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Zweiter Abschnitt. Finanzen und Organisation

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Zweiter Abschnitt

Finanzen und Organisation

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Förderung der ländlichen Räume durch die Europäische Union

I. Die Bedeutung der Förderung ländlicher Räume und die Rolle der Kommunen – eine Einführung

Die Europäische Union investiert jährlich etwa 13,65 Mrd.€in die För- derung ländlicher Räume1. Ohne den Begriff des ländlichen Raums unionsrechtlich zu definieren2knüpft diese Förderung sowohl an die Gemeinsame Agrarpolitik als auch an die Kohäsionspolitik als Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhangs an. Anhaltspunkte für die Abgrenzung bieten zum einen die maßgebliche land- und forst- wirtschaftliche Nutzung ländlicher Räume sowie in Abgrenzung zu städtischen Gebieten die Bevölkerungsdichte in Abhängigkeit von durchschnittlichen regionalen Grenzwerten3.

Das Hauptinstrument zur Umsetzung der Förderung ist der Europä- ische Landwirtschaftsfonds ELER, der Mittel zur Kofinanzierung bestimmter öffentlicher oder privater Projekte auf der Grundlage eines gestuften Programmplanungsprozesses zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten bereitstellt. Hier könnte sich also grundsätz- lich eine Chance für die Kommunen bieten, EU-Mittel gestalterisch ein- zusetzen und eigene Ideen zur Förderung ländlicher Räume zu entwi-

1Vgl. die Übersicht über die Aufteilung der Unionsförderung für die Entwicklung des ländlichen Raums (20142020) in Anhang I der VO (EU) Nr. 1305/2013 des Euro- päischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Förderung der länd- lichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwick- lung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1698/2005, ABl. EU 2013 Nr. L 347/487 (ELER-VO). Deutschland erhält jährlich rund 1,17 Mrd.aus dem ELER, die auf die Bundesländer aufgeteilt werden.

2S. Art. 50 ELER-VO (Fn. 1):Für die Zwecke dieser Verordnung definiert die Ver- waltungsbehörde den Begriff ,ländliches Gebietauf Programmebene. Die Mitglied- staaten können für eine Maßnahme oder eine Vorhabensart eine solche Definition festlegen, falls dies hinreichend gerechtfertigt ist.

3Zum Begriff, seiner fehlenden primär- oder sekundärrechtlichen Definition und unterschiedlichen AbgrenzungsansätzenMartinez, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU- Vertrag, 5. Aufl. 2016, Art. 40 Rn. 40 ff.

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ckeln. Dies ist jedoch nur in Ansätzen der Fall, da die Kommunen und ihre Selbstverwaltungsmöglichkeiten und -zuständigkeiten nicht gezielt von der unionalen Förderung in den Blick genommen werden und ihnen keine zentrale Rolle bei der Konzeption der Förderung länd- licher Räume zugeschrieben wird. Eine solche Beobachtung deckt sich mit der ebenfalls nur zurückhaltenden Anerkennung und Verankerung kommunaler Selbstverwaltung im europäischen Primärrecht4.

Adressaten einer Förderung durch den ELER sind vielmehr nicht die ländlichen Räume selbst, sondern die Mitgliedstaaten und ihre nächst- kleineren Gebietseinheiten, d. h. in Deutschland die Bundesländer, in gestuften Programmplanungsprozessen. Ob und inwiefern die Kommu- nen insbesondere in ländlichen Gebieten selbst auf Mittel aus den Strukturförderprogrammen zugreifen können, hängt damit vorrangig von der nationalen Umsetzung und Ausgestaltung der Förderung ab.

Bettina Schöndorf-Haubold

4Zwar hat die kommunale und lokale Ebene durch den Vertrag von Lissabon insofern eine Aufwertung erfahren, als gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV die regionale und lokale Selbstverwaltung als Ausdruck nationaler Identität von der Union zu achten ist.

Bereits die Perspektive der Norm ist jedoch eher die einer auf die Identität der Mit- gliedstaaten bezogenen Kompetenzwahrungsgarantie denn einer auf die Kommu- nen selbst bezogenen Anerkennung als eigenständige demokratische Selbstverwal- tungseinheiten mit spezifischen Hoheiten; auch den Bundesländern und Regionen bleibt eine solche Anerkennung als eigenständige Akteure europäischer Politikge- staltung ja weitgehend verwehrt. Gehalt und Reichweite von Art. 4 Abs. 2 EUV werden daher unterschiedlich bewertet. Ob der Norm jenseits ihrer Bedeutung als Kompetenzschranke für die Europäische Union auch ein eigenständiger Gewähr- leistungsgehalt kommunaler Selbstverwaltung zugeschrieben werden kann, er- scheint eher fraglich; so auch Puttler, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl., Art. 4 Rn. 18 ff.; offener vonBogdandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der EU, Art. 4 EUV Rn. 17 (EL 51 September 2013); weitergehend in Bezug auf den VerfassungsvertragHoffschulte, DVBl. 2005, 202 ff. Auch die Tat- sache, dass Regionen und Kommunen zusammen genannt werden, reduziert den Aussagewert zu Gunsten kommunaler Selbstverwaltung. Letztlich bleibt nicht mehr als einGrundsatz des regionen- und kommunenfreundlichen Verhaltens; dazuCalliess/Puttler/Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl., Art. 4 Rn. 110 mwN. Ähnlich verhält es sich auch mit der Erwähnung der lokalen Ebene in Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV. Einer positiven Aktivierung kommunaler Selbstver- waltung stünden, aber auch Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 3 EUV nicht entgegen; sie würde vielmehr der Anerkennung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch alle Mitgliedstaaten entsprechen; dazuPuttler, a. a. O., Rn. 20 mwN.; zu Ansätzen der Ausbildung gemeinsamer Grundsätze kommunaler Selbstverwaltung in Europa s.Schöndorf-Haubold, Lémergence dun droit com- mun de l’autonomie territoriale en Europe, Revue française d’administration pub- lique (RFAP) 2007, S. 203 ff. Zur ebenfalls nur schwach ausgeprägten institutionel- len Vertretung der Gebietskörperschaften auf der EU-Ebene, d. h. der Regionen ebenso wie der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften,Suhr, in: Calliess/

Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl., Art. 300 Rn. 17 ff.

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Trotz des Gegenstands, der maßgeblich Kommunen in den betreffen- den Räumen betrifft, sind die spezifischen unionsrechtlichen Regelun- gen noch immer weitgehend kommunalrechtsblind. Dies schließt nicht aus, dass lokale Behörden im Rahmen der Partnerschaft berücksichtigt und im Rahmen der Durchführung als ausführende Behörden einge- setzt werden. Im entscheidenden Programmplanungsprozess richtet sich das EU-Recht nach wie vor vorrangig an die Mitgliedstaaten und die Ebene der Regionen, d. h. in Deutschland der Bundesländer.

Das Rechtsgefüge der Förderung ländlicher Räume in der Euro- päischen Union ist komplex und, wie die Agrar- und Strukturförderung in ihrer Gesamtheit, im Turnus der haushaltsrechtlichen finanziellen Mehrjahresplanungen auf der Ebene der EU ständigen erheblichen Reformen unterworfen. So wurden in den vergangenen Jahren mehr- fach Fonds umbenannt, Rechtsgrundlagen vollständig und umfassend ersetzt, Gebietskulissen und Ziele neu zugeschnitten5. Das hieraus ent- standene kaskadenartige Regelungsgeflecht wird von Förderperiode zu Förderperiode komplizierter6: zentrale Verordnungen treffen allge-

5Zur Entwicklung des Rechtsregimes s.Puttler, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Ver- trag, 5. Aufl. 2016, Art. 177 Rn. 3 ff.; zur allgemeinen Entwicklung und Bedeutung der Strukturpolitik s. aus der Sicht der EU den 6. Kohäsionsbericht der Euro- päischen Kommission, Investitionen in Beschäftigung und Wachstum, Förderung von Entwicklung und guter Governance in den Regionen und Städten der EU, Sechster Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, Brüssel 2014, insb. S. 179 ff. und 235 ff.;Puttler, aaO., Art. 174 Rn. 1 ff.;Rossi, Die Kohä- sionspolitik der Union, in: Niedobitek (Hrsg.), EuroparechtPolitiken der Union, 2014, § 5; Kern/Eggers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der EU, Art. 174 AEUV Rn. 1 ff. (EL 57 August 2015);dies., aaO., Art. 177 AEUV Rn. 10 ff.

zum Rechtsrahmen und zu den Zielen;van Rijn, in: von der Groeben/Schwarze/

Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 40 AEUV Rn. 54 ff.;

Mögele, EuR 2016, 490 ff.;Bergmann, Fonds der Europäischen Union, in: ders.

(Hrsg.), Handlexikon der EU, 5. Aufl. 2015, II.; ferner bereitsSchöndorf-Haubold, Die Strukturfonds der Europäischen Gemeinschaft. Rechtsformen und Verfahren europäischer Verbundverwaltung, München 2005, S. 46 ff.; zur Förderung der Ent- wicklung ländlicher RäumePriebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 39 Rn. 37 ff. (Stand: 56. EL 2015);Martinez, Die Gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik der Union, in: Niedobitek (Hrsg.), Europa- rechtPolitiken der Union, 2014, § 6 Rn. 133 ff.;ders., in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl. 2016, Art. 40 Rn. 108 ff.;Norer/Bloch, Agrarrecht, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, G Rn. 152 ff. (Sept. 2011 EL 29).

6S. nur die Hauptverordnungen zur Förderung des ländlichen Raums: die übergrei- fende Dachverordnung VO (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsions- fonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds, sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsions-

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meine und spezifische Regelungen zur Förderung wie auch zu den ein- zelnen Fonds. Mit unzähligen Durchführungs- und delegierten Verord- nungen ergänzt, konkretisiert und ändert die Kommission Text und Anhänge des parlamentarisch gesetzten Rechts. Durchführungsbe- schlüsse listen schließlich Zahlungen auf, die nicht erstattet werden, nicht wiederverwendet werden dürfen, zurückzuzahlen sind. Sie zeu- gen von einer akribischen Kontrolle des allzu undurchsichtigen Rah- mens. Je dichter das Netz der Regulierung gestrickt ist, desto höher wird auch seine Fehleranfälligkeit7. Die Förderung der Entwicklung ländlicher Räume durch die EU stellt für die beteiligten Akteure insbe- sondere auf der föderalen und kommunalen Ebene eine rechtliche Herausforderung dar8.

Diese erste Beobachtung einer zunehmenden Komplexitätssteigerung statt vereinfachenden Konsolidierung ist nicht singulär auf den Bereich der Strukturfonds beschränkt. In einem sich ständig von Grund auf erneuernden fachspezifischen EU-Recht besteht die Gefahr eines Ver- lusts an Transparenz durch Überflutung nicht allein mit Informationen, sondern auch mit schwer zu überschauenden rechtlichen Regelungen und Regelungszusammenhängen, verbunden mit der Gefahr eines Ver- lusts an parlamentarischer Rückbindung durch exzessive exekutivi- sche Steuerung seitens der EU-Exekutive, d. h. insbesondere seitens der Kommission. Entscheidungsspielräume der vor Ort handelnden Verwaltung scheinen einer misstrauensbasierten Überpositivierung weichen zu müssen. Nationale Verwaltungen werden in der Konse- quenz auf Vollzugsorgane reduziert, die durch das Unionsrecht für Bettina Schöndorf-Haubold

fonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 347/320(ESI-VO) sowie die ELER-VO (EU) Nr. 1305/2013 (Fn. 1).

7Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft hat aufgrund der eigenen negativen Erfahrungen mit der Umsetzung der unionalen Förderung der ländlichen Räume in Sachsen einen konstruktiven Vorschlag für eineNeuausrich- tung der ELER-Förderung nach 2020 (ELER-Reset)“(Stand: 21.6.2016) ausgearbei- tet; abrufbar unter https://www.smul.sachsen.de/foerderung/download/Neuaus richtungderELER-Foerderungnach2020_ELER-RESET.pdf.

8So titelte die FAZ am 25.10.2016„Fördern und fördern lassenDie Vergabe und Kontrolle von EU-Fördermitteln erstickt in Bürokratie. Unter Berufung auf Sach- sens Staatsminister für Umwelt und LandwirtschaftThomas Schmidtbeschreibt der Beitrag sowohl den hochkomplexen Förderalltag als auch anschauliche patho- logische Fälle eines fünf Tage zu früh bestellten Pastakochers oder eines irrtümlich günstiger gebraucht gekauften Heizkessels, die nachSchmidtzu einer erheblichen Frustration der potenziell von einer Förderung ländlicher Räume Begünstigten führten. Auf der Grundlage dieser und anderer Erfahrungen hat Sachsen die Initia- tive ergriffen, mit dem Vorschlag zu einer Neuausrichtung auf den Gesetzgebungs- prozess für den nächsten Programmplanungszeitraum einzuwirken (s. Fn. 7).

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unionseigene Zwecke instrumentalisiert werden, ohne dass die Ent- scheidungen als solche eindeutig supranational verortet würden.

Dies kann auch und gerade am Beispiel der Förderung der ländlichen Räume veranschaulicht werden. Hierzu sind zunächst die Förderin- strumente und Förderregime des Unionsrechts vorzustellen, um die Förderung ländlicher Räume in der Europäischen Union in diesen För- derkontext einordnen zu können. Aufbauend auf der Skizze des Ver- fahrens können diese Programmplanungs- und Fördervorgänge euro- päischen Verwaltens dogmatisch eingeordnet und bewertet werden.

II. Ausgangspunkt der Strukturförderung ländlicher Räume

1. Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) als europäischer Investitionsfonds

Das Hauptinstrument zur Förderung der ländlichen Räume durch die Europäische Union ist der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes ELER9. Der Europäische Land- wirtschaftsfonds gehört in der Begrifflichkeit der aktuellen Verordnun- gen nicht zu den sog. Strukturfonds im eigentlichen Sinne. Er ist in einer mit dem Planungszeitraum 2014–2020 neu eingeführten Termi- nologie ein sog. ESI-Fonds, d. h. ein Europäischer Struktur- und Inves- titionsfonds, und damit offensichtlich (nur) ein Investitionsfonds, da in der allgemeinen Dachverordnung ausdrücklich nur der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozial- fonds (ESF) als Strukturfonds bezeichnet werden10. Zusammen mit dem Kohäsionsfonds, mit dessen Mitteln seit 1990 die struktur- schwächsten Mitgliedstaaten mit dem niedrigsten EU-Bruttonational- einkommen (BNE) insbesondere bei Investitionen in Verkehrs- und Umweltinfrastrukturen unterstützt werden11, werden die Struktur- fonds EFRE und ESF als„die Fonds“bezeichnet, während neben dem

9Darüber hinaus erfolgt eine Förderung ländlicher Räume auch durch den EFRE undallerdings nicht in Deutschlandauch mit Mitteln des sog. Kohäsionsfonds;

vgl. allgemein zur Strukturförderung die Nachweise in Fn. 5.

10Art. 1 Abs. 1 ESI-VO 1303/2013 (Fn. 6).

11Zunächst Portugal, Irland, Griechenland, Spanien, später ab 2004 die zehn Bei- trittsländer, dann auch Bulgarien und Rumänien; im Zeitraum 20142020: Bulga-

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ELER auch der Europäische Meeres- und Fischereifonds EMFF (früher EFF – Europäischer Fischereifonds und davor FIAF – Finanzinstru- ment für die Ausrichtung der Fischerei) in den weiteren Rahmen der ESI-Fonds einzuordnen sind. Die Qualifikation des Landwirtschafts- fonds ELER spielt für den Anwendungsbereich der sog. ESI-Verord- nung als Dachverordnung12eine Rolle, die neben allgemeinen Bestim- mungen für alle ESI-Fonds insbesondere auch Regelungen nur für die Strukturfonds im engeren Sinne bzw. für diese und den Kohäsions- fonds enthält.

Die neue Bezeichnung als Investitionsfonds bringt das unionale Bestre- ben zum Ausdruck, den Rückgang der Investitionstätigkeit in der Euro- päischen Union im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanz- krise einzudämmen13. Die ESI-Fonds sollen einen Beitrag zu einem

„intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum“ leisten. In der aktuellen Förderperiode 2014–2020 werden über die ESI-Fonds insgesamt 454 Mrd.€in über 500 Programme investiert, d. h. im Rah- men einer mehrjährigen koordinierten Programmplanung zwischen EU und einzelnen Mitgliedstaaten über kofinanzierte Projekte in den Mit- gliedstaaten bereitgestellt. Sie sind im EU-Haushalt nach Art. 59 der Haushaltsordnung14als Mittel im Rahmen der sog. geteilten Mittelver- waltung veranschlagt und werden regelmäßig von regionalen und loka- len Behörden verwaltet.

Die Förderung der ländlichen Räume durch die EU ist in den Verträgen nicht eindeutig der sog. Struktur- oder Kohäsionspolitik, d. h. der Poli- tik des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts nach Art. 174 ff. AEUV, zugeordnet15. Zwar wird in Art. 175 UAbs. 1 AEUV auch die Abteilung Ausrichtung des Europäischen Ausrich- tungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft als Strukturfonds auf- Bettina Schöndorf-Haubold

rien, Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.

12 ESI-VO Nr. 1303/2013 (Fn. 6).

13 S. XV des 6. Kohäsionsberichts (Fn. 5): Rückgang der öffentlichen Investitionen real um 20 % zwischen 2008 und 2013.

14 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, ABl. EU 2012 Nr. L 298/1; s. auch Art. 37 der delegierten VO (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 12.10.2012 über die Anwendungsbestimmun- gen für die VO (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, ABl. EU 2012 Nr. L 362/1.

15 Zu messbaren Erfolgen dieser Politik vgl. den 6. Kohäsionsbericht (Fn. 5), Kapi- tel 7.

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geführt. Hierbei handelt es sich allerdings um eine überholte Zuord- nung, da es besagte Abteilung Ausrichtung des heutigen Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) nicht mehr gibt, seit sich aus ihr der ELER, d. h. der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, entwickelt hat16.

Die Agrarstrukturpolitik und mit ihr der ELER haben damit eine dop- pelte Funktion einerseits als zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpoli- tik nach Art. 39 AEUV neben den ausschließlich EU-finanzierten Direktbeihilfen an Landwirte im Rahmen der sog. Ersten Säule und andererseits im Verbund der Struktur- und Investitionsfonds mit ihrem entsprechenden Regelwerk über kofinanzierte Maßnahmen aus EU- und mitgliedstaatlichen Mitteln17.

2. Blick auf die Entwicklung der allgemeinen Strukturpolitik

Eine einheitliche Kohäsions- oder Strukturpolitik verfolgt die EU seit der Einheitlichen Europäischen Akte. Die erste allgemeine Struktur- fondsverordnung stammt aus dem Jahr 1988 und markiert den Beginn der ersten Förderperiode von 1989–1993. Mit dem Vertrag von Maas- tricht wurde der Kohäsionsfonds als neues Instrument eingerichtet und die Strukturpolitik mit neuen Verordnungen für den Programmpla- nungszeitraum 1994–1999 neu geordnet18. Seitdem umfassen die Mit-

16Zur Entwicklung vgl. nurPriebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 38 Rn. 43 und Art. 39 Rn. 37 ff. (Stand: 56. EL 2015);

Norer/Bloch, Agrarrecht, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, G Rn. 152 ff.

(Sept. 2011 EL 29).

17Gemeinsam ist den beiden Säulen der Agrarpolitik die geteilte Mittelverwaltung unter Einbindung nationaler und regionaler Zahlstellen und deren Kontrolle im Wege des Rechnungsabschlussverfahrens; vgl. Art. 47 ff. VO (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Finanzie- rung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung verschiedener Verordnungen des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 347/

549; dazu s. nurvan Rijn, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europä- isches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 40 AEUV Rn. 85 ff.; Priebe, in: Grabitz/

Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 40 Rn. 201 ff.

(Stand: 56. EL 2015); zur Verortung der Agrarstrukturpolitik im Bereich der GAP auch Martinez, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl. 2016, Art. 40 Rn. 40 ff., dort auch zu Umschichtungsmöglichkeiten zwischen den Säulen (Rn. 111).

18Zur Entwicklung sowie zum Rechtsregime vgl.Schöndorf-Haubold, Die Struktur- fonds der Europäischen Gemeinschaft (Fn. 5), S. 43 ff.; ferner die Nachweise in Fn. 5.

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tel für die Kohäsionspolitik durchgängig etwa ein Drittel des EU-Haus- halts. Auch für die folgenden Förderperioden von 2000 – 2006 und 2007–2013 wurden 1999 und 2006 neue Verordnungen (je eine allge- meine sowie je spezifische Fondsverordnungen) erlassen und das Rechtsregime grundlegend reformiert19.

2007 wurde der Europäische Landwirtschaftsfonds aus der Abteilung Ausrichtung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft abgekoppelt, aus dem allgemeinen Strukturfonds- rahmen herausgenommen und in ein selbständiges Rechtsregime über- führt, bevor er 2013 im Rahmen der ESI-Verordnung wieder partiell rück-integriert worden ist20.

Mit jedem neuen Rechtsregime wurden Veränderungen der Förderge- bietskulisse und an den Zielen der Förderung vorgenommen. Konstant werden unter einem immer neuen Titel sog. Ziel-1-, Konvergenz- oder weniger entwickelte Gebiete gefördert, deren Pro-Kopf-Bruttoinlands- produkt weniger als 75 % des Unionsdurchschnitts beträgt21.

3. Die Entwicklung des ländlichen Raums als Ziel der europäischen Strukturpolitik

Bis 1999 gab es innerhalb dieses allgemeinen Strukturfondsregimes ein spezifisches Ziel 5b„Entwicklung des ländlichen Raums“bzw.„Ent- wicklung und strukturelle Anpassung in ländlichen Gebieten“, das allerdings ab 2000 in eine allgemeinere Zielsetzung der„Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung der Gebiete mit Struktur- problemen“überführt und von 2007–2013 vom ELER außerhalb des Bettina Schöndorf-Haubold

19 S. zur jüngeren Entwicklung insb. den 6. Kohäsionsbericht (Fn. 5), Kapitel 6;Rossi, Die Kohäsionspolitik der Union, in: Niedobitek (Hrsg.), EuroparechtPolitiken der Union, 2014, § 5 Rn. 4 ff.; ausf. zu Zielsetzungen und Grundsätzen der Förde- rungKern/Eggers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der EU, Art. 174 AEUV Rn. 1 ff. (EL 57 August 2015);dies., aaO., Art. 177 AEUV Rn. 10 ff.

20 Zur Entwicklung des ELER s.Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 39 Rn. 37 ff. (Stand: 56. EL 2015).

21 Diese Regionen erhalten durchgängig über 70 % der Mittel; vgl. den 6. Kohäsions- bericht (Fn. 5), S. 186. Ursprünglich gehörten auch die ostdeutschen Bundeslän- der zu den Ziel-1-Regionen, haben diesen Status allerdings zwischenzeitlich ver- loren, so dass nur noch wenige Regionen in Deutschland als Übergangsregionen einen besonderen Förderstatus genießen. Dies entspricht einem generellen Bestre- ben, die Strukturfondsförderung immer stärker auf weniger entwickelte Regionen zu konzentrierenungeachtet der innerhalb eines stärker entwickelten Mitglied- staats bestehenden innerstaatlichen Disparitäten.

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allgemeinen Regimes verfolgt wurde22. Die Entwicklung des ländlichen Raums war folglich zunächst als eigenes Ziel ausgewiesen, das durch die Abteilung Ausrichtung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) in Kombination mit anderen Fonds (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung EFRE und Europäischer Sozialfonds ESF) gefördert wurde. Von 2007 bis 2013 erfolgte eine Förderung ausschließlich durch den ELER in separa- ten Programmen, bevor sie im aktuellen Förderzeitraum wieder unter einem vereinten Dach über einen sog. Gemeinsamen Strategischen Rahmen und in dessen Konkretisierung durch konzertierte Partner- schaftsvereinbarungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und der Europäischen Union durchgeführt wird, die dann ihrerseits im Wege der mitgliedstaatlichen Programmplanung fondsspezifisch aus- geführt werden.

4. Die Förderung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds ELER

Auf den ELER entfallen etwa 95 Mrd.€ von 2014 – 2020, die im Anhang der ELER-VO nach Jahren auf die Mitgliedstaaten verteilt wer- den. Deutschland kann jährlich über ELER-Mittel in Höhe von 1,178 Mrd.€(2014) bis 1,168 Mrd.€(2020) verfügen23. Die Förderung durch den ELER bezieht sich dabei nicht auf eine festgelegte Förderkulisse, sondern flächendeckend auf alle ländlichen Gebiete in den Mitglied- staaten, deren Definition die ELER-Verordnung den Verwaltungsbehör- den bzw. den Mitgliedstaaten in den jeweiligen Programmplanungsdo- kumenten überlässt24. Im letzten Kohäsionsbericht der Kommission werden als ländliche Gebiete diejenigen„lokalen Verwaltungseinhei- ten mit mehr als 50 % der Bevölkerung in ländlichen Rasterzellen“aus- gewiesen25. Ungeachtet der konkreten Anforderungen der Programm- planung rechnen statistisch knapp 90 % der Fläche Deutschlands zum ländlichen Raum, in dem knapp 30 % der Einwohner der Bundesrepu-

22Es wurde zunächst in Ziel 2 „Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung der Gebiete mit Strukturproblemeneingegliedert, ab 2007 in der all- gemeineren, nicht geografisch festgelegten Kategorie„Regionale Wettbewerbsfä- higkeit und Beschäftigungeingeordnet und unterfällt seit 2014 (nur noch) der räumlichen Auffangkategoriestärker entwickelteGebiete; vgl. den 6. Kohäsions- bericht (Fn. 5), S. 183.

23Vgl. Anhang I der ELER-VO Nr. 1305/2013 (Fn. 1).

24S. Art. 50 ELER-VO Nr. 1305/2013 (wörtlich zitiert in Fn. 2); zum BegriffMartinez, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-Vertrag, 5. Aufl. 2016, Art. 40 Rn. 40 ff.

25Vgl. die Definition aus dem 6. Kohäsionsbericht S. XIII (Fn. 5).

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