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128 |IP • März/April 2020

Positionen Schlusspunkt

Wir oder wer?

Von Martin Bialecki

Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen. Wir müssen den demokratischen Grundkonsens achten. Wir respektieren Russland zu wenig und Amerikas Verdienste. Wir sind das Volk, das Land, die Bundesregierung. Wir sind der Westen, die Exportnation, die Interessen der deutschen Industrie. Wir sind die Vernünftigen, die Demokratien, wir sind dagegen, sogar „die Politik“ sind wir. Nur – wer genau?

Mal ist „Wir“ unscharfer Adressat („Damit wir wieder auf Augenhöhe …“), mal raunender Absender („Wir müssen doch endlich in Europa …“). Fast immer trägt es dort zur Verun- klarung bei, wo es um analytische Klarheit gehen sollte, um strategische Wegweisung, Trennschärfe und Präzision.

„Wir“ verunklart in dem Maße, wie der schreibende Mensch sich selbst als wissenden Aussprecher von etwas Größerem sah; dass er den ganzen, langen Weg vom Ich zum Wir in nur einem Schritt zu überwinden wusste, lässt indes das Publikum recht ratlos: Wen meint denn der? Wo aber der Ton genervten Expertentums ungeduldig mit sich selbst durchbrennt („Schon seit Jahren sage ich, dass wir Putin in die Schranken weisen müssen“), wird es eh weniger um das Wir eines Publikums gehen als um den camouflierten Ich-aber-sa- ge-Euch-Zeigefinger des außenpolitischen Großkenners.

Sucht wer vielleicht gar kein Wir-Gefühl, sondern nur Er- kenntnis, findet er als Einzelner schwerlich seinen Platz, so er Widerwillen gegen diesen Wir-Willen hegt und ihm das Affirmative widerstrebt. Wo ein „Wir“ wärmende Nähe an- bieten soll in dieser kalten Welt der Staaten, wird die nötige Distanz zum Sujet bereitwillig geopfert. Mal ist „Wir“ jeder Einzelne („Wir sind Europa“), mal schillert es blasig-appel- lativ als Gruppe, Nation oder Schicksalsgemeinschaft: „Wir wollen unser Land zurück“, „Wir müssen mit neuem Selbst- bewusstsein …“. Schließich mahnen wir schon zu lange, und wenn wir es nicht tun, tut es ein anderer: Elende Konsenssu- che, wir müssen uns jetzt mal am Riemen reißen, im Nahen Osten und überhaupt.

Oft ist ein solches „Wir“ der Bauschaum argumentativer Leere. Es schmeckt nach ledriger Bedeutungshuberei. Geht es um Internationales, ist für solche Wirheit das Stadion doch der bessere Ort: You’ll never walk alone.

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