Gesundheit als Störungsfreiheit Gesundheit als Wohlbefinden
Gesundheit als Leistungsfähigkeit und Rollenerfüllung Gesundheit als Gleichgewichtszustand (Homöostase) Gesundheit als Flexibilität (Heterostase)
Gesundheit als Anpassung
Dimensionen von Gesundheit
• Keine eindeutigen Definitionen der Zustände „gesund“ und
„krank“
• Klassifikationssysteme (größtes: ICD, International Classification of Diseases, Experten der WHO), aber keine Definition von
„Krankheit“
• Keine juristisch einheitliche Definition, je nach Gesetz;
zentral dabei: laufende Rechtsprechung
SGB V (GKV): „regelwidriger Körper- und Geisteszustand“
• Gesundheit: gleiches Problem. Viele Definitionen;
keine allgemein akzeptiert
Fehlen eindeutiger Definitionen
• Diagnostik einer Erkrankung hängen von technischen Möglichkeiten ab.
o Aids vor Entdeckung des HIV-Virus
• Technische Innovationen (z.B. Kernspintomografie) beeinflussen, ob jemand als gesund oder krank diagnostiziert wird.
• Diagnose durch veränderte Intensität: je intensiver untersucht wird, desto wahrscheinlicher ein Befund.
• Weiterentwicklung in der Therapie: Anerkennung neuer Krankheitsbilder (plastische Chirurgie, z.B. Lippen-Kiefer- Gaumenspalte, andere Anomalien)
Technische Möglichkeiten der
Diagnostik und Therapie
Der durch Fachleute erhobene Befund muss nicht mit dem Befinden, mit dem subjektiven Erleben des Menschen, übereinstimmen.
• Menschen fühlen sich ohne Befund krank.
• Menschen haben gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sie aber in ihrem
Gesundheitserleben nicht beeinflussen.
o Krebs in Frühphase u.U. ohne Beschwerden
o Bluthochdruck: medizinisch kritisch; von Betroffenen nicht als beeinträchtigend wahrgenommen
• Umgekehrt bei psychosomatischen Erkrankungen:
Krankheitserleben bei fehlendem Befund
Diskrepanz zwischen
Befund und Befinden
Diagnosen liegen Normwerte zugrunde. Statistische Normen sind i.d.R. orientiert am durchschnittlichen Vorkommen eines Merkmals in der Bevölkerung. Abweichende Werte müssen aber nicht immer Krankheitswert haben.
• Beispiel Adipositas – starkes Übergewicht.
Grenzwert für das überzählige Fett ist definiert in BMI
(kg/m²) Normalgewicht: 18,5–24,9; Adipositas Grad 1 – 3: 30– ≥ 40;
ABER: Fachwelt uneins, ob Überschreiten Krankheitswert hat, und ob Adipositas selbst eine Krankheit ist.
• Abweichungen in verschiedenen Systemen ohne negative Auswirkungen: Herz auf der rechten Seite, nur eine Niere, niedriger Leukozytenwert.
• 40% der Afrikaner Anomalie der roten Blutkörperchen (Sichelzellenanämie), schützt aber vor Malaria.
Normabweichung ohne
Krankheitswert
• Niedriger Blutdruck („German disease“), Frigophobie (China)
• Neue Krankheiten entstehen, andere verschwinden
• Alkoholismus seit 1968; BSG: Krankheit i.S. des SGB
• Homosexualität
1973 American Psychiatric Association
1980 Restkategorie „ich-dystone Homosexualität“
1987 nicht mehr in DSM III-R (2001 erste Schwulenehe)
• Was in einer Gesellschaft (Kultur, Zeit) als krank gilt und was nicht, ist auch Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Konventionen
Kulturgebundenheit
der Beurteilung
Funktionalität der Symptome kann dazu führen, dass gleiche
Störungen bei der einen Person eine Krankheit darstellen, bei der anderen keine Auswirkungen haben.
• leichte Skoliose, ungleich lange Beine; Berufskrankheiten sind über Funktionalität entstanden: Bäcker – Schuster
Interessengeleitete Definitionsmacht
Möglichst viele Zustände menschlichen Lebens als Krankheiten oder krankheitsriskante Phasen darstellen (Cellulitis? Abstehende Ohren?
Haarausfall? Erektionsstörungen? Sind Pubertät oder Klimakterium per se behandlungsbedürftige Lebensphasen?)
• „Medikalisierung“: naturgemäß zu durchlaufende Phasen werden zu behandlungsbedürftigen Krankheiten
• Schüren der Angst vor der Krankheit?!
• Neue Gesundheitsbewegung ergreift alle Lebensbereiche („Quantified Self“).
Funktionalität der Störungen
• Vielleicht ist eine eindeutige Trennung von Gesundheit und Krankheit gar nicht möglich?!
• Medizinhistorisch strikte Trennung erst durch Sozialversicherung, als Kriterien für Leistungen erforderlich wurden.
• Strikte Trennung heute stärker in Frage gestellt,
keine dichotomen Kategorien mehr, sondern eher Pole eines Kontinuums.
Fazit 1
1. Gesundheit und Krankheit ergeben sich aus einem Wechselspiel von politisch-sozialen und personalen Bedingungen, welches das Gesundheitsverhalten prägt.
2. Die sozialen Bedingungen (Gesundheitsverhältnisse) bilden den Möglichkeitsraum für die Entfaltung der personalen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit.
3. Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit das Stadium des
Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene.
4. Gesundheit und Krankheit als jeweilige Endpunkte von Gleichgewichts- und
Ungleichgewichtsstadien haben eine körperliche, psychische und soziale Dimension.
5. Gesundheit ist das Ergebnis einer gelungenen, Krankheit einer nicht gelungenen Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen.
6. Persönliche Voraussetzung für Gesundheit ist eine körperbewusste, psychisch sensible und umweltorientierte Lebensführung.
7. Fremd- und Selbsteinschätzung von Gesundheits- und Krankheitsstadien können sich auf allen drei Dimensionen – der körperlichen, der psychischen und der sozialen ¬ voneinander unterscheiden.
Konsensfähige Leitsätze ?
Offenbar nur bedingt