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Phytotherapie bei Rückenschmerzen: zwei Anwendungsbeobachtungen zur Evaluation der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Weidenrinde und Johanniskraut bei Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen und depressiver Verstimmung

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Academic year: 2021

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(1)

Aus der Klinik für Psychosomatik, Psychotherapie, Naturheilkunde und

Praxis für Allgemeinmedizin

der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin

DISSERTATION

Phytotherapie bei Rückenschmerzen:

zwei Anwendungsbeobachtungen zur Evaluation der

Wirk-samkeit und Verträglichkeit von Weidenrinde und

Johannisk-raut bei Patienten mit chronisch unspezifischen

Rücken-schmerzen und depressiver Verstimmung

zur Erlangung des akademischen Grades

Doctor medicinae (Dr. med.)

vorgelegt der Medizinischen Fakultät

Charité – Universitätsmedizin Berlin

von

Heide Zielisch

(2)

Gutachter/in:

1. Prof. Dr. med. M. Bühring

2. Priv.-Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. W. Hopfenmüller

3. Prof. Dr. med. R. Saller

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG ... 6

1.1. Chronisch unspezifische Rückenschmerzen ... 6

1.1.1. Definition ... 6

1.1.2. Epidemiologie ... 7

1.1.3. Pathogenese und Pathophysiologie ... 8

1.1.4. Naturheilkundliche Therapieansätze ... 10

1.1.5. Phytotherapie bei chronischen Rückenschmerzen ... 12

1.2. Weidenrinde (Cortex salicis) ... 14

1.2.1. Historischer Überblick ... 14

1.2.2. Botanik ... 15

1.2.3. Phytopharmakologie und Phytotherapie ... 16

1.3 Johanniskraut (Hypericum perforatum) ... 17

1.3.1. Historischer Überblick ... 17

1.3.2. Botanik ... 18

1.3.3. Phytopharmakologie und Phytotherapie ... 19

1.4. Fragestellung ... 20

2. MATERIAL UND METHODEN (GEMÄß BEOBACHTUNGSPLAN) ... 24

2.1. Zielsetzungen ... 24 2.2. Design ... 24 2.3. Patienten ... 25 2.4. Präparate ... 27 2.5. Zielgrößen ... 28 2.6. Messinstrumente ... 29

2.6.1. Visuelle Analogskala (VAS) ... 29

2.6.2. Hamilton Depression Scale (HAMD) ... 30

2.6.3. Funktions-Fragebogen Hannover – Rückenschmerz (FFbH-R) ... 31

(4)

2.6.5. 36-Item Short-Form-Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36) ... 32

2.7. Ablauf der Anwendungsbeobachtungen ... 32

2.8. Vorzeitige Beendigung der Anwendungsbeobachtungen ... 34

2.9. Unerwünschte Ereignisse ... 34

2.10. Datenmanagement und Statistische Auswertung ... 37

2.10.1. Datenmanagement ... 37

2.10.2. Statistische Auswertung ... 37

2.11. Ethikkommission, Meldung an die Behörden ... 38

3. ERGEBNISSE ... 40

3.1. Auswertungskollektive ... 40

3.2 Demographische und anamnestische Daten ... 40

3.2.1 Demographische Daten ... 40

3.2.2 Anamnestische Daten ... 47

3.2.2.1 Diagnosen im Zusammenhang mit den Rückenschmerzen 47

3.2.2.2 Dauer und Verlauf der Rückenschmerzen 49

3.3 Zielgrößen ... 50

3.3.1 Visuelle Ananlogskala (VAS) ... 50

3.3.2 weitere Zielgrößen ... 53

3.3.2.1 HAMD (17) (Hamilton Depression Scale) 53

3.3.2.2 FFbH-R (Funktions-Fragebogen Hannover - Rückenschmerz) 54

3.3.2.4 SF-36 (36-Item Short-Form-Fragebogen Gesundheitszustand) 56

3.3.3 Wirksamkeit und Verträglichkeit im Patientenurteil ... 60

3.4 Unerwünschte Ereignisse ... 62

3.4.1 Unerwünschte Ereignisse am oberen Gastrointestinaltrakt ... 63

4. DISKUSSION ... 65

4.1. Bewertung und Vergleich der Ergebnisse bezüglich der Rückenschmerzsymptomatik und Rückenfunktion ... 65

4.1.1. Bewertung der Ergebnisse bezüglich der Rückenschmerzsymptomatik und Rückenfunktion ... 65

(5)

4.1.3. Vergleich der Ergebnisse mit pflanzlichen und synthetischen Antidepressiva

... 73

4.1.4. Vergleich der Ergebnisse mit anderen komplementärmedizinischen Verfahren ... 74

4.2. Bewertung und Vergleich der Ergebnisse bezüglich der depressiven Verstimmung ... 76

4.3. Demographische Daten ... 79

4.4. Unerwünschte Ereignisse und Verträglichkeit ... 80

5. ZUSAMMENFASSUNG ... 83

6. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 85

(6)

1. Einleitung

1.1. Chronisch unspezifische Rückenschmerzen

1.1.1. Definition

Eine einheitliche Definition für chronisch unspezifische Rückenschmerzen gibt es nicht. Laut der Leitlinie für chronisch unspezifische Rückenschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation handelt es sich um einen weit verbreiteten Symptomkomplex mit vielen, häufig undefinierten Ursachen, der durch regional begrenzte Schmerzen und eine unterschiedlich stark ausgeprägte Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, insbesondere der Lumbosakralregion, cha-rakterisiert ist. Typisch ist die Neigung zu Rezidiven und bei wiederholtem Auftreten die Entwicklung einer chronischen Schmerzkrankheit.

Abzugrenzen von unspezifischen Rückenschmerzen sind Rückenschmerzen, denen eine spezifische Ursache zugrunde liegt und die meist von einer neurologischen Symptomatik begleitet werden. Hierbei handelt es sich vor allem um Bandscheiben-vorfälle mit und ohne Radikulärsyndrom, Tumorerkrankungen und Metastasierungen, entzündliche Erkrankungen wie Morbus Bechterew, Missbildungen, Traumen, Spi-nalkanalstenose und Osteoporose.

Rückenschmerzen sind zu etwa 85% vornehmlich unspezifisch.

Weiterhin abzugrenzen sind chronische von akuten Rückenschmerzen, wobei Unei-nigkeit darüber besteht, wie Chronizität zu definieren ist (RUSSO und BROSE 1998). Eine Analyse von 40 internationalen epidemiologischen und therapeutischen Studien zwischen 1998 und 2000 zeigt, dass mehr als die Hälfte Chronizität rein zeitlich defi-nieren, wobei die Zeiträume erheblich variieren: Die Zeitspanne reicht von Rücken-schmerzen, die länger als vier Wochen bis zu mehr als drei, sechs oder zwölf Mona-te persistieren. Andere wählen komplexere Definitionen, die auch Einschränkungen und Beeinträchtigungen durch Rückenschmerzen, Arbeitsunfähigkeit und Arztkonsul-tationen berücksichtigen (RASPE et al 2003).

Die Einteilung der chronisch unspezifischen Rückenschmerzen nach der Internatio-nalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprob-leme, 10. Revision – German Modification – (ICD-10-GM) ergibt folgende zugeordne-te Diagnosen:

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M54.- Rückenschmerzen:

• M54.2 Zervikalneuralgie (exkl. durch zervikalen Bandscheibenschaden) • M54.4 Lumboischialgie (exkl. durch Bandscheibenschaden)

• M54.6 Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule (exkl. durch Bandscheibenschaden)

• M54.8 Sonstige Rückenschmerzen

• M54.9 Rückenschmerzen, nicht näher bezeichnet

1.1.2. Epidemiologie

Rückenschmerzen weisen eine hohe Public-Health-Relevanz auf: Sie gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden in der Bevölkerung, besitzen eine hohe Chronifizierungsrate, gehen mit erheblichen Einschränkungen der Lebensquali-tät einher und verursachen hohe direkte und indirekte Kosten.

Die durch Rückenschmerzen jährlich verursachten gesamtgesellschaftlichen Kosten werden auf 16 bis 22 Milliarden Euro beziffert (SCHMIDT und KOHLMANN 2007). Internationale gesundheitsökonomische Studien zeigen, dass diese Kosten – in ers-ter Linie im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung sowie durch Arbeitsunfähigkeit und Produktivitätsverlust – vergleichbar sind mit den Kosten, die durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herzerkrankungen oder Depression entstehen (MAETZEL und LI 2002).

Im bundesweiten telefonischen Gesundheitssurvey aus dem Jahr 2005 wurden vier verschiedene Prävalenzen von Rückenschmerzen ermittelt. Die Zwölfmonatspräva-lenz chronischer Rückenschmerzen, definiert als “drei Monate und länger anhaltende Rückenschmerzen, und zwar fast täglich“, betrug 16% bei Männern und 22% bei Frauen, die Lebenszeitprävalenz jeweils 24% und 30%. Über Rückenschmerzen (unabhängig von Dauer und Stärke) in den letzten zwölf Monaten wurde von 57% der Männer und 66% der Frauen berichtet, über Rückenschmerzen am Vortag von 18% der Männer und 27% der Frauen (NEUHAUSER et al 2005).

Regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands in Bezug auf Häufigkeit und Intensi-tät von chronischen Rückenschmerzen wurden in einer vergleichenden Gegenübers-tellung von Daten des Nationalen Gesundheitssurveys Ost aus den Jahren 1991/92 und verschiedenen regionalen Studien aus Westdeutschland aus dem gleichen Zeit-raum untersucht. Es fiel auf, dass Rückenschmerzen von Ostdeutschen deutlich

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sel-tener als von Westdeutschen genannt wurden, obwohl alle in gleichem Maße unter allgemeinen Gesundheitsbeschwerden litten. Die ostdeutschen Befragten führten leichte Schmerzen seltener an als die westdeutschen Befragten und sie nannten in geringerem Maße Einschränkungen ihrer Funktionskapazität (BERGER et al 1996). Assoziiert waren chronische Rückenschmerzen mit höherem Alter, weiblichem Ge-schlecht, einer Arthrose- oder Arthritisdiagnose, selbstberichteter Depression, einem niedrigeren Bildungsniveau, Arbeitslosigkeit, Übergewicht oder Adipositas, keinem Sport, Rauchen und Zusammenleben mit einem Partner. Die höchsten Prävalenzen hatten Frauen über 45 Jahre mit Osteoporose sowie Männer und Frauen mit einer Arthrose, Arthritis oder Depression (NEUHAUSER et al 2005).

Insbesondere für den Übergang von akuten zu chronischen Verläufen bei Rücken-schmerzen spielen psychosoziale Faktoren eine wichtige Bedeutung. In Längs-schnittstudien hat sich gezeigt, dass diese Einflussgrößen für die Prognose deutlich aussagekräftiger sind als somatische und biografische Faktoren (BUER und LINTON 2002). Zu dieser Schlussfolgerung kommen auch FRITZ und GEORGE (2002) nach der Auswertung der Ergebnisse zahlreicher prospektiver Studien.

Auch SCHMIDT und KOHLMANN (2007) weisen psychischen Beeinträchtigungen im Sinne von Depressivität, Distress, Somatisierung, Angst- und Vermeidungsüberzeu-gungen und Katastrophisieren eine größere Bedeutung für die Rekurrenz und Chro-nifizierung von Rückenschmerzen zu als anthropometrischen Größen wie Überge-wicht und Körperlänge.

1.1.3. Pathogenese und Pathophysiologie

Chronisch unspezifische Rückenschmerzen sind ein komplexes, multikausales Phä-nomen, dem man im modernen Verständnis am ehesten mit dem biopsychosozialen Schmerz- und Chronifizierungsmodell Rechnung trägt. Galt der Schmerz im traditio-nellen Sinn als direkter Ausdruck einer organischen Schädigung, dessen Intensität dem Grad der Schädigung proportional ist (funktionelles Schmerzmodell), so wird der Schmerz jetzt als psychophysisches Gesamtereignis aufgefasst (BIRBAUMER und LARBIG 1986). An seiner Entstehung und Aufrechterhaltung sind neben somati-schen auch verhaltensmäßige, kognitive und affektive Komponenten beteiligt (MELZACK und WALL 1965), denen epidemiologisch eine größere Bedeutung bei-gemessen wird als den somatischen Faktoren.

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Neurophysiologisch werden, wie bei kaum einem anderen Schmerzbild, bei Rücken-schmerzen unterschiedliche Schmerzmechanismen diskutiert. Hervorzuheben sind der pathophysiologische Nozizeptorschmerz und der neuropathische Schmerz, die von ihnen erzeugte zentrale Sensibilisierung sowie Schmerzverarbeitungsmecha-nismen und kortikale Lernprozesse (SCHAIBLE 2004).

Hinzu kommen komplexe Schmerzverarbeitungsmechanismen, die in verschiedenen Hirnstrukturen stattfinden.

Nach PRICE (2000) geschieht die Verarbeitung chronischer Schmerzen und die Wahrnehmung von Affekten teilweise innerhalb identischer kortikaler Areale, was bewirkt, dass der Schmerz neben der sensorisch-diskriminativen Komponente auch eine emotional-affektive Komponente aufweist. Ebenso wird dadurch eine gegensei-tige Beinflussung von Schmerz und Affekt wahrscheinlich gemacht, womit der alten Volksweisheit “Was kränkt macht krank.” eine neurophysiologische Basis erteilt wird (UHLEMANN 2004).

Ein weiterer Mechanismus bei der Entstehung und Aufrecherhaltung chronischer Schmerzen sind häufig kortikale Lernprozesse. Gerade emotional bedeutsame Reize wie Schmerz sind besonders gute Verstärker für Lernprozesse. Im Rahmen der ope-ranten Konditionierung wird gelernt, dass das Schmerzverhalten eine bestimmte Wir-kung erzeugt, z.B. Zuwendung durch andere Menschen, Akzeptanz von Leistungsun-fähigkeit oder Berentung. Durch diese assoziativen Lernprozesse kann dem Schmerz eine Funktion zukommen, die von seiner ursprünglichen Bedeutung, dem Erkennen eines noxischen Reizes, deutlich verschieden ist (SCHAIBLE 2007).

Im verhaltensmedizinischen Modell der Chronifizierung von Schmerzen wird davon ausgegangen, dass in den meisten Fällen somatische Faktoren am Anfang der Kau-salkette stehen und dass diese jedoch aufgrund der multiplen Beeinflussung durch psychosoziale Faktoren zunehmend an Bedeutung verlieren. Es besteht keine kau-sale Beziehung mehr zwischen dem Ausmaß der Gewebeschädigung und den Schmerzzuständen (CHAPMAN und GAVRIN 1999, KENDALL 1999).

Nach der Theorie des Angst-Vermeidungs-Konzeptes wird eine weitere Reizung der schmerzenden Region durch körperliche Aktivität und Belastung vermieden. Diese Verhaltensänderung, die primär den Heilungsprozess fördert, scheint im Prozess der Chronifizierung eine aktive Rolle einzunehmen, indem es durch die anhaltende

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Ru-higstellung des Körpers zu negativen Struktur- und Funktionsveränderungen kommt, die zusätzliche Ursachen für Schmerz sein können (PFINGSTEN 2007).

Verschiedene Studien zeigen auch, dass eine deutliche ärztliche Zuwendung eher die Chronifizierung von Rückenschmerzen fördert, weshalb somatisch orientierter Aktionismus eingegrenzt und der Patient stattdessen eher zu Selbstkompetenz und zu Eigenaktivitäten angeregt und angeleitet werden sollte (KLENERMANN et al 1995, PFINGSTEN 2003).

1.1.4. Naturheilkundliche Therapieansätze

Ausgehend vom biopsychosozialen Schmerz- und Chronifizierungsmodell werden nach GREITEMANN et al (2006) zur Behandlung von chronisch unspezifischen Rückenschmerzen seit einigen Jahren multimodale Therapieprogramme durchge-führt. Erklärtes Ziel ist nicht Erreichen von „Schmerzfreiheit“ sondern eine Verbesse-rung der Schmerzbewältigung, wobei die medizinische Behandlung unterschiedliche ärztliche Therapiemaßnahmen umfasst (DREINHÖFER et al 2007).

Naturheilkundliche bzw. physikalische Therapien benutzen seit jeher einen multimo-dalen Ansatz und stellen einen integralen Bestandteil in der Rückenschmerztherapie dar.

In der Hydro-/Balneotherapie werden vielfach Verfahren eingesetzt, die zu einer Erwärmung und damit reflektorischen Muskellockerung und Abbau von schmerzhaf-ter Verspannung führen sollen. Kutane Hyperämie bewirken Maßnahmen mit Moor-bädern, Heupackungen, Schwefel- und CO2-Bädern sowie Bädern mit durchblu-tungsfördernden Pflanzenzusätzen. Solebäder wirken durch den verstärkten Auftrieb muskulär entspannend. Über thermische Effekte entfalten auch die Elektro- und Ult-raschalltherapie ihre Wirkung, wobei hier auch tiefer gelegene Strukturen erreicht werden können.

Durch Massagen können Verspannungen gelöst werden, muskuläre Durchblutung und Stoffwechsel werden angeregt. Die Verfahren der Manuellen Medizin sollen Fehlstellungen im Bereich der Wirbelsäule ausgleichen und die normale Gelenkfunk-tion wieder herstellen. Der allgemeinen Kräftigung der Rückenmuskulatur, auch im Sinne von Prävention, dienen unterschiedliche bewegungstherapeutische Maßnah-men, insbesondere Rückenschulprogramme.

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Im Rahmen der Ordnungstherapie stehen Entspannungsübungen wie progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Yoga und Atemtherapie im Vordergrund. Ferner sollten Aspekte wie „Stress“ und „Schlaf“ die notwendige Beachtung finden, um die Muskelspannung tagsüber und im Schlaf zu reduzieren. Eine französische Studie hat herausgefunden, dass der Schlaf von chronischen Rückenschmerzpatienten signifi-kant mehr beeinträchtigt war als der der gesunden Vergleichsgruppe, wobei nicht unterschieden werden konnte, ob die Schlafstörungen Ursache oder Folge der Rückenschmerzen waren (MARTY et al 2008).

Es kann auch eine Psychotherapie sinnvoll sein, um die psychosomatischen Wech-selwirkungen von „Haltung“, „Belastung“, „Nackenschlägen“, Rentenwunsch usw. herauszuarbeiten, die gerade bei der Chronifizierung von Rückenschmerzen eine bedeutsame Rolle spielen können.

In der Ernährungstherapie spiegelt sich, wie auch in Aspekten der Ordnungsthera-pie, am ehesten der Ansatz zur Förderung von Selbstkompetenz und Eigeninitiative des Patienten wider.

Bei übergewichtigen Rückenschmerzpatienten ist das Ziel eine Gewichtsnormalisie-rung, was durchaus mit einer initialen Fastenkur angestrebt werden kann. Eine Er-nährungsumstellung im Sinne einer weitgehend arachidonsäurefreien und möglichst omega-3-fettsäurereichen Ernährung kann zu einer Dämpfung der allgemeine Ent-zündungsbereitschaft des Organismus führen und bei chronischen Rückenbe-schwerden das Therapiekonzept ergänzen.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Modellvorhabens der Ersatz-kassen bezüglich der Wirksamkeit und Therapiesicherheit der Akupunktur bei Schmerzen der Lendenwirbelsäule und Arthroseschmerzen zeigen, dass auch die Patienten mit chronischen LWS-Schmerzen deutlich und für die Dauer von mindes-tens sechs Monaten von der Behandlung mit Akupunktur im Vergleich zu einer Nichtbehandlung profitieren. Da hierbei der Patient die Nichtbehandlung „kennt“, kann man jedoch nicht von einem „Plazebo-Vergleich“ ausgehen. Die Unterschiede zwischen einer Schein-Akupunktur und einer gezielten Akupunktur sind dabei gerin-ger und wecken Zweifel an der Notwendigkeit einer gezielten Akupunktur (WITT et al 2006, MELCHART et al 2006).

Die Autoren eines japanischen Reviews über neun klinische Studien zu Akupunktur bei chronischen Rückenschmerzen kommen zu dem Schluss, dass die Beweislage

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für die bessere Wirksamkeit von Akupunktur gegenüber Plazebo begrenzt ist (ITOH und KITAKOJI 2007).

Eine vielgenutzte Therapieform, durchaus in Kombination mit anderen Therapiemaß-nahmen, ist die Phytotherapie.

1.1.5. Phytotherapie bei chronischen Rückenschmerzen

Phytotherapeutika kommen schon seit langem in der Rückenschmerztherapie zum Einsatz. Als natürliche Vielstoffgemische bestehen sie zumeist aus mehreren wirk-samkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffen, woraus ein Synergismus in der Wirksam-keit bei gleichzeitig risikoarmem Profil resultiert.

Phytotherapeutika werden sowohl in der innerlichen (Weidenrinde, Teufelskralle, Brennnesselblätter und Weihrauch) als auch der äußerlichen Anwendung (Capsicum und durchblutungsfördernde ätherische Öle) genutzt. Als Wirkmechanismen werden dabei beispielsweise Effekte verschiedener Inhaltsstoffe (z. B. Harpagoside, Boswel-liasäuren) auf die Lipoxygenase und Cyclooxygenase diskutiert. Salicin-Verbindungen etwa aus der Weidenrinde wirken analgetisch, ergänzt durch Flavo-noide.

Nachfolgend seien exemplarisch die wichtigsten Heilpflanzen zur inneren Anwen-dung bei chronisch unspezifischen Rückenschmerzen kurz beschrieben. Die Wei-denrinde wird ebenso wie das pflanzliche Antidepressivum Johanniskraut aufgrund ihrer Relevanz für diese Arbeit in einem jeweils eigenen Kapitel abgehandelt.

Teufelskralle – Harpagophytum procumbens

Derzeit gelten als wirksamkeitsrelevante Substanzen Harpagoside, die auch im men-schlichen Blut die 5-Lipoxygenase und die Cyclooxygenase hemmen; es werden aber weitere Wirkmechanismen vermutet.

GAGNIER et al (2006) kommen in einem Review über zehn randomisierte Doppel-blindstudien zu dem Schluss, dass die Beweislage für Teufelskrallenwurzelextrakte bezüglich ihrer Überlegenheit gegenüber Placebo bei chronischen Rückenschmer-zen plausibel ist.

Ein Review über 19 plazebokontrollierten Doppelblindstudien mit standardisierten Harpagophytum-Präparaten bei rheumatischen Schmerzen unterstützt die

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Vermu-tung, dass Harpagophytum im Vergleich zu den schlechter verträglichen chemisch definierten Antirheumatika eine Alternative darstellen könnte (ERNST und CHRUBASIK 2000).

Brennnessel – Urtica dioica

Brennnesselblätter sind neben Indikationen in Zusammenhang mit ihrer nierenanre-genden Wirkung zusätzlich monographiert „zur unterstützenden Behandlung rheuma-tischer Beschwerden“, wobei die vorsichtige Formulierung die schlechte Evidenz und nur sehr indirekte Plausibilität zum Zeitpunkt der Monographieerstellung im Jahr 1984 widerspiegelt. Erst seitdem mit der Kaffeoyläpfelsäure und deren Estern lipoxy-genasehemmende Wirkstoffe gefunden wurden, hat das Interesse der Rheumatolo-gie an der Brennnessel deutlich zugenommen (OBERTREIS et al 1996).

Es liegen eine Reihe von klinischen Studien mit günstigen Ergebnissen bei Os-teoarthritis vor, wie die Autoren eines Reviews feststellen (SETTY und SIGAL 2005).

Weihrauch – Boswellia serrata

Weihrauch wird in der Ayurvedischen Medizin bei rheumatischen Beschwerden ein-gesetzt. Eine pharmakologische Untersuchung ergab eine Lipoxygenasehemmung, die auf die Gruppe der Boswelliasäuren zurückgeführt werden konnte. Die systemi-sche Verfügbarkeit der Boswelliasäuren wird jedoch angezweifelt (AMMON et al 1993).

Weiterhin reichten die vorgelegten klinischen Studien zur Wirksamkeit bei rheumati-schen Beschwerden der Kommission E nicht für eine positive Bewertung aus, sodass entsprechende Arzneimittel in Deutschland nicht zugelassen sind.

Inzwischen sind weitere kontrollierte Studien vorgelegt worden, die für eine symp-tomlindernde Wirkung bei rheumatischen Beschwerden sprechen. Noch wirksamer scheint Weihrauch bei entzündlichen Darmerkrankungen zu sein (AMMON 2006). In einer randomisierten, doppelblinden, mit Mesalazin verumkontrollierten achtwöchigen klinischen Studie an 102 Patienten mit aktivem Morbus Crohn erwies sich Weihrauch der Therapie mit Mesalazin als nicht unterlegen und bei gleichzeitiger Berücksichti-gung der Verträglichkeit im Sinne einer Nutzen-Risiko-Bewertung günstiger als Me-salazin (GERHARDT et al 2001).

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1.2. Weidenrinde (Cortex salicis)

1.2.1. Historischer Überblick

Bereits im Altertum stellten Weidengewächse (Salicaceae) wirtschaftlich bedeutende Pflanzen dar, deren medizinische Verwendung seit ebenso langer Zeit bekannt ist. So ist überliefert, dass Weiden im alten Ägypten zur Regierungszeit von Tutmosis I. (1518 bis 1510 v. Chr.) nicht nur zur Herstellung von Flechtwerk und Kränzen, son-dern auch zur Nutzung als Arzneien angepflanzt wurden. Der folgende Therapievor-schlag findet sich aus jener Zeit: “Dann sollst du ihm Kühlmittel bereiten, um die Hit-ze aus der Öffnung der Wunde herauszuziehen: Blätter der Weide und Blätter vom qsntj [bisher nicht gedeutet]” (HAHN und HAHN 2006).

Der griechische Arzt Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) schreibt, dass Früchte, Blätter und Rinde der Weide eine adstringierende Kraft hätten, die wir heute vor allem auf ihren Gehalt an Salicinderivaten und Gerbstoffen zurückführen. In der mittelalterlichen Klostermedizin wurde Weidenrinde als Mittel gegen Fieber und Schmerz eingesetzt, womit schon damals die beiden wichtigsten heute noch gebräuchlichen Anwen-dungsgebiete bekannt waren (MAYER und UEHLEKE 2002).

Grünende Weiden finden sich auf vielen Marienbildern, z.B. “Madonna mit Kind” von Hans Burgkmair (1509, Germ. Nat. Mus., Nürnberg), was auf die Bedeutung der Weide als Symbol Marias, der Mutter Christi, zurückzuführen ist. Die Weide auf dem Gemälde “Der büßende Hieronymus” von Albrecht Dürer (1471 – 1528) kann hinge-gen als Symbol der Keuschheit gewertet werden, basierend auf Naturvorstellunhinge-gen und medizinischen Überlegungen der Antike. Man nahm an, dass Weiden ihre Sa-men in unreifem Zustand abwerfen, was zu dem Glauben führte, dass sie sinnliche Begierden im Menschen abtöten könnten. Dieses Symbol findet sich auch bei Kon-rad von Megenberg im >Buch der Natur< wieder: “Wer die Blüten [der Weide] im Getränk zu sich nimmt, der wird unfruchtbar.” (HAHN und HAHN 2006).

Im Jahr 1830 gelang es dem französischen Pharmazeuten Leroux, aus der Weiden-rinde Salicin zu isolieren, und 6 Jahre später dem deutschen Chemiker Löwing, die Substanz zu synthetisieren, was den Anbruch der Ära der synthetisch hergestellten Salicylate markiert (FURLENMEIER 1981).

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Das Wort Salix für Weide leitet sich wahrscheinlich vom indogermanischen sal, schmutzig-grau, ab, was sich möglicherweise auf die graue Rinde vieler Arten, viel-leicht auch auf die matt-grauweißen Blätter einiger Spezies, bezieht.

Außerhalb unseres Kulturkreises gelten Weiden im Buddhismus als Symbol für Sanf-tmut. In China hingegen vergleicht man die schlanken biegsamen Weidenzweige gern mit den Taillen junger Mädchen, weshalb diese beliebten Bäume oft in Liebes-geschichten auftauchen (HAHN und HAHN 2006).

1.2.2. Botanik

Die Familie der Salicacae (Weidengewächse) umfasst zwei Gattungen: Populus (Pappeln) und Salix (Weiden) mit ungefähr 400 Arten, von denen etwa 360 auf die Weiden und 40 auf die Pappeln entfallen.

Es handelt sich ausschließlich um zweihäusige baum- oder strauchförmige Arten mit wechselständig angeordneten und stets ungeteilten Blättern und Nebenblättern. Gemeinsames Merkmal der Weiden sind die einfachen, meist schmallanzettlichen oder eiförmigen Blätter. Die Blüten stehen in Kätzchen und erscheinen im zeitigen Frühjahr meist vor den Laubblättern. Die Vermehrung erfolgt zum einen durch Fremdbestäubung von Insekten, zum anderen zeigen alle Weiden ein starkes Aus-schlagvermögen der Wurzelschösslinge. Weiterhin kann es zu Windbestäubung kommen, weshalb es bei den Weidenarten zahlreiche Bastardierungen gibt, denn Pollen verschiedener Arten können auf ebenso unterschiedlichen weiblichen Pflan-zen zur Fruchtbildung führen (ENNET und REUTER 2004).

Weiden sind in Eurasien und teilweise auch in Nordamerika heimisch und meist an feuchten Standorten anzutreffen, da sie oft hohe Grundwasserspiegel vertragen. Somit gehören sie zu den wichtigsten Gehölzen der Auwälder und Ufervegetation, die ökologisch für eine Waldregeneration und Flussauenrenaturierung bedeutsam sind (FURLENMEIER 1981).

Als Drogenlieferanten dienen unter anderem die Knackweide (Salix fragilis), die Korbweide (Salix viminalis) und die Silberweide (Salix alba). Wirksamkeitsmitbes-timmende Inhaltsstoffe sind neben dem Salicin, das als Prodrug vorliegt, verschiede-ne Polyphenole. Ihr Gehalt ist in der Rinde (Cortex salicis) und hier im Februar, März und April am höchsten. Deshalb wird in dieser Zeit die Rinde von kräftigen 2- bis

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3jährigen Zweigen ringförmig und längs eingeschnitten, abgezogen und bei Tempe-raturen bis 60 °C getrocknet (ENNET und REUTER 2004).

1.2.3. Phytopharmakologie und Phytotherapie

Weidenrindenextrakte weisen im Gegensatz zu chemischen Antirheumatika , die nur über eine Hemmung der Cyclooxygenase wirken, aufgrund ihrer Vielzahl von wirk-samkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffen ein breiteres Wirkspektrum bei deutlich ge-ringerem Ausmaß an unerwünschten Wirkungen auf (CHRUBASIK 2004).

Das Salicin, dem der Hauptteil der Wirkungen zugesprochen wird, liegt zunächst als pharmakologisch unwirksames Glykosidgemisch vor. Diese natürliche Prodrugver-bindung passiert unverändert den Magen. Die Metabolisierung zur, therapeutisch durch Hemmung der Cyclooxygenase wirksamen, Salicylsäure erfolgt in der Leber. Dort wird die Bildung der Entzündungsprostaglandine E1 und E2 deutlich vermindert, die Thromboxan B2-Synthese wird allerdings nur schwach und reversibel gehemmt. Für die irreversible Hemmung der Thromboxan B2-Synthese wäre die mobile Ace-tylgruppe verantwortlich, wie sie in der Acetylsalicylsäure vorliegt (SCHILCHER und KAMMERER 2003). Damit wird bei Weidenrindenextrakten bzw. Salicin eine ulzero-gene Wirkung auf den Gastrointestinaltrakt nicht erwartet, allerdings können sie auch nicht als Thrombozytenaggregationsinhibitoren zur Kardioprotektion eingesetzt wer-den.

In einer Studie an 51 Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen wurde festgestellt, dass die tägliche Einnahme eines Weidenrindenextraktes mit 240 mg Salicin die Thrombozytenaggregation wesentlich weniger beeinflusst als 100 mg ASS täglich (KRIVOY et al 2001).

Pharmakologische Untersuchungen zeigen für Weidenrindenextrakte, neben der Verminderung der Prostaglandinsynthese durch Hemmung der Cyclooxygenase, ei-ne Hemmung der Leukotriensynthese und der Zytokinfreisetzung und zusätzlich eiei-ne antioxidative Wirkung (CHRUBASIK und POLLACK 2002). Die Hemmung der Lipo-xygenase und die antioxidative Wirkung wird den Flavonoiden zugeschrieben (MÄRZ und KEMPER 2002, CHRUBASIK 2004).

Der Vorteil eines Vielstoffgemisches wie der Weidenrinde besteht darin, dass weder eine vollständige Blockade noch eine maximale Stimulierung biochemischer Prozes-se stattfindet, woraus eine breitere Wirksamkeit und gute Verträglichkeit resultiert

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und dem Organismus noch Spielraum gelassen wird, über die eigenen Regulations-mechanismen das pathologische Geschehen zu modifizieren. Deshalb käme bei chronischen Schmerzzuständen eine Basistherapie mit Weidenrindenextrakt in Fra-ge, die, wenn es hierunter zu Schmerzen kommt, bedarfsweise mit geeigneten NSAR ergänzt werden kann (SALLER 2005).

Indikationen nach Kommission E sind die Behandlung fieberhafter Erkrankungen, rheumatischer Beschwerden und Kopfschmerzen. Die European Scientific Coopera-tive on Phytotherapy (ESCOP) gibt als Indikationen Fieber, symptomatische Behand-lung leichter Rheumabeschwerden und Schmerzlinderung inklusive leichter Kopf-schmerzen an. Es sind, bis auf allergische Reaktionen im Einzelfall, keine spezifi-schen unerwünschten Wirkungen von Weidenrindenextrakten beschrieben (CHRUBASIK und POLLACK 2002).

1.3 Johanniskraut (Hypericum perforatum)

1.3.1. Historischer Überblick

Auch Johanniskraut wird schon seit der Antike als Heilpflanze beschrieben. Dioskuri-des (1 Jh. n. Chr.) unterschied vier Johanniskrautarten, die bei Blasenbeschwerden, Fieber, Ischias und Brandwunden verwendet werden sollten.

Wegen ihrer strahlenförmigen Blütenstände galt die Pflanze seit alters als Symbol für Licht und Helligkeit, man hielt sie für eng mit den positiven Kräften des Himmels ver-bunden. Im >Lorscher Arzneibuch<, dem ältesten erhaltenen Werk der Klosterheil-kunde findet sich dann auch als Indikation die Melancholie (MAYER und UEHLEKE 2002).

Da im Mittelalter psychische Auffälligkeiten nicht als Krankheiten gesehen, sondern mit dem Teufel, Hexerei oder Besessenheit in Verbindung gebracht wurden, erhielt das Heilmittel den Namen: "fuga daemonum", was soviel wie Teufelsflucht oder Dä-monenflucht heißt. Am Übergang zur Neuzeit wurde die Pflanze auch als Requisit der Exorzisten zur Teufelsaustreibung verwendet. Wegen der Heilwirkung des Jo-hanniskrauts schrieb man ihm übernatürliche magische Kräfte zu. Aus dieser Zeit stammt auch die Legende, dass der Teufel so zornig über die Wirkung des Krauts

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gewesen sei, dass er vor Wut kleine Löcher in die Blätter der Pflanze gestochen ha-be (CZYGAN 1993).

Die Bezeichnung “Hypericum perforatum” leitet sich vermutlich vom griechischen “hyper = über” und “eikon = Bild, Vorstellung” ab, womit gemeint wäre, dass die Heilkraft der Pflanze über alle Vorstellung gehe. Das lateinische “perforatum” heisst “durchlöchert”, womit die von Öldrüsen durchsetzten Blätter gemeint sind. Die deut-schen Namen “Johanniskraut”, “Blutkraut” und “Hartheu” weisen auf das Aufblühen der Pflanze um den 24. Juni, dem Johannistag, den roten Saft der gequetschten ge-lben Blüten und die harten, schlechtes Heu ergebenden Stengel hin (FURLENMEIER 1981).

1.3.2. Botanik

Das Johanniskraut ist ein gelb blühendes, bis etwa 60 cm hohes Kraut aus der Fami-lie der Teestrauchgewächse (Hypericaceae). Von den weltweit über 400 bekannten Arten kommen in Mitteleuropa etwa zehn vor, wobei das heilkräftige Gemeine oder Tüpfeljohanniskraut (Hypericum perforatum) bei uns am häufigsten ist.

Die Pflanze treibt im Frühjahr aus einem verzweigten Wurzelstock aufrechte, zwei-kantige, markige und verzweigte Stengel. Die gegenständigen Blätter sind oval-länglich, ganzrandig und von Ölbehältern im Mesophyll durchscheinend punktiert. Die Blüten stehen in endständigen rispenartigen Blütenständen. Die fünf gelben Blü-tenblätter zeigen zahlreiche dunkle Punkte oder Striche. Blütezeit ist von Juni bis September (ENNET und REUTER 2004).

Das Johanniskraut ist in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch. Die Pflanze wächst an Waldsäumen, Bahndämmen, Wegrändern, in Gebüschen, Eichenwäldern und auf trockenen Grasflächen.

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1.3.3. Phytopharmakologie und Phytotherapie

Als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe gelten vor allem Hypericine, daneben Flavonoide, Biflavonoide, Gerbstoffe und kleine Mengen an Xanthonen sowie neuer-dings Hyperforin.

Als Wirkmechanismen werden aufgrund experimenteller Studien derzeit diskutiert: eine Vermehrung der Neurotransmittermenge, eine Hemmung des Enzyms Cate-chol-O-Methyltransferase durch den Gesamtextrakt, eine Hemmung des Enzyms Monoaminooxidase vom Serotonintyp, eine Modulation der Zytokininexpression, hormonale Effekte wie die Verminderung des Cortisolanstiegs bei Stress, eine Be-einflussung von Rezeptorbindungen im ZNS, eine BeBe-einflussung des Serotonin-Melaninstoffwechsels und eine Hemmung der präsynaptischen Serotonin- Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahme (SCHILCHER und KAMMERER 2003).

Die Monographie, die von der Kommission E im Jahr 1984 publiziert worden ist, nennt als Anwendungsgebiet für Johanniskrautpräparate: „Psychovegetative Störun-gen, depressive Verstimmungszustände, Angst und/oder nervöse Unruhe“. Nach heutigem Stand des Wissens muss Johanniskraut eindeutig als Antidepressivum klassifiziert werden. Für die Gebrauchsinformation der Patienten wird in Deutschland die Formulierung „leichte bis mittelschwere vorübergehende depressive Störung“ verwendet (SCHULZ und HÄNSEL 2004).

Als mögliche unerwünschte Wirkung, verursacht durch die Hypericine, gilt die Photo-sensiblisierung. Allerdings ist die Zahl der Meldefälle von Hautreaktionen bei thera-peutischen Dosierungen am Menschen mit einem Fall pro 300000 Behandelten ge-ring (SCHULZ 2001, SCHULZ 2006).

Ein höheres Risiko besteht hingegen bezüglich Interaktionen mit diversen Medika-menten, die über das Cytochrom P450 Isoenzyme metabolisiert und das Transport-protein P-GlykoTransport-protein transportiert werden, da Johanniskraut eine Induktion dieser Systeme und damit einen schnelleren Abbau bewirken kann (SCHULZ 2006).

Dabei wurden in Einzelfällen Wechselwirkungen im Sinne einer Abschwächung der therapeutischen Wirksamkeit mit folgenden ebenfalls über das Cytochrom P450 me-tabolisierten Wirkstoffen genannt: Antikoagulantien vom Cumarin-Typ (z. B. Phenp-rocoumon, Warfarin), Immunsuppressiva (z. B. Cyclosporin, Sirolimus), Digoxin, Indi-navir, Amitryptilin, Nortryptilin und Theophyllin. Bei gleichzeitiger Einnahme niedrig dosierter oraler Kontrazeptiva sind in Einzelfällen Zwischenblutungen aufgetreten.

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Für das Ausmaß der Induktion des Cytochrom P450, Isoenzym 3A (CYP 3A) scheint die Menge des Hyperforins ausschlaggebender zu sein als die des Hypericins (MÜLLER et al 2006). Für die Interaktion von Johanniskraut mit Digoxin sowie mit Cyclosporin sehen zwei weitere Studien einen Zusammenhang zwischen der Dosis des Hyperforins und dem Ausmaß der Abschwächung der Wirksamkeit dieser Mittel (MAI et al 2004, MÜLLER et al 2004).

1.4. Fragestellung

Chronisch unspezifische Rückenschmerzen weisen eine hohe Public-Health-Relevanz auf, da sie zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden in der Bevöl-kerung gehören, mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen und hohe gesamtgesellschaftliche Kosten verursachen (SCHMIDT und KOHLMANN 2007).

Psychosoziale Aspekte und insbesondere das Vorhandensein von depressiver Ver-stimmung stellen neben anderen einen wichtigen Faktor in der Entstehung und Chronifizierung von Rückenschmerzen dar (NEUHAUSER et al 2005). Verschiedene epidemiologische Studien haben eine Assoziierung von chronischen Rückenschmer-zen mit Depressionen beschrieben; ja sogar eine wechselseitige Verbindung zwi-schen Depression und Rückenschmerzen im Sinne von Prädisponierung für Rücken-schmerzen durch eine vorbestehende Depression als auch ein begünstigtes Auftre-ten von Depressionen bei Rückenschmerzen herausgearbeitet (PINCUS et al 2002). Auf neurophysiologischer Ebene wird eine gegenseitige Beeinflussung von Schmerz und Affekt durch Verarbeitung beider in teilweise identischen kortikalen Arealen als wahrscheinlich angesehen (PRICE 2000).

Ausgehend vom biopsychosozialen Entstehungs- und Chronifizierungsmodell wer-den seit einigen Jahren multimodale Therapieprogramme durchgeführt, wobei natur-heilkundliche Therapien, insbesondere die Phytotherapie, seit jeher integraler Be-standteil in der Rückenschmerztherapie sind (GREITEMANN et al 2006).

In der Phytotherapie sind Weidenrindenextrakte langjährig bekannte und bewährte Phytoanalgetika und –antiphlogistika, die als Vielstoffgemische durch ihre Zusam-mensetzung aus Salicin und zusätzlichen Komponenten wie Polyphenole ein risiko-armes Profil aufweisen. Dies ist vor allem wegen der durch die Chronizität bedingten Langzeittherapien von Rückenschmerzen bedeutsam, wenn man bedenkt, dass

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kon-ventionelle Alternativen wie NSAR mit zum Teil erheblichen kardiovaskuären und gastrointestinalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen einhergehen oder nur zu-sammen mit kostenintensiven gastroprotektiven Substanzen eingenommen werden können.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Erforschung und Anwendung von naturheilkund-lichen Ansätzen als Therapie chronisch unspezifischer Rückenschmerzen immer mehr an Bedeutung.

Innerhalb dieses komplexen Themenfeldes schenkten wir dabei mehreren Fragen unsere besondere Aufmerksamkeit. Zum einen galt unser Interesse der Evaluierung der Wirksamkeit und Verträglichkeit eines zugelassenen Weidenrindenextraktes bei Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen unter möglichst praxisna-hen Bedingungen.

Darüber hinaus wollten wir die Häufigkeit der Assoziierung von chronisch unspezifi-schen Rückenschmerzen mit depressiver Verstimmung erfassen.

Darauf aufbauend interessierte uns, ob es Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne depressive Verstimmung im Ansprechen auf das Weidenrindenpräparat in Be-zug auf die Schmerzsymptomatik und die Rückenfunktion gibt.

Des Weiteren wollten wir herausfinden, ob und inwieweit Rückenschmerzpatienten mit einer depressiven Verstimmung als zusätzliche Erkrankung neben der Weiden-rindentherapie von einer additiven Behandlung mit dem bewährten pflanzlichen Anti-depressivum Johanniskraut bezüglich ihrer Schmerzsymptomatik profitieren. Bislang konnten wir nur in Studien umgesetzte Strategien erkennen, die jeweils nur eine Er-krankung zum Ziel hatten. In der Praxis dürfte aber gerade die parallele oder sequen-tielle Behandlung beider Erkrankungen von großer Bedeutung sein.

Außerdem interessierte uns, ob diese Kombinationstherapie im Gesamtkollektiv so-wie im Kollektiv der nichtdepressiven Rückenschmerzpatienten der Monotherapie mit dem Phytoanalgetikum Weidenrinde überlegen ist. Die Kombinationstherapie aus einem pflanzlichen Analgetikum und einem pflanzlichen Antidepressivum ist bislang noch nicht systematisch untersucht worden, wohingegen der Einsatz von syntheti-schen Antidepressiva in der Therapie chronisch unspezifischer Rückenschmerzen etabliert und evaluiert ist (STAIGER et al 2003).

Im Übrigen wollten wir die Wirksamkeit von Weidenrinde und Johanniskraut bezüg-lich der Rückenschmerzsymptomatik miteinander vergleichen.

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Nicht zuletzt interessierte uns auch die antidepressive Wirksamkeit und Verträglich-keit des Johanniskrautpräparats bei diesen Patienten sowie die Wirkung des Phytoa-nalgetikums Weidenrinde bezüglich der depressiven Symptomatik im Zusammen-hang mit einer Reduktion der Rückenschmerzen.

Um all diesen Fragen präzise nachgehen zu können, erachteten wir eine möglichst hohe Fallzahl sowie eine möglichst lange Beobachtungszeit unter praxisnahen Um-ständen für wichtig. Diese Bedingungen ließen sich am ehesten im Rahmen der Be-handlung unserer Patienten in der Hochschulambulanz für Naturheilkunde realisie-ren. Grenzen gesetzt waren uns durch den organisatorischen und finanziellen Auf-wand einer klinischen Arzneimittelstudie. Wir legten uns deshalb auf den Studientyp einer Anwendungsbeobachtung mit einem Gesamtkollektiv von mindestens 120 Pa-tienten und einem Beobachtungszeitraum von drei Monaten fest.

Gemäß den Autoren des STROBE (Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology) – Statements, die sich durch die Erstellung von Leitlinien für das Berichten von Beobachtungsstudien auszeichnen, können AWB für vielfältige Zwecke eingesetzt werden und dabei auch Studien hauptsächlich explorativer Natur, die darauf ausgerichtet sind, interessante Hypothesen aufzustellen, einschließen (ELM et al 2008).

Die Durchführung einer AWB erlaubte uns allerdings nicht die Prüfung der Frage, ob eine Kombinationstherapie aus Weidenrinde und Johanniskraut der Weidenrinden-monotherapie im Gesamtkollektiv der Rückenschmerzpatienten überlegen ist, da die verabreichten Präparate in einer AWB nur innerhalb ihres Anwendungsgebiets ein-gesetzt werden dürfen (WEGENER 2007). Somit konnte Johanniskraut im Rahmen einer AWB nicht Rückenschmerzpatienten ohne depressive Verstimmung verabreicht werden.

Die Kombinationstherapie aus Phytoanalgetikum und pflanzlichem Antidepressivum im Rahmen einer AWB war jedoch bei den Rückenschmerzpatienten mit depressiver Verstimmung möglich. Um die Wirksamkeit dieser Kombinationstherapie mit der der Monotherapien vergleichen zu können, bot sich, wie es in der Praxis üblich ist, eine Zeitversetzung dieser Therapien an, um die Wirkungen und ggfs. Nebenwirkungen der einzelnen Arzneimittel besser abschätzen zu können. Deshalb planten wir eine Kombinationstherapie aus Johanniskraut und Weidenrinde für sechs Wochen nach

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zunächst sechs Wochen Monotherapie mit entweder Johanniskraut oder Weidenrin-de.

Der Beginn der Therapie beider Erkrankungen mit nur einem der beiden Präparate wurde dadurch ermöglicht, dass gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinien bei leicht- bis mittelgradigen depressiven Episoden im Sinne einer aktiv-abwartenden Begleitung und auch bei chronisch unspezifischen Rückenschmerzen nach Aus-schluss spezifischer Ursachen unter engmaschiger Kontrolle zunächst von einer krankheitsspezifischen Behandlung abgesehen werden kann.

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2. Material und Methoden (gemäß

Beobachtungs-plan)

2.1. Zielsetzungen

• Erfassen der Häufigkeit einer Assoziierung von chronisch unspezifischen Rückenschmerzen mit depressiver Verstimmung

• Evaluation der Wirksamkeit einer Weidenrindenmonotherapie bezüglich der Rückenschmerzen bei Patienten mit und ohne depressive Verstim-mung

• Evaluation der Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus einem Wei-denrinden- und einem Johanniskrautpräparat bezüglich der Rücken-schmerzen bei Patienten mit depressiver Verstimmung

• Vergleich der initialen Weidenrinden- und Johanniskrautmonotherapien in diesem Patientenkollektiv

• Evaluation der antidepressiven Wirksamkeit des Johanniskraut- und Wei-denrindenpräparats

• subjektive Wirksamkeitseinschätzung der Patienten; subjektive und objek-tive Verträglichkeitseinschätzung beider Präparate

2.2. Design

Aufgrund der komplexen Fragestellung entschieden wir uns für die Durchführung von zwei Anwendungsbeobachtungen.

Nach Screening der Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen auf eine depressive Verstimmung, wurden diese der entsprechenden AWB zugeordnet: Rückenschmerzpatienten mit depressiver Verstimmung der AWB 1 und Rücken-schmerzpatienten ohne depressive Verstimmung der AWB 2.

AWB 1:

Zweiarmig und mit zeitversetzter Kombinationsbehandlung: Die Patienten im Arm 1 der AWB 1 erhielten zunächst nur das Weidenrindenextrakt für sechs Wochen und dann zusätzlich das Johanniskrautextrakt für weitere sechs Wochen. Die Patienten des Arm 2 der AWB 1 bekamen umgekehrt zunächst nur das Johanniskrautextrakt

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und anschließend für weitere sechs Wochen zusätzlich das Weidenrindenextrakt. Um die AWB methodologisch aufzuwerten, wurde die Reihenfolge der stufenweise einsetzenden Kombinationstherapie randomisiert und die behandelnde Ärztin bis zur Zwischenuntersuchung geblindet.

AWB 2:

Einarmig: Die Patienten erhielten nur das Weidenrindenpräparat über einen Beo-bachtungszeitraum von zwölf Wochen.

AWB 1 Johanniskraut und

initial Johanniskraut Johanniskraut Weidenrinde

AWB 1 Weidenrinde und

initial Weidenrinde Weidenrinde Johanniskraut

AWB 2 Weidenrinde

Woche 0 Woche 6 Woche 12

Abb 1: Zeitlicher Ablauf der AWB mit Weidenrinde und Johanniskraut

2.3. Patienten

Eingeschlossen werden sollten insgesamt mindestens 120 weibliche und männliche Patienten, die die Hochschulambulanz der Abteilung für Naturheilkunde, Charité - Campus Benjamin Franklin im Immanuel-Krankenhaus wegen chronischer Rücken-schmerzen aufsuchten. Der Zeitraum der AWB betrug für jeden einzelnen Patienten zwölf Wochen. Um saisonale Schwankungen der Beschwerdesymptomatik als Feh-lerquelle in der Auswertung zu minimieren, wurde der Zeitraum der gesamten AWB auf ein Jahr (von Sommer 2006 bis Sommer 2007) festgelegt.

Obwohl für AWB nicht zwingend erforderlich, bietet sich die Erstellung von Ein- und Ausschlusskriterien zur Definition des zu beobachtenden Patientenkollektivs an, oh-ne dass dabei der nicht-intervenierende Charakter eioh-ner AWB verletzt würde (KRAFT et al 1997).

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Wir entschieden uns für folgende Einschlusskriterien: 1. Frauen und Männer > 18 und < 70 Jahre

2. Seit mindestens sechs Monaten bestehende chronische oder chronisch rezi-divierende Rückenschmerzen

3. Rückenschmerzintensität der letzten sieben Tage bestimmt mit der VAS min-destens 40 mm (VAS-Skala von 0 – 100 mm)

4. nur für AWB 1: Vorliegen einer depressiven Beschwerdesymptomatik (Sum-menscore der ersten 17-Item-Version der HAMD 10-17 Punkte)

Folgende Kriterien schlossen eine Aufnahme in die AWB aus:

1. Gesicherte spezifische Ursache des Rückenschmerzes wie z. B. Bandschei-benvorfall mit oder ohne Radikulärsyndrom, Tumorerkran-kung/Metastasierung, entzündliche Wirbelsäulenerkrankung/Morbus Bechte-rew/Diszitis, Missbildungen, Spinalkanalstenose, Osteoporose

2. Einnahme von mehr als 500 mg Diclofenac oder Äquivalentdosis eines ande-ren NSAR pro Woche

3. Neubeginn oder Absetzen einer medikamentösen Behandlung der Rücken-schmerzen oder Depression innerhalb von sechs Wochen vor Beginn der AWB

4. Beginn einer Psychotherapie vor weniger als sechs Monaten

5. Beginn oder Absetzen einer Behandlung der Rückenschmerzen durch physi-kalische Therapie und/oder Akupunktur vor weniger als einem Monat

6. Klinisch relevante Erkrankungen (z.B. der Leber, Niere, Herz/Kreislauf, Atem-trakt, zerebrovaskulär, metabolisch) oder progressive Erkrankungen (z.B. Ma-lignome, hämatologische Erkrankungen) sowie Hinweise auf das Vorliegen ei-ner Fibromyalgie, die den Verlauf der AWB beeinflussen konnten

7. Relevante psychiatrische Diagnosen wie z.B. Schizophrenie, schwere Dep-ression (Summenscore der ersten 17 Items der HAMD >17), Psychosen, Hy-pochondrie und relevante psychosomatische Erkrankungen

8. Gleichzeitig oder nicht weniger als vier Wochen zurückliegende Teilnahme an Arzneimittelstudien

9. Schwangerschaft und Stillzeit

10. Regelmäßige Einnahme von Weidenrinden- und/oder Johanniskrautzuberei-tungen (jede Dosis)

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11. Bekannte Überempfindlichkeit auf Weidenrindenextrakt (nur für AWB 1: oder Johanniskraut)

12. Einnahme von Medikamenten, bei denen klinisch relevante Wechselwirkun-gen mit dem Weidenrindenextrakt wie z.B. Antikoagulantien, Kortikoide, blut-zuckersenkende Mittel (nur für AWB 1: oder mit dem Johanniskrautextrakt wie z.B. Antikoagulanzien, Immunsuppressiva, Digoxin, Proteaseinhibitoren in der Anti-HIV-Behandlung, Theophyllin, niedrigdosierte Kontrazeptiva) bekannt sind oder vermutet werden.

13. Einnahme von chemisch definierten Antidepressiva 14. nur für AWB 1: bekannte Photosensibilisierung

2.4. Präparate

Als Weidenrindenpräparat kam das apothekenpflichtige Mittel Proaktiv® der Firma Steigerwald zum Einsatz. Bei Proaktiv® handelt es sich um Hartkapseln à 480 mg Weidenrinden-Trockenextrakt. Es zeichnet sich durch einen hohen Salicingehalt (120 mg/Kapsel) und einen hohen Gesamtpolyphenolgehalt aus. Das Droge-Extrakt-Verhältnis beträgt 16-23:1. Da die Wirkstoffe der Weidenrinde besonders gut wasser-löslich sind, dient bei Proaktiv Wasser als Auszugsmittel. Proaktiv® wird innerlich bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt. Das Anwendungsgebiet und die Verträg-lichkeit von Weidenrindenpräparaten sind durch mehrere Studien gut belegt. (WEGENER 2009).

Die Wirksamkeit von Salicinen wird erst nach Hydrolyse und Resorption im Dünn-darm sowie anschließender Oxidation in Blut bzw. Leber zur pharmakologisch wirk-samen Salicylsäure erreicht. Die Resorption aus einem pflanzlichen Fertigarzneimit-tel führt zu einer maximalen Plasmakonzentration an Salicylsäure nach zwei bis drei Stunden. Bei wiederholter Einnahme nach vier Stunden wurde ein deutlich erhöhter Blutspiegel nachgewiesen, der nach einer dritten Applikation nicht weiter anstieg (FACHINFORMATION PROAKTIV® 2006).

In den AWB wurden die Originalpackungen (N3 à 100 Stück) von Proaktiv® (Hart-kapseln) verwendet. Jeweils eine Kapsel sollte morgens und abends mit reichlich Flüssigkeit oral eingenommen werden.

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Als Johanniskrautpräparat verwendeten wir das apothekenpflichtige Johanniskraut-extrakt Laif® 900 der Firma Steigerwald. Es enthält 900 mg TrockenJohanniskraut-extrakt Johan-niskraut bei einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 3-6:1. Als Auszugsmittel dient 80 Vol.-% Ethanol. Seit Anfang der 80er Jahre wurde die klinische Wirksamkeit und Un-bedenklichkeit von Johanniskrautextrakt-Präparaten in zahlreichen klinischen Stu-dien überprüft. Mittlerweile ist die therapeutische Wirksamkeit und Verträglichkeit von Johanniskrautextrakten allgemein sehr gut belegt (CLEMENT et al 2006, LINDE et al 2005, LINDE und KNÜPPEL 2005).

Als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe gelten vor allem Hypericine, Hyperfo-rin und Flavonoide. In Rezeptor- bzw. Transmittermodellen hemmte Johanniskraut-extrakt in vitro die Wiederaufnahme der monoaminergen Neurotransmitter Noradre-nalin, Dopamin und Serotonin in präsynaptische Neuronen. Das führte zu einer Er-höhung der Transmitterkonzentration im synaptischen Spalt und an der postschen Membran aufgrund der verlängerten Verweildauer der Transmitter im synapti-schen Spalt. Hierauf beruht der antidepressive Effekt (FACHINFORMATION LAIF® 900, 2006).

In der AWB wurden die Originalpackungen (N3 à 100 Stück) von Laif® 900 (Tablet-ten) verwendet. Jeweils eine Tablette Laif®900 sollte nach dem Frühstück unzerkaut mit Flüssigkeit oral eingenommen werden.

2.5. Zielgrößen

Um möglichst präzise Antworten auf die von uns verfolgten Zielsetzungen erhalten zu können, entschieden wir uns für die Festlegung folgender Zielgrößen unter Ver-wendung weiter unten beschriebener Messinstrumente:

wichtigste Zielgröße:

• 1. Veränderung der aktuellen Rückenschmerzen in ihrer Intensität, ermittelt durch die VAS (Visuelle Analogskala):

1.1 unter der Weidenrinden- und Johanniskrautmonotherapie:

für AWB 2 (nur Weidenrinde): nach sechs und nach zwölf Wochen Therapie für beide Arme der AWB 1: nach jeweils sechs Wochen Therapiezeit

1.2 nur für AWB 1: unter der Kombinationstherapie aus beiden Präparaten: nach zwölf Wochen Therapiezeit

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weitere Zielgrößen:

• 2. nur für AWB 1: Vergleich der Weidenrinden- und Johanniskrautmonothera-pien miteinander nach sechs Wochen Therapiezeit

• 3. nur für AWB 1: Veränderung der depressiven Stimmungslage unter den je-weiligen Einzelpräparaten und der Kombinationsbehandlung; ermittelt durch die HAMD (17) (Hamilton Depression Scale)

• 4. Veränderung der durch die Rückenschmerzen bedingten körperlichen Funktionseinschränkung, ermittelt durch den FFbH-R (Funktions-Fragebogen Hannover–Rückenschmerz)

• 5. nur für AWB 1: Veränderung der depressiven Stimmungslage, ermittelt durch die D-S (Depressivitäts-Skala)

• 6. Veränderung der Lebensqualität, ermittelt durch den SF-36 (36-Item Short-Form-Fragebogen zum Gesundheitszustand)

• 7. Wirksamkeit und Verträglichkeit beider Präparate im Patientenurteil • 8. aufgetretene unerwünschte Ereignisse (UE)

2.6. Messinstrumente

2.6.1. Visuelle Analogskala (VAS)

Eines der meistgenutzten und validierten Verfahren zur Einschätzung der Schmerzin-tensität bei Rückenschmerzen ist das Selbstbeurteilungsverfahren Visuelle Analog-skala (VAS) (OSTELO und DE VET 2005). Bei der VAS handelt es sich um eine 100 mm lange Linie, deren Endpunkte extreme Zustände darstellen. Die Skala reicht von „Kein Schmerz“ bis „Stärkster vorstellbarer Schmerz". Der Patient gibt auf dieser Li-nie entweder seine aktuellen Schmerzen, seine durchschnittlichen Schmerzen inner-halb der letzten 24 Stunden oder seine durchschnittlichen Schmerzen innerinner-halb der letzten sieben Tage an. Auf der Rückseite liest man dann einen dazugehörigen Wert von Null (entspricht keinem Schmerz) bis Hundert Millimeter (entspricht stärkstem vorstellbarem Schmerz) ab. In unseren AWB fragten wir die aktuelle Intensität der Rückenschmerzen mittels VAS ab. Durch die hohe Zahl an Antwortkategorien (bei einer millimetergeführten 100 mm langen VAS-Skala können 101 Level erhoben werden), ist die VAS sensitiver gegenüber Veränderungen der Schmerzintensität als

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Verfahren mit einer geringeren Anzahl von Antwortkategorien (VON KORFF et al 2000). Nach OSTELO und DE VET (2005) besteht eine hohe Evidenz bezüglich der Validität. Ebenso ist die Reliabilität der VAS nachgewiesen worden (CARLSSON 1983). Die VAS ist ein einfach zu handhabendes Verfahren von kurzer Bearbei-tungsdauer. Sie muss dem Patienten jedoch vorher sorgfältig erklärt werden, um mögliche Fehlerquellen zu minimieren.

2.6.2. Hamilton Depression Scale (HAMD)

Es handelt sich um das am weitesten verbreitete Fremdbeurteilungsverfahren zur Einschätzung des Schweregrades einer Depression. Die ursprüngliche Skala be-stand aus 17 Items (HAMILTON 1960). Später wurde sie auf 21 Symptome (BAUMANN 1976) erweitert. Die einzelnen Items werden jeweils auf mehrstufigen Kategorieskalen beurteilt, die sich auf die Intensität der Symptomatik beziehen. Als Bezugsrahmen gelten die letzten Tage bzw. eine Woche vor dem Patienteninterview. Nur die ersten 17 Items (17-Item-Version) werden zu einem den Schweregrad reprä-sentierenden Skalenwert zusammengefasst. Mit den vier zusätzlichen Variablen kann der Typ der Depression charakterisiert werden.

Reliabilität: Nach den umfassenden Zusammenstellungen von HEDLUND und VIEHWEG (1979) liegt die Interrater-Reliabilität im Bereich von r = .52 bis .98. Die Schätzungen der inneren Konsistenz bewegen sich zwischen .52 und .95. Die ent-sprechenden Konsistenzkoeffizienten (Cronbach`s Alpha) liegen in der Untersuchung von BAUMANN (1976) zwischen .73 und .88 bei der 17-Item-Version.

Validität: Zwischen der HAMD und dem Beck Depressions-Inventar (BDI) wurden Korrelationen zwischen r = .16 bis .82 beobachtet. Korrelationen zwischen der HAMD und der Zung´schen Self Rating Depression Scale (SDS) lagen im Bereich von .22 und .95. Die Korrelation mit Globalbeurteilungen unterschiedlicher Form betrug r = .70 bis .95 (HEDLUND und VIEHWEG 1979).

Bearbeitungsdauer: Das Interview mit dem Patienten sollte etwa 30 Minuten betra-gen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Informationen nicht durch direktes Abfra-gen der Items gesammelt werden.

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2.6.3. Funktions-Fragebogen Hannover – Rückenschmerz (FFbH-R)

Der FFbH-R dient der Messung der Funktionskapazität bei Alltagstätigkeiten, wenn diese durch eine Behinderung bei Komplexbewegungen, insbesondere durch Be-schwerden im Bereich der Wirbelsäule, beeinträchtigt ist. Es handelt sich um einen Selbstbeurteilungsfragebogen. Er enthält 12 Fragen, die Tätigkeiten aus dem tägli-chen Leben abfragen. Es ist eine 3-stufige Antwortskala mit den Alternativen „Ja“, „Ja, aber mit Mühe“ und „Nein oder nur mit fremder Hilfe“ vorgegeben.

Reliabilität: Die Reliabilität bzw. Homogenität des FFbH-R ist sehr zufriedenstellend. Die mittlere Item-Interkorrelation beträgt 0,5, die Test-Retest-Korrelation bei Mess-wiederholung nach ca. 1 Woche ist größer als 0,75, der Reliabilitätskoeffizient Cron-bach`s Alpha erreicht Werte im Bereich von 0,90 (KOHLMANN und RASPE 1994). Validität: Zur Frage der kriterienbezogenen (Konvergenz-)Validität zeigen Untersu-chungen, dass die Korrelation des FFbH-R mit externen Vergleichsgrößen bei me-thodisch verwandten Messinstrumenten (Health Assessment Questionnairen Roland-Morris-Skala, MOPO-Skalen, Pain Disability Index) im allgemeinen Werte von min-destens 0,75 erreicht. Die Korrelation mit Fremdbeurteilungen der Funktionskapazität durch den Arzt liegt im Bereich von 0,60 bis 0,7, die Zusammenhänge mit einfachen klinischen Parametern (u. a. Finger-Boden-Abstand, Schober) sind erwartungsge-mäß deutlich geringer ausgeprägt (KOHLMANN und RASPE 1994, ROESE et al 1996).

Bearbeitungsdauer: Etwa drei bis fünf Minuten.

2.6.4. Depressivitäts – Skala (D-S)

Die Depressivitäts-Skala D-S stellt eine Selbstbeurteilungsskala dar. Mit dem Verfah-ren werden emotionale Beeinträchtigungen ängstlich-depressiver Qualität erfasst (HENTSCHEL et al 1976). Die Depressivitäts-Skala beinhaltet 16 Items, welche mit-tels einer Skala entsprechend der Intensität der Beschwerden vom Patienten beur-teilt werden. Erfasst wird die depressive Symptomatik als depressive, ängstliche oder auch reizbare (dysphorische) Verstimmung. Veränderungen in den Ergebnissen der Skalen zeigen subjektive Veränderungen bezüglich der Verfassung der Patienten. Reliabilität: Die Paralleltest-Reliabilität liegt zwischen r = .85 und r = .91.

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Validität: Es liegen Untersuchungen zur inhaltlichen und kriterienbezogenen Validität vor.

Bearbeitungsdauer: Bei Gesunden zwei bis zehn Minuten, bei Patienten je nach Art und Ausmaß ihrer Störung bis zu 15 oder 20 Minuten.

2.6.5. 36-Item Short-Form-Fragebogen zum Gesundheitszustand

(SF-36)

Der SF-36 ist ein krankheitsübergreifendes Messinstrument zur Erfassung der ge-sundheitsbezogenen Lebensqualität von Patienten (WARE und SHERBOURNE 1992). Er umfasst acht Dimensionen, die sich konzeptionell in die Bereiche "körperli-che Gesundheit" und "psychis"körperli-che Gesundheit" einordnen lassen: körperli"körperli-che Funkti-onsfähigkeit, körperliche Rollenfunktion, körperliche Schmerzen, allgemeine Ge-sundheitswahrnehmung, Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunk-tion und psychisches Wohlbefinden. Die Auswertung erfolgt mit den Statistikprog-rammen SAS oder SPSS.

Reliabilität: Die interne Konsistenz (Cronbach`s Alpha) der Subskalen liegt zwischen α = .57 und α = .94

Validität: Es werden die Studien zur konvergenten, diskriminanten Validität und Sen-sitivität des Verfahrens angeführt.

Bearbeitungsdauer: Etwa zehn Minuten.

2.7. Ablauf der AWB

Einschlussuntersuchung:

Die Ein- und Ausschlusskriterien zur Aufnahme in eine der AWB wurden in der Base-lineuntersuchung anhand der Anamnese und der körperlichen Untersuchung über-prüft. Die behandelnde Ärztin füllte nach ausführlichem Interview die Hamilton Dep-ression Scale (HAMD) aus. Bei Vorliegen eines Summenscore der ersten 17 Items der HAMD zwischen 10-17 Punkten (leichte bis mittelgradige depressive Verstim-mung) wurde der Patient in die AWB 1, bei einem Summenscore der HAMD < 10 Punkte in die AWB 2 eingeschlossen.

Der Patient wurde über Ziel und Ablauf der AWB aufgeklärt und um sein schriftliches Einverständnis gebeten. Dann erfolgte die Bestimmung der momentanen

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Ausprä-gung des Rückenschmerzes mittels der Visuellen Analogskala (VAS) durch den Pa-tienten. Anschließend erhielt er eine Unterweisung bezüglich der Bearbeitung der Fragebögen. Er füllte selbstständig den Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz (FFbH-R), die Depressivitäts-Skala (D-S) sowie den 36-Item Short-Form-Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36) aus.

Die Patienten der AWB 1 erhielten nach Randomisierung entweder das Johannisk-raut- oder das Weidenrindenextrakt für die ersten sechs Wochen der AWB durch ei-ne medizinischen Hilfskraft ausgehändigt. Die Patienten der AWB 2 bekamen das Weidenrindenextrakt für die ersten sechs Wochen.

Telefonische Kontrollen nach einer und nach drei Wochen:

Der Patient wurde von der behandelnden Ärztin telefonisch nach Zustand, Begleit-medikation und unerwünschten Ereignissen gefragt.

Zwischenuntersuchung nach sechs Wochen:

Der Patient wurde von der behandelnden Ärztin nach Zustand, Begleitmedikation und unerwünschten Ereignissen gefragt sowie orientierend körperlich untersucht. Die Ärztin füllte die HAMD(17) nach dem Patienteninterview aus. Der Patient bestimmte die momentane Ausprägung des Rückenschmerzes mittels VAS und füllte die Fra-gebögen FFbH-R, D-S und SF-36 aus. Er erhielt dann die Kombinationstherapie, be-stehend aus dem Weidenrinden- und dem Johanniskrautextrakt, für die verbleiben-den sechs Wochen (AWB 1) bzw. nur das Weiverbleiben-denrinverbleiben-denextrakt für die verbleibenverbleiben-den sechs Wochen (AWB 2) ausgehändigt.

Telefonische Kontrolle nach neun Wochen:

Der Patient wurde von der behandelnden Ärztin telefonisch nach Zustand, Begleit-medikation und unerwünschten Ereignissen gefragt.

Abschlussuntersuchung nach zwölf Wochen:

Der Patient wurde von der behandelnden Ärztin nach Zustand, Begleitmedikation und unerwünschten Ereignissen gefragt sowie orientierend körperlich untersucht. Die Ärztin füllte die HAMD(17) nach dem Patienteninterview aus. Der Patient schätzte anhand eines Fragebogens die Wirksamkeit und Verträglichkeit der angewandten

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Medikation ein. Er bestimmte die momentane Ausprägung des Rückenschmerzes mittels VAS und füllte die Fragebögen FFbH-R, D-S und SF-36 aus.

2.8. Vorzeitige Beendigung der AWB

Abbruch bei einem Patienten:

Jeder Patient konnte ohne Angabe von Gründen jederzeit aus der AWB ausschei-den, was dann eine zeitnahe Durchführung der Abschlussuntersuchung erforderlich machte.

Mögliche Gründe für den Ausstieg eines Patienten konnten sein:

• Auftreten unerwünschter Ereignisse, sofern die behandelnde Ärztin oder der Patient den Abbruch wünschten oder für nötig befanden

• Erkrankung, die eine unerlaubte und unter die Ausschlusskriterien fallende Begleittherapie/-medikation erforderte

• nachträgliche Feststellung, dass Auswertungskriterien nicht erfüllt worden waren

• nachträgliche Feststellung von Kriterien, die zum Ausschluss von der Auswer-tung führten

• mangelnde Compliance des Patienten

• schwerwiegender Verstoß gegen den Beobachtungsplan

• jede Situation, in der nach Meinung der behandelnden Ärztin eine Fortsetzung der AWB den Interessen des Patienten zuwiderlief.

2.9. Unerwünschte Ereignisse

Definition von unerwünschten Ereignissen (UE):

Ein unerwünschtes Ereignis (UE) umfasst alle nicht erwünschten, durch Noxen, pa-thologische Vorgänge und Unfälle hervorgerufenen Veränderungen des gesundheit-lichen Zustandes des Patienten während der laufenden Untersuchung (einschließlich Laborwertveränderungen und allergischer Reaktionen). Diese sind unabhängig von einem möglichen kausalen Zusammenhang mit der Einnahme der verwendeten Prä-parate.

(35)

Definition von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (SUE): Schwerwiegend sind unerwünschte Ereignisse (SUE), wenn sie:

• den Tod zur Folge haben • lebensbedrohlich sind

• einen bleibenden oder signifikanten Schaden oder eine Behinderung zur Folge haben

• die Einweisung ins Krankenhaus erfordern oder die stationäre Verweildauer verlängern

• eine angeborene Fehlbildung/konnatalen Defekt darstellen.

Definition von nichtschwerwiegenden unerwünschten Ereignissen:

Alle UE, die nicht der vorgenannten Definition eines SUE entsprechen, werden als „nicht schwerwiegend“ klassifiziert.

Evaluierung unerwünschter Ereignisse:

Die behandelnde Ärztin war verpflichtet, jeden Patienten der AWB hinsichtlich des Auftretens von UE zu befragen und ggf. zu untersuchen.

Die Beschreibung eines UE schloß die Zeit des Auftretens, die Persistenz, die Ge-fährlichkeit, die Intensität, die Prognose und die Beziehung des UE zur verabreichten Medikation ein.

Die Intensität des UE wurde durch die behandelnde Ärztin anhand der folgenden Klassifikation eingeschätzt:

Leicht: Das UE ist tolerierbar und stellt für den Patienten kein Problem dar. Routineaktivitäten des Patienten werden dadurch nicht beeinflusst. Mittel: Durch das UE wird Routineaktivität beeinträchtigt.

Schwer: Dem Patienten ist es unmöglich, Routineaktivität durchzuführen.

Die Bewertung der Intensität eines UE war streng von der Beurteilung, ob ein schwerwiegendes UE (SUE) vorlag, zu trennen. Ein „stark“ ausgeprägtes UE mußte nicht „schwerwiegend“ sein.

Kausalität: Die behandelnde Ärztin nutzte folgende Definitionen, um einen Zusam-menhang zwischen dem Auftreten eines UE und der Behandlung zu bewerten:

(36)

Kein Zusammenhang: Diese Kategorie wird bei UE angewandt, die klar und ohne Zweifel durch externe Gründe bedingt sind.

Unwahrscheinlich: Das UE ist in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Be-handlung aufgetreten und entspricht auch keinen zu erwartenden Reaktionen auf die Behandlung. Bei wiederholter Behandlung lässt sich dieser Effekt nicht reprodu-zieren. Wahrscheinlich könnte es durch den klinischen Status des Patienten, durch die Umweltbedingungen oder toxische Noxen bzw. durch ein anderes Therapieregi-me, dem der Patient unterliegt, erklärt werden.

Möglich: Das UE erscheint in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung oder der zu erwartenden Wirkung derselben. Es könnte aber auch durch den klini-schen Status des Patienten, durch die Umwelt oder toxische Noxen bzw. durch ein anderes Therapieregime, welchem der Patient unterliegt, begründet sein.

Wahrscheinlich: Das UE erscheint in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Be-handlung oder der zu erwartenden Wirkung derselben. Es ist nicht begründbar mit dem klinischen Status des Patienten, mit der Umwelt oder toxischen Noxen bzw. einem anderen Therapieregime, dem der Patient unterliegt. Das UE verschwindet oder wird abgeschwächt durch ein Absetzen der Behandlung.

Nicht einschätzbar: Es sind zu wenig Daten vorhanden, um das UE in eine der oben genannten Kategorien einzustufen. Es bestehen begründete Zweifel zwischen dem Vorhandensein eines UE und ihrer regelrechten Beschreibung durch den Pa-tienten.

Dokumentation:

Alle auftretenden UE, unabhängig von kausalen Zusammenhängen, sowie jegliche notwendige Behandlungsmaßnahmen wurden von der behandelnden Ärztin doku-mentiert. Die Dokumentation erfolgte anhand der oben beschriebenen Klassifikation in die entsprechenden Formblätter des Beobachtungsbogens des jeweiligen Patien-ten. Gleichzeitig wurden die Patienten angehalten, bei Befindlichkeitsstörungen die behandelnde Ärztin zu kontaktieren.

Alle SUE mußten darüber hinaus innerhalb von 24 Stunden durch die behandelnde Ärztin an den Leiter der AWB gemeldet werden:

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