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Das Phänomen Schulabsentismus - Eine Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen und Problemlagen

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Academic year: 2021

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Fachbereich Soziale Arbeit. Medien. Kultur. Das Phänomen Schulabsentismus – Eine Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen und Problemlagen Bachelorarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Arts

Vorgelegt von: Joana Wohlfeld Matrikelnummer: 20737

Erstgutachter: Herr Prof. Dr. jur. Erich Menting Zweitgutachter: Herr Prof. Dr. phil. Jürgen Benecken Vorgelegt am: 19.12.2016

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I 1 2 3 6 9 12 14 17 18 18 21 24 29 31

Das Phänomen Schulabsentismus – Eine Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen und Problemlagen

1. Einleitung

2. Zielsetzung und Verlauf der Arbeit

3. Allgemeine Erläuterungen zum Begriff des Schulabsentismus 3.1 Schulschwänzen

3.2 Schulverweigerung

3.3 Die Zurückhaltung von Schülern durch die Eltern 4. Rechtliche Aspekte des Schulabsentismus

5. Erhebungen zur Häufigkeit von Schulabsentismus 6. Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus

6.1 Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus aus dem familiären Bereich

6.2 Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus aus dem schulischen Bereich

7. Bestehende Konzepte zur Bewältigung des Problems des Schulabsentismus

8. Alternatives Lösungsmodell in Form individueller Bausteine zur Eindämmung des Schulabsentismus

9. Zusammenfassung und Schlussfolgerung 10. Selbstständigkeitserklärung

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Das Phänomen Schulabsentismus- Eine Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen und Problemlagen

1. Einleitung

Der Bildungsminister Mecklenburg-Vorpommerns, Mathias Brodkorb1, wagte im Juli dieses Jahres einen neuen Vorstoß hinsichtlich der Bekämpfung des Problems des Schulabsentismus. So soll nach dem Willen Brodkorbs ein 7-Punkte-Plan dazu beitragen, schwänzende Schüler zum Schulunterricht zurückzuführen.2 Konkret soll spätestens ab dem elften unentschuldigten Fehltag von einem beständigen Schwänzen ausgegangen werden, welches die Schulen ermächtigt, den betreffenden Schüler durch die Polizei zum Unterricht zurückführen zu lassen.3 Hat der „Intensivschwänzer“ bereits 21 Tage unentschuldigt gefehlt, so besteht gemäß dem geplanten Programm kein pädagogischer Entscheidungsspielraum mehr für eine polizeiliche Zuführung.4 Das Bekanntwerden dieses Vorhabens hat insbesondere in der Opposition des Landtags und im Landeselternrat zahlreiche kritische Stimmen hervorgerufen, welche vor allem anmahnen, dass die Verbringung der Schüler durch die Polizei nicht die Probleme löse, die die Ursache für ihr Fernbleiben vom Unterricht darstellen.5 Der Kinder-und Jugendring Sachsen-Anhalts beispielsweise fordert die Abschaffung von dergleichen Maßnahmen und verlangt stattdessen Präventionskonzepte. Da sich junge Schulverweigerer oftmals in einer instabilen Lebenssituation befinden, seien Schulsozialarbeit und Schulbegleitung ein richtiger Ansatz um dies zu verhindern.6 Zwar kann das grundsätzliche Bemühen darum, schulverweigernde Jugendliche wieder zur Teilnahme am Unterricht zu bewegen, als durchaus begrüßenswert angesehen werden, es muss jedoch in diesem Zusammenhang überprüft werden ob die eingangs erwähnte drastische Maßnahme ein wirksames Mittel zur Rückführung zum Schulunterricht darstellt.

1 Mathias Brodkorb war Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur von Oktober 2011 bis Oktober 2016. Seit November 2016 ist er Finanzminister in Mecklenburg- Vorpommern

2 SVZ.de (2016); Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern (2016). 3 SVZ.de (2016); Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern (2016). 4 SVZ.de (2016); Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern (2016). 5 SVZ.de (2016). 6 Mitteldeutsche Zeitung (2016) S.4

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Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, welche Maßnahme zur Prävention von Schulabsentismus möglicherweise geeigneter erscheint, als das hier beschriebene Vorhaben eines Landesministeriums. Dieser Frage, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.

2. Zielsetzung und Verlauf der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es daher sein, das Phänomen des Schulabsentismus näher zu beleuchten und Konzepte aufzuzeigen, die in diesem Kontext geeignet erscheinen, Schulabsentismus entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang soll versucht werden, einen alternativen Lösungsvorschlag zu formulieren, welcher ursächliche Problemlagen des Schulabsentismus als lebensweltorientierte Grundhaltung sozialpädagogischer Expertise zu Grunde legt.

Um diese Zielsetzung zu erreichen, ist es jedoch zuvor erforderlich, den Begriff des Schulabsentismus näher zu definieren. Denn einerseits kann mit der Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten das notwendige Grundverständnis für diese Thematik geschärft und andererseits zugleich der konkrete Problembereich deutlicher skizziert und umrissen werden. Weiterhin erforderlich für die Verfolgung der Zielstellung dieser Arbeit ist auch ein Blick auf die rechtlichen Aspekte des Schulabsentismus, welche gleichsam die Grundlage für die Auseinandersetzung mit dieser Thematik, aber auch für entsprechende Gegenmaßnahmen wie etwa die geplante Rückführung der Schulschwänzer durch die Polizei bilden. Zum Zwecke der Verdeutlichung der Relevanz der Thematik dieser Arbeit soll nachfolgend in kurzen Zügen die statistische Häufigkeit des Problems des Schulabsentismus anhand von Beispielen dargestellt werden. In einem weiteren Schritt muss sodann auf die möglichen Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus eingegangen werden. Vor diesem Hintergrund sollen dann einige der bestehenden Konzeptionen zur Bewältigung des Phänomens des Schulabsentismus vorgestellt und näher erläutert werden. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse aufbauend, soll in einem weiteren Schritt versucht werden, eine alternative Option für die Bewältigung dieses Problemkreises zu formulieren, welche möglicherweise bestehende Stärken und Schwächen bei den bereits vorhandenen Konzepten aufgreift und diese vor dem Hintergrund eines lebensweltorientierten Zuganges entsprechend

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weiterentwickelt. Die auf diese Weise gefundenen Ergebnisse dieser Arbeit sollen dann im Rahmen der Zusammenfassung kurz benannt und einer abschließenden Schlussfolgerung zugänglich gemacht werden.

3. Allgemeine Erläuterungen zum Begriff des Schulabsentismus

Um wirksame Konzepte gegen das Problem des Schulabsentismus entwickeln zu können, bedarf es zwingend einer näheren Auseinandersetzung mit diesem Begriff. Denn nur, wenn hinreichend geklärt ist, in welcher Weise dieser zu verstehen ist, können auch Strategien und Maßnahmen erarbeitet und angewandt werden, welche sich konkret auf diese Problematik beziehen.

Versucht man den Begriff des Schulabsentismus auf einer einfach gelagerten Ebene zu beschreiben, so kann dieser etwa als Schulvermeidung, Schulmüdigkeit, Schulverweigerung oder schlicht als Schulschwänzen verstanden werden.7 Diese vereinfachte Beschreibung kann jedoch zur Behandlung der Thematik der vorliegenden Arbeit nicht als ausreichend angesehen werden, weshalb eine weitergehende Differenzierung dieser Begrifflichkeit vorgenommen werden muss.

Teilweise wird eine solche Unterscheidung dahingehend vorgenommen, indem die Schulverweigerung und das Schuleschwänzen als eine aktive Absicht des Schülers zum Fernbleiben vom Unterricht verstanden werden, wohingegen die Begriffe der Schulvermeidung und der Schulmüdigkeit in Fällen psychischer Schwierigkeiten des Schülers verwendet werden.8 Der Begriff des Schulabsentismus unterlässt aber nach diesem Verständnis im Gegensatz zu den zuvor benannten Erscheinungsformen eine Einstufung in eine krankheits- oder absichtsbezogene Begründung für das Fehlbleiben, sondern stellt vielmehr einen Hinweis auf das Unvermögen des Jugendlichen dar, den Schulalltag an sich durchzustehen.9 Es muss jedoch festgestellt werden, dass es noch weiterer Präzisierungen dieses Begriffs bedarf, um eine Grundlage für nachfolgende Erörterungen zu bilden. 7 Wagner/Dunkake/Weiß (2008), S. 258 (259 f.); Oehme/Franzke (2002), S. 67 (70 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 3; Ricking (2003), S. 91 ff. 8 Steins/Weber/Welling (2014), S. 3. 9 Steins/Weber/Welling (2014), S. 3.

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Insbesondere in Anbetracht der hohen Bedeutung des Schulabsentismus ist eine allgemein anerkannte und hinreichend konkrete Definition des Begriffs unerlässlich. Denn die regelmäßige Teilnahme eines Schülers am Schulunterricht ist zugleich eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein integriertes Leben in der Gesellschaft, da es für die notwendigen Lern- und Entwicklungsfortschritte eines gewissen Maßes an Partizipation bedarf, für ebendiese Partizipation aber auch zwingend die Teilnahme am und die Anwesenheit im Unterricht erforderlich ist.10 Dies bedeutet in der Praxis, dass Schüler, die dem Unterricht häufig fernbleiben, kaum eine Chance auf Partizipation an den vermittelten Lerninhalten besitzen und damit im Umkehrschluss zugleich kaum Fortschritte in ihrer Entwicklung machen. Diese sind jedoch von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, ein integriertes Leben in der Gesellschaft führen zu können. Die verminderten Bildungs- und Teilhabechancen von Schülern, die in hohem Maße dem Unterricht fernbleiben, lassen sich nicht zuletzt an den mittel- bis langfristigen Folgen des Fernbleibens ablesen. So kann festgestellt werden, dass die regelmäßige Abwesenheit beim Schulunterricht häufig dazu führt, dass die schulische Laufbahn nicht bis zum Ende absolviert wird, zudem kein Abschluss erreicht wird und damit auch die Zugangschancen zum Arbeitsmarkt rapide sinken.11 Darüber hinaus weisen Schüler, die regelmäßig dem Unterricht fernbleiben eine signifikant höhere Delinquenzbelastung auf und bewegen sich häufiger in sozialen Problemlagen als dies bei Schülern der Fall ist, die generell am Unterricht teilnehmen.12 Gerade in der heutigen Gesellschaft, in der die Schule nicht mehr nur ein Ort der Integration, sondern auch der Selektion mit Blick auf den zu erwerbenden Abschluss und die damit verbundenen Studien- und Karrierechancen geworden ist, kann der Schulabsentismus für den einzelnen Schüler ein 10 Wagner/Dunkake/Weiß (2008), S. 258 (259); Steins/Weber/Welling (2014), S. 7. Ricking (2014), S. 5. 11 Allmendinger/Helbig (2008), S. 394 f.; Ricking (2003), S. 89 ff.; Ricking (2014), S. 5; Steins/Weber/Welling (2014), S. 7; Rizk (2013), S. 12. 12 Steins/Weber/Welling (2014), S. 7; Ricking (2003), S. 87 ff.; Ricking (2014), S. 5; Wilmers/Enzmann/Schaefer/Herbers/Greve/Wetzels (2002), S. 290 f.

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gravierendes Problem darstellen. Denn Bildung muss als maßgeblicher Faktor eines beruflichen Werdeganges sowie gesellschaftlicher Partizipation angesehen werden, sodass ein Fernbleiben vom Unterricht gleichsam mit erheblichen Erschwernissen bei der Erreichung dieser Grundvoraussetzungen einhergeht.13 Es kann insofern gleichsam von einem Bildungswettbewerb gesprochen werden, bei welchem die „Gewinner“ regelmäßig sowohl auf bessere berufliche als auch auf bessere gesellschaftliche Teilhabechancen verweisen können, als dies bei Schülern der Fall ist, welche die Teilnahme am Unterricht verweigern. In diesem Zusammenhang muss auch der Aspekt erwähnt werden, dass das Phänomen des Schulabsentismus häufig bei den „Verlierern“ des schulischen Leistungswettbewerbs anzutreffen ist, die ohnehin schon wenig Bestätigung für ihre Leistungen in der Schule und von ihren Eltern erhalten oder Klassen wiederholen müssen.14 Bleiben diese Schüler in einer solchen Situation noch zusätzlich dem Unterricht fern, so verfestigt dies ihre nachteilige Stellung im Bildungswettbewerb und erzeugt eine noch größere Distanz hinsichtlich der Teilhabe am Schulunterricht.15 Gleichzeitig ist unter diesen Gegebenheiten die Entwicklung psychischer Störungen wahrscheinlicher.16 Es kann in diesem Zusammenhang gleichsam von einer Art Teufelskreis gesprochen werden, bei welchem einerseits schlechte schulische Leistungen das Fernbleiben vom Unterricht begünstigen und dieses wiederum sich regelmäßig in schlechten schulischen Leistungen widerspiegelt.

Gerade vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung des Schulabsentismus für gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und verbesserte berufliche Chancen ist es insofern unerlässlich, zur Entwicklung von Lösungsvorschlägen ein möglichst genaues Bild bezüglich dieses Begriffes zu skizzieren.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Schulabsentismus den Oberbegriff für das Fernbleiben vom Unterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen 13 Ricking (2014), S. 6; Rizk (2013), S. 12; 14 Ricking (2014), S. 6. 15 Ricking (2014), S. 6. 16 Walter/Döpfner (2009), S. 153 f.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 7; Rizk (2013), S. 12.

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Grund bildet, wobei als Unterformen des Schulabsentismus das Schulschwänzen und die Schulverweigerung benannt werden.17 Grundsätzlich kann dieser Kategorisierung als Oberbegriff zugestimmt werden, jedoch erfassen die Unterbegriffe des Schulabsentismus nicht in die Gänze die Palette der Formen der Schulabsentismus. Überzeugender erscheint in dieser Hinsicht eine Untergliederung in die Kategorien des Schulschwänzens, der Schulverweigerung und des elterlichen Zurückhaltens von der Schule vorzunehmen.18 Dennoch kann mit Blick auf die zuvor genannte Kategorisierung festgehalten werden, dass das Schulschwänzen und die Schulverweigerung als die maßgeblichen Faktoren des Schulabsentismus angesehen werden können und das elterliche Zurückhalten der schulpflichtigen Kinder in diesem Kontext eher einen Sonderfall darstellt.19

3.1 Schulschwänzen

Betrachtet man den Bereich des Schulschwänzens, so kann diese Form des Schulabsentismus grundsätzlich als bewusstes, meist verdecktes Aufbegehren gegen die Autoritäten, die diese Regeln gesetzt haben, verstanden werden.20 Dabei muss jedoch auch festgehalten werden, dass das Schulschwänzen zumindest bis zu einem gewissen Grad an sich noch kein abweichendes Verhalten darstellt, sondern bei gelegentlichem Auftreten auch als Bestandteil der Entwicklung von Jugendlichen aufgefasst werden kann.21 Das Schulschwänzen stellt demnach gleichsam ein Grundbedürfnis nahezu aller Schüler dar, welches beispielsweise das gelegentliche Versäumen von Randstunden oder die Vermeidung von Schultagen mit ungeliebten Fächern betrifft.22

Kann der Bereich des Schulschwänzens in den aufgezeigten Dimensionen noch als entwicklungsgerecht angesehen werden, so wird das Schwänzen jedoch für diejenigen Schüler zum Nachteil, die damit ihre grundsätzlich ablehnende Haltung 17 Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 17. 18 Sälzer (2010), S. 14 ff.; Dunkake (2010), S. 34 ff.; Seeliger (2016), S. 26. 19 Seeliger (2016), S. 27. 20 Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 17. 21 Dunkake (2010), S. 43 ff.; Simon (2002), S. 11 (13); Seeliger (2016), S. 26 f. 22 Seeliger (2016), S. 26 f.

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zum Thema Schule zum Ausdruck bringen und bei denen sich die Ansicht durchgesetzt hat, dass es aufgrund einer wachsenden Perspektivlosigkeit ohnehin sinnlos sei, am Unterricht teilzunehmen.23 Neben dieser von Unlust geprägten schulischen Leistungssituation wird die Motivation zum Schwänzen noch dadurch gestärkt, dass parallel zum Fernbleiben vom Unterricht seitens des Schülers andere Situationen außerhalb der Schule erlebt werden können, die dieser als wesentlich befriedigender empfindet und ihm größere Freude als der Schulbesuch bereiten.24 Ein wesentlicher Faktor, der diese Verhaltensweisen begünstigt, ist insbesondere darin zu erblicken, dass schulschwänzende Kinder meist schon von Beginn ihrer Schulkarriere an nicht die notwendige kognitiven- sowie die nötigen Sozialkompetenzen besitzen und diese auch später nicht erwerben können, da sie von den Sorgeberechtigten weder Hilfe und Unterstützung bei schulischen Aufgaben noch die erforderliche Kontrolle und Beaufsichtigung erhalten.25 Insofern können Probleme bei der Erziehung und Beaufsichtigung der Kinder durch die Sorgeberechtigten als ein Aspekt festgehalten werden, welcher das Schulschwänzen begünstigt.

Jedoch muss auch festgestellt werden, dass noch weitere Faktoren in dieser Hinsicht zu berücksichtigen sind. Ohne bereits an dieser Stelle auf die im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu erörternden Ursachen des Schulabsentismus vorzugreifen, müssen in diesem Kontext noch weitere begünstigende Umstände für das Schulschwänzen genannt werden. Dies betrifft etwa das schulische Versagen, welches den Antrieb zum Fernbleiben von Schule noch verstärkt oder den Freundeskreis, durch welchen das schulschwänzende Verhalten nicht nur toleriert, sondern noch sozial verstärkt wird.26 Zudem muss auch die Schule selbst als verstärkender Faktor betrachtet werden. Denn diese vermittelt nicht nur Wissen und soziale Kompetenz, sondern sie erzeugt gleichzeitig auch Probleme unterschiedlichster Art, die auf Seiten der Schüler zu einer ablehnenden Haltung

23 Ricking (2014), S. 14; Oehme (2007), S. 47 ff. 24 Ricking (2014), S. 14; Oehme (2007), S. 47 ff. 25 Ricking (2006), S. 37 ff. Ricking (2014), S. 15. 26 Ricking (2014), S. 16.

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gegenüber der schulischen Einrichtung führen können.27 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa ein schlechtes Schulklima, ungünstige Lern- und Peergroup-Konstellationen in der Schule, ein nicht ausreichendes Management von Schülerverhalten sowie das Abschieben oder das bewusste Herausdrängen eines Schülers.28 Folglich muss auch die schulische Einrichtung an sich sowie das hier beschäftigte Lehrpersonal im Falle des Auftretens der genannten Umstände als begünstigender Umstand für das Auftreten von Schulschwänzen angesehen werden. Durch entsprechendes Gegensteuern der Schule sowie des Lehrpersonals bei Erkennen dieser Missstände kann jedoch gleichzeitig im Umkehrschluss eine weitere Zunahme der Häufigkeit des Schulschwänzens verhindert werden.

Geht das Schulschwänzen über den für Jugendliche „normalen“ Rahmen hinaus, so muss dem Schwänzen im Kontext des Phänomens des Schulabsentismus eine große Bedeutung beigemessen werden. Denn wie gesehen, haben häufige Fehlzeiten in der Schule einen maßgeblichen Einfluss auf die spätere berufliche Entwicklung und soziale Integration in die Gesellschaft. Darüber hinaus kann aber auch festgestellt werden, dass durch häufiges Schulschwänzen die Wahrscheinlichkeit für ein späteres delinquentes Verhalten drastisch erhöht wird.29 Demnach erhöht sich die Kriminalitätsbelastung bei regelmäßigem Schulbesuch von 39,7% um 30,5% auf 70,2% bei schulschwänzendem Verhalten, sodass hier ein deutlicher Zusammenhang zwischen unentschuldigtem Fernbleiben von der Schule und dem Ansteigen der Wahrscheinlichkeit für delinquente Verhaltensweisen erkannt werden kann.30 Nicht zuletzt aus diesem Grund wird das notorische Schulschwänzen daher nicht nur als Vorstufe oder Durchgangsstadium zur Kriminalität, sondern gleichsam auch als wohl wichtigster Faktor hinsichtlich eines abweichenden Verhaltens im Erwachsenenalter angesehen.31 Diese hohe Bedeutung des Schulschwänzens als Ausprägung des Schulabsentismus für die weitere Entwicklung eines 27 Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002), S. 20; Ricking (2014), S. 16 f. 28 Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002), S. 20; Ricking (2014), S. 16 f. 29 Baier (2012), S. 37 f.; Frings (2007), S. 201 (215); Stamm (2007b), S. 50 ff. 30 Frings (2007), S. 201 (215). 31 Stamm (2007b), S. 50 ff.

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Jugendlichen macht es zugleich erforderlich, auf die Hintergründe und Ursachen des Fernbleibens von der Schule in Kapitel 6 noch einmal gesondert einzugehen.

3.2 Schulverweigerung

Ähnlich wie beim Schulschwänzen definiert sich auch die Schulverweigerung bzw. die angstbedingte Schulmeidung über eine körperliche Abwesenheit des Schülers vom Unterricht, sie grenzt sich vom Schwänzen jedoch durch die Komponente des Vorliegens von Angstsymptomen ab.32 Schulverweigerung in diesem Sinne hängt insofern in der Regel auch mit einem angstbedingten Meidungsverhalten zusammen.33 Sowohl die Ursachen als auch die konkreten Merkmale, in denen sich diese Angst äußert, können dabei differieren. Formen dieser Angst können etwa Trennungsangst, Schulangst, Versagensangst, die Furcht vor körperlicher oder seelischer Gewalt sowie Schulstress und soziale Ängste sein.34 Diese Angst vor dem Erleben eines bestimmten negativ empfundenen Zustandes, welcher auf eine als bedrohlich erlebte Situation zurückzuführen ist, kann sich dann konkret auf das Verhalten der jeweiligen Person auswirken.35 Symptome einer solchen Angst sind in körperlich feststellbarer Hinsicht etwa Bauchschmerzen oder Herzrasen, in emotionaler Hinsicht das Auftreten von Unsicherheit, Hilflosigkeit, Traurigkeit und Pessimismus.36 Typisch für den Umgang mit Angst ist darüber hinaus der Rückzug aus sozialen Bereichen sowie die Meidung des konkret angstauslösenden Reizes.37 Insbesondere der letztgenannte Aspekt der Meidung des angstauslösenden Reizes ist auch für den Bereich der Schulvermeidung von großer Bedeutung. Denn hat ein Schüler aufgrund von negativen Erlebnissen in einem der genannten Bereiche Angst vor der Schule oder schulischem Versagen, so stellt die Meidung dieses Bereichs eine natürliche Reaktion auf das jeweilige Bedrohungsszenario dar. Konkret bedeutet dies in einem Fall, in welchem das 32 Oehme (2007), S. 38 ff.; Seeliger (2016), S. 27; Sälzer (2010), S. 16. 33 Ricking (2014), S. 20. 34 Ricking (2014), S. 21; Seeliger (2016), S. 27; Knollmann/Al-Mouhtasseb/Hebebrand (2009), S. 434 (436). 35 Ricking (2014), S. 20. 36 Ricking (2014), S. 20 f. 37 Ricking (2014), S. 20.

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angstauslösende Moment dem schulischen Bereich entstammt, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass die betreffende Person aufgrund des natürlichen angstvermeidenden Verhaltens den Verursacher dieser Angst meidet, mithin die Schule an sich. Typischerweise wird dabei der angstauslösende Reiz umgangen, vermieden oder auf ein Minimum verkürzt, was sich auch in dem Bereich der Schulvermeidung widerspiegelt.38 Wird insofern durch den Bereich der Schule ein Angstreiz gesetzt - etwa durch die Angst vor Versagen, vor Mobbing oder vor der Trennung von den Bindungspersonen - so kann es zur Meidung ebendieses Bereichs kommen, was sodann bei entsprechend deutlicher und umfangreicher Ausprägung in dem Phänomen des Schulabsentismus münden kann.

Die Angstkomponente wird jedoch nicht von allen Teilen der Literatur als notwendiger Aspekt für den Bereich der Schulvermeidung angesehen, sondern es wird stattdessen auf das Vorliegen sozialer und struktureller Probleme abgestellt.39 Wesentliche Anknüpfungspunkte für das Auftreten von Schulvermeidung sind nach diesem Verständnis fehlende Schulerfolge, fehlende familiäre Unterstützung, die Wiederholung einer Klasse oder die fehlende Einbindung in den Klassenverband.40 Diese Aspekte weisen gewisse Schnittmengen zu der zuvor erläuterten Unterform des Schulschwänzens auf, bzw. sind wie etwa die fehlenden schulischen Erfolge oder die mangelnde elterliche Unterstützung mit diesen deckungsgleich. Aufgrund der Möglichkeit einer differenzierten Betrachtungsweise und der deutlicheren Trennung durch die Angstkomponente soll an dieser Stelle jedoch von dem Modell der angstbedingten Schulmeidung ausgegangen werden, bei welchem strukturelle und soziale Aspekte nicht so sehr in den Vordergrund rücken. Darauf hinzuweisen ist ferner, dass Schulabsentismus im Sinne der Schulverweigerung nicht zwingend mit körperlicher Abwesenheit gleichzusetzen ist.41 So kann auch dann von einer Schulverweigerung gesprochen werden, wenn die innere Einstellung des Jugendlichen die Teilhabe am Schulunterricht verhindert.42 Es geht bei dieser 38 Ricking (2014), S. 21. 39 Michel/Schreiber (2006), S. 79 ff. (83 f.). Stamm/Holzinger-Neulinger/Suter/Stroezel (2011), S. 21 ff. 40 Michel/Schreiber (2006), S. 79 ff. (83 ff.); Stamm/Holzinger-Neulinger/Suter/Stroezel (2011), S. 21 ff. 41 Seeliger (2016), S. 27. 42 Seeliger (2016), S. 28.

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passiven Form der Schulverweigerung eher um die Komponente der psychischen Abwesenheit als um die körperliche Abwesenheit des Schülers.43 Teilweise kann diese passive Form der Schulverweigerung, bei welcher der Schüler dennoch körperlich am Unterricht teilnimmt, auch mit dem Stören des Unterrichts durch diesen einhergehen, was sich dann zugleich negativ auf die anderen Schüler des Klassenverbandes auswirken kann.44 Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass sich sowohl die körperliche als auch die psychische Form der Schulverweigerung über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt und ausprägt, weshalb eine frühzeitige Intervention bei den entsprechenden Verhaltensweisen angezeigt ist, um erfolgversprechende Gegenmaßnahmen einleiten zu können.45

Wie bereits angesprochen, kann das von den Schülern erlebte, bzw. das zu vermeidende Angstszenario unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Hintergründe dieses angstvermeidenden Verhaltens sind dabei ebenfalls in das Kapitel 6. zu verorten, welches sich mit den Ursachen und Erklärungen des Schulabsentismus auseinandersetzt. Nur exemplarisch und zur Verdeutlichung der Angstproblematik sollen daher an dieser Stelle zwei kurze Beispiele gegeben werden. Ein Unterfall der Schulvermeidung ist etwa die Trennungsangst des Kindes, welche darin beruht, dass seinen Eltern oder seinen Hauptbezugsperson etwas zustoßen könnte, während es sich in der Schule aufhält.46 Das schulverweigernde Kind präferiert daher die Anwesenheit zuhause bei den Bezugspersonen vor der Anwesenheit in der Schule.47 Dieses Verhalten tritt nicht zuletzt deshalb auf, weil es daheim bei den Bezugspersonen die Sicherheit empfindet, die es in der Schule nicht antrifft, da diese in der Außenwelt liegt, welche größtenteils als bedrohlich 43 Bührmann (2009), S. 7 ff.; Oehme (2007), S. 38 ff.; Seeliger (2016), S. 28. 44 BMFSFJ (2013), S. 42; Bührmann (2009), S. 8; Stamm/Holzinger-Neulinger/Suter/Stroezel (2011), S. 21 ff.; Seeliger (2016), S. 28. 45 Kaun (2006), S. 257 (260); Hillenbrand/Vierbuchen/Hagen (2012), S. 22 ff.; Engel (2006), S. 33 ff.; Braun (2002), S. 21 ff. 46 Lüders/Romer (2000), S. 136 (141 ff.). 47 Lüders/Romer (2000), S. 136 (141 ff.); Ricking (2014), S. 22.

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wahrgenommen wird.48 Anders als die Absentismusform des Schulschwänzens geht es dem schulvermeidenden Kind insofern nicht darum, außerschulische Zerstreuung zu finden, sondern vielmehr seine Trennungs- und Verlustangst bezüglich der Bezugspersonen zu vermeiden, indem es deren Nähe sucht.49

Wie bereits erwähnt, kann es jedoch auch innerhalb der Schule zu Angstszenarien bei den Kindern und Jugendlichen kommen. Dies etwa dann, wenn sie das Opfer von Mobbing in der Schule werden und keinen Rückhalt in einer gesicherten Gruppe finden können.50 Ist das Kind diesen Mobbingattacken über einen längeren Zeitraum hinweg ausgesetzt, so können sich die Symptome dieser Angst in unterschiedlichen Formen wie Einschlafstörungen, Verunsicherung, Selbstzweifel, schulischen Leistungsstörungen und auch in der Vermeidung des Schulbesuchs aufgrund der Vermeidung des angstauslösenden Reizes zeigen.51

Es kann insofern festgestellt werden, dass neben dem Bereich des Schulschwänzens auch die angstbedingte Schulvermeidung eine überaus bedeutsame Form des Schulabsentismus darstellt und insofern bei der Erarbeitung von Konzepten, die diesem Problem entgegenwirken sollen, entsprechend berücksichtigt werden muss.

3.3 Die Zurückhaltung von Schülern durch die Eltern

Schließlich muss an dieser Stelle noch auf eine weitere Form des Schulabsentismus eingegangen werden. Es handelt sich hierbei um das Zurückhalten des schulpflichtigen Kindes durch die Sorgeberechtigten. Das Zurückhalten durch die Sorgeberechtigten ist dabei sowohl in passiver als auch in aktiver Weise möglich. So kann sich die Zurückhaltung des Schülers durch die Sorgeberechtigten auch durch ein einfaches Gewährenlassen beim Fernbleiben 48 Lüders/Romer (2000), S. 136 (141 ff.); Ricking (2014), S. 22. 49 Lüders/Romer (2000), S. 136 (141 ff.); Ricking (2014), S. 22. 50 Alsaker (2003), S. 27 f.; Melzer/Schubarth/Ehninger (2011), S. 128 ff., 141 ff.; Ricking (2014), S. 24. 51 Kindler (2002), S. 19; Kindler (2009), S. 10 ff.; Ricking (2014), S. 24 f.

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von der Schule manifestieren, indem die Sorgeberechtigten das Verhalten des Schülers dulden oder gar noch unterstützen.52 Daneben wirken Sorgeberechtigte aber auch zum Teil bewusst und aktiv auf ihre Kinder ein, dem Unterricht fernzubleiben, etwa wenn sie die sichtbaren körperlichen Folgen familiärer Gewalt verheimlichen wollen.53 Ein aktives Zurückhalten von der Schule ist auch dann anzunehmen, wenn die Ferien der Kinder aufgrund der Terminplanung der Sorgeberechtigten eigenmächtig verlängert werden.54 Wesentlich gravierender wirkt sich in der Praxis jedoch das passive Zurückhalten und Gewährenlassen seitens der Sorgeberechtigten aus, welche nicht selten dem schulpflichtigen Kind die Entscheidung über den Schulbesuch überlassen oder dessen ablehnende Haltung gegenüber der Schule unterstützen und fördern.55

Ähnlich wie bei den zuvor genannten Kategorien des Schulabsentismus sind die Hintergründe für ein derartiges Verhalten mannigfach und können nicht in Gänze erörtert werden. Zum besseren Verständnis und zur Klärung der Problematik soll jedoch auch hier an zwei kurzen Beispielen verdeutlicht werden, welche Ursachen ein solches Verhalten der Sorgeberechtigten haben kann. So können negative Erfahrungen der Sorgeberechtigten mit ihrer eigenen Schulzeit dazu beitragen, dass diese eine gleichgültige oder gar kritische Haltung gegenüber der schulischen Betätigung des Kindes einnehmen und dem Schulbesuch des Kindes ein vermeintliches Gefährdungspotential zuschreiben.56 Zudem können auch kulturelle oder religiöse Differenzen das zurückhaltende Verhalten der Sorgeberechtigten begründen, etwa wenn der Biologie-, Ethik- oder Religionsunterricht als unvereinbar mit den kulturell-/religiösen Anschauungen angesehen wird oder weil die Schulpflicht im Vergleich zum Herkunftsland der Sorgeberechtigten als unverhältnismäßig lang empfunden wird.57

52 Schulze/Wittrock (2005), S. 121 (124 ff.); Ricking (2014), S. 26. 53 Ricking (2014), S. 28. 54 Ricking (2014), S. 27. 55 Ricking (2014), S. 27. 56 Seeliger (2016), S. 27; Schulze/Wittrock (2005), S. 121 (131 ff.); Ricking (2014), S. 26. 57 Seeliger (2016), S. 27; Schulze/Wittrock (2005), S. 121 (131 ff.); Ricking (2014), S. 26.

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4. Rechtliche Aspekte des Schulabsentismus

Die eingangs dargestellte Überlegung des mecklenburg-vorpommerschen Bildungsministers Brodkorb bezüglich der Verbringung von notorischen Schulschwänzern mittels der Polizei zur jeweiligen schulischen Einrichtung beinhaltet nicht allein einen Hinweis auf die hohe Bedeutung dieser Thematik für die Gesellschaft und die Politik. Vielmehr zeigt dieser Rückgriff auf staatlich-hoheitliche Maßnahmen wie die Rückführung durch polizeiliche Maßnahmen, dass auch eine Pflicht zur Teilnahme am Schulunterricht bestehen muss. Denn würde es eine solche Pflicht nicht geben, so wäre es ungleich schwieriger, einen Verstoß des Schülers feststellen zu können, da sich eine polizeiliche Maßnahme im angedachten Sinne auf eine gesetzliche Grundlage stützen muss. Insofern kann Schulabsentismus im Umkehrschluss nur dort auftreten und entsprechende Gegenmaßnahmen unter Zuhilfenahme hoheitlicher Gewalt eingeleitet werden, wenn eine gesetzliche Pflicht zur Teilnahme am Unterricht besteht.58

Eine solche gesetzliche Schulpflicht folgt auf Bundesebene aus Art. 7 I GG, welcher bestimmt, dass das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht. Diese Pflicht wird in Art. 7 I GG jedoch nicht ausdrücklich formuliert. Vielmehr handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine organisationsrechtliche Norm und um einen Verfassungsauftrag, in dessen Rahmen dem Staat ein eigenständiger Bildungs- und Erziehungsauftrag übertragen wird, mit welchem die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gefördert werden soll.59 Zurückzuführen ist das Prinzip der allgemeinen Schulpflicht auf Art. 145 WRV (Weimarer Reichsverfassung), welche als Schulbesuchspflicht ausgestaltet war.60 Eine derart ausgestaltete Pflicht zum Besuch der Schule folgt jedoch nicht aus Art. 7 I GG. 58 Steins/Weber/Welling (2014), S. 5. 59 BVerfGE 47, S. 46 (71 f.); BVerfGE 93, S. 1 (21); BVerfGE 98, S. 218 (244); Sachs/Thiel (2014), Art. 7, Rn. 3; Jarass/Pieroth/Jarass (2014), Art. 7, Rn. 1;

von Mangoldt/Klein/Starck/Robbers (2010), Art. 7, Rn. 6; Dreier/Brosius-Gersdorf (2013), Art. 7, Rn. 22 ff.

60 Sachs/Thiel (2014), Art. 7, Rn. 11; Stern (2011), S. 399.

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Der organisationsrechtliche Charakter dieser Norm beinhaltet aber, dass es gleichsam den Ländern im Rahmen ihrer Kulturhoheit obliegt, den Beginn und die Dauer der Pflicht zum Besuch der für alle Schüler gemeinsamen Schule mittels Gesetz festzulegen.61 Es muss insofern ein Blick auf die landesrechtlichen Schulgesetze geworfen werden, um die Schulpflicht näher konkretisieren zu können. Dies soll nunmehr exemplarisch und in der gebotenen Kürze anhand des sächsischen Schulgesetzes dargestellt werden. Aus § 26 I SächsSchulG folgt, dass die Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen besteht, die im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben. Gemäß § 26 II SächsSchulG erstreckt sich die Schulpflicht auf den regelmäßigen Besuch des Unterrichts und die übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule einschließlich der Teilnahme an Evaluationsverfahren im Sinne des § 59a SächsSchulG. Nach § 27 I 1 SächsSchulG werden mit dem Beginn des Schuljahres alle Kinder, die bis zum 30. Juni des laufenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, schulpflichtig. Hinsichtlich der Dauer und des Endes der Schulpflicht legt § 28 I SächsSchulG fest, dass sich die Schulpflicht in die Pflicht zum Besuch der Grundschule oder der Klassenstufen 1 bis 4 der allgemeinbildenden Förderschule und einer weiterführenden allgemein bildenden Schule (Vollzeitschulpflicht) sowie die Pflicht zum Besuch der Berufsschule oder der entsprechenden berufsbildenden Förderschule (Berufsschulpflicht) gliedert. Nach § 28 II SächsSchulG dauert die Vollzeitschulpflicht neun Schuljahre und die Berufsschulpflicht in der Regel drei Schuljahre. Gemäß § 31 I SächsSchulG haben die Eltern den Schulpflichtigen anzumelden und dafür zu sorgen, dass der Schüler an Veranstaltungen nach § 26 II SächsSchulG teilnimmt, wobei sie ferner verpflichtet sind, den Schüler für die Teilnahme an den Schulveranstaltungen zweckentsprechend auszustatten und den zur Durchführung der Schulgesundheitspflege erlassenen Anordnungen nachzukommen. § 61 I SächsSchulG legt dabei fest, dass derjenige im Sinne dieses Gesetzes ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Personensorgeberechtigter, Ausbildender oder Arbeitgeber seine Verpflichtungen

61 BVerfGE 34, S. 165 (187);

VG Meiningen, ThürVBl. 2000, S. 115; Sachs/Thiel, GG-Kommentar, Art. 7, Rn. 12; Ricking (2014), S. 31.

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aus § 31 I, II SächsSchulG nicht erfüllt oder als Schulpflichtiger am Unterricht oder an den übrigen als verbindlich erklärten schulischen Veranstaltungen nicht teilnimmt oder seine Verpflichtungen aus § 30 I 1 SächsSchulG nicht erfüllt. Liegt eine solche Ordnungswidrigkeit vor, so kann sie gemäß § 61 II SächsSchulG mit einer Geldbuße von bis zu 1.250,- Euro geahndet werden. Insofern kann im Rahmen der Schulpflicht insgesamt zwischen drei verschiedenen Pflichten unterschieden werden, der Schulanmeldungspflicht, der Schulauswahlpflicht und der Teilnahmepflicht. Verstöße hiergegen können mittels der Verhängung von Bußgeldern geahndet werden, welche sich je nach der im Einzelfall zu prüfenden Strafmündigkeit des Schülers gegen diesen oder seine Erziehungsberechtigten richten und bei diesen eine Verhaltensänderung bewirken sollen. Der Vorschlag des mecklenburg-vorpommerschen Bildungsministers kann insofern auch als eine solche Ordnungsmaßnahme verstanden werden, welche nicht allein der Zurückführung der Schüler zum Unterricht dient, sondern möglicherweise auch eine Verhaltensänderung bei diesem hervorrufen soll. Angesichts der bereits zahlreichen diversen Hintergründe und Ursachen für Schulabsentismus, stellt sich jedoch bereits an dieser Stelle die Frage, ob dieses Vorhaben nicht allein die Symptome bekämpft. Denn es muss angezweifelt werden, ob ein Schüler, der aus Angst vor Mobbing den Schulbesuch meidet, sein schulvermeidendes Verhalten dauerhaft und nachhaltig durch die Rückführung mittels der Polizei ändern kann, da dies nichts an den Ursachen seiner Fehlzeiten ändert. Zudem muss auch im Rahmen des Abschnitts über die rechtlichen Grundlagen und Aspekte des Schulabsentismus festgestellt werden, dass die Zuführung eines Schülers zum Unterricht durch die Polizei keine vollkommen neue Methode zur Bewältigung dieses Problems darstellt. Denn auch ohne groß angelegten politischen Aktionismus ist es bereits aktuell möglich, einen Schüler durch einen Bediensteten unter Anwendung von unmittelbarem Zwang, auch gegen seinen eigenen Willen oder den Willen seiner Sorgeberechtigten, in die Schule zu bringen, wobei die Polizei - abhängig vom jeweiligen Bundesland - dem jeweiligen Verwaltungsbeamten bei entsprechender Notwendigkeit Vollzugshilfe leisten kann.62 In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass diese Option allgemein als sehr kritisch erachtet wird

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und die Verbringung durch die Polizei als Maßnahme gar nicht in Betracht gezogen werden sollte.63

5. Erhebungen zur Häufigkeit von Schulabsentismus

Um die Bedeutung des Problems des Schulabsentismus zu erfassen, bedarf es abschließend noch eines kurzen Blicks auf die Häufigkeit des Auftretens dieses Phänomens. Die Benennung exakter Zahlen ist in diesem Kontext jedoch nicht möglich, da im Rahmen entsprechender Erhebungsstudien festgestellt wurde, dass die jeweiligen Klassenbücher mit Blick auf die Anzahl der fehlenden Schüler teilweise nicht vollständig waren und mitunter nicht festgestellt werden konnte, ob für die Fehlzeiten eine Entschuldigung vorlag oder nicht.64 Insofern dürfen die folgenden Werte auch nur als ungefähre Schätzung verstanden werden. Regelmäßig wird der Prozentsatz der Schüler, die die Schule nur unregelmäßig besuchen, mit etwa 5% angegeben.65 Teilweise kommen Studien aber auch auf eine Schulverweigererquote von 7,9%.66 Einer weiteren Stichproben-Studie zufolge tritt das Fernbleiben vom Unterricht an Haupt- und Förderschulen mit 14,7%, bzw. 12,8% weitaus häufiger auf als an Realschulen mit 6,1% oder an Gymnasien mit 4,7%.67

Geht man von der niedriger angesetzten Quote von ca. 5% aller Schüler aus, die regelmäßig nicht am Unterricht teilnehmen, so ergibt dies auf das Bundesgebiet eine hochgerechnete Anzahl von ungefähr 500.000 Schülern pro Schuljahr, die dem Unterricht häufig fernbleiben.68 Angesichts dieser Zahlen muss daher zu der Auffassung gelangt werden, dass eine nähere Untersuchung dieses Problemgebiets sowie die Entwicklung von Lösungsmodellen zur Gegensteuerung zwingend erforderlich ist.

63 Seyderhelm/Nagel/Brockmann/Littmann (2016), § 177, Rn. 5. 64 Steins/Weber/Welling (2014), S. 4. 65 Rizk (2013), S. 12; Steins/Weber/Welling (2014), S. 4; Buhse/Fileccia (2003), S. 8. 66 Wagner/Dunkake/Weiß (2008), S. 258 (260 ff.). 67 Wagner/Dunkake/Weiß (2004), S. 457 (473 ff.). 68 Walter/Döpfner (2009), S. 153; Jans/Warnke (2004), S. 1302 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 4.

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6. Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus

Wie bereits im Rahmen der Erläuterungen zum Schulabsentismus angesprochen, existieren zahlreiche Hintergründe und Ursachen hinsichtlich der Entstehung dieses Phänomens. In diesem Abschnitt sollen diese noch etwas näher erörtert werden, sodass sich auf dieser Grundlage aufbauend einige Rückschlüsse hinsichtlich der Erarbeitung von gegensteuernden Konzepten ziehen lassen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die hier dargestellten Erklärungsversuche aufgrund der Fülle von Ursachen keinesfalls als abschließend verstanden werden dürfen, sondern lediglich exemplarisch einige der wichtigsten Aspekte benennen können. Hinzu kommt, dass meist eine einzige Ursache das Auftreten des Schulabsentismus nicht in vollem Umfang erfasst, sondern dass es sich hierbei häufig um einen Bedingungskomplex handelt, welcher sich aus mehreren unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt.69

In den Ausführungen zum Begriff des Schulabsentismus wurde bereits angedeutet, dass die Ursachen für ein Fehlbleiben von der Schule überwiegend im schulischen sowie im familiären Bereich zu finden sind. Es erscheint daher sinnvoll, bei der Formulierung der Erklärungsansätze für das Auftreten von Schulabsentismus auch eine Unterteilung in diese beiden Bereiche vorzunehmen, um so in einem weiteren Schritt auch die Zielrichtungen der jeweiligen Maßnahmen und Konzepte zur Verhinderung von Schulabsentismus und Reintegration in den Schulalltag entsprechend einordnen zu können.

6.1 Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus aus dem familiären Bereich

Einen wesentlichen Anteil am Auftreten von Schulabsentismus haben die im Elternhaus gelebten Erziehungsansätze inne. Sowohl pädagogische Ansätze, in denen ein großes Verständnis für das Fernbleiben der Kinder vom Unterricht aufgebracht wird, als auch ein besonders forderndes Verhalten im Hinblick auf die schulischen Leistungen des Kindes können sich negativ auf die Teilnahme des Schülers am Unterricht auswirken.70 In gleicher Weise kann auch ein

69 Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 19. 70 Strittmatter (1987), S. 193 (195 ff.);

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Erziehungsmuster im Familiensystem dysfunktional sein, welches darauf ausgerichtet sind, die Wertschätzung und Anerkennung gegenüber dem Kind von den schulischen Leistungen abhängig zu machen.71 Insbesondere autoritäre Erziehungsmuster, welche schlechte Leistungen mit Sanktionen bestraft, begünstigt dabei ein schulvermeidendes Verhalten, da in dem Kind die Angst vor Versagen gegenüber den elterlichen Anforderungen hervorgerufen wird.72 Die Angst vor der Bestrafung begünstigt jedoch noch eher das Fernbleiben von der Schule, da mit der Vermeidung des Unterrichts zugleich dem bestehenden Leistungsdruck ausgewichen wird.73 Ebenso kann das Fernbleiben von der Schule durch einen überbehüteten Erziehungsstil begünstigt werden, da hierbei auch die oben bereits beschriebenen Trennungsängste auftreten können, die das Kind lieber im elterlichen Zuhause als in der Schule verweilen lassen.74 Finden Kinder bei ihren Eltern möglicherweise sogar Verständnis für ihr Fernbleiben oder wird dieses von ihnen sogar entschuldigt, unterstützt oder indirekt belohnt, so kann ein solches elterliches Verhalten ebenfalls den Schulabsentismus begünstigen.75 Schließlich können aber auch elterliche Erziehungsmuster, die von einer niedrigen Kontrolle, sehr begrenzter Unterstützung oder gar Gleichgültigkeit geprägt sind, die Abwesenheit der Kinder vom Unterricht begünstigen.76

71 Strittmatter (1987), S. 193 (195 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 23; Thimm (2000), S. 216. 72 Dunkake (2010), S. 91 ff.; Lempp (1987), S. 118 (122 f.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 23; Thimm (2000), S. 216; Döpfner/Walter (2006), S. 218 (220 ff.); Röcker (1987), S. 128 (130 f.); Mutzeck/Popp/Franzke/Oehme (2004), S. 92 f. 73 Lempp (1987), S. 118 (122 f.); Rizk (2013), S. 13. 74 Dunkake (2010), S. 91 ff.; Lempp (1987), S. 118 (124 f.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 23; Döpfner/Walter (2006), S. 218 (220 ff.); Röcker (1987), S. 128 ff.; Mutzeck/Popp/Franzke/Oehme (2004), S. 92 ff. 75 Döpfner/Walter (2006), S. 218 (220 ff.); Ihle/Jahnke/Esser (2003), S. 409 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 23; Rizk (2013), S. 13. 76 Wilmers/Enzmann/Schaefer/Herbers/Greve/Wetzels (2002), S. 298; Dietrich/Freytag (1997), S. 113 (129); Steins/Weber/Welling (2014), S. 23 f.

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Auch dysfunktionale Familiensysteme spielen eine maßgebliche Rolle bei der Häufigkeit des Auftretens von Schulabsentismus. Instabil-ambivalente Beziehungskonstellationen der einzelnen Familienmitglieder untereinander stehen hierbei im Fokus schulabsenten Verhaltens. Generell kann an dieser Stelle hinsichtlich der Eltern-Kind-Beziehung festgestellt werden, dass schulabsente Kinder eine unsichere Bindung zu ihren Eltern aufweisen, als dies bei Kindern der Fall ist, die regelmäßig die Schule besuchen.77

Im Bereich familiärer Dynamiken, die u.a. Schulabsentismus hervorbringen, können gleichsam psychische Erkrankungen eines oder beider Elternteile genannt werden, welche wiederum generalisierte Angststörungen beim Kind begünstigen.78 Dies deshalb, weil das abhängige und ängstliche Verhalten des Kindes über die Angst der Eltern noch weiter verstärkt wird und sich soziale Unsicherheiten sowie ein inadäquates Sozialverhalten infolge mangelnder Exploration und begrenzten sozialen Anreizen außerhalb der Familie besser entwickeln können.79 Machen solche Kinder außerhalb der Familie negative Erfahrungen, so werden diese in einem solchen Bereich als bedrohlicher wahrgenommen, als dies innerhalb des geschützten familiären Systems der Fall ist, weshalb solche neuen Situation unbewusst von ihnen gemieden werden.80 Ein solches Vermeidungsverhalten ist dann aber auch im außerfamiliären schulischen Bereich wahrscheinlicher, wenn das Kind dort mit negativen Eindrücken konfrontiert wird, die es verängstigen. Weitere begünstigende Faktoren können darüber hinaus auch berufliche Perspektivlosigkeit der Eltern sowie ein unangemessenes Konfliktverhalten innerhalb der Familie sein, die dazu führen, die Selbstwirksamkeit der Kinder beim Umgang mit stressbelasteten Situationen zu erschweren oder gänzlich zu verhindern.81 Wird vor diesem Hintergrund schulverweigerndem Verhalten nicht entgegengesteuert und im Rahmen sozialpädagogischer Krisenintervention Schulsozialarbeiter oder Schulbegleiter 77 Steins/Weber/Welling (2014), S. 24. 78 Walter/Boyraz/Döpfner (2008), S. 177 (178); Steins/Weber/Welling (2014), S. 22 f. 79 Steins/Weber/Welling (2014), S. 23. 80 Döpfner/Walter (2006), S. 218 (220 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 23. 81 Rizk (2013), S. 13; Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 38 f.

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hinzugezogen, so kann es zu einer Chronifizierung dieses Verhaltens kommen, was nicht selten den Abbruch der schulischen Ausbildung nach sich zieht.82

Natürlich stellt diese kurze Darstellung der aus dem familiären System entstammenden Faktoren zur Begünstigung des Schulabsentismus keine umfängliche Erörterung dar, da noch eine Vielzahl weiterer Ursachen zur Begünstigung des Schulabsentismus hinzukommen können. Die an dieser Stelle gezeigte Bandbreite potentieller familiärer Dysfunktionalitäten verdeutlicht jedoch bereits, dass Dynamiken und Grundmuster innerhalb des Familiensystems für die Häufigkeit des Fernbleibens vom Unterricht von außerordentlich großer Bedeutung sind. Soll insofern versucht werden, die Problematik des Schulabsentismus zu bewältigen, so muss zwingend auch die Lebenswelt außerhalb der Schule, wie das familiäre System des Kindes berücksichtigt werden, um etwaigen Einflussfaktoren, die sich förderlich auf das Fernbleiben vom Unterricht auswirken, weithin entgegenzusteuern.

6.2 Ursachen und Erklärungsansätze des Schulabsentismus aus dem schulischen Bereich

Die Ursachen des Schulabsentismus sind jedoch nicht allein im familiären System zu finden. Denn auch die Schule nimmt - nicht zuletzt durch die lange zeitliche Verweildauer - einen wichtigen Bestandteil im Leben eines jungen Menschen ein, sodass daraus zu folgern ist, dass auch die Einwirkungen, die aus diesem Bereich entstammen, einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausprägung von Schulabsentismus haben können. Ähnlich wie im Rahmen der Darstellung der familiärer Problemlagen können aufgrund der Vielzahl an möglichen Einflüssen auch hinsichtlich der schulischen Wirkaspekte nicht sämtliche benannt werden. Es kann daher auch an dieser Stelle nur ein kurzer Aufriss bezüglich der schulischen Ursachen des Schulabsentismus gegeben werden.

Wesentlichen Einfluss auf die schulischen Fehlzeiten besitzt beispielsweise die Auswahl der Peergroup des Schülers. So konnte festgestellt werden, dass Schüler

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mit hohen Fehlzeiten weitaus mehr Kontakt zu Schülern pflegen, die ebenfalls oft der Schule fernbleiben, als mit Schülern, die durch eine gute Beteiligung und Noten in der Schule sowie durch geringe Fehlzeiten auffallen.83 Hintergrund dessen ist, dass innerhalb einer solchen Bezugsgruppe das schulablehnende Verhalten eine größere Unterstützung findet und zum Teil sogar innerhalb dieser Gruppe sozial erwünscht ist.84 Es kann gleichsam von einer gewissen Legitimation durch die Peergroup gesprochen werden, innerhalb derer das Fernbleiben von der Schule durchaus als etwas Positives verstanden wird.85

Nicht nur die Beziehungen innerhalb des eigenen Freundeskreises sind daher von maßgeblicher Bedeutung, sondern auch das Verhältnis zu den Lehrern kann sich auf die Ausprägung von Schulabsentismus auswirken.86 Haben die Schüler ein zugewandtes Verhältnis zu ihren Lehrern, das von gegenseitigem Vertrauen, Unterstützung und gelingendem kommunikativen Austausch in allen schulischen Belangen geprägt ist, so können auf diese Weise etwaige bestehende Ängste hinsichtlich des Schulalltags abgebaut werden.87 Liegen derartige Bedingungen im Lehrer-Schüler-Verhältnis vor, so können sich diese positiv auf die Lernbereitschaft sowie auf die Motivation zur Teilnahme am Unterricht auswirken.88 Sind derartige positive Wirkfaktoren jedoch nicht vorhanden, so ergibt sich aus dem Umkehrschluss hieraus, dass mögliche Ängste der Schüler sich wesentlich besser entfalten und so mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Steigerung des Schulabsentismus beitragen können. Auch der Umgang der Lehrer mit Schülern, die der Schule fernbleiben, kann sich auf das weitere Verhalten dieser Jugendlichen auswirken. Wird ein solches Verhalten ausschließlich sanktioniert oder empfindet ein Lehrer das Fernbleiben gar als persönlichen 83 Seeliger (2016), S. 36 f.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 26. 84 Mutzeck (2005), S. 5 (9); Steins/Weber/Welling (2014), S. 26. 85 Ricking/Schulze/Wittrock (2009), S. 13 (15 f.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 26; Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 39.

86 Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein (2011), S. 6. 87 Tücke (2005), S. 320 ff.; Rankl (1994), S. 102 (104 f.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 26 f.; Seeliger (2016), S. 36. 88 Tücke (2005), S. 320 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 26 f.

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Angriff auf sich selbst, so wird das schulaversive Verhalten häufig als Faulheit gedeutet, was gleichzeitig Ärger beim betroffenen Schüler auslösen und ihn von einem weiteren Besuch der Schule abhalten kann.89 Demgegenüber zeigt ein entgegenwirkendes Verhalten - beispielsweise durch Lob und Anerkennung oder die Übertragung attraktiver Aufgaben - weitaus positivere Auswirkungen, da dem Schüler auf diese Weise das Gefühl vermittelt werden kann, dass er wertgeschätzt wird und sein Erscheinen in der Schule als wichtig empfunden wird.90

Einen entscheidenden Aspekt stellt auch das generelle Schulklima im Sinne des Empfindens eines Zugehörigkeitsgefühls dar. In diesem Kontext ist es von überaus großer Bedeutung, dass der Schüler im Klassenverband sowohl in sozialer als auch in schulischer Hinsicht Unterstützung findet.91 Das Gefühl der Zugehörigkeit zum Klassenverband definiert sich dabei insbesondere über die Komponenten des Respekts, der Akzeptanz, der Sicherheit und der Wertschätzung innerhalb der Klasse.92 Erfahren Kinder und Jugendliche in der Schule dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, so kann dies ihre positive Einstellung gegenüber der Schule stärken.93 Sind Schüler hingegen nicht auf diese Weise in ihren Klassenverband integriert, so kann dies einerseits ihre Ängste, andererseits aber auch ihr Gefühl, nicht dazuzugehören, verstärken, was zugleich das Fernbleiben von der Schule begünstigt, da zudem noch die Angst hinzutritt, bei der Rückkehr in die Schule mit unangenehmen Fragen hinsichtlich des Fernbleibens konfrontiert zu werden.94 Diese Angst kann wiederum ein weiteres 89 Mutzeck/Popp/Franzke/Oehme (2004), S. 92 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 27 f. 90 Ricking/Neukäter (1998), S. 20 (32 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 27 f. 91 Steins (2008), S. 36 (37 ff.); Schulze (2009), S. 137 (144 ff.) ff.; Tücke (2005), S. 320 ff.; Wagner/Dunkake/Weiß (2008), S. 258 (267 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 25. 92 Steins (2008), S. 36 (37 ff.); Schulze (2009) S. 137 (144 ff.); Tücke (2005), S. 320 ff.; Wagner/Dunkake/Weiß (2008), S. 258 (267 ff.); Steins/Weber/Welling (2014), S. 25. 93 Schulze (2009), S. 137 (144 ff.); Michel (2006), S. 79 ff.; Sälzer (2010), S. 159 ff. 94 Stamm (2007a), S. 19 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 25; Schulze (2009), S. 137 (144 ff.);

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Fernbleiben von der Schule hervorrufen, was in der Folge zu einem stetigen Kontaktrückgang Mitschülern wie Lehrern gegenüber bis hin zu einer sozialen Isolation führen kann.95 Werden dann aufgrund des versäumten Unterrichtsstoffes in der Folge zudem noch schlechte Schulergebnisse erzielt, so führt dies letztlich zu einer zusätzlichen Verstärkung dieser Spirale.96 Insofern muss das Zugehörigkeitsgefühl zum Klassenverband als eines der zentralen Aspekte im Hinblick auf die Entstehung und Ausprägung eines schulaversiven Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen angesehen werden.

Darüber hinaus schaffen natürlich auch schulische Misserfolge als solche eine ablehnende Haltung gegenüber der Schule. Ist die Leistung eines Schülers in der Schule problematisch, so wird dadurch ebenfalls sein Fernbleiben von der Schule begünstigt, da er im Zuge der Vermeidung, seiner Angst entgehen und zugleich seinen Selbstwert schützen kann.97 Insofern kann festgestellt werden, dass schlechte schulische Leistungen auch ganz allgemein geeignet sind, um die Abwärtsspirale von Schulabsentismus und Leistungsproblemen weiter zu verschärfen, ohne dass es dabei zwingend weiterer innerschulischer Faktoren wie des Mobbings bedarf. Dennoch muss auch angemerkt werden, dass die schulischen Ursachen des Schulabsentismus häufig nicht derart eindimensional ausgestaltet sind und dass es nicht selten eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren bedarf. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die familiären Faktoren, die ebenfalls in Kombination mit den schulischen Ursachen auftreten können und auf diese Weise das Problem des Fernbleibens der Schule hervorrufen oder weiter verstärken können.

7. Bestehende Konzepte zur Bewältigung des Problems des

Schulabsentismus Michel (2006), S. 79 ff.; Sälzer (2010), S. 159 ff. 95 Ricking/Kastirke/Thimm (2006), S. 119 ff.; Steins/Weber/Welling (2014), S. 26. 96 Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 38. 97 Stamm/Ruckdäschel/Templer/Niederhauser (2009), S. 38; Steins/Weber/Welling (2014), S. 29; Ricking (2003), S. 126 ff.; Mutzeck (2005), S. 5 ff.

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Um dem Problem des Schulabsentismus insofern wirksam begegnen zu können, bedarf es daher effektiver Konzepte, welche die zuvor genannten Punkte aufgreifen und ein entsprechendes Gegensteuern bewirken. Wie bereits im Abschnitt über die Ursachen des Schulabsentismus angemerkt, können auch an dieser Stelle nicht sämtliche Konzepte benannt und dargestellt werden. Es sollen daher vielmehr einige dieser Überlegungen vorgestellt und in Kürze erörtert werden. Zahlreiche Überlegungen befassen sich in diesem Zusammenhang vor allem mit den bestehenden Interventionsmöglichkeiten, die ausgeschöpft werden können, wenn Kinder in der Schule auffällig viele Fehlzeiten anhäufen. Es soll daher zunächst ein Blick auf einige dieser Interventionsoptionen geworfen werden.

Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Kontext, dass ein klares inklusives Schulkonzept vorhanden ist, innerhalb dessen die Fehlzeiten der Schüler präzise festgestellt werden können.98 Denn nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass Fehlzeiten überhaupt quantifizierbar bemerkt werden und insofern auch eine Reaktion auf diese erfolgen kann. Das Fehlen derartiger Anwesenheitskontrollen kann hingegen die Situation des Schulabsentismus noch weiter verschärfen, da anderenfalls das Gefühl hervorgerufen wird, die Fehlzeiten würden keine Konsequenzen nach sich ziehen und sie wären schlichtweg gleichgültig.99 Ricking empfiehlt in diesem Zusammenhang einen Handlungsplan, nach welchem zunächst eine Anwesenheitskontrolle durchzuführen ist, in deren Rahmen Unterrichtsversäumnisse schriftlich festgehalten werden, wodurch die Versäumnisse für alle Beteiligten transparenter gemacht werden.100 Den festgestellten Unterrichtsversäumnissen soll dann in der Folge sofort nachgegangen werden, indem zeitnah eine entsprechende Information mit Bitte um Stellungnahme an die Sorgeberechtigten erfolgt, mit denen in diesen Fällen ein Austausch stattfinden sollte.101 Bei entsprechend häufig auftretenden Fehlzeiten sollte ein Gespräch mit dem Schüler und den Sorgeberechtigten durch den Vertrauenslehrer oder Schulsozialarbeiter erfolgen. Dabei sollten die Ursachen für die Fehlzeiten sowie die generelle Einstellung des Schülers zur

98 Ricking (2014), S. 82. 99 Ricking (2014), S. 82. 100 Ricking (2014), S. 83 f. 101 Ricking (2014), S. 84.

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Schule und zu dessen Beziehungen zu Mitschülern und Lehrern ermittelt werden.102 Sofern die bestehenden Probleme in diesem Gespräch nicht abschließend geklärt werden können und es weiterhin zu Fehlzeiten kommt, sollten sozialpädagogisch ausgerichtete Beratungssettings vorgehalten werden. Damit kämen einschlägige Unterstützungsangebote hinzu wie z.B. Hilfen zur Erziehung, Schulbegleitung oder ein zusätzliches psychologisches Beratungsangebot103.

Auch in anderen europäischen Ländern wird häufig auf Interventionsmodelle gesetzt, welche schulabsenten Schülern den Weg zurück in den Unterricht erleichtern sollen. Dies geschieht oftmals im Zuge von Zusatzprogrammen, welche die gefährdeten Schüler besonders unterstützen, auf ihre spezifischen Belange eingehen, spezielle Förderungen ermöglichen oder gemeinsam mit den Eltern dieser Schüler versucht wird, auf bestehende Verhaltensproblematiken einzugehen.104 Ein anderer Weg wird dagegen in England beschritten, indem Schulverweigerer durch besondere Anreize zum Besuch der Schule und dem Erreichen eines Abschlusses motiviert werden sollen.105 Im Rahmen dieses sogenannten „Compacts Programm“ wird diesen Schülern seitens der Schule und der lokalen Arbeitgebern eine Arbeitsstelle oder ein Ausbildungsplatz zugesichert, wenn diese es nach Rückkehr in die Schule schaffen, ein bestimmtes Qualifikationsniveau zu erreichen.106 Es zeigt sich insofern, dass Interventionsmaßnahmen, die zu einem Zeitpunkt ansetzen, zu welchem der Schüler bereits durch ein schulabsentes Verhalten aufgefallen ist, nicht mit der polizeilichen Rückführung in die Schule enden sollte. Sondern, dass auch in diesem Bereich Raum für flexible pädagogische Maßnahmen besteht, die auf die Bedürfnisse und Belange des jeweiligen Schülers zugeschnitten sind.

Auch wenn die Interventionsmodelle teilweise dazu in der Lage sind, schulabsente Schüler wieder dem Unterricht zuzuführen, so muss dennoch festgestellt werden, dass es von wesentlich größerem Nutzen ist, wenn derartige 102 Ricking (2014), S. 84. 103 Ricking (2014), S. 84. 104 Stamm (2012), S. 130. 105 Stamm (2012), S. 130. 106 Stamm (2012), S. 130.

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Situationen, in denen Schüler dauerhaft dem Unterricht fernbleiben, gar nicht erst entstehen. Es geht hierbei mithin um den Bereich der Prävention schulabsenten Verhaltens. Auch in diesem Bereich existieren zahlreiche Möglichkeiten, deren Anwendung Erfolge erzielen können. Insbesondere in Klassen mit einem jüngeren Altersdurchschnitt hat sich dabei ein Modell bewährt, in welchem die positiven Verhaltensweisen der Kinder verstärkt werden. Der Ansatz dieses Konzepts beruht darauf, den Schülern weniger Aufmerksamkeit für unerwünschtes Verhalten zu zeigen als dies bei angemessenem und zielerreichendem Verhalten der Fall ist.107 Dabei wird grundsätzlich von der Annahme der Konditionierung ausgegangen, dass sowohl positive wie auch negative Verhaltensweisen erlernt sind und folglich auch in gleicher Weise wieder verändert werden können.108 Die Verstärkung positiver Verhaltensweisen muss insofern darauf abzielen, wirksame Lernprozesse zu ermöglichen, sie zu verfestigen und auf diesem Weg eine dauerhafte Teilnahme des Schülers am Schulunterricht anzustreben.109 Dies kann durch die Verstärkung angemessener und zuvor definierter schulischer Aktivitäten mittels Lob oder eines vereinbarten Belohnungssystems erfolgen, wobei die Kontingenz zwischen dem entsprechenden Zielverhalten und den jeweils eingesetzten Verstärkern kausal hergestellt werden muss.110 So kann beispielsweise das pünktliche Erscheinen in der Schule dadurch belohnt werden, dass dem Schüler an diesem Tag die Nutzung eines Computerspiels für eine Stunde gewährt wird, was zugleich die Mitarbeit und Kontrolle dieser Maßnahme durch die Sorgeberechtigten erfordert.111 Weitere Optionen stellen in diesem Zusammenhang etwa die Einführung eines Token-Systems, bei welchem regelmäßige Anwesenheit mit handelbaren Marken belohnt wird, die gegen bestimmte Gegenstände eingetauscht werden können oder der Abschluss von pädagogischen Verträgen dar, in deren Rahmen bestimmte Verhaltensweisen vereinbart werden, deren Einhaltung eine bestimmte Belohnung offeriert, die als Privileg fungiert und insofern als positiver Verstärker für den regelmäßigen Schulbesuch dient.112 107 vgl.Ricking (2014), S. 91. 108 vgl.Ricking (2014), S. 91. 109 vgl.Ricking (2014), S. 91. 110 vgl.Ricking (2014), S. 92 f. 111 vgl.Ricking (2014), S. 93. 112 vgl.Ricking (2014), S. 94 ff.

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Auch wenn mit derartigen Verstärker-Modellen gute Ergebnisse erzielt werden können, so stellt sich dennoch die Frage, ob sich deren Anwendung auch bei angstbedingtem Vermeidungsverhalten eignet. In dieser Hinsicht sind sicherlich individuelle pädagogische Konzepte deutlich besser geeignet. Denn in deren Rahmen können beispielsweise individuelle Problemlösekompetenzen mit den betroffenen Schülern erarbeitet werden, die einem schulverweigernden Verhalten entgegenwirken können.113 Hierbei handelt es sich zugleich um eine innerschulische Präventivmaßnahme wie beim sogenannten „Classroom Management“-Konzept, in welchem klare Abläufe und Unterrichtsregeln in der Schule etabliert werden, wobei zugleich Lern- und Verhaltenserwartungen deutlich formuliert und die Autonomie der Schüler gesteigert wird.114 Ein wesentlicher Grundgedanke derartiger Konzepte stellt dabei häufig auf den Aspekt einer gelingenden Klassenführung ab.115 Die schulischen Abläufe können auf diese Weise transparenter gemacht, das soziale Gefüge der Klasse gestärkt und Ängste der Schüler gleichzeitig gemindert werden.

Es muss jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass Maßnahmen im Bereich der Elternarbeit ebenfalls präventiv zur Vermeidung von Schulabsentismus geeignet sind. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen von Beratungsangeboten der Schulsozialarbeiter oder durch Hilfen zur Erziehung §§ 27-40 SGB VIII, wobei diese Maßnahmen darauf ausgerichtet sind, den Sorgeberechtigten Wege aufzuzeigen, ihre Kinder unterstützend und fördernd zu begleiten.116

An dieser Stelle kann festgestellt werden, dass bereits eine Vielzahl an Präventionskonzepten für den Umgang mit Schulabsentismus vorhanden sind. Diese müssen - damit sie in der Praxis effektiv und erfolgreich angewendet werden können - möglichst individuell ausgestaltet sein, sodass sie auf die Belange des einzelnen Schülers zugeschnitten sind. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass dies keine zwingende Voraussetzung ist, da beispielsweise die Inhalte des „Classroom Management“-Konzepts für alle 113 Stamm (2012), S. 128. 114 Stamm (2012), S. 128; Hennemann/Hillenbrand (2007), S. 28 ff. 115 Beelmann (2006), S. 151 (157 ff.). 116 Stamm (2012), S. 128 f.

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Schüler in gleicher Weise wirken und Geltung besitzen und sie so zu einer Verbesserung des Klassengefüges insgesamt beizutragen imstande sind.

8. Alternatives Lösungsmodell in Form individueller Bausteine zur Eindämmung des Schulabsentismus

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass Schulabsentismus häufig nicht allein auf einer Ursache beruht, sondern dass es sich hierbei um Multiproblemlagen handelt, bei welchen unterschiedliche Aspekte zusammenwirken und auf diese Weise das Fernbleiben eines Schülers vom Unterricht begünstigen können. Entsprechend kann ein Lösungsmodell, welches einen präventiven Umgang mit Schulabsentismus beinhaltet, nicht in eindimensionaler Weise ausgestaltet sein, sondern muss ebendiese unterschiedlichen Bedingungsfaktoren entsprechend berücksichtigen. Ein solches Aufgreifen der Ursachen in nur einem einzigen Konzept erscheint jedoch nur begrenzt umsetzbar. Ebenfalls muss in diesem Kontext eine notwendige Unterscheidung bezüglich präventiver Maßnahmen und pädagogischer Interventionsmodelle vorgenommen werden.

Hinsichtlich der präventiven Konzepte erscheint das bereits dargestellte Modell der Verstärkung positiver Verhaltensweisen im Hinblick auf den Schulbesuch bereits als sehr überzeugend, da auf diese Weise einerseits die Motivation zum regelmäßigen Schulbesuch geweckt oder aufrechterhalten wird und andererseits sich hieraus für bereits zum Schulabsentismus neigende Kinder Anreize ergeben können, dem Unterricht wieder regelmäßig beizuwohnen. Auch Maßnahmen zur Verbesserung des Schulklimas wie Gesprächsrunden zwischen Lehrern, Schulsozialarbeitern und Schülern zur Aufarbeitung bestehender Probleme im Klassenverband erscheinen geeignet, um etwaige Ängste bereits im Vorfeld gar nicht erst entstehen zu lassen oder diese - sofern sie bereits vorhanden sind - abzubauen. Ebenso kann ein wertschätzender, fairer und respektvoller Umgang sowohl zwischen Lehrern und Schülern wie auch zwischen den Schülern untereinander dazu beitragen, dass die Lebenswelt Schule als gelingende Vielfalt erlebt wird. Es muss an dieser Stelle unbedingt festgehalten werden, dass Schulsozialarbeit und die darin konzeptionell verankerte Elternarbeit wichtige Voraussetzungen dafür schaffen, schulvermeidendem Verhalten ein

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