, obwohl sie die christliche Religion durch die Taufe angenommen hatten, also auch nach jüdischem Verständnis keine Juden mehr waren. „Mit dem letzten Juden

verschwindet auch das Christentum aus Deutschland“, so schrieb Elisabeth Schmitz damals an einflussreiche Vertreter der Bekennenden Kirche, doch diese zogen

es vor zu schweigen und diese Briefe nicht zu beantworten.

Sie protestierten zwar gegen Übergriffe des NS- Staates auf die Kirche, aber sie schwiegen zur

Ausgrenzung und Verfolgung der Juden und derer, die nach Nazi-Logik dazu zählten.

Es ist beschämend, immer wieder lesen zu müssen, wie hier auch die Bekennende Kirche versagt und schwere Schuld auf sich geladen hat. Ein Buch über die Kirche im Dritten Reich trägt darum den Titel:

„Als die Zeugen schwiegen“.

Wenn wir von „Theologie nach Auschwitz“ reden, so hat aber nicht unbedingt 1945 nach dem Ende vom Zweiten Weltkrieg dieses Nachdenken eingesetzt, sondern spürbar erst viel später. Schuldbekenntnisse der Kirche nach dem Krieg machen die Verfolgung der Juden und die Versäumnisse der Kirche nicht zum Thema. Schriftlich nachweisbar in kirchlichen Erklärungen wird ein solches Umdenken erst etwa 1980, also viel zu spät eigentlich.

Heute, da begehen wir den Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz mit einem

Gottesdienst und wir bekennen: Das Kreuz, an dem Jesus am Karfreitag starb, es ist der Marterpfahl eines von den Römern in Jerusalem getöteten Juden in der Gemeinschaft der Millionen Kreuze von Seinen

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leidenden und getöteten jüdischen Schwestern und Brüdern, die auch unsere Schwestern und

Brüder sind. Wenn wir auf Jesus am Kreuz verweisen, dann betonen wir: Unser Gott hat auf die

Durchsetzung Seiner Macht damals verzichtet. Und auch in Auschwitz ist Gott nicht vom Himmel

herabgefahren, sondern es bedurfte erst vieler verlustreicher menschlicher militärischer

Anstrengungen von außen, um Deutschland von der Nazidiktatur zu befreien und somit auch die anderen Völker in Europa, und das Morden in Auschwitz zu beenden. Gott blieb hierbei verborgen.

Wir hätten es gern, dass Gott erkennbar ist für uns und andere als offenbarer Gott, aber Gott ist eben oft verborgen, das müssen wir frei bekennen.

Seit Jesus am Kreuz, seit dem Karfreitag, können wir allerdings glauben: Kein Weg ist Gott zu tief hinab in unser menschliches Dasein und darum können wir Ihm prinzipiell vertrauen. Darauf verweist Jesus in unserem Evangelium für den heutigen Gedenktag, wenn Er sagt: „Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne Euren Vater. Bei Euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet Euch nicht; Ihr seid kostbarer als viele Sperlinge.“

Natürlich könnten wir einwenden: Jeder Sperling, der doch vom Himmel fällt und tot auf der Erde landet, ist ein Gegenbeweis zu dem, was Jesus hier in Seiner Rede sagt. Aber, so schreibt es der alte Heinz Zahrnt in einem seiner Bücher zu unserem Bibelwort: „Jesus will damit nicht in einer Art theologischer Mengenlehre, einen Beweis für Gottes Allmacht erbringen, sondern mit Hilfe eines poetischen Bildes zum Vertrauen zu Gott ermutigen. Darum sagt Jesus ja hier auch am Schluss: Fürchtet Euch nicht!“

Und ein paar Seiten später, da zitiert Heinz Zahrnt eine Erzählung, mit der ich schließen möchte.

Eine Erzählung, die ihm, Heinz Zahrnt, immer geholfen hat, denn es gibt Gott nicht nur als

verborgenen Gott, sondern manchmal eben auch als offenbaren Gott. „Der offenbare Gott hilft mir, den verborgenen zu erleiden.“, schreibt Heinz Zahrnt.

„Wenn es um Erfahrungen mit Gott im Leid geht, dann haben die Leidenden das Sagen, und im Leiden sind die Juden den Christen überlegen. Eine jüdische Erzählung lautet: In Vilnius (der Hauptstadt von Litauen) haben sich gelehrte Rabbinen versammelt, um über Gott zu Gericht zu sitzen – wie Er den

Holocaust habe zulassen können. Sie debattieren die ganze Nacht hindurch. Schließlich, gegen Morgen,

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gelangen sie zu dem Urteil, dass Gott am Leid der Juden schuldig sei – und sie verurteilen Ihn.

Da schaut einer von ihnen zum Fenster hinaus und sagt: „Die Sonne geht auf – es ist Zeit zum Gebet.“

Amen.

Orgelmusik

Glaubenslied SJ 48

„Wir glauben, Gott ist in der Welt“

1. Wir glauben Gott ist in der Welt, der Leben gibt und Treue hält, Gott fügt das All und trägt die Zeit, Erbarmen bis in Ewigkeit.

2. Wir glauben: Gott hat Ihn erwählt, den Juden Jesus für die Welt.

Der schrie am Kreuz nach Seinem Gott, der sich verbirgt in Not und Tod.

3. Wir glauben: Gottes Schöpfermacht hat Leben neu ans Licht gebracht, denn alles, was der Glaube sieht,

spricht Seine Sprache, singt Sein Lied.

4. Wir glauben: Gott wirkt durch den Geist.

Was Jesu Taufe uns verheißt:

Umkehr aus der verwirkten Zeit und Trachten nach Gerechtigkeit.

5. Wir glauben: Gott ruft durch die Schrift, das Wort, das unser Leben trifft.

Das Abendmahl mit Brot und Wein

lädt Hungrige zur Hoffnung ein.

6. Wenn unser Leben Antwort gibt darauf, dass Gott die Welt geliebt, wächst Gottes Volk in dieser Zeit, Erbarmen bis in Ewigkeit. Amen.

Abkündigungen; Kollekte für die Aktion

„Sühnezeichen Friedensdienste“, Infos unter www.asf-ev.de

sowie www.ekbo.de/spenden

Lied EG 235 „O Herr, nimm unsre Schuld“

1. O Herr, nimm unsre Schuld, mit der wir uns belasten, und führe selbst die Hand, mit der wir nach Dir tasten.

2. Wir trauen Deiner Macht und sind doch oft in Sorgen.

Wir glauben Deinem Wort und fürchten doch das Morgen.

3. Wir kennen Dein Gebot, einander beizustehen, und können oft nur uns und unsre Nöte sehen.

4. O Herr, nimm unsre Schuld, die Dinge, die uns binden, und hilf, dass wir durch Dich den Weg zum andern finden.

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Fürbitte

Gott, wir klagen vor Dir das Leid all der Ermordeten.

Gott, wir klagen Dir das Leid aller Überlebenden.

Gott, wir klagen Dir die Last,

die Kinder und Kindeskinder tragen.

Gott, wir bitten Dich:

Lass uns wachsam und achtsam wahrnehmen, was in unserer Gegenwart geschieht.

Gott, wir bitten Dich:

Lass uns erkennen,

was wir bekämpfen und ändern können

und was wir bekämpfen und ändern müssen.

Wir rufen zu Dir: (EG 178.10) „Herr, erbarme Dich.

Christus, erbarme Dich! Herr, erbarme Dich.“

Gott, wir bitten Dich:

Lass uns verantworten,

was wir zu verantworten haben.

Gott, befreie uns in der Kirche vom tiefverwurzelten Judenhass.

Gott, befreie uns,

das Schweigen zu brechen,

damit zur Sprache kommt, was gesagt werden muss.

Gott, befreie uns vom Plappern, wir brauchen Dich,

um uns erinnern zu können,

damit falsche Wege abgeschnitten werden können.

Damit wir als Deine Kirche

frei werden vom Zwang der Wiederholung.

Wir rufen zu Dir: (EG 178.10) „Herr, erbarme Dich.

Christus, erbarme Dich! Herr, erbarme Dich.“

Gott, gib uns Mut, für Jüdinnen und Juden einzustehen.

Gott, gib uns Weisheit, unser Mitgefühl zu zeigen.

Gott, gib uns Dankbarkeit,

dass nach allem, was geschehen ist, Begegnungen und Freundschaften

zwischen Juden und Christen möglich sind.

Wir rufen zu Dir: (EG 178.10) „Herr, erbarme Dich.

Christus, erbarme Dich! Herr, erbarme Dich.“

Wir verbinden unsere Stimmen in dem Gebet, das der Jude Jesus uns beigebracht hat:

Vaterunser…

Lied EG 395 „Vertraut den neuen Wegen“

1. Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.

Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.

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2. Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!

Gott will, dass Ihr ein Segen für Seine Erde seid.

Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo Er uns will und braucht.

3. Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!

Er selbst kommt uns entgegen.

Die Zukunft ist Sein Land.

Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.

Die Tore stehen offen.

Das Land ist hell und weit.

Segen

Amen, Amen, Amen Orgelmusik

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