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Übersetzen in der Zwangsjacke: Lieder in Disney-Filmen. Masterarbeit

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Academic year: 2022

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Übersetzen in der Zwangsjacke: Lieder in Disney-Filmen Ein multimodaler Übersetzungsvergleich

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Daniel Toni KAPLAN

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft Begutachter: Mag. Dr.phil. Gernot Hebenstreit

Graz, 2019

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Danksagung

Zuerst möchte ich meinem Betreuer Gernot Hebenstreit für seine Unterstützung und seine Geduld während dieses langen Prozesses danken. Du warst stets zur Stelle und deine kon- struktiven Anregungen und Korrekturen haben mich bestärkt und dazu motiviert, dieses Projekt zum Abschluss zu bringen.

Ferner gilt mein Dank meiner Familie und meinen Freunden und Freundinnen, die mir aus nah und fern moralisch und tatkräftig bei dieser langen Reise zur Seite standen. Ich schätze mich sehr glücklich, so viele liebevolle Menschen in meinem Umfeld zu haben, die mich in meinen Vorhaben unterstützen und an mich glauben.

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Inhalt

Einleitung ... 1

1 Text und Musik: Liedübersetzung ... 3

1.1 Vermehrte Aufmerksamkeit in der Translationswissenschaft ... 3

1.2 Besonderheiten der Liedübersetzung ... 8

1.2.1 Unterschiedliche Übersetzungen für unterschiedliche Ziele ... 8

1.2.2 Die Musik-Text-Verbindung und ihre Rolle für die Übersetzung ... 9

1.3 Strategien der Liedübersetzung ... 13

1.3.1 Die fünf Disziplinen der Liedübersetzung nach Peter Low ... 15

1.4 Translation vs. Adaption ... 21

1.5 Abschließende Bemerkung ... 27

2 Text, Musik und Bild: Synchronisation als multimodale Übersetzung ... 28

2.1 Multimodalität ... 28

2.2 Multimodale Filmtextanalyse nach Baldry/Thibault ... 31

2.2.1 Grundlagen ... 31

2.2.2 Transkription ... 32

2.3 Multimodalität in der Translationswissenschaft ... 41

2.4 Filmmusik und Translation ... 48

2.5 Besonderheiten der Synchronisation ... 53

3 Multimodaler Übersetzungsvergleich ... 56

3.1 Vorstellung des Analysemodells ... 56

3.2 Analyse und Übersetzungsvergleich ... 62

3.2.1 „I just can‟t wait to be king“ aus The Lion King ... 62

3.2.2 „Colors of the Wind“ aus Pocahontas ... 72

3.2.3 „I‟ll make a man out of you“ aus Mulan ... 84

3.2.4 „Arabian Nights“ aus Aladdin ... 96

3.2.5 „Zero to Hero“ aus Hercules ... 102

4 Diskussion der Ergebnisse ... 115

5 Zusammenfassung ... 119

Literaturverzeichnis ... 121

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Einleitung

In dieser Arbeit wird die Übersetzung von Liedern untersucht. Ein Lied besteht aus mehre- ren interagierenden Komponenten: Text, Gesang und Instrumente sind Teile eines Ganzen.

Zentrale Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird, sind, wie die unterschiedli- chen Komponenten eines Liedes zur Gesamtbedeutung beitragen und welche Relevanz sich für die Übersetzung ergibt. Das Ziel dieser methodisch explorativen Arbeit ist es, ein Analyseinstrumentarium zu erstellen und zu testen, welches die für ein Lied bedeutungsre- levanten Elemente und ihre Wechselwirkungen übersichtlich erfasst und einen Vergleich mit den neuen Wechselwirkungen in der Übersetzung ermöglicht. Dafür wird mit der Mul- timodalität gearbeitet, die versucht, bei der Textanalyse alle bedeutungsgenerierenden Komponenten zusätzlich zur Sprache zu berücksichtigen.

Lieder aus den Filmen der Walt Disney Studios stellen eine große Quelle für übersetzte Lieder in zahlreichen Sprachen dar, weshalb sie als Untersuchungskorpus für diese Studie herangezogen werden. Konkret werden fünf Disney-Lieder aus unterschiedlichen Filmen der 1990er-Jahre untersucht und mit ihren deutschen Synchronfassungen verglichen. Durch die Gebundenheit an Filme kommt für die Analyse zusätzlich die visuelle Komponente ins Spiel. Beim Übersetzungsvergleich wird darauf geachtet, welche Funktionen die Lieder im jeweiligen Kontext der Filme einnehmen und ob in der Übersetzung Veränderungen dies- bezüglich sichtbar gemacht werden können.

Im ersten Kapitel wird der Forschungsstand zur Liedübersetzung in der Translationswis- senschaft dargelegt. Nach einem Überblick zur Entwicklung dieses Themas wird auf Be- sonderheiten der Liedübersetzung eingegangen, wobei die Beziehung zwischen Text und Musik im Hin¬blick auf die Wortwahl im Vordergrund steht. Anschließend werden Über- setzungsstrate¬gien anhand von fünf Teilaspekten der Liedübersetzung nach Peter Low vorgestellt. Am Ende des ersten Kapitels wird die Grenzziehung zwischen Translation und Adaption im Fall von Liedern anhand von Ansichten aus der Translations¬wissenschaft diskutiert.

Übergreifendes Thema des zweiten Kapitels ist die Multimodalität. Nach einer Vorstellung der Grundzüge der Theorie von Gunther Kress und Theo van Leeuwen und des Transkrip- tionsmodells von Paul Thibault werden multimodale Zugänge in der Translationswissen- schaft vorgestellt. Abschlie¬ßend wird auf weitere, für die Analyse relevanten Aspekte

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2 eingegangen: Die Rolle und Funktions¬weise von Filmmusik sowie Besonderheiten der Synchronisation, welche die Wortwahl in der Übersetzung beeinflussen können.

Im dritten Kapitel wird zunächst ein Analysemodell präsentiert, das an die multimodale Transkription von Thibault und den multimodalen Übersetzungsvergleich von Christopher Taylor angelehnt ist. Der Vorstellung des Modells folgt die Analyse des Korpus. Die fünf ausgewählten Lieder werden transkribiert und nach den Kategorien Sinn, Reim, Rhythmus, Singbarkeit sowie Natürlichkeit von Low mit der deutschen Synchronfassung verglichen.

Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse der Analyse zusammengetragen und im Hinblick auf die vorgestellten Erkenntnisse zur Liedübersetzung diskutiert. Ebenso wird ein Resü- mee zum verwendeten Analyseinstrumentarium gegeben.

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Text und Musik: Liedübersetzung 1

Das Augenmerk dieses Kapitels liegt auf der Darlegung des Forschungsstandes zur Über- setzung von Liedern. Charakteristika der Liedübersetzung1 werden vorgestellt, die als Grundlage für die Analyse von übersetzten Liedern dienen soll. Einleitend wird ein Über- blick über Publikationen zum Thema Translation und Musik gegeben, der aufzeigen wird, dass die Translationswissenschaft in den letzten Jahren Musik vermehrt Aufmerksamkeit schenkt. Anschließend wird auf Besonderheiten und Strategien der Liedübersetzung einge- gangen und abschließend wird die Fragestellung der Unterscheidung zwischen Translation und Adaption im Kontext der Liedübersetzung thematisiert.

1.1 Vermehrte Aufmerksamkeit in der Translationswissenschaft

Das Thema Translation und Musik fand in der Translationswissenschaft lange Zeit nur vereinzelt Beachtung. Durch diverse Publikationen in den letzten Jahren wird jedoch ein aufsteigender Trend erkennbar. Im Jahr 2005 erschien nach einer internationalen Konfe- renz an der Universität Helsinki ein Sammelband, herausgegeben von Dinda Gorlée (2005a): Song and Significance. Virtues and Vices of Vocal Translation. Diesen Sammel- band bezeichnet Lucile Desblache als wichtigen Lückenfüller und Meilenstein in einem zu wenig erforschten Bereich (Desblache 2006:215). Drei Jahre später wurde in The Transla- tor eine Sondernummer mit dem Titel „Translation and Music“ veröffentlicht, die von Şeb- nem Susam-Sarajeva herausgegeben wurde (The Translator 2008). In Ausgabe 38 der im Jahr 2011 publizierten Zeitschrift In Other Words: The Journal for Literary Translators ist ein Teil dem Thema „Translating Music“ gewidmet (54ff.). Drei der sechs Artikel be- schränken sich jedoch auf eine Zusammenfassung von Charles Hazlewoods Eröffnungs- rede zum Internationalen Übersetzertag im Free Word Centre in London im Jahr 2011 (Bunstead 2011), die Vorstellung des Literaturfestivals „Notes & Letters“ (Hopkinson 2011) und einen Artikel, der davon handelt, Zieltexte „singen“ zu lassen – die Autorin stellt ihre Übersetzungsstrategien für authentisch klingende Texte vor (Schwartz 2011).

Im Jahr 2013 gab Helen Julia Minors (2013a) einen Sammelband mit dem Titel Music, Text and Translation heraus. Die Herausgeberin sieht das Werk als ersten Sammelband, dessen Aufsätze sich nicht nur auf ein Feld beschränken, wie z.B. das der Translationswis-

1 Die Termini Liedübersetzung und „song translation“ werden in dieser Arbeit gleichbedeutend für die Über- setzung von Liedern aller Genres verwendet.

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4 senschaft: „Music is central to each case study and the majority of authors are musicians as well as linguists“ (ibid. 2013b:2).

Die darin verfassten Aufsätze zu Musik und Translation sind grob nach den drei von Ro- man Jakobson definierten Arten der interlingualen, intralingualen und intersemiotischen Translation gegliedert (Jakobson 1966/1959:233).

2015 erschien in der Reihe New Trends in Translation Studies eine Monographie von Susam-Sarajeva mit dem Titel Translation and Popular Music. Transcultural Intimacy in Turkish-Greek Relations, ein Werk, das die kulturelle Ebene von Liedübersetzung und ihre Auswirkung auf internationale Beziehungen in den Vordergrund stellt. Ronnie Apter und Mark Herman veröffentlichten im Frühjahr 2016 „a manifestation of the 40 years of wis- dom and experience“ (Franzon 2017:115): Translating for Singing: The Theory, Art and Craft of Translating Lyrics (Apter/Herman 2016). Im Jahr 2017 erschien von Peter Low ein Handbuch für die Übersetzung von Liedern, in dem er auf Schwierigkeiten und Über- setzungsstrategien bei der Übertragung von liedspezifischen Elementen wie Rhythmus oder Reim eingeht; diese Inhalte sollen den Leser/innen mit Übersetzungsaufgaben näher- gebracht werden (Low 2017). Darüber hinaus findet sich bei Apter/Herman (2016:3f.) ein Überblick über Gesellschaften, Konferenzen und Symposien, die in engerem und weiterem Sinne im Zeichen von Musik und Translation stehen.

Die vorgestellten Publikationen befassen sich mit Translationstheorie und -praxis im Hin- blick auf Liedübersetzung und beleuchten unterschiedliche Fallbeispiele. Die Auseinander- setzung mit Musik führt dabei unweigerlich zu interdisziplinären Analysen, die sich u.a.

Konzepten und Methoden der Semiotik, der Kulturwissenschaften, der Soziologie, der Mu- sik- sowie der Theaterwissenschaften bedienen. Einige der genannten Titel werden in den folgenden Kapiteln aufgegriffen und vorgestellt.

Für die späte Aufmerksamkeit in der Translationswissenschaft gibt es unterschiedliche Vermutungen. Low meint, dass Liedübersetzungen ein „untypical translation task“ (Low 2013:230) sind. Johan Franzon untersucht die Übersetzung von Musicals; für ihn könnte ein weiterer Grund die beruflich nicht genau definierte Zugehörigkeit von Liedüberset- zer/innen sein (Franzon 2008:374). Anstelle von professionellen Übersetzer/innen fertigen häufig Songwriter/innen, Sänger/innen, Dramatiker/innen oder Fans Übersetzungen an (ibid.:373f.). Aber allein die Tatsache, dass Lieder übersetzt werden, rechtfertigt für ihn mehr Aufmerksamkeit seitens der Translationswissenschaft: „the fact that songs are trans-

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5 lated in various ways, for various purposes, and by a variety of mediators should warrant some focused investigation within the discipline“ (ibid.:374). Klaus Kaindl, der neben Opern auch die Übersetzung von Popmusik untersucht, sieht letztere als ein kulturübergrei- fendes, massenmediales Phänomen, das Sprach- und Ländergrenzen überschreitet, und daher auch als einen Teilbereich von Translation (2005a:235). Die Vernachlässigung von Popmusik in der Translationswissenschaft begründet Kaindl damit, dass übersetzte Pop- songs häufig nicht als Übersetzungen, sondern als Originale angesehen werden (ibid.). Su- sam-Sarajeva würde Musik dem Bereich der audiovisuellen Translation zuordnen, da „mu- sic goes hand in hand with evocative associations, settings and visual imagery, not to men- tion dance and ubiquitous video-clips“ (Susam-Sarajeva 2008:190). Allerdings seien nicht alle Vertreter/innen der audiovisuellen Translation versiert im Musikbereich. Andere wie- derum ziehen Musik nicht in Betracht, da die visuelle Komponente fehlt (ibid.). Sie sieht einen Grund für die geringe Präsenz von Liedern in der Translationswissenschaft in der Komplexität des Zusammenspiels von Musik und Text. Der multidisziplinäre Charakter stellt hohe Qualifikationsansprüche an Forscher und Forscherinnen:

If we consider that research in translation and music may also require a background in me- dia studies, cultural studies and/or semiotics, we can begin to appreciate the difficulties en- countered by anyone who ventures into this field. (Susam-Sarajeva 2008:190)

Ein nicht multidisziplinäres Vorgehen bei Untersuchungen würde zu einseitigen Ergebnis- sen führen (ibid.:189). Ein weiterer Grund ist für sie der Umstand, dass musikalisches Ma- terial häufig nicht dem Bereich der Translation zugeordnet wird:

The fuzzy boundaries between „translation‟, „adaptation‟, „version‟, „rewriting‟, etc. and the pervasiveness of covert and unacknowledged translations in music have generally lim- ited research in this area to overt and canonized translation practices, such as those under- taken for the opera. (Ibid.:188)

Tatsächlich behandelt der Großteil an recherchierter Literatur zu Liedübersetzung im zwanzigsten Jahrhundert die Übersetzung von Opern. An dieser Stelle wird lediglich ein kleiner Einblick in die frühe Auseinandersetzung mit Opernübersetzung gegeben. Für ei- nen umfassenderen Überblick zur Geschichte der Opernübersetzung vgl. Kaindl (2005b) sowie die annotierte Bibliographie zur Opernübersetzung von Matamala/Orero (2008). Für einen historischen Überblick zu Liedern in der Translationswissenschaft vgl. Bosseaux (2011:183f.) sowie Apter/Herman (2016:11ff.).

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6 Frühe Artikel thematisieren Vor- und Nachteile einer Übersetzung von Libretti und die damit verbundenen Herausforderungen und Ansprüche an die Übersetzer/innen und Über- setzungsstrategien. Sigmund Spaeth vergleicht die Übersetzung von Opern mit einem Schleier, den man von einem Gemälde nimmt, damit das Publikum das Werk in seiner Ganzheit erfahren kann (1915:291f.). Die Übersetzung soll es ermöglichen, den morali- schen Bildungswert des Kunstwerks weitertragen zu können (ibid.:292f.). Für Jacob Hieble liegt genau darin der Zweck von Übersetzungen künstlerischer Werke: „The closer we come to a realization of these inherent values, the more we carry out the original intent of these creative artists“ (Hieble 1958:235). Er kritisiert Opernübersetzungen nicht per se, bemängelt jedoch eine häufig unzureichende Qualifikation der Übersetzer/innen:

In the words of one musicologist, there is nothing wrong with operatic translations but that in many instances the translator knew little of the original language, not enough of his own, and nothing about music. (Ibid.)

Herbert Peyser (1922:354) spricht hingegen davon, dass eine Übersetzung einer Oper den exotischen Charme nehmen kann und dem Original nicht mehr gerecht wird. Zudem sieht er die Musik als Zwangsjacke für den/die Übersetzer/in: „The translator of an opera, a song, a choral work, toils in a strait-jacket. His course is carefully chalked off for him“ (ibid.:359). Damit nimmt er Bezug auf die musikalischen Elemente, die die Textge- staltung mitbestimmen.

Im Gegensatz zu Peysers ablehnender Einstellung zur Übersetzung von Opern, herrscht in der Translationswissenschaft heute Einigkeit darüber, dass Liedübersetzungen durchaus praktikabel sind. und dass Lieder einen Mehrwert für die Disziplin bedeuten können. So sieht Susam-Sarajeva in der Auseinandersetzung mit Musik Potential für ein neues Ver- ständnis von Translation:

Research into this area can thus help us locate translation-related activities in a broader context, undermining more conservative notions of translation and mediation. It can also offer us a new perspective on who may act as a „translator“ under different circumstances. (Susam-Sarajeva 2008:191)

Vor allem die Definition von Translation und Adaption führt im Kontext der Liedüberset- zung zu einer Diskussion über neubestimmte Grenzen. Dieser Aspekt wird in Kapitel 1.4 dieser Arbeit behandelt.

Ein interessantes Verständnis von Musik und Translation ist jenes von Minors. Sie sieht Translation als ein über den Sprachtransfer hinausgehendes Phänomen: „translation (in a

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7 broad sense) is a process necessary to most forms of expression“ (Minors 2013b:1). Musik ist für sie eine universelle Sprache, die jede/r auf unterschiedliche Weise interpretiert (ibid.).

Musik liefert als ein eigenes System von Zeichen semantische Inputs und interagiert mit dem Text eines Liedes. Diese Interaktion zu verstehen, ermöglicht eine Analyse von Tex- ten, die mit Musik verbunden sind. Das folgende Kapitel stellt genau diesen Aspekt in den Mittelpunkt: Die besonderen Charakteristika von Liedübersetzung und die Rolle der Mu- sik-Text-Verbindung für die Translation.

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1.2 Besonderheiten der Liedübersetzung

In diesem Kapitel wird der Faktor Musik als maßgeblicher Einfluss für den Translations- prozess thematisiert. Der visuelle Aspekt, der bei einigen Formen von Liedern zu berück- sichtigen ist, wird an dieser Stelle noch ausgeklammert und folgt im zweiten Kapitel.

1.2.1 Unterschiedliche Übersetzungen für unterschiedliche Ziele

Franzon definiert fünf mögliche Vorgehensweisen für Liedübersetzungen. Er betont mehr- mals, dass diese Möglichkeiten lediglich in der Theorie separate Aufgaben sind, in der Pra- xis wenden Übersetzer/innen häufig mehrere der Möglichkeiten an (Franzon 2008:376f.).

Apter/Herman zeigen zudem, dass die Entscheidung nicht allein beim Übersetzer/bei der Übersetzerin liegt, sondern Auftraggeber/innen ebenfalls eine Rolle spielen können. Vgl.

Apter/Herman (2011) für eine Fallstudie, bei der mehrere Formen der Liedübersetzung aus einem Ausgangstext in Auftrag gegeben wurden.

Die erste Möglichkeit besteht laut Franzon darin, das Lied nicht zu übersetzen. Lieder blei- ben häufig unübersetzt, damit sie nicht an Wiedererkennungswert verlieren. Dies gilt je- doch nicht nur für Lieder in Filmen oder Musicals, sondern auch für Bücher, in denen Titel oder Teile des Textes abgedruckt werden (Franzon 2008:378). Beispielsweise wollten bei der schwedischen Version des Musicals Mamma Mia! aus dem Jahr 2005 die Verantwortli- chen ursprünglich die Liedtexte in der bekannten englischen Version belassen, optierten am Ende dennoch für eine Übertragung ins Schwedische: „the producers decided that the integrity of the story demanded that the lyrics be in the same language as the dia- logue“ (ibid.). Den Text eines Liedes zu übersetzen, dabei aber die Musik außer Acht zu lassen, stellt die zweite Option dar. Dies geschieht bei Übersetzungen, deren primärer Zweck es ist, den Inhalt des Liedtextes verständlich zu machen. Praxisbeispiele sind Unter- titel, Fanübersetzungen (ibid.:378f.) oder auch vorgelesene Übersetzungen, Liedtexte zum Mitlesen in Konzertprogramen, Beihefte in CDs oder DVDs sowie informative Texte für Sänger/innen (Low 2003a:95f.).

Als dritte Möglichkeit gilt nach Franzon das Verfassen eines Textes zu bestehender Musik ohne zwangsläufige Orientierung am Ausgangstext. Dies geschieht am häufigsten bei Neuversionen in der Popmusik. Der Wiedererkennungswert der Musik ist in diesen Fällen der bestimmende Faktor für den Bekanntheitsgrad und möglichen wirtschaftlichen Erfolg des Liedes und nicht der Inhalt des Textes (Franzon 2008:380). Bei der vierten Option steht der Text aufgrund seines Inhalts im Vordergrund. Der Text wird übersetzt und die

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9 Musik angepasst oder gar neu komponiert. Dies kommt häufig bei gesungenen Gedichten oder Bibeltexten vor (ibid.:381f.).

Besonders relevant für diese Arbeit ist die letzte Variante. Hierbei kann die Originalmusik nicht bis kaum verändert werden und die/der Übersetzer/in muss den Zieltext an die Musik anpassen. Diese Situation ist vor allem bei der Übersetzung von Opern, Musicals sowie Liedern in Filmen gegeben (ibid.:386). Diese Art der Übersetzung wird in der Literatur meist als singbare Übersetzung bezeichnet. Andere Benennungsformen sind „vocal“,

„equirhythmic(al)“, „synchronized“, „performable“ oder „singing translation“ (Ap- ter/Herman 2016:1). Apter/Herman unterteilen Liedübersetzungen in „literary“ und „literal translation“ (ibid.), Singbare Übersetzungen zählen sie zur literarischen Übersetzung, da dabei formale Elemente wie Reim und Rhythmus im Zieltext nachgebildet werden. Im Gegensatz dazu steht bei der wörtlichen Übersetzung der semantische Inhalt im Vorder- grund (ibid.).

Die Musik als unveränderbares eigenständiges System beeinflusst maßgeblich den Über- setzungsprozess von singbaren Übersetzungen. Diesen Prozess und die Wechselwirkungen zwischen Text und Musik zu verstehen, ist das Thema des folgenden Kapitels.

1.2.2 Die Musik-Text-Verbindung und ihre Rolle für die Übersetzung

Die Struktur von Lied- und Gedichttexten ähnelt sich häufig, beide nutzen Funktionen der Sprache wie Reim und Rhythmus, welche die Wahrnehmung des Textes beeinflussen und daher auch für die Wahrnehmung der Übersetzung relevant sind (Cintrão 2009:815). Lie- der sowie Libretti werden daher in der Translationswissenschaft häufig als gesungene Poe- sie bezeichnet oder mit der Gedichtübersetzung verglichen. Nida beschreibt Lieder als

„poetry set to music“ (Nida 1964:177). Suzanne de Grandmont schildert in einem Artikel ihre Übersetzungsarbeit für ein Musical und bezeichnet das Libretto als gesungene Poesie (vgl. de Grandmont 1978). Gorlée definiert diese Tätigkeit als eine Kombination von poe- tischem Diskurs und Musik:

Vocal translation is the translation of the poetic discourse in the hybrid art of the musicopo- etic (or poeticomusical) forms, shapes, and skills, harmonizing together the conflicting roles of both artistic media: music and language in face-to-face singing performances.

(Gorlée 2005b:7)

Low sieht Lieder als „verbal-musical hybrid“ (Low 2013:229) und als komplexe poetische Texte (ibid.:230) deren Übersetzung er als „certainly relative to poetry translat-

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10 ing“ (ibid.:229) bezeichnet. Dennoch unterscheidet er die beiden Textsorten deutlich von- einander, da bei der Übersetzung eines Liedes in der Regel sowohl eine verbale als auch eine nonverbale Nachricht übertragen werden muss (ibid. 2005:187). Für Apter gleicht Opernübersetzung der Übersetzung eines Versdramas inklusive „a number of problems peculiar to itself“ (Apter 1985:309). Sie sieht in Liedern zwei akustische Systeme: ein mu- sikalisches und ein verbales (ibid.). Beide Systeme folgen ihren eigenen formellen Regeln, übertragen Inhalte und rufen Emotionen hervor (Apter/Herman 2016:181). Musik und Textformen können einander verstärken, in Konflikt zueinander stehen oder keine Wir- kung aufeinander ausüben. Sie verstärken einander beispielsweise, wenn bei einem Reim die Musik pausiert. Setzt die Musik am Versende bei einem Reim hingegen nicht aus, kann sie in Konflikt zum Text stehen (ibid.).

Den bisher zitierten Quellen nach, steht in vielen Bereichen der Praxis die Musik über dem Text: Musik als Wiedererkennungswert bei Volksliedern und Popsongs oder Musik als beinahe unveränderbares Element in Filmen und Opern. Die Hierarchie zwischen den bei- den Elementen differenziert Gorlée mit den Zugängen logocentrism und musicocentrism (Gorlée 2005b:8f.). Logocentrism steht für eine Dominanz der Worte gegenüber der Musik, während es sich bei musicocentrism um einen wortlosen Zugang handelt (ibid.:8). So spre- chen Vertreter eines musikbasierten Zugangs wie Peter Newmark von „the Power of Music and the Weakness of Words“ (Newmark 1993:161). Für Susanne Langer werden Worte und Poesie in einem Lied von der Musik verschlungen und verlieren jegliche Bedeutung.

Lieder seien kein Kompromiss zwischen Poesie und Musik, sondern Musik allein (Langer 1973:152). Selbst ein vorher existierendes Gedicht verliert für sie seine Bedeutung, sobald es mit Musik untermalt wird (ibid.:153).

Auch Gorlée sieht den Text als „subordinated to the musical text and rarely intended to lead an independent life“ (Gorlée 2005b:7). Von einem verallgemeinerndem musikozen- trischen Ansatz rät sie jedoch ab: „such a musicocentricist standpoint seems to be a wild generalization in the case of truly great poetry“ (ibid.:8). Harai Golomb stellt in seinem Beitrag zu Gorlées Sammelband seine Definition von Translation und Musik am Beispiel von Mozartopern vor: „Music-Linked Translation“, kurz „MLT“ (Golomb 2005). Er unter- sucht die Wechselwirkungen zwischen Text und Musik und geht dabei auch auf die Hie- rarchie dieser beiden Elemente ein. Golomb erklärt die „supremacy of music“ (ibid.

2005:132) durch die „all-important rhythmical component“ (ibid.). Damit bezieht er sich auf die Tatsache, dass der Rhythmus der Musik die Wortwahl für den Zieltext mitbestimmt.

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11 Dennoch dürfe der Text nicht komplett vernachlässigt werden, um den Inhalt eines Stücks als Ganzes zu wahren (ibid.).

Apter/Herman sehen die Tendenzen zwischen Logocentrism und Musicocentrism vor allem als Modeerscheinung (Apter/Herman 2016:7). In der Operngeschichte gab es Zeiten, in denen die Verfasser/innen der Libretti namentlich gar nicht erwähnt wurden. In anderen Zeiten wiederum stand ihr Name vor dem des Komponisten/der Komponistin (ibid.:6).

Heutzutage stehen Komponist/innen wieder im Vordergrund: „most people other than opera professionals are hard-pressed to name the librettists of even their favorite works“ (ibid.:7). Lieder sind für sie weder „a low form of music nor a low form of po- etry“ (ibid.:10). Als Leitfaden bei der Übersetzung gilt es, das Zusammenspiel der bereits erwähnten akustischen Systeme – Musik und Worte – so gut wie möglich dem des Origi- nals nachzubilden. Für Bühnenstücke und audiovisuelle Medien kommen darüber hinaus noch weitere Systeme hinzu (ibid. 2016:5).

Derselben Ansicht ist Golomb, der es ebenfalls als Ziel sieht, die Wechselwirkungen zwi- schen Musik und Text im Translat nachzubilden (Golomb 2005:124). Low möchte darüber hinaus nicht nur das Zusammenspiel von Musik und Text nachbilden, idealerweise sollte die Übersetzung die Illusion erzeugen, die Musik sei für den Zieltext komponiert worden (Low 2005:185).

Die Musik-Text-Verbindung birgt auch Vorteile für die Wortwahl. Zwar hat Musik keine

„der Sprache ähnliche konkrete denotative Ebene und die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant ist keineswegs stabil“ (Kaindl 2006:243f.), dennoch führt sie eine kommu- nikative Funktion aus und vermag es, die Rezeption von Worten zu beeinflussen. Zum Beispiel kann Musik Charakterzüge und Aussagen verstärken oder eigene semantische Inputs geben (Kaindl 2002:21). Weiters kann die musikalische Untermalung die Stimmung einer Szene bestimmen (Apter/Herman 2016:221). Weiters kann durch Gesangstechniken dem emotionalen Gehalt von Worten Ausdruck verliehen werden (Apter 1985:311). Musik fungiert demnach als ein wichtiger Bestandteil des Gesamtwerks, der komplexe dramatur- gische Funktionen übernimmt (Apter/Herman 2016:8). Viele Libretti würden laut Ap- ter/Herman ohne Musik gar nicht als eigenständige Texte funktionieren und wären „melo- dramatic in plot, weak in characterization, mediocre in poetic style, and shallow in the- me“ (ibid.). Die Rolle des Textes wiederum besteht darin, konkrete Koordinaten wie einen zeitlichen und räumlichen Rahmen zu geben (Golomb 2005:123). Text fungiert also als eine Art Baugerüst für die Musik (Apter/Herman 2016:8).

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12 Nach den oben zitierten Erkenntnissen kann die Übersetzung von Liedern daher nicht mit der Gedichtübersetzung gleichgesetzt werden. Die beiden Diskurse der Poesie und der Mu- sik kommen zusammen und bilden einen neuen Diskurs, der eigene, interdisziplinäre Un- tersuchungszugänge erfordert. Die musikalische Komponente stellt dabei hohe Ansprüche an Übersetzer/innen. Apter geht sogar so weit, das Beherrschen einer Fremdsprache an- deren Fähigkeiten unterzuordnen: „[An] opera translator needs knowledge of music, vocal technique, of prosody, and of rhyme – plus some knowledge of foreign languages“ (Apter 1985:318). Die aufgezählten Elemente sind in der Praxis relevant, um eine singbare Über- setzung erstellen zu können. Ein Zugang zur Liedübersetzung, der diese Aspekte übersicht- lich präsentiert und einen Einblick in die Praxis verschafft, ist Peter Lows „pentathlon principle“ (vgl. Low 2003b; 2005). Daher werden an dieses Konzept angelehnt fünf zu beachtende Aspekte der Liedübersetzung vorgestellt.

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1.3 Strategien der Liedübersetzung

Der Name von Lows Modell für Liedübersetzungen stammt vom Vergleich mit dem olym- pischen Pentathlon. Bei einem Pentathlon müssen sich die Athleten in fünf unterschiedli- chen Disziplinen beweisen. Das Ziel dabei ist ein erfolgreiches Gesamtergebnis, die Kon- zentration auf lediglich eine oder zwei der Disziplinen ist wenig zielführend (Low 2005:191f.). Für die Liedübersetzung definiert er folgende Teilaufgaben: Singbarkeit, Sinn, Natürlichkeit, Rhythmus und Reim (ibid.:192). Übersetzer/innen können in vielen Fällen nicht alle fünf Aspekte gleichwertig im Zieltext nachbilden, sie sollen vielmehr entschei- den, welche Aufgaben für das jeweilige Lied und den Zieltext besonders wichtig sind. So konzentriert sich Low in musikorientierten Liedern auf die Singbarkeit des Liedes und er- laubt sich bei der Übertragung des Sinns mehr Freiheit. Bei wortorientierten Liedern hin- gegen orientiert er sich vorrangig auf den Sinn und weniger auf die Singbarkeit oder den Rhythmus (ibid.:200). Es gilt dabei vor allem, Unvollkommenheit zu akzeptieren und diese so gering wie möglich zu halten (ibid. 2008:12). Low fordert für Übersetzer/innen daher einen hohen Grad an Flexibilität, um ein Lied erfolgreich zu übersetzen (ibid. 2005:185).

Einen Teil eines Liedes a priori als sakrosankt zu bezeichnen (vgl. ibid.:210), könnte in einem anderen Bereich zu Verlusten führen. „By tolerating some slippage“ (ibid.) können solche Verluste vermieden werden. Selbst Lieder innerhalb eines Genres erfordern indivi- duelle Zugänge (ibid.:200). Apter/Herman merken in diesem Zusammenhang an, dass Übersetzer/innen nach einer allgemeinen Richtungsentscheidung für die Übersetzung an vielen Stellen entscheiden müssen, welcher Aspekt Vorrang hat: „sense, sound, a rhyme, a joke, a literary allusion, a repetition“ (Apter/Herman 2016:17). Sie stehen ebenfalls für einen flexiblen Zugang, da für sie starre Versuche, ein oder mehrere Aspekte in der ganzen Übersetzung beizubehalten, zu einer Zwangsjacke führen, die in der Folge ein zufrieden- stellendes Ergebnis beeinträchtigt (ibid.). Ihre Strategien sind hauptsächlich auf Opern und andere dramatische Werke bezogen und auf ihre eigenen praktischen Erfahrungen begrün- det (vgl. Apter 1985).

Low stellt sein Modell ursprünglich am Beispiel von Kunstliedern, Volksliedern und Pop- songs vor, ohne es auf ein bestimmtes Genre zu beschränken (vgl. Low 2003b, 2005). Bei Erstellung der Strategien des „pentathlon principle“ stützt er sich hauptsächlich auf prä- skriptive Angaben von zwei Liedübersetzern. Einerseits zitiert er aus zweiter Hand den Autor Richard Dyer-Bennet (Low 2003b:91) und andererseits das Sonderheft der Zeit- schrift Équivalences (1992-1993 22:1&2, 23:1), dessen Beiträge die singbaren Überset-

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14 zungen von Liedern des französischen Dichters und Chansonniers George Brassen (1921- 1981) diskutieren (vgl. Low 2005:189). Aus letzterem zitiert Low konkret Übersetzungs- richtlinien des Autors Andrew Kelly (1992-1993). Eine weitere Grundlage für Lows Mo- dell ist die Skopostheorie (Reiß/Vermeer 1984). Aufgrund der Komplexität von Liedüber- setzung ist für ihn ein Zugang zu bevorzugen, der sich nicht zu sehr am Ausgangstext ori- entiert, sondern die Endfunktion des Zieltextes als Basis für die Übersetzungs- entscheidungen heranzieht (Low 2005:185). Der Skopos einer Liedübersetzung ist für Low, vor einer Zuhörerschaft, welche die Sprache des Liedtextes versteht, gesungen zu werden.

Der eigentliche Auftraggeber im Sinne der Skopostheorie ist der „specific or generic sin- ger“ (ibid.:186). Damit steht die Singbarkeit trotz der geforderten Flexibilität in allen Teil- aufgaben an oberster Stelle, denn „it is entirely reasonable for the singer, as the commissio- ner of this translation, to ask for a usable product“ (ibid.:192).

Apter/Herman führen ihre Übersetzungsstrategien nicht explizit auf die Skopostheorie zu- rück, ihre Zielsetzungen entsprechen jedoch jenen von Low. Für sie muss die Übersetzung mit der Musik kompatibel, für Sänger/innen singbar und für das Publikum verständlich sein (Apter/Herman 2016:16). Sie gehen einen Schritt weiter und verschaffen einen kon- kreteren Einblick in die soziologische Dimension der Übersetzung von Bühnenstücken. Zu veröffentlichende Übersetzungen haben als erstes Publikum die Prüfer/innen des Musik- verlags zu überzeugen (ibid.:22). Die Übersetzungsarbeit kann daher bei diesem Schritt bereits in eine gewisse Richtung gelenkt werden. Der italienische Verlag Ricordi bei- spielsweise verwendet die aufgenommene Musik eines Stückes für alle Zielsprachen. In solchen Fällen kann die/der Übersetzer/in tatsächlich keine einzige Note verändern. Zudem legt der Verlag Wert auf Reime, verlangt aber nicht exakt dasselbe Reimschema wie im Original (ibid.). Im Zuge des Übersetzungsprozesses von Bühnenproduktionen kommt es zum Kontakt mit unterschiedlichen Verantwortlichen, darunter Komponist/innen oder Re- gisseur/innen. Diese Beteiligten können sich mit ihren eigenen Anliegen zur Übersetzung an die Übersetzer/innen wenden (ibid.:22f.). Darüber hinaus gilt es, noch eine weitere Gruppe zufriedenzustellen, das Publikum:

These people desire comprehensible lyrics that retain the characterizations and drama; they wish to laugh at the humorous parts and feel compassion at the sad parts, all conveyed by words which, with intended exceptions, can be beautifully sung. In short, the audience asks for a good show, which, for a translated work, begins, though most assuredly does not end, with a good translation. (Ibid.:25)

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15 Das zahlende Publikum als Konsument/innen ist für sie ein weiterer Aspekt in der Erstel- lung der Übersetzung. Die Rolle von soziologischen Faktoren für die Translation ist für ein ganzheitliches Verständnis des Translationsprozesses unabdingbar, dennoch wird in dieser Arbeit der Fokus auf Übersetzungsentscheidungen aufgrund der vom Text gegebenen Fak- toren gelegt.

1.3.1 Die fünf Disziplinen der Liedübersetzung nach Peter Low Singbarkeit

Low stützt sich bei seinen Ausführungen zur hohen Bedeutung der Singbarkeit auf Aussa- gen von Sängern (vgl. Low 2003b:93), bei seinen Angaben zu artikulatorischen Besonder- heiten, die in diesem Unterkapitel vorgestellt werden, gibt er jedoch keine Quellen an.

Nach Low sind konsonantenreiche Wörter mit wenigen Vokalen in einem Lied schwerer zu singen (Low 2005:193). Für solche Fälle nimmt er leichte semantische Veränderungen durchaus in Kauf. Das englische Wort strict beispielsweise könnte durch das konsonanten- ärmere tight ersetzt werden, dessen Diphthong zusätzlich das Singen erleichtert (ibid.). Für emphatische Stellen oder verbundene Noten rät Low von kurzen Vokalen ab. Ein Wort wie der Artikel the kann ihm zufolge auf einer langen Note als these oder those leichter zu sin- gen sein (ibid.). Komponist/innen heben häufig bestimmte Wörter in einem Lied durch eine höhere Tonlage oder ein fortissimo hervor. Bei der Translation empfiehlt Low daher derart hervorgehobene Wörter idealerweise an dieselbe Stelle zu setzten (ibid.).

Auch Kaindl weist in diesem Zusammenhang mit indirekter Bezugnahme auf linguistische Quellen auf Besonderheiten hin (Kaindl 1995:125f.). Laut Kaindl sind unterschiedliche Vokale in sehr hohen oder sehr tiefen Tonlagen besser oder schlechter singbar. Während ein geschlossenes o oder u in tiefen Lagen leichter zu singen ist, verlieren diese Vokale, ebenso wie Umlaute, in extrem hohen Lagen ihre Charakteristika und sind schwer zu ver- stehen. In hohen Lagen eignet sich ein i, e oder a für eine bessere Verständlichkeit (ibid.:127f.). Auch bei Konsonanten gibt es Unterschiede. Stimmlose Konsonanten unter- brechen den Klang, während stimmhafte Konsonanten diesen weiterführen können. Ebenso benötigen manche Konsonanten für die Artikulation mehr Luft als andere (ibid.:128). Alle genannten Kriterien will Kaindl jedoch nicht als Regel betrachten, da Artikula- tionsmöglichkeiten für Sänger/innen individuell unterschiedlich sind und Gesangstech- niken dabei helfen, schwer zu singende Laute dennoch verständlich darzubieten (Kaindl 2002:21).

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16 Sinn

Sinn meint den inhaltlichen Gehalt eines Liedes. Lows Forderung nach Flexibilität bezieht sich auch auf die Bedeutung eines Ausgangstextes. Beispiele für Ausweichmanöver sind etwa die Verwendung von übergeordneten anstelle von spezifischen Begriffen oder – wie bereits oben am Beispiel für strict erkennbar – die Verwendung von Synonymen, die se- mantisch etwas abweichen (Low 2003b:94).

Dennoch bleibt die Übertragung von Inhalten ein wichtiger Bestandteil bei der Überset- zung. Die Treue zum Originalautor bzw. zur Originalautorin bleibt relevant, muss aber mit der Treue zur/zum Sänger/in, zur/zum Komponisten/Komponistin sowie zum Publikum vereinbart werden (Low 2005:195). Der Originaltext hat für Low dann einen sehr hohen Stellenwert, wenn er sich durch seine Poesie besonders auszeichnet oder zum Gesamtbild des Liedes besonders beiträgt (ibid.).

Natürlichkeit

In dieser Kategorie ist nach Low vor allem das Publikum zu berücksichtigen. Es geht da- rum, den Zieltext so zu verfassen, dass dieser in der Zielsprache natürlich klingt. Damit meint Low sowohl Register als auch Wortstellung (Low 2005:195). Er kritisiert, dass viele Übersetzer/innen diese Kategorie zu sehr vernachlässigten:

English classical singers have all encountered the oddly stilted versions of German Lieder which were in print decades ago (and sometimes still are). These manifest a kind of transla- tionese which results from failure to assess the naturalness of both ST and TT, allied per- haps with insistence that semantic accuracy is the sole goal. (Ibid.)

Der Aspekt der Natürlichkeit in der Übersetzung ist für Low besonders wichtig, da Lieder vom Zuhörer bzw. von der Zuhörerin beim ersten Hören verstanden werden sollten. An- ders als schriftliche Texte können Lieder in vielen Fällen nicht sofort erneut rezipiert wer- den; ein zu unnatürlicher Text würde für die Zuhörer/innen daher zusätzlichen Aufwand für das Verstehen bedeuten (ibid.:195f.).

Rhythmus

Diesen Bereich sehen Apter/Herman als größte Herausforderung einer Liedübersetzung, da der Zieltext zu Musik geschrieben werden muss, die zum Rhythmus einer anderen Sprache komponiert wurde (Apter 1985:316). In der Regel wird zuerst ein Libretto geschrieben und anschließend die Musik dazu komponiert. Die Musik ist daher normalerweise auf Merk-

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17 male der jeweiligen Sprache wie Prosodie, Metrik und Phraseologie abgestimmt (Kaindl 2002:20).

Der Rhythmus eines Liedes wird durch die Silbenzahl im Text sowie durch die Länge der Noten und deren Akzentsetzung bestimmt (Low 2005:197f.). Für die Übersetzung reicht es nicht, allein das Versmaß des Ausgangstextes zu reproduzieren, da auch auf Notenlängen und Pausen geachtet werden muss. Eine musikalische Pause fällt bei der Betrachtung des Textes allein nicht auf. In diesem Zusammenhang sollte darauf geachtet werden, dass die Pause kein Wort trennt (ibid.). Die musikalische Akzentsetzung nicht zu beachten, kann dazu führen, dass Wörter unnatürlich klingen oder gar ihre Bedeutung verändern (ibid.

2008:14). Ein illustratives Beispiel ist der französische Satz aller mourir dans le désert. Ist das Wort désert in der Musik auf der letzten Silbe betont und wird ins Englische als to go and die in the desert übersetzt, so wird aus der Wüste der Nachtisch (ibid.).

Bei der Übertragung des Rhythmus können darüber hinaus sprachenspezifische Probleme entstehen, da manche Sprachen generell Wörter mit mehr oder weniger Silben beinhalten.

Apter/Herman berichten von Problemen bei der Übersetzung ins Englische:

In English, most of the basic word stock has been worn down to monosyllables. Simple concepts and strong emotions, both abundant on the musical stage, usually call for mono- syllabic words. “Passion” is usually not a substitute for “love,” nor is “bipedal appendages”

for “legs.” Yet many works are written in languages in which simple and emotional words are multisyllabic. (Apter/Herman 2016:182)

Des Weiteren ist es manchmal notwendig, gewisse Wörter mit bestimmten Noten zu ver- binden (ibid.:17). Neben dem Rhythmus der Originalsprache gibt es noch die Akzentset- zungen der Musik zu beachten. In einem Viervierteltakt liegt die Betonung üblicherweise auf dem ersten und dem dritten Schlag, während der zweite und der vierte unbetont bleiben (ibid.:184). Einen weiteren Aspekt der Prosodie bezeichnen Apter/Herman als „bur- den“ (ibid.:17). Diese Eigenschaft beschreibt die relativen und absoluten zeitlichen sowie körperlichen Anforderungen für die Aussprache oder das Singen von Silben (ibid.:184).

Die absoluten Anforderungen beziehen sich auf die Mindestdauer, die für das Singen einer Silbe erforderlich ist. Relative Anforderungen berücksichtigen die Dauer von nebenstehen- den Silben: Wird eine betonte Silbe nicht lange genug gehalten, kann sie neben einer unbe- tonten Silbe seltsam klingen (ibid.). Zum Beispiel würden Apter/Herman in einem Vier- vierteltakt das Wort „strengthen“ nicht so setzen, dass „strength-“ während des ersten Schlages und „-en“ während der letzten drei Schläge gesungen wird. Dasselbe Wort über

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18 drei Takte mit „strength-“ auf acht Schlägen und „-en“ auf drei Schlägen wäre hingegen kein Problem (ibid.:185). Ein weiterer Faktor ist die Anzahl an Konsonanten innerhalb und neben einer Silbe. Die Wörter „lot“ und „blast“ bestehen beide aus einer Silbe, der Vokal in „blast“ ist jedoch von drei Konsonanten umgeben und kann daher nicht so schnell aus- gesprochen werden wie „lot“ (ibid.). Vgl. Apter/Herman (ibid.:184ff.) für eine kurze Dar- stellung von sprachenspezifischen Problemen sowie Strategien bei Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Englische.

Auf den Rhythmus eines Ausgangstextes zu achten, bedeutet für Low Treue gegenüber der Komponistin/dem Komponisten. Es ist zwar wünschenswert, im Zieltext dieselbe Silben- zahl beizubehalten, ein solches Vorgehen sieht Low jedoch als „too rigid“ (Low 2005:196).

In manchen Fällen erlaubt der Pentathlonzugang eine minimale Änderung der Silbenzahl als unproblematisch (ibid:197). Bei Rezitativen ist ein Hinzufügen oder Entfernen von Sil- ben durchaus denkbar, bei lyrischen Stellen weniger (ibid.). Übersetzer/innen können die Silbenzahl so abändern, dass die Melodie nicht oder nur kaum verändert wird. Selbst klei- ne Veränderungen der Melodie sind nicht auszuschließen, wenn dadurch der Sinn besser übertragen werden kann oder eine natürlichere Wortfolge erreicht wird (ibid.). Zur Veran- schaulichung von möglichen Veränderungen dient eine Abbildung von Apter/Herman. Sie fassen sechs Veränderungen zusammen, die Auftraggeber/innen in gering gehaltenem Ausmaß und mit Rücksicht auf die Ästhetik des Werkes üblicherweise akzeptieren (Ap- ter/Herman 2016:17):

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Abb. 1: „Allowable changes to the music“ (Apter/Herman 2016:18)

Bei den ersten beiden Optionen wird eine Note in zwei Noten des nächsten Wertes aufge- spalten bzw. umgekehrt zu einer Note konvertiert. So kann anstelle eines einsilbigen Wor- tes ein zweisilbiges verwendet werden oder umgekehrt. Die nächsten beiden Varianten illustrieren das Hinzufügen oder Wegnehmen von Noten. Variante fünf und sechs verän- dern die Silbenzahl, ohne dabei die Musik zu verändern.

Reim

Die Einstellung zur Frage der Nachbildung des Reimschemas hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. In den meisten frühen Liedübersetzungen wurde sehr viel Wert auf Reime gelegt, was von Richard Wagner heftig kritisiert wurde (Kaindl 2002:20). Komplexe Reimschemata sind in Liedern nur schwer zu verstehen, da Lieder meist ein geringeres Tempo als der Sprechrhythmus aufweisen (ibid.). Wagner kritisierte, dass Übersetzer/innen nicht genug von Musik wüssten und sich zu stark auf absurde Reime konzentrierten, die in

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20 der Musik kaum hörbar waren und die Wortreihenfolge bis zur Unverständlichkeit verän- derten. Zudem wurde der Text unter die Musik gesetzt, ohne die Akzente und den Rhyth- mus der Musik zu beachten (Wagner 1893, zit. n. Low 2008:3). Heutzutage wird mit Rei- men anders umgegangen, was sich in den großteils übereinstimmenden Strategien von Ap- ter/Herman und Low widerspeigelt.

Apter/Herman übersetzen gereimte Ausgangstexte in gereimte Zieltexte, sind jedoch der Meinung, dass dabei das von der Musik vorgegebene Reimschema das Schema des Trans- lats bestimmen soll und nicht das Reimschema des Ausgangstextes (Apter/Herman 2016:188).

So kann die Musik einen Paarreim oder einen Kreuzreim unterstreichen und dadurch das Reimschema des Zieltexts mitbestimmen. Strophen dienen als Gruppierung und Abgren- zung von Inhalten (ibid.). Daher müssen nicht alle Reime übernommen werden, solange diese Funktion erhalten bleibt (ibid.). Der Endreim der letzten Zeile einer Strophe ist am dominantesten, da er aufgrund der meist darauffolgenden Pause heraussticht (Low 2008:8).

Beim Reimschema abab können die a-Reime wegfallen und durch das Schema abcb ersetzt werden. Der Strophenabschluss bleibt somit erhalten (Apter/Herman 2016:188). Auch Low geht mit Reimen bis zu einem gewissen Maß flexibel um, es gebe kein Gesetz, das eine exakte Nachbildung des Reimschemas vorschreibt (Low 2008:7). Nicht nur mit der Häu- figkeit von Reimen, sondern auch mit der Qualität der Reime können Übersetzer/innen Spielraum für die Wortwahl gewinnen. Besteht eine Übersetzerin oder ein Übersetzer nur auf reine Reime, würde er/sie seine Zwangsjacke enger schnüren (ibid.:8). Als Alternative zur Strophenbildung mit reinen Reimen können Übersetzer/innen sich der „rhyme‟s cous- ins“ (Apter/Herman 2016:192) bedienen. Dazu zählen unreine Reime, Konsonantenreime, Alliteration oder Assonanz - Vokalreim (ibid.:192ff.).

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1.4 Translation vs. Adaption

Aus den vorangehenden Kapiteln wird deutlich, dass die Übersetzung von Liedern eine besondere Herangehensweise erfordert, dazu zählt auch ein anderer Umgang mit Inhalten als bei der Übersetzung von Texten, die nicht an Musik gekoppelt sind. Ein flexibler Um- gang mit semantischen Elementen des Ausgangstextes lässt die Frage nach einer Definition von Translation und einer Grenze zu Adaption aufkommen. Die Komplexität dieser Frage- stellung spiegelt sich in den unterschiedlichen Sichtweisen und teilweise vagen Aussagen von Vertreter/innen der Translationswissenschaft wider.

Eine mögliche Definition für Adaption ist die Veränderung von Inhalten aus dem Original, während bei Übersetzungen der Inhalt beibehalten wird. In Bezug auf die Frage, ob bei Liedübersetzungen Inhalte verloren gehen oder verändert werden, bezeichnet Golomb jeg- lichen Akt des Übersetzens als „Opfer“: Das Original wird aufgegeben und durch ein Translat ersetzt (2005:122). Während des Translationsprozesses wird eine Reihe von Ele- menten „geopfert“: „sound for sense, accuracy for elegance, fidelity to a source text for communication with a target audience etc. etc.“ (ibid.). Dennoch ist Golomb – und viele andere Vertreter/innen der Translationswissenschaft – der Ansicht, dass Liedübersetzungen eine größere Herausforderung darstellen als herkömmliche Übersetzungsformen und daher bei der Bewerkstelligung dieser Aufgabe inhaltliche Abweichungen als Translation akzep- tiert werden, die bei anderen Textsorten inakzeptabel wären. Nach Low sind Kompromisse für die Anfertigung singbarer Übersetzungen aufgrund der Komplexität der Aufgabe nicht optional, sondern essentiell (Low 2013:230). Auch für Eugene Nida sind gewisse Ab- striche für ein erfolgreiches Ergebnis notwendig: „Because of the severe restrictions form places upon the song translator, he must make certain adjustments in order to accomplish anything at all“ (Nida 1964:177). Franzon sieht Adaption als potenziell einzige Option bei der Übertragung von Liedern in eine andere Sprache: „In song translation, adaptation may well be the only possible choice“ (Franzon 2005:265). Eine weitere mögliche Beschrei- bung der Übertragung von Liedern in eine andere Sprache ist für Franzon (2005:264) der von Jakobson geprägte Begriff „creative transposition“ (Jakobson 1966/1959:238), den Jakobson als einzige Möglichkeit für die Übersetzung von Gedichten nutzte (ibid.). Fran- zon unterscheidet in seinem Zugang zur Musicalübersetzung zwischen fidelity und format (2005:266). Fidelity steht dabei nicht nur für die inhaltliche Relation zum Original, son- dern auch für die Nachbildung gewisser Eigenschaften des Liedtexts: Reime, Vokallaute sowie semantische, stilistische, oder narrative Inhalte (ibid.). Format bedeutet „functional

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22 design of a text for a presentational situation that involves non-verbal elements“ (ibid.), also der Einsatz der Elemente der fidelity in einer Weise, die mit dem Genre der Auffüh- rung vereinbar ist. Zwar müssen alle Übersetzungen für ihre Präsentation formatiert wer- den, im Bereich der audiovisuellen und multimodalen Übersetzung hat das Format jedoch eine übergeordnete Rolle, um als Zieltext in einer Zielkultur funktionieren zu können (ibid.). Das Erreichen von fidelity wird dadurch zu einer selektiven Aufgabe (ibid.). Die Übersetzerin/der Übersetzer eines Musicals arbeitet daher nicht nur als melodische/r Dich- ter/in, sondern auch als Dramatiker/in (ibid.:294). Franzon kommt in seinem Artikel zu dem Schluss, dass „what may once have been a perfect union can in translation only be a functionally balanced compromise“ (ibid.:292). Wie im vorigen Kapitel beschrieben, wä- gen Liedübersetzer/innen die unterschiedlichen Elemente eines Liedes ab und entscheiden dementsprechend über ihre Vorgangsweise. Sie wandern von einer „textual- semantic“ Ebene (ibid.:292) auf eine „contextual-functional“ Ebene (ibid.), um auf diese Weise dem Ausgangstext und dem Zielpublikum gerecht zu werden.

Lows Verständnis von Adaption geht mit einer Forderung nach einer Erweiterung des Be- griffs Übersetzung einher, der einen freien Umgang mit unbedeutenden Details erlaubt und gleichzeitig dem Ausgangstext halbwegs treu bleibt (Low 2013:230). Bei einer Liedüber- setzung kommt es zu einem umfangreichen Transfer des Ausgangsmaterials mit einem halbwegs hohen Grad an semantischer Treue (ibid.:231). In Franzons Artikel findet Low ein Beispiel für eine akzeptable inhaltliche Abweichung – dasselbe Beispiel zitieren Ap- ter/Herman (2016:58) als eine Veränderung, die noch keine Adaption ausmacht. Ein Ver- gleich mehrerer Übersetzungen in unterschiedliche Sprachen von Bertolt Brechts Die See- räuber-Jenny aus der Dreigroschenoper zeigt, dass die Anzahl der Segel und Kanonen eines Schiffes in allen Versionen stark variiert (Franzon 2005:264). Diese Anzahl ist für den Verlauf der Erzählung irrelevant. Adaption ist für Low ein Zieltext, bei dem bedeuten- de Inhalte hinzugefügt, weggelassen oder verändert werden. Ausschlaggebend dabei ist, dass diese Änderungen für die Übersetzung unnötig sind und willentlich vorgenommen werden (Low 2013:230). Für ihn scheint eine Grenze zwischen Adaption und Translation daher klar erkennbar. Er zählt Neuversionen von Liedern, deren Zieltext frei zu existieren- der Musik geschrieben wurde, nicht zum Bereich der Translation und sieht dafür auch kei- nen Platz in der Translationswissenschaft:

I note in passing that some people ignore sense altogether: they take a foreign song-tune and devise for it a set of TL words which match the music very well but bear no semantic

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23 relation with the ST. While this may at times be good and appropriate, it is not translating, because none of the original verbal meaning is transmitted. Such practices have no place in discussions of translation. (ibid. 2005:194)

Apter/Herman stimmen Low in diesem Punkt zu (Apter/Herman 2016:58). Die Frage nach einer Grenze zwischen Adaption und Translation beantworten sie im Kontext von Opern und ähnlichen dramatischen Werken mit „not changing anything major in the origi- nal“ (Apter/Herman 2016:58). Sie beschreiben einige konkrete Fälle von Adaption, die allerdings nicht zwangsläufig mit einem Sprachtransfer einhergehen. Unvollständige Wer- ke werden etwa aufgrund des Ablebens einer Komponistin oder eines Komponisten vor der Fertigstellung adaptiert (ibid.). Wird aus mehreren Versionen eines Stücks ein neues Stück, das Elemente aus mehreren Versionen aufnimmt, ist das für Apter/Herman eine weitere Form der Adaption (ibid.:59). Werke, deren Handlung in die Gegenwart der Zielkultur übertragen wird, stellen auch eine Form der Adaption dar. Die Gründe für solche Adaptio- nen sind häufig künstlerischer und/oder kommerzieller Natur (ibid.:60). Eine Art der Adaption, die Apter/Herman mit dem Sprachtransfer und direkt mit dem/der Übersetzer/in verbinden, ist das Verändern von Inhalten, die das Publikum eventuell nicht toleriert. Bei- spiele dafür sind Antagonisten, die ungestraft davonkommen oder rassistische und sexisti- sche Inhalte (ibid.). Als letztes stellen die beiden Autoren von Übersetzer/innen vorge- nommene strukturelle Veränderungen als Ausbesserung von subjektiv wahrgenommenen Mängeln im Originalwerk vor (ibid.:64). Für die letztgenannte Variante führen sie selbst angefertigte Adaptionen an (ibid.:64f.; vgl. zudem Apter/Herman 2016:58ff. für eine Dis- kussion der genannten Fälle von Adaption mit Beispielen).

Den von Low zitierten Fall, zu bestehender Musik einen neuen Text zu erstellen, definiert Franzon zwar linguistisch betrachtet nicht als Translation, sondern als ein „result of impor- tation and marketing of musico-verbal material between languages and cultures“ (Franzon 2008:380); er bezeichnet diesen Vorgang aufgrund des sprachlichen und kulturellen Trans- fers dennoch als eine translatorische Handlung. Bei Susam-Sarajeva stößt Low mit seiner Haltung, Texte, die semantisch nichts oder nur wenig mit dem Original gemeinsam haben, in der Translationswissenschaft nicht zu berücksichtigen, auf Kritik:

[…] ignoring such practices might mean missing out on very illuminating cases, both in terms of intercultural communication and of the social, cultural and linguistic practices prevalent in a given target system. (Susam-Sarajeva 2008:189)

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24 In ihrer Monographie behandelt sie u.a. solche Neuversionen als Translation (vgl. ibid.

2015:97ff.). Auch andere Vertreter/innen betrachten solche Fälle als Translation. Senem Öner (2008) beschreibt einen Fall von kurdischen Volksliedern, die ins Türkische übertra- gen wurden. In keinem der Lieder wurde versucht, „to achieve a complete transfer of con- tent from the source lyrics“ (ibid.:240), stattdessen wurden Bezüge zur kurdischen Kultur, die in den Originalen nicht vorkommen, wie die Nennung von Orten oder kurdischen Volkstänzen hergestellt (ibid.:237f.). Die Autorin behandelt die türkischen Versionen als Übersetzung, der Begriff adaptation kommt in Öners Artikel nicht vor.

Für etwas mehr Differenziertheit bei diesem Thema wird hervorgehoben, dass Ap- ter/Herman ihre Aussagen zu dieser Frage im Kontext von Opern und ähnlichen Kunstfor- men tätigen. Low wendet seinen Zugang für alle Formen der Liedübersetzung an, während Susam-Sarajeva ihre Überlegungen zwar generell zur Liedübersetzung ausführt, selbst je- doch in den Genres der Populär- und Volksmusik arbeitet (vgl. Susam-Sarajeva 2006;

2015). Wie Franzon beschreibt, können in den unterschiedlichen Kunstszenen jeweils ei- gene Tendenzen beobachtet werden. Er bezeichnet die Beziehung zwischen Original und Zieltext im kommerziellen Musikmarkt als „often arbitrary“ (Franzon 2005:265), die Treue zum Original steht hinter dem Ziel einer erfolgreichen Produktion (ibid.:267f.). Demge- genüber steht ein „relative respect for the author in theatrical contexts“ (ibid.:265), die lite- rarische Integrität von Liedern in diesen Genres bleibt in der Regel Priorität. Musicals setzt Franzon in die Mitte des Spektrums zwischen kommerzielle Popsongs und literarische Liedformen (ibid.).

Der willkürliche Umgang mit Inhalten aus dem Original bei Popsongs lässt sich bei einem von Heloísa Pezza Cintrão (2009) untersuchten Fallbeispiel erkennen. Es handelt sich da- bei um Lieder des brasilianischen Musikers Gilberto Gil, der viele Lieder aus dem Engli- schen ins brasilianische Portugiesisch und einige seiner eigenen Lieder aus dem brasiliani- schen Portugiesisch ins Englische übertrug. Im Detail stellt Cintrão Gils Version von Ste- vie Wonders I just called to say I love you dem Original gegenüber und versucht Gils Ent- scheidungen, teilweise durch Aussagen in Interviews, nachzuvollziehen (Cintrão 2009:819ff.). Für den Vergleich der zwei Versionen gliedert sie die Strophen in semanti- sche Felder und vergleicht Original mit Neuversion. Der untersuchte Einzelfall ist für Cintrão klar eine Adaption und keine Übersetzung. Gils Version bewegt sich zwar groß- teils in denselben Themenfeldern wie das Original, was für sie jedoch nicht ausreicht, um diese als Translation zu sehen (ibid.:823ff.).

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25 Ein Beispiel für den in der Mitte zwischen Popmusik und literarischen Genres angesiedel- ten Fall Musical findet sich bei Stella Sorby. Sie beschreibt einen weiteren Grund für die Veränderung von Inhalten: das Copyright. 1997 erschien in Hong Kong eine erfolgreiche kantonesische Musicalproduktion, die an George Bernard Shaws Pygmalion und dem Broadway Musical My Fair Lady angelehnt war. Das ursprünglich als Übersetzung des Broadway Musicals geplante Projekt musste angepasst werden, da das Copyright es verbot, das Stück in einer anderen Sprache als Englisch aufzuführen (Sorby 2011:59f.). Dieses Beispiel weist einerseits einen hohen Grad an Treue für die Originalhandlung auf, während viele andere Elemente an örtliche und kulturelle Gegebenheiten angepasst wurden. Die Adaption hielt sich nah an die Handlung, Figuren und viele Szenen, wurde aber kulturell, zeitlich, örtlich und sprachlich nach Hong Kong verlegt (ibid.:59). So wurde beispielsweise der Taishan-Dialekt als Repräsentation für die Unterklasse und das Kantonesische und Englische für die Oberklasse verwendet, was die Realität Hong Kongs während der Kolo- nialzeit widerspiegelt (ibid.:63). Das ergab den Vorteil, Wortspiele mit diesen drei Spra- chen einbauen zu können. Dem Protagonisten und der Protagonistin wurden chinesische Namen gegeben, die phonetisch an die englischen Namen angelehnt sind und semantisch die Charakterzüge unterstreichen und gleichzeitig doppeldeutige Wortspiele zwischen dem Taishan-Dialekt und dem Kantonesischem erlaubten (ibid.:62f.). Wie Franzon, befindet auch Sorby den Erfolg beim Zielpublikum als einen wesentlichen Punkt, nach dem sich Übersetzer/innen richten sollten:

Musicals are products for consumer-oriented popular arts entertainment, and therefore the translators‟ prime considerations are to ensure their artistic and commercial appeal to the audience. (Ibid.:69)

Die Frage nach Translation oder Adaption ist für Sorby sekundär, es gibt für sie keine Trennlinie zwischen Translation und Adaption, sondern „a cline of natural interaction between them“ (ibid.).

Die Frage nach einer Definition von Translation und Adaption im Kontext von Musik kann nur für einige Vertreter/innen klar beantwortet werden. Apter/Herman mit ihrem langjähri- gen Hintergrund in Opernübersetzung beschreiben konkrete Beispiele von Adaption und scheinen für sich eine Grenze definieren zu können, diese liegt bei groben inhaltlichen Veränderungen, die nicht unbedingt an den Sprachtransfer gekoppelt sein müssen. Wäh- rend Lows Verständnis von Translation eng an die inhaltliche Relation zum Ausgangstext gekoppelt ist, fordert Susam-Sarajeva ein weiteres Verständnis von Translation. Cintrão

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26 nimmt eine weniger radikale Stellung als Low ein. Franzon und Sorby hingegen sehen eine Unterscheidung für Lieder als wenig relevant bzw. kaum erkennbar. Diese Ansichten re- flektieren zwar teilweise die vorgestellte Unterscheidung nach Genres, die zitierten Au- tor/innen selbst haben diesen Genrekategorien bei ihren Erläuterungen keine Bedeutung geschenkt. Dennoch kann die Einteilung nach Genres nicht als allgemeingültige Grenze gesehen werden, die angeführten Beispiele reichen dazu auch bei weitem nicht aus. Aus diesem Kapitel geht jedoch hervor, dass nur darüber Einigkeit herrscht, dass inhaltliche Elemente bei Liedübersetzungen nicht wie bei anderen Textsorten oberste Priorität haben.

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1.5 Abschließende Bemerkung

In diesem Kapitel wurde die Liedübersetzung als ein Sonderfall von Übersetzung vorge- stellt. Durch die Komplexität, die ein Text durch die Verbundenheit mit Musik erlangt, gelangten Lieder erst relativ spät vermehrt ins Blickfeld von Translationswissenschaft- ler/innen. Lieder erfordern besondere Strategien und interdisziplinäre Kenntnisse, um er- folgreich in eine andere Sprache übertragen zu werden – den Ausgangstext alleine zu be- trachten ist nicht ausreichend. Die Musik ist ein integraler Bestandteil eines Liedes, deren Verständnis und Berücksichtigung für den Zieltext notwendig ist. Schließlich wurde fest- gestellt, dass die Definition von Translation im Zusammenhang mit Musik eine andere Form als bei Texten ohne Musik annimmt. Die Charakteristika der Liedübersetzung bedin- gen einen flexiblen Umgang mit dem Inhalt und eine Balance mit formalen Elementen wie Reim und Rhythmus gewinnt stark an Bedeutung. Zudem ging hervor, dass in der Transla- tionswissenschaft Uneinigkeit über die Definition von Translation und Adaption herrscht.

Das Thema Liedübersetzung ist mit den hier angesprochenen Aspekten nicht ausgeschöpft.

Das übergeordnete Thema Translation und Musik stellt ein noch umfassenderes Feld dar, das sich nicht nur auf das Übersetzen von Liedtexten beschränkt. Die Internetseite des Pro- jektes Translating Music (Translating Music 2013a) beinhaltet eine umfassende Bibliogra- phie mit weiterführender Literatur, die regelmäßig aktualisiert wird (Translating Music 2013b). Vgl. auch Franzon et al. (2008) für eine weitere Bibliographie zum Thema Trans- lation und Musik.

Im ersten Kapitel wurde der visuelle Aspekt von Liedern noch ausgeklammert. Videoclips, Bühnenbild und Performance sind wichtige Elemente für viele Formen von Liedern. Low würde für Opern seinen Zugang zu einem „Hexathlon“ erweitern und eine sechste Diszip- lin einführen, die „dramatic effectiveness“ (Low 2005:211), auf die er nicht näher eingeht.

Apter/Herman sprechen in diesem Zusammenhang von einer dritten Gruppe von Zeichen – zusätzlich zu Worten und Musik – die als solche dramatische Wirkung gesehen werden kann: die Gruppe der visuellen Zeichen. Sie beinhaltet Elemente wie Bühnenbild, Requisi- ten, Kostüme, Schminke, die Körper der Schauspieler/innen sowie Gestik und Mimik (Ap- ter/Herman 2016:5). In Filmen, Serien oder Videoclips können diese visuellen Elemente nicht verändert werden, was eine zusätzliche einschränkende Komponente für die Überset- zung darstellt. Die Stimme der Figuren und ihr Beitrag zur Charakterisierung stellt für Synchronisationen eine vierte Zeichengruppe dar (ibid.). Diese Aspekte und ihre Bedeu- tung für die Übersetzung werden im anschließenden Kapitel vorgestellt.

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Text, Musik und Bild: Synchronisation als multimodale 2

Übersetzung

In diesem Kapitel wird zunächst die Theorie der Multimodalität von Gunther Kress und Theo van Leeuwen in ihren Grundzügen wiedergegeben, um darauf aufbauend die Analyse multimodaler Texte nach Anthony Baldry und Paul Thibault zu erläutern. Anschließend werden multimodale Analysen aus der Translationswissenschaft vorgestellt. Schließlich wird die Funktion von Filmmusik beleuchtet und auf Synchronisationsaspekte eingegangen, um alle relevanten Modi und Charakteristika für die Übersetzung von Liedern in Filmen so gut wie möglich zu berücksichtigen.

2.1 Multimodalität

Kress und van Leeuwen definieren Multimodalität als „the use of several semiotic modes in the design of a semiotic product or event, together with a particular way in which these modes are combined“ (Kress/van Leeuwen 2001:20). In ihrem Werk Reading Images. The Grammar of Visual Design (1996) beschreiben sie visuelles Design – in der ersten Ausga- be auf statische Bilder bezogen und in der zweiten um bewegte Bilder erweitert – als sozi- okulturell geprägte Sprache mit eigenen Mitteln für die Organisation von Inhalten. Sie ver- suchten darin eine Terminologie für alle semiotischen Modi zu gründen, was sich in ihrem später veröffentlichten Werk Multimodal Discourse. The Modes and Media of Contempo- rary Communication (2001) als Theorie der Multimodalität manifestierte. Dieses Werk war ursprünglich als Diskussion unterschiedlicher Modi und als Anleitung für eine multi- modale Analyse geplant (ibid.:vii), wurde jedoch zu einem Entwurf einer übergreifenden

„language of multimedia“ (ibid.). Sie möchten den unterschiedlichen Modi keine festen Ausdrucksmöglichkeiten zuschreiben – z.B. das Bildgeschehen in einem Film für die Handlung, Musik für Emotionen etc. –, sondern allgemeine semiotische Grundlagen für alle Modi beschreiben (ibid.:2). Dieses Vorhaben ergibt sich aus der Annahme, dass Aus- drucksmöglichkeiten sich mit der Zeit verändern und kulturell geprägt sind.

Das Fundament ihrer Theorie der Multimodalität bildet die soziale Semiotik nach Michael Halliday (1978). Dieser sieht die Entstehung sprachlicher Zeichen nicht als arbiträren Pro- zess, sondern als sozial motiviert: „language is as it is because of the functions it has evol- ved to serve in people‟s lives“ (ibid.:4). Sprachliche Zeichen erfüllen nach Halliday immer drei Metafunktionen. Die erste Funktion bildet die „ideational metafunction“, sprachliche

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29 Zeichen drücken Ideen und Gedanken aus. Die zweite Metafunktion ist die „interpersonal metafunction“: Zeichen stellen Personen in soziale Interaktion zueinander. Als letzte Funk- tion ordnet Halliday Zeichen die „textual metafunction“ zu: Zeichen verbinden die Gedan- ken und Interaktionen zu kohärenten Texten (ibid.:112). Diese drei Metafunktionen über- tragen Kress/van Leeuwen (2010/2006:42f.) auf die Bildgestaltung und schreiben dieser ebenso eine kulturelle und historische Prägung zu (ibid.:2). Zudem erweitern sie die tradi- tionelle linguistische Ansicht, dass Botschaften aus einer Ausdrucks- und einer Inhaltsseite bestehen, zu vier Strata, aus denen die Bedeutung multimodaler Texte entsteht und die keiner Hierarchie unterliegen (ibid. 2001:4). Inhalt setzt sich demnach aus Diskurs und Design zusammen, während Ausdruck durch Produktion und Distribution realisiert wird (ibid.:20). Ferner ordnen sie Modi zu Diskurs und Design sowie Medien zu Produktion und Distribution zu (ibid.:21).

Diskurs steht für „socially situated forms of knowledge about (aspects of) ty“ (ibid.:20) und kann auf unterschiedliche Weise in unterschiedlichen Modi repräsentiert werden. Ein Thema kann in einer Filmdokumentation, einer Podiumsdiskussion etc. be- handelt werden (ibid.:5). Modi definieren die zwei Autoren als „semiotic resources which allow the simultaneous realisation of discourses and types of (inter)action“ (ibid.:21). De- signs sind nach Kress/van Leeuwen Ressourcen, die in allen Modi und ihren Kombinatio- nen verwendet werden, um Diskurs im Kontext einer bestimmten Kommunikationssituati- on zu realisieren. Designs bestimmen die Gestalt eines Textes auf abstrakter Ebene und betreffen noch nicht die materielle Produktion. Mit Beispielen verdeutlichen sie ihr Ver- ständnis von Design: Ein Architekt bzw. eine Architektin designt ein Gebäude – er/sie baut es nicht – mit einem kulturspezifischen Verständnis von Wohnen. Das Verständnis von Wohnen entspricht hier dem Diskurs und das Design bestimmt die Gestaltung dieses Dis- kurses in Form eines Hauses, einer Wohnung oder einer anderen Form der Unterkunft (ibid.:6). Ein weiteres Beispiel für Design ist ein Autor/eine Autorin, der/die einen Thriller schreibt und neben Sprache auch vom Modus der Erzählung Gebrauch macht, um sein/ihr Buch zu gestalten. Das Medium, in diesem Fall das Buch, ist vom Modus der Erzählung unabhängig und kann in verschiedenen Medien realisiert werden (ibid.). Medien definieren Kress/van Leeuwen als Materialien und Werkzeuge für die Produktion von semiotischen Produkten oder Ereignissen (ibid.:22). Die materielle Verwirklichung dieser Produkte und Ereignisse stellt das Stratum der Produktion dar; ihre technische Reproduktion und Ver- breitung das Stratum der Distribution (ibid.:6).

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