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60Jahre erziehungs- und Familienberatungsstelle erding

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... ich sagte doch, kein Facebook heUte !

ZUR Pa RtY

60Jahre

erziehungs- und

Familienberatungsstelle

erding

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Impressum:

Herausgeber:

Landratsamt Erding Alois-Schießl-Platz 2 85435 Erding Tel.: 08122 / 58-0 poststelle@lra-ed.de www.landkreis-erding.de

Redaktion:

Christina Centner Elisabeth Diemer

Layout & Illustration:

Monika Tauschel

Bildmaterial:

Landratsamt Erding

Druck:

Kasdorf & Mayr Druck GmbH Erding

Stand:

Dezember 2012

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erziehungs- und

Familienberatungsstelle

erding

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Liebe Landkreisbürgerinnen und Landkreisbürger,

wer Kinder hat, kennt sie: Situationen, in denen man mit dem Nachwuchs nicht mehr weiter weiß, ratlos ist, am Ende der Kräfte, überfordert. Häufig lassen sich Probleme innerhalb der Familie auch wieder gut lösen, und auf schwierige Phasen folgen leichtere. Leider funktioniert das nicht immer ohne Hilfe von außen – etwa, wenn Konflikte sich zuspitzen, Kommunikation nicht mehr möglich ist, Fronten verhärten oder Lösungsversuche nicht greifen.

Der Landkreis Erding ist für Eltern und Kinder in familiären Notlagen da, und das seit nunmehr 60 Jahren. Damals, im Jahr 1952, beschlossen die Kreisräte, die erste Beratungsstelle für Familien ins Leben zu rufen. Es war ein Experiment, dessen war man sich bewusst: „Das Ganze soll ein Versuch sein.

Es stellt auch in dieser Art den ersten Versuch in der Erziehungsberatung dar.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn der eine oder andere Fall, der sonst in ein Erziehungsheim kommen müsste, auf diese Art geregelt werden könnte.“ So heißt es im Sitzungsprotokoll des Kreisausschusses vom 26. November 1952.

Nicht erst heute, nach sechs Jahrzehnten professioneller und engagierter Beratungsarbeit in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Erding wis- sen wir, dass es eine hervorragende Idee war, diese Einrichtung zu gründen.

Das Angebot wurde im Laufe der Jahrzehnte stetig ausgebaut und – was be- sonders wichtig ist – den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen angepasst. Heute bietet die Erziehungs- und Familienbe- ratungsstelle neben den regulären Beratungsterminen zum Beispiel eine Trauergruppe, das Laienhilfeprojekt, Safe-Kurse und eine Schreibaby-Ambu- lanz an, was gerne angenommen wird.

Wir können also stolz darauf sein, dass die Erdinger Kreisräte vor 60 Jahren den Mut hatten, sich dem Thema aktiv zu stellen und Geld in die Hand zu nehmen, um die Familien im Landkreis zu unterstützen. Diese Bereitschaft besteht bis heute. Es freut mich sehr, dass wir das Jubiläum der Erziehungs- und Familienberatungsstelle am 5. Dezember 2012 mit einem Festakt feiern und mit der vorliegenden Festschrift dokumentieren können.

Ihr

Martin Bayerstorfer Landrat

Grußwort von

Landrat Martin Bayerstorfer

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich gratuliere der Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Erding herz- lich zu ihrem 60-jährigen Bestehen. Die Erziehungsberatungsstelle Erding ist mit ihrer Gründung im Jahr 1952 eine der ältesten Stellen in ganz Bayern. Sie hat ihre Ursprünge in der jungen Bundesrepublik und damit in einer Zeit, in der der materielle Mangel, mithin der Verlust des Vaters oder Ehemanns den Alltag vieler Familien prägte. Die Familienberatung steckte buchstäblich in den Kinderschuhen. Ein Beratungsgespräch war damals etwas Außergewöhnliches.

Den Wert eines Gespräches von Mensch zu Mensch kann man indes nicht hoch genug einschätzen – damals wie heute. Es gibt aber kaum einen Bereich unserer Gesellschaft, der im letzten halben Jahrhundert einem so gravierenden Wandel unterlegen ist, wie die Arbeit mit Kindern, Jugend- lichen, jungen Erwachsenen und deren Eltern. Heute stehen Familien vor anderen, aber genauso vielfältigen und auch neuen Herausforderungen. Die Pluralisierung der Lebenswelten, die Individualisierung der Lebensstile, aber auch der rasche Wandel unserer Gesellschaft hin zur modernen Wissens- und Informationsgesellschaft, machen Erziehung nicht einfacher und die Erziehungsberatung wichtiger denn je.

Erziehungsberatungsstellen bieten kompetenten Beistand. Die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter bilden sich laufend fort und investieren viel Herzblut in ihre Tätigkeit, weit über ihre Pflicht hinaus zum Wohle der Kinder, Jugendlichen und der ganzen Familien.

Gerne nutze ich die Gelegenheit, der Erziehungs- und Familienberatungs- stelle Erding für ihr Engagement meinen Dank und meine Anerkennung auszusprechen: Ein herzliches Vergelt`s Gott. Auf weitere erfolgreiche Jahre.

Ihre

Christine Haderthauer Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen

Grußwort von

Staatsministerin Christine Haderthauer

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Team der Erziehungsberatungsstelle 2012

Von links: Sabine Wolf, Elisabeth Diemer, Jürgen Wagner, Andrea Uscharewitz, Angelika Reichmann, Irene Meyer, Dr. Gisela Hofstätter, Bodo Kuhbandner

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Chronik der Erziehungs- und Familienberatungs- stelle des Landkreises Erding

50er Jahre:

26.11.1952

Beschluss des Kreisausschusses unter Leitung von Landrat Dr. Weinberger zur Gründung der Erziehungsberatungsstelle auf Anregung des Bayerischen Jugendamtes und in Koope- ration mit der Universitäts-Kinderpoliklinik München:

„Aufgrund vorstehender Ausführungen und mit Rücksicht darauf, dass es für den Land- kreis eine Auszeichnung bedeutet, gerade in Erding eine Erziehungsberatungsstelle zu errichten, beschließt der Kreisausschuss ein- stimmig, den auf den Landkreis entfallenden Anteil der Kosten von 2165.-- DM zu geneh- migen“, heißt es im Protokoll.

Die Leitung übernahm Frau Dr. Schmeer. Die Beratungsstelle war zunächst „ein Beratungs- zimmer mit Ofen, ein Spielzimmer und ein Klosett“ in einem Privathaus Am Rätschen- bach 17.

Das Angebot umfasste „Allgemeine Beratung von Eltern und Jugendlichen“ an einem Tag in der Woche und ein Gesprächskreis für Lehrer geleitet durch Herrn Dr. Klüver in Zusam- menarbeit mit den zwei Landkreis-Fürsorge- rinnen. Ab 7. 1. 1954 übernahm die Leitung Hilde Troidl.

60er Jahre:

1965: Übernahme der Stellenleitung durch Elisabeth Fargel

Die Beratungen erfolgten nun an drei Tagen in der Woche im Pavillon in der Roßmayrgasse.

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70er Jahre:

1970: Umzug in den Dr. Ulrichweg 2 (obers- tes Stockwerk der alten Landwirtschaftsschu- le) zusammen mit dem Jugendamt. Die Bera- tungsstelle ist täglich geöffnet

1972: zwei Sozialpädagogik-Praktikanten für die Kindergruppenarbeit und eine Psycholo- giepraktikantin

1974: Erweiterung um eine Diplom-Sozialpä- dagogin

1975: Erweiterung der Stelle um eine Diplom- psychologin und eine Sekretärin

1978: Aufbau von Außenstellen im Landkreis

Fester Ausbau der Außenstelle Dorfen in den Räumen der alten Landwirtschafts- schule. Die Stelle ist an einem Wochentag besetzt. Die übrigen Gemeinden werden im Zwei-Wochen-Rhythmus oder bei Bedarf versorgt (in Schulen, Kindergärten, Rathäu- sern, Pfarrbüros).

80er Jahre:

Personeller Ausbau der Beratungsstelle auf drei Psychologen- und zwei Sozialpädagogen- stellen und einer Ganztagssekretärin

1981: Die Außenstelle in Dorfen ist an vier Wochentagen besetzt

1952 1952

1970 1970 1965 1965

1986 1986

Am Rätschenbach

Pavillon in der Roßmayrgasse

Roßmayrgasse 13 Dr.-Ulrich-Weg 2

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1983: Umzug ins Landratsamt im Trakt des alten Krankenhauses

1986: Umzug in die jetzigen Räumlichkeiten in der Roßmayrgasse 13

1986: Übernahme der Leitung durch Christl von Landenberg

90er Jahre:

1994 Fester Ausbau der Außenstelle Wartenberg (im Bürgerbüro)

1997: Elisabeth Diemer übernimmt die Leitung der Erziehungsberatungsstelle

2000 bis jetzt:

2005: Beteiligung am bundesweiten Projekt „Virtuelle Beratung“

2006: Schließung der Außenstelle Wartenberg

2009: Eröffnung der Schreibabyambulanz 2010: Erweiterung der Räumlichkeiten in der Roßmayrgasse

Derzeitiger Personalstand:

Insgesamt 4,9 Fachkraftstellen verteilt auf vier Diplompsychologen/innen und drei Diplom-Sozialpädagogen/innen

AUSSENSTELLEN

1994 1994

Wartenberg

1978 1978

Dorfen

1983 1983

Dorfen

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Auszug aus dem Original-Protokoll

der Sitzung des Kreisausschusses vom

26. November 1952

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Erziehungsberatung im Wandel

Frühe Spuren

Bekanntlich haben Erwachsene schon immer ihre Nöte mit Kindern und Jugendlichen ge- habt: „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ Jeder kennt diese vor 4000 Jahren ein- geritzten Worte auf einer babylonischen Ton- scherbe.

Auch Ratschläge, wie man dem Problem mit den Kindern begegnen sollte, gibt es vermut- lich schon mindestens genauso lange. 1260 rät Berthold von Regensburg in einer Predigt:

„Von der Zeit an, wenn das Kind die ersten bösen Worte spricht, sollt ihr ein kleines Rüt- lein bereithalten. Ihr sollt es aber nicht mit der Hand an den bloßen Schläfen schlagen, sonst könntet ihr es zu einem Toren machen.“

1776 gab Jean-Jacques Rousseau in seinem Roman „Emile, oder über die Erziehung“

Hinweise, wie die Erziehung eines Jungen zu geschehen habe.

Ab 1900

Die ersten vereinzelten Anfänge einer institu- tionalisierten Erziehungsberatung, die aller- dings mit heutigen Einrichtungen noch nicht vergleichbar war, gab es in Deutschland um die Jahrhundertwende. So wurde 1906 in Ber- lin eine „Medico-pädagogische Poliklinik für Kinderforschung, Erziehungsberatung und ärztlich-erzieherische Behandlung“ gegrün- det. 1906 entstand in Frankfurt eine „Jugend-

erfahrungsbericht

„Ich bin sehr froh, dass es so eine gute An- laufstelle für Eltern in Erding gibt. Zuerst habe ich mich nicht so recht getraut anzu- rufen, denn „Erziehungsberatungsstelle“

hört sich ein wenig geschwollen an, und man denkt, dass man es als Mutter nicht alleine schafft und sich professionelle Hilfe holen muss.

Aber hier wird man schnell eines Besseren belehrt. Das Personal holt das Beste aus ei- nem raus und zeigt auf, was man alles gut macht und nicht das, was schief läuft.

Die Mitarbeiter sind sehr geduldig, liebe- voll und aufmerksam und haben ein feines Gespür für Mutter, Vater und Kind, und so habe ich mich nach jedem Gespräch gestärkt gefühlt und wieder Hoffnung gehabt. Außerdem habe ich auch immer kurzfristig Hilfe bekommen, wenn ich sie mal gebraucht habe (und das kam öfters vor nach einer schlaflosen Nacht mit Baby).

Super ist auch das Angebot des Safe-Kur- ses, bei dem man neue Kontakte knüpfen kann und die Möglichkeit hat, Erfahrungen auszutauschen. Die Mitarbeiter überlegen sich zu jedem Treffen ein Thema und blei- ben dabei immer offen für die Probleme und Fragen der Eltern an dem jeweiligen Tag. Ich kann nur meinen Dank ausspre- chen für die vielen Stunden, die uns gehol- fen haben.“

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sichtungsstelle“. Die Gesellschaft orientierte sich damals sehr stark an überlieferten festen Werten und Traditionen und war stark auto- ritär geprägt. Anpassung der Kinder an diese gesellschaftlichen Normen war das oberste Erziehungsziel. So formulierte die „Enzyk- lopädie des gesamten Erziehungs- und Un- terrichtswesens“: „Der Wille des Kindes muss gebrochen werden, d.h., es muss lernen, nicht sich selbst, sondern einem anderen zu folgen (…).“. Als natürliche Orte der Erziehung gal- ten Elternhaus und Schule. Versagten diese, und Kinder und Jugendliche wurden auffällig, so wurden sie „gesichtet“, d.h., medizinisch und psychiatrisch getestet und dann je nach Ergebnis zum Beispiel in eine Sonderschule oder ein Fürsorgeheim verwiesen.

Während der Weltwirtschaftskrise kam es dann aus finanziellen Gründen zum Abbau der bis dahin schon entstandenen fürsorgeri- schen Leistungen. Die bis dahin gegründeten Beratungsstellen stellten ihre Tätigkeit nach 1933 größtenteils wieder ein. In Deutschland gab es zu dieser Zeit wohl nur noch 13 Bera- tungsstellen für Kinder und Jugendliche.

Die 50er Jahre

Nach dem zweiten Weltkrieg führten Woh- nungsnot, Obdachlosigkeit und Ernährungs- mangel vielfach zu tiefgreifenden Traumatisie- rungen von Kindern, nach außen oft erkennbar als Verwahrlosung und Jugendkriminalität.

Die Notwendigkeit staatlicher Unterstützung war deutlich. Nach dem Vorbild der US-ame- rikanischen „child-guidance-clinics“ wurden in den Großstädten Beratungsstellen errichtet.

Fachlich und organisatorisch waren diese Be- ratungsstellen zu Beginn der 50er Jahre den heutigen schon in mancher Hinsicht ähnlich.

Die Stellen waren oft an Kliniken angegliedert und von Ärzten geleitet. Räumlich und orga- nisatorisch waren sie aber von der Klinik und anderen Behörden getrennt und signalisierten damit, dass sie keine Eingriffsbehörden waren, sondern der Bevölkerung frei zur Verfügung standen.

Aufgabe dieser Stellen war z.B. die Unterstüt- zung der Bevölkerung beim Überwinden der Kriegsfolgen.

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Traumatisierte Kinder und Jugendliche erhiel- ten ärztlich-psychologische Hilfen, die Eltern wurden beratend begleitet. Die Beratungsar- beit war damals vorwiegen tiefenpsycholo- gisch/ psychoanalytisch bestimmt. In der Pra- xis bedeutete das häufig eine Einzeltherapie für ein Kind über einen längeren Zeitraum.

Die Wartezeiten für diese Behandlung waren selbstverständlich ebenfalls lang.

Die 60er Jahre

In den Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs entstanden mehr und mehr Erziehungsbe- ratungsstellen auch in mittleren und kleine- ren Städten und unabhängig von Kliniken.

Oft waren jetzt Wohlfahrtsverbände, Kirchen oder Landkreise die Träger der Stellen. Die Stellenleitungen waren mittlerweile oft von

Psychologen und Psychologinnen besetzt.

Die boomende Wirtschaft der 60er Jahre för- derte auch die Weiterentwicklung der noch sehr jungen Wissenschaft Psychologie. Die intensivierte Forschung brachte neue Er- kenntnisse; Forschungsergebnisse wurden in immer größerer Zahl veröffentlicht, und neue Therapieformen wurden entwickelt.

Die fachliche Arbeit in den „Erziehungs- beratungsstellen“, wie sie jetzt mehrheitlich genannt wurden, profitierte von dieser Ent- wicklung. Zum Standardvorgehen für die Beratung gehörte damals meist eine aus- führliche, oft mehrstündige Anamnese und Psychodiagnostik des angemeldeten Kindes oder Jugendlichen. Die Fachwelt hatte da- mals die Hoffnung, dass mit Hilfe von psy- chologischen Testverfahren die Störungen des „Problemkindes“ möglichst genau erfasst und behandelt werden könnten.

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Erziehungsberatungsstellen ihren Namen der neueren gesellschaftlichen Entwicklung an und bezeichnen sich jetzt als Familienbera- tungsstellen, psychologische Beratungsstel- len oder Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche. Der Ausbauboom des ver- gangenen Jahrzehntes stagniert, nachdem in nahezu jedem Landkreis mindestens eine Be- ratungsstelle ihre Arbeit aufgenommen hat.

Den Familien steht jetzt mit ca. 1000 Erzie- hungsberatungsstellen ein lückenloses Netz an Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die 90er Jahre

Politisch wird durch das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) der Rechts- anspruch auf notwendige Hilfen für Eltern, Kinder und Jugendliche festgelegt. Nach § 28 dieses Gesetzes besteht so auch der Rechts- anspruch auf Erziehungsberatung. Nach po- litischem Willen soll diese Hilfe ausreichend, kostenlos, und leicht zugänglich sein, sie soll kurze Wartezeiten, Verschwiegenheit und fachlich hochwertige, qualitätsgesicherte Hilfe garantieren. In „Qualitätsprodukt Erziehungs- beratung“ setzt die bke (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung) fachliche Standards, die bis heute Gültigkeit haben.

Die 70er Jahre

Getragen vom wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesrepublik sind die 70er Jahre ge- prägt von einem rasanten Ausbau der Er- ziehungsberatungsstellen. Auch die Anzahl der Stellen in Deutschland verdoppelte sich in kurzer Zeit von ca. 340 auf über 700. Die Zahl der Mitarbeiter in den einzelnen Stellen und damit das Angebot für die Kinder und ihre Familien vergrößerten sich. Die breite öffentliche Diskussion über die „antiautori- täre Erziehung“ und die Emanzipation der Frau schafften Verwirrung und Unsicherheit in den Familien. Die Berater waren fachlich besonders gefordert.

1973 erließen die Jugendminister der Länder in der BRD „Grundsätze für die einheitliche Gestaltung der Richtlinien für die Förderung der Erziehungsberatungsstellen“ und garan- tierten so einen flächendeckenden fachlichen Standard. Die Beratungsfachkräfte organi- sierten sich in Landesarbeitsgemeinschaften (LAG´s). Der Fachverband der “Bundeskon- ferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke)“

wurde gegründet.

Die 80er Jahre

Die fachliche Ausrichtung der Berater orien- tierte sich nun mehr und mehr an den neu entwickelten Kenntnissen der Familienthe- rapie. Die Störungen eines Kindes werden als Beziehungsstörungen der Familie erkannt.

Der kindzentrierte Denkansatz wird zuguns- ten eines systemischen Ansatzes aufgegeben.

Nicht mehr das “kranke“ Kind wird „behan- delt“, sondern alle Familienmitglieder wer- den zur Mithilfe aufgefordert. Die Klienten erhalten mehr Eigenverantwortlichkeit. Ent- sprechend dieser Entwicklung passen viele

erfahrungsbericht

Klientin Außenstelle Dorfen

„Die Gespräche in der Erziehungsberatung waren für mich in schweren Lebensphasen sehr wichtig. Sie haben mir sehr geholfen, wieder positiv in die Zukunft zu blicken, um selbstbewusst meinen eigenen Weg zu gehen.“

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Die bke schreibt dazu

„Erziehungsberatung ist eine ganzheitlich angelegte Hilfe, die der multifaktoriellen Be- dingtheit von Problemlagen mit der Multipro- fessionalität des Teams begegnet. Sie hat ihre Grundlage in einer differenzierten Kenntnis entwicklungspsychologischer Bedingungen und familiendynamischer Zusammenhänge einerseits und der Fähigkeit zur Veränderung eingelebter Kommunikations- und Verhaltens- muster andererseits. Die Beziehung zwischen Ratsuchendem und Fachkraft ermöglicht über methodisch geleitete Intervention eine Verän- derung der Interaktion in Familien.“ (1994)

Das 21. Jahrhundert

Der Bedarf an Beratung hat weiterhin stetig zugenommen. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sind deutschland- weit ca. 30 Prozent der Minderjährigen durch Erziehungsberatung unterstützt worden. Der wachsende Bedarf wird verständlich, wenn man die Situation der Familien und Kinder betrachtet, die sich in den letzten Jahren deut- lich verändert hat.

Fallbeispiel

Die Mutter der elfjährigen Sabrina war alarmiert: Eine Lehrerin hatte beobachtet, dass Sabrina im Unterricht immer stiller wurde und auch ihre Leistungen nachließen. Die Mutter stand vor einem Rätsel. Auch ihr war aufgefallen, dass sich Sabrina in der letzten Zeit verändert hatte. Sie wirkte oft lustlos, schnell reizbar und sehr verschlossen. Dabei war die Beziehung zwischen Mutter und Toch- ter eigentlich sehr eng. (Die Mutter ist alleinerziehend, Sabrina ihr einziges Kind. Die Eltern trennten sich, als Sabrina ein Jahr alt war.) Die sorgenvoll an Sabrina gerichteten Fragen der Mutter wehrte das Kind nur ab. Die Mutter wandte sich daraufhin an die Erziehungsberatungsstelle. Im Gespräch wurde der Mutter geraten, nicht weiter nachzufragen, aber Sabrina besonders viel Aufmerksamkeit zu widmen.

Das hatte Erfolg: Sabrina vertraute der Mutter an, dass der Papa ihr gesagt habe, sie bekomme bald einen kleinen Halbbruder. Sabrina war darüber verzweifelt. Sie malte sich aus, der Papa hätte dann überhaupt keine Zeit mehr für sie. Sie fühlte sich ohnehin schon von ihm vernachlässigt, möchte viel mehr Zeit mit ihm allein verbringen und seine Aufmerksamkeit nicht mit der neuen Lebensgefähr- tin teilen. Im Einzelgespräch mit dem Kind erfuhr die Beraterin, warum es so schwer war, sich der Mama anzuvertrauen: Sabrina befürchtete, dass die Mama dann wieder über den Papa schimpft, und das ist für Sabrina schwer auszuhalten, weil sie ihn ja gern hat.

Sabrina hatte schließlich selbst einen Lösungsvorschlag: Sie wollte dem Papa einen Brief schreiben, um ihm ihre Gefühle mitzuteilen. Nach einiger Zeit berichtete Sabrinas Mutter, ihrer Tochter gehe es gut. Der Vater sei erschrocken über den Brief gewesen. Jetzt nehme er sich mehr Zeit für seine Tochter, unternehme auch viel mit ihr allein. Sabrina freue sich inzwischen sehr auf das Baby.

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Übereinstimmendes Ergebnis dieser Evalua- tionsstudien ist ein hoher Grad an positiven Rückmeldungen durch die Beratenen. 80 bis 85 Prozent sind zufrieden bis sehr zufrieden mit der erhaltenen Leistung. Vergleichbar hohe Werte werden auf die Frage erreicht, ob sich denn das Problem, das Anlass zur Bera- tung war, gebessert habe. Die groß angelegte

„Jugendhilfe-Effekte-Studie“ 2002 hat für die Erziehungsberatung eine deutliche Symp- tomreduktion bei den Kindern, eine Kompe- tenzsteigerung bei den Eltern und eine über- durchschnittlich starke Beeinflussung der Belastungen gezeigt. (Quelle:Bundeskoferenz für Erziehungsberatung)

erfahrungsbericht

„In der Erziehungs- und Familienberatungs- stelle lasse ich mich seit vielen Jahren ger- ne beraten. Dort fühle ich mich wohl und gut verstanden. Nette und kompetente Berater haben immer einen passenden Rat, ein tröstendes Wort, zeigen einem den Weg aus unterschiedlichsten Krisensitua- tionen. Auch bei allgemeinen Problemen, die das Familienleben betreffen, bekomme ich stets Strategien erklärt, wie ich diese anpacken kann. Und das hilft! Ich habe drei Kinder und bin allein erziehend, so dass mir diese belehrenden und nützlichen Gesprä- che sehr viel bedeuten. So konnte ich mit den verschiedenen kindlichen Trotzpha- sen gelassen umgehen und meine Kinder zu selbstbewussten friedlichen Menschen erziehen. Auch bei der eigenen Selbstfin- dungsphase finde ich hier gute Begleitung.

Das Leben ist ja ein Kampf, und in diesem Kampf wird einem hier der Rücken gestärkt.

Ich bin sehr dankbar und froh darüber, dass es in unserer Stadt so eine wunderbare Ein- richtung gibt.“

Erziehung heute

Soziale Normen und Traditionen haben heute nicht mehr den gleichen Stellenwert wie frü- her. Das ist gut, weil es größere Freiheiten und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten er- laubt. Gleichzeitig schafft diese Freiheit aber auch Unsicherheit. Der Umgang mit Kindern ist den jungen Eltern oft auch nicht aus eige- ner Erfahrung vertraut, sie müssen ihn erst lernen und sind trotz vielfältiger (und teils widersprüchlicher) Tipps aus Büchern und sonstigen Ratgebern oft verunsichert, wie sie mit ihrem Kind in einer konkreten Situation umgehen sollen.

Väter und Mütter sind heute in der Regel beide berufstätig. Die Belastungen des Arbeitsalltags wirken in das Familienleben hinein. Beruf- lich bedingte Umzüge zerreißen gewachsene Strukturen. Den Eltern fällt es schwer, ihren Kindern genügend Aufmerksamkeit zu wid- men; familiäre und freundschaftliche Hilfen fehlen oft.

Ein Kind heute erziehen bedeutet auch Erzie- hung unter (Zeit-)Druck und Stress. Oft gerät dadurch die Paarbeziehung an ihre Grenzen, und die Trennung erscheint als der letzte Ausweg. Die damit verbundenen Auseinan- dersetzungen und Veränderungen belasten vor allem die Kinder zusätzlich und nehmen ihnen den für ihre Entwicklung notwendigen Schutzraum. Die Unterstützung der Familien in diesen und anderen Problemlagen ist heute mehr denn je eine gesellschaftliche Notwen- digkeit.

Hilft Erziehungsberatung?

Auf die Frage, ob denn das Angebot der Erzie- hungsberatungsstellen den Familien eine gute und sinnvolle Hilfe bietet, geben zahlreiche veröffentlichte Untersuchungen Auskunft.

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Fallbeispiel

Ein 17-jähriges Mädchen leidet unter Angst- und Essstörungen.

Christina, 17 Jahre alt, wurde von ihrer Mutter wegen Angststörungen und damit zusammenhän- genden Essstörungen an der Erziehungs- und Familienberatungsstelle angemeldet. Kurz zuvor wurde sie im Krankenhaus stationär behandelt, weil sie sehr viel Gewicht verloren hatte.

Aufgrund einzelner prägender Erlebnisse (Christina wurde zum Teil zum Essen gezwungen) und auch wegen eines insgesamt sehr reglementierenden Familiensystems, entwickelte das Mäd- chen eine ängstlich-vermeidende Grundhaltung, die sich körperlich in Magenschmerzen zeig- te, welche immer wieder als Folge der Angst auftraten. Diese machten es Christina unmöglich, spontan und regelmäßig zu essen, geschweige denn, Essen zu genießen.

Sie schaffte es nicht, offen und interessiert auf neue Situationen oder Menschen zuzugehen.

Vieles wurde wie durch eine Wolke der Angst gedämpft und eingeengt. Da sie im Laufe der Jahre merkte, wie fröhlich und ungezwungen andere Jugendliche waren, wurde sie auch immer trauriger darüber, dass sie das nicht konnte.

Es fanden regelmäßige Gespräche mit Christina statt. Dabei berichtete sie, woran sie sich in ihrer Vergangenheit erinnerte, und was sie jetzt noch belastete. Sie bekam viel Verständnis für ihre Gefühle, und es wurden ihr immer wieder Wege aufgezeigt, wie sie heute auf ganz andere Art damit umgehen könnte.

Glücklicherweise hat Christina auch eine gute Portion Humor, so dass sie über einige ihrer prob- lematischen Verhaltensmuster oft spontan lachen musste und sich auch dadurch von ihnen lösen konnte.

Immer wieder ging es auch darum, wie sie selbst dafür sorgen konnte, sich sicher zu fühlen, bei allem, was sie an Unbekanntem beruflich und in ihrer Freizeit angehen musste oder wollte.

In größeren Abständen fanden auch Gespräche mit der Mutter statt, damit diese von ihrer Seite her im Alltag die Entwicklung ihrer Tochter unterstützen konnte.

Inzwischen geht es Christina sehr gut. Obwohl die Beratung schon längst abgeschlossen ist, lässt sie noch manchmal etwas von sich hören.

Sie ist erwachsen geworden, konnte ohne Probleme ihre Ausbildung erfolgreich abschließen, hat den Führerschein gemacht und schickt noch manchmal Karten von ihren Reisen, die sie in alle möglichen Teile der Welt macht.

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Erziehungsberatung heute – Ein aktueller Blick auf unsere Beratungsstelle

Die Arbeit an Erziehungsberatungsstellen orientiert sich an den grundlegenden Forde- rungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

Darin wird festgeschrieben, für Kinder, Ju- gendliche und deren Eltern Beratungsangebo- te zur Verfügung zu stellen, die das Wohl des Kindes oder Jugendlichen im Fokus haben.

Beratung hat dabei die Aufgabe, Eltern in ih- rer Erziehungsverantwortung zu unterstützen bzw. die Eltern und Familien darin zu unter- stützen, dass sich die Kinder unter möglichst optimalen Bedingungen entwickeln können.

Dies erfordert immer wieder eine Anpassung und ein flexibles Eingehen auf veränderte Um- welt- und Lebensbedingungen.

Insofern zeigt sich die aktuelle Angebot für Erziehungsberatung als ein Spiegel auf die ge- sellschaftlichen Veränderungen, die an Kinder, Jugendliche und Eltern immer höhere An- forderungen stellen. Hohe Trennungs- und Scheidungsraten, besondere Probleme von Alleinerziehenden, Migration, erhöhte An- forderungen im Umgang mit „neuen Medien“, Suchtgefahren, psychische Erkrankungen, Ge- walt und die wachsende Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen sind Beispiele für die Überforderung von Familien.

Als bürgernahe und unbürokratische, psycho- soziale Anlaufstelle mit einem multidiszipli- när zusammengesetzten Fachteam können

wir sensibel die Problemlagen von Familien registrieren und auf sie reagieren. Dies zeigt sich schon bei der Anmel- dung. Wartezeiten über vier Wochen hinaus sind für Kli- enten nicht mehr zumutbar.

Deshalb findet bei über drei- viertel aller Anmeldungen ein Erstgespräch innerhalb einer Woche statt. Krisen erfor- dern sofortige Termine. Dies bedeutet auch für die Berater ein hohes Maß an Flexibilität, nicht zuletzt, weil sich der Bedarf an Gesprächskontak- ten erhöht hat.

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Auch im Bereich der fachlichen Angebote der Erziehungsberatung zeigt sich die notwen- dige Flexibilität. Unsere Beratungsstelle hat in jüngster Zeit ihr Spektrum dahingehend erweitert, neue Konzepte für die Arbeit mit hochstrittigen Eltern zu entwickeln, die Arbeit mit Multiproblemfamilien zu intensivieren und durch die Initiierung einer Schreiba- by-Ambulanz die Arbeit von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern zu etablieren.

All dies bedingt auch eine intensivere Ko- operation mit Gericht und dem Fachbereich Jugend und Familie.

Trennung und Scheidung sind seit vielen Jahren ein zentrales Thema in der Erzie- hungsberatung. Die Begleitung von Eltern in der Ambivalenzphase der Trennung, die Un- terstützung in den neu zu findenden Rollen nach der Scheidung, Einzelberatungen und Gruppenangebote für Kinder sind dabei origi- näre Aufgaben. Durch die Reform des Fami- lienverfahrensrechts 2009 gibt es nun für das Familiengericht die Möglichkeit für hoch kon- flikthafte Eltern, die um das Sorge- und Um- gangsrecht ihrer Kinder gerichtlich streiten, die Teilnahme an einer Beratung anzuordnen.

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2011 hatten 33 Prozent der Anmeldungen (228 Familien) diesen Hintergrund; 46 von ihnen kamen aufgrund einer familienge- richtlichen Anordnung in unsere Beratungs- stelle.

Ein weiteres Thema, das in den vergangenen Jahren zunehmende Bedeutung erlangt hat, betrifft den Kinderschutz. Vor allem der prä- ventive Kinderschutz wird durch das neue Bundeskinderschutzgesetz gestärkt. Dies zeigt sich in der Förderung so genannter

„früher Hilfen“. Auch unser Landkreis hat diesen Auftrag wahrgenommen und Mittel für diesen Bereich zur Verfügung gestellt.

Als erweitertes Angebot bietet unsere Be- ratungsstelle für Multiproblemfamilien mit Säuglingen und Kleinkindern psychoedu- kative Elterngruppen und ein sogenanntes Feinfühligkeitstraining an. In diesem offenen und fortlaufenden Gruppenangebot liegt ein besonderes Gewicht darauf, dass sich auch unter belasteten Umständen eine stabile und gesunde Eltern-Kind-Beziehung entwickeln kann. Viele der teilnehmenden Eltern können nicht oder nur wenig auf eigene positive Be- ziehungserfahrungen zurückgreifen.

Deshalb ist ein wichtiger Baustein in der Gruppe die Förderung von Einfühlungsver- mögen der Eltern dem Baby gegenüber. So wird es den Eltern möglich, auf die kindli- chen Signale angemessen, prompt und zu- verlässig zu reagieren. Dies ist die Vorausset- zung für tragfähige und gesunde Bindungen zwischen den Kindern und ihren Eltern und bietet Schutz gegen die Entwicklung von Bin- dungsstörungen. Dabei dient die angeleitete Gruppe als Modell einer guten Beziehungs- erfahrung. Aber nicht nur besonders gefähr- dete Kinder müssen frühzeitig erkannt und unterstützt werden. Die Unterstützung für Kinder und Familien muss heute allgemein

erfahrungsbericht

„Frisch von meinem Mann getrennt zog ich mit meinen Kindern, Zwillingsbuben von fünf und einer Tochter mit eindreivier- tel Jahren, im März 1997 von Schleswig- Holstein zurück nach Erding. Meine Söhne waren immer schon sehr lebhaft und schliefen nachts maximal sieben Stunden.

Im Alter von 13 Jahren stellte man auf Anra- ten des Schulpsychologen in einer Praxis in München bei beiden das Aufmerksamkeits- defizitsyndrom (ADS) fest. Von da an beka- men wir unter anderen medikamentöse Un- terstützung, die für unser Familienleben ein Segen wurde.

Trotz Unterstützung von meiner Familie vor Ort und einem entstandenen Freundeskreis möchte ich die Unterstützung durch die Er- ziehungsberatungsstelle Erding nicht missen!

Über viele Jahre hinweg, mit immer größeren Beratungsabständen, konnte ich mir Rat und Unterstützung holen.

Thema war nicht nur die Erziehung, sondern auch Hilfe für den Alltag und die Bewältigung der Trauer um eine gescheiterte Ehe und die Akzeptanz, dass der Vater der Kinder nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte.

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Familien und Kindern und habe die Erziehungsbera- tungsstelle oft weiter empfohlen – nie habe ich gehört, dass der Besuch sinnlos oder ohne Erfolg war.

Einen herzlichen Dank an das Team! Hervor- zuheben ist, dass mir für die Beratung kei- nerlei finanzieller Aufwand entstand.“

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früh ansetzen. In diesem Rahmen förderte das bayerische Sozialministerium die gezielte Fortbildung von Fachkräften für den Aufbau von sogenannten „Schreibaby-Ambulanzen“.

Bereits seit 2009 gibt es diese frühe Erzie- hungs- und Entwicklungsberatung als „Er- dinger Sprechstunde für Schreibabys“ an der Erziehungsberatungsstelle des Landkreises Erding. Obwohl das Ministerium für 2011 keine weiteren Fördermittel zur Verfügung gestellt hat, wurde das Angebot in gleichem Umfang durch den Landkreis weitergeführt.

Durch diese entwicklungspsychologische Beratung erfolgte eine deutliche Steigerung der Anmeldungen von Kindern bis drei Jah- ren. Konkret bedeutet dies eine Zunahme der Beratungen von über 100 Prozent.

Gerade bei den „Schreibabys“ ist die Unter- stützung der Eltern wichtig, um der Eltern- Kind-Beziehung zu einem gelungenen Start

zu verhelfen und den Eltern das Selbstver- trauen zu geben, auch künftige Krisen be- wältigen zu können. Ein wesentliches Bera- tungsziel besteht darin, den Eltern bei der Bewältigung ihrer Hilflosigkeit und Über- forderung und den daraus eventuell entste- henden aggressiven Impulsen zu helfen, um im schlimmsten Fall eine drohende Miss- handlungsgefahr abzuwenden. So kommen Eltern bei exzessivem Schreien des Kindes und bei den nächtlichen Schlafstörungen durch eigenen Schlafentzug und Erschöp- fung, aber auch durch Hilflosigkeit und Verzweiflung hart an die Belastungsgrenzen und erleben nicht selten Zustände der De- pression, oft aber auch der Aggression. Der Abbau dieses Gefährdungsrisikos stellt für das Beratungsangebot eine ganz wesentliche Aufgabe dar. Somit leistet unsere Beratungs- stelle mit diesen Projekten einen wichtigen Beitrag zu den „Frühe Hilfen“ für die Eltern in unserem Landkreis.

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Fallbeispiel

Fall aus dem Laienhilfeprojekt

Natalie war drei Jahre alt, als ihr Vater starb.

Ihre Mutter hatte aus einer früheren Bezie- hung zum Zeitpunkt des Todes ihres Man- nes eine 16-jährige Tochter.

Die Mutter selbst hat eine Lernbehinde- rung und kann kaum lesen und schreiben, ist aber fürsorglich und lebenstüchtig.

Natalie kam, als die Einschulung anstand, in die Förderschule. Nach zwei Jahren dort sollte sie in die Regelschule wechseln. Zu diesem Zeitpunkt wendete sich die Mut- ter an das Laienhilfeprojekt des Landkrei- ses Erding. Natalie wurde an eine Helferin vermittelt. Diese war vom ersten Tag an angetan von Natalies Bereitschaft mitzu- machen. Natalie konnte mit ihrer Hilfe den schwierigen Übergang von der Förderschu- le auf die Regelschule bewältigen und ent- wickelte sich im Laufe der letzten beiden Jahre dort so prächtig, dass eine Zeit lang die Idee existierte, Natalie könnte eventuell auf die Realschule wechseln, was aber nicht gelungen ist. Natalie wird bald zwölf Jahre alt, und wir werden sie noch bis zum Halb- jahr der fünften Klasse begleiten. Alle Betei- ligten sind sehr zuversichtlich, dass Natalie die Schule zukünftig gut und selbstständig bewältigen kann und eine gute Perspektive entwickeln wird.

erfahrungsbericht

„Wir haben mit der Erziehungsberatungs- stelle Kontakt aufgenommen, weil unsere damals eineinhalbjährige Tochter nachts alle zwei Stunden aufwachte, und wir uns nicht mehr zu helfen wussten.

Bei den intensiven Beratungsgesprächen wurden Lösungen erarbeitet, die genau auf unsere familiäre Situation zugeschnitten waren, und schon nach kurzer Zeit hat sich das Schlafverhalten unserer Tochter enorm verbessert.

Besonders positiv fanden wir, dass wir bei Rückfragen auch jederzeit telefonisch Kon- takt aufnehmen durften. Wir haben ein großes Stück Lebensqualität wieder ge- wonnen – vielen Dank!“

Neben unserer alltäglichen Erziehungs- und Familienberatung und den gerade beschrie- benen aktuelten Projekten, die aus den neu- esten gesellschaftspolitischen Gegebenhei- ten resultieren, bietet unsere Beratungsstelle folgende langjährig etablierte und erfolgrei- che Projekte an.

Das Laienhilfeprojekt ist eine seit vielen Jah- ren bewährte Unterstützungsmöglichkeit für Kinder, die von den schulischen Angeboten aufgrund ausgeprägter Defizite in Sprache, Vorwissen und familiärer Bildungskultur nicht ausreichend profitieren können. Ob- wohl die Schulen zunehmend Nachmittags- betreuung bzw. Ganztagsklassen anbieten, gibt es dennoch immer noch viele Kinder, die einer 1:1- Betreuung bedürfen. Die Kinder gehen in der Regel dreimal pro Woche über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren zu einer Helferin. Die Intensität und der geduldige

Zeitrahmen bewirken bei ca. 70 Prozent der Kinder eine deutliche Verbesserung der schu- lischen Situation. Es ist anzunehmen, dass auch bei den Kindern, bei denen die Hilfe sich nicht in einer schulischen Verbesserung niederschlägt, ein Langzeiteffekt eintritt, etwa

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Fallbeispiel

Carina, zwölf Jahre alt, kam mit ihrer Mutter in die Erziehungsberatungsstelle. Sie weinte sehr viel, besonders nachts, und auch ganz unvermittelt während des Unterrichts immer wieder. Auch äußerte sie mehrmals, sie halte das alles nicht mehr aus, diese Angst und diese Traurigkeit. Sie wolle nicht mehr leben.

Carina litt sehr unter den Erinnerungen an ihren gewalttätigen Vater. Die Mutter hatte sich bereits getrennt, aber das Mädchen „hörte“ abends noch immer die schlurfenden Schritte des Vaters im Flur, wenn er angetrunken nach Hause kam und die Mutter, die Schwester oder sie selbst verprügel- te. Es fanden Einzelstunden mit der Mutter und (therapeutische) Einzelstunden mit dem Mädchen statt, um mit vereinten Kräften Carina wieder das Gefühl von Sicherheit und Zuversicht zu ermög- lichen und die traumatischen Erfahrungen verblassen zu lassen, wenn sie schon nicht vergessen werden konnten. Nach sieben Beratungsstunden ging es dem Mädchen bedeutend besser.

Fallbeispiel

Eine polnische Familie, die vor kurzem nach Erding gezogen war, kam nicht ganz „freiwillig“ son- dern aufgrund eines Gerichtsurteils in die Erziehungsberatungsstelle. Die Kinder Nathalia (6) und Daniel (2) lebten, seit der Vater nach einem Streit ausgezogen war, bei der Mutter. Die Eltern konn- ten sich aber nicht einigen, ob das auch so bleiben sollte, und wie oft ihre Kinder den anderen El- ternteil besuchen sollten. Das Familiengericht traf vorerst keine Entscheidung, sondern beschloss, dass die Eltern eine Beratungsstelle aufsuchen sollten.

Da die Eltern nicht zu einem gemeinsamen Gespräch bereit waren, sprach die Beraterin zuerst mit Mutter und Vater alleine. Dabei erfuhr sie unter anderem, dass beide Eltern ihre Kinder sehr lieb- ten und beide gleich Angst hatten, der andere könnte mit den Kindern wieder nach Polen zurück- gehen. Nach mehreren Einzelterminen wagten die Eltern dann doch ein gemeinsames Gespräch in der Beratungsstelle. Die folgenden gemeinsamen Gespräche waren oft anstrengend voll von gegenseitigen Vorwürfen. Aber es wurden trotzdem auch Lösungen erarbeitet und den Eltern gelang es immer, am Ende der Stunde irgendeine Absprache zu treffen. Die Eltern bekamen von der Beraterin auch viel Lob dafür, dass sie trotz aller Schwierigkeit bereit waren, weiterzumachen.

Nach einigen Wochen konnte die Mutter als ersten Erfolg berichten, dass Nathalia ruhiger schlief und Daniel nicht mehr so klammerte. Die Eltern konnten sich inzwischen auch gegenseitig bes- ser zuzuhören und ruhiger miteinander reden. Am Ende der Beratung hatten sich die Eltern ge- einigt, dass Natalia und Daniel bei der Mama bleiben und vorerst jeden Freitag ihren Papa besu- chen sollten. Eine Gerichtsentscheidung war nicht mehr nötig.

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Angebot der Erziehungsberatungsstelle ist der präventive Gedanke besonders wichtig. Wie Statistiken zeigen, sind von AD(H)S betroffene Jugendliche und junge Erwachsene besonders gefährdet, besonders wenn die Störung nicht erkannt wurde und keine entsprechenden In- terventionen folgten.

Ein weiteres langjähriges Projekt an unserer Beratungsstelle sind Trauergruppen für Kin- der und Jugendliche. Mit dem Tod des Vaters, der Mutter oder eines Geschwisters verändert sich das Leben von Familien grundlegend. Die Kinder und Jugendlichen brauchen in dieser Zeit der Trauer und des Umbruches die liebe- volle Zuwendung ihrer Bezugspersonen und Zeiträume, in denen sie in ihrer individuel- len Art und Weise trauern können, sowie bei der Ausbildung von Verlässlichkeit und

Integrationsbereitschaft. 90 Prozent der teil- nehmenden Kinder haben einen Migrations- hintergrund.

Seit 1999 führt unsere Beratungsstelle Grup- pen für Eltern, deren Kinder das Aufmerksam- keitsdefizit / Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) zeigen, durch. Für die Eltern ist es entlastend, wenn sie die Eigenheiten der Störung besser verstehen und nachvollziehen können. Damit können Eltern ihre Perspektive verändern. Sie reagieren weniger ärgerlich und vorwurfsvoll und erkennen besser die Belastung für das Kind selbst. Unterstützung gelingt dadurch leichter. Für die Beziehung zwischen Eltern und Kind bedeutet dies oft Entspannung, mehr Sicherheit und Nähe. Auch bei diesem

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Fallbeispiel

Eine Mutter kam mit ihrem sieben Monate alten Sohn zum Ersttermin und machte schon bei der Begrüßung einen extrem erschöpften und belasteten Eindruck. Sie berichtete, dass Jonas seit der Geburt unstillbar schreit. Tagsüber schlafe ihr Sohn überhaupt nicht, so die Mutter, und er schreie abends eine Stunde, bis er vor Erschöpfung einschlafe. Die Mutter selbst sei mittlerweile

„abgestumpft“ und lasse ihn schreien. Nachts wache Jonas häufig auf und schlafe teilweise sehr schlecht wieder ein. In der Beratung wurden Einschlafhilfen mit der Mutter erarbeitet. Jonas sollte beim Einschlafen im Bettchen liegen bleiben, aber ein Schmusetuch als Einschlafhilfe bekommen.

Eine weitere Maßnahme sollte sein, Jonas regelmäßig vormittags und nachmittags zum Einschla- fen zu bringen.

Die Mutter konnte mit Hilfe der oben beschriebenen Maßnahmen sehr schnell eine Veränderung herbei führen. Jonas schlief tagsüber nach zwei Wochen mit eingeführtem Schmusetuch relativ unkompliziert ein, was sich auch auf die abendliche Einschlafsituation auswirkte. Es dauerte etwa ein bis zehn Minuten, dann schlief Jonas ein. Auch gab es davor kein Schreien mehr, sondern ein

„vor sich hin brabbeln“. Auch nachts wacht er nur noch einmal auf. Die Mutter beschrieb ihren Sohn jetzt eher als häufig müde, da Jonas mittlerweile Müdigkeit signalisierte und nicht mehr in einen überdrehten Zustand geriet.

Die Mutter selbst war deutlich erholt und konnte sich wieder über ihrem Sohn erfreuen.

die Chance, diese Trauer in den Alltag inte- grieren zu dürfen. Einer dieser Räume kann eine präventive unterstützende Trauergruppe sein. Die Kinder und Jugendlichen können sich dort mit gleichaltrigen Betroffenen über ihre Erfahrungen mit dem Tod eines geliebten Menschen austauschen und erfahren, dass sie in ihrer Trauer nicht alleine sind. Durch the- matische Impulse werden sie dazu angeregt, sich ihrer emotionalen und kognitiven Ent- wicklung entsprechend mit Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen. Die Arbeit mit den hinterbliebenen Erwachsenen, die beglei- tend zur Trauergruppe angeboten wird, ist ein wichtiger Bestandteil. So können die Bezugs- personen mehr Verständnis für die Trauer, das Trauerverhalten und die Trauerreaktionen der Kinder entwickeln. Die Beschäftigung mit

dem eigenen Trauerverhalten und dem der Kinder fördert deren Weiterentwicklung und die zu erledigenden Traueraufgaben. Im Jahr 2011 wurde eine Trauergruppe für Kinder im Grundschulalter und eine für Jugendliche im Alter von zwölf bis 14 Jahren angeboten.

Nicht zuletzt ist die Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen ein wichtiger Bestandteil unserer Beratungsstelle. Fallbe- zogene Kooperationen, Beratungsgespräche und Verhaltensbeobachtungen sowie die Beteiligung beim Schuleintritts-„Screening“

einer Schule sind dabei Schwerpunkte dieser Kooperationen. Daraus resultierend fand 2011 eine präventive Eltern-Kind-Veranstal- tung zum Thema „Vorlesen“ für türkische Familien statt.

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erfahrungsbericht

„Ihre Einrichtung wurde mir von einer Be- kannten wärmstens empfohlen. Diese Emp- fehlung hat sich voll und ganz bestätigt.

Durch die ruhige und kompetente Art der Beratung fühlt man sich mit seinen Proble- men nicht allein gelassen. Man verlässt sich und hat das Gefühl, man wurde verstanden und kann das Besprochene in die Tat umset- zen. Die Erziehungsberatungsstelle bietet auch sozial Schwächeren die Möglichkeit, sich professionelle Hilfe zu holen.“

Wir hoffen mit unserem Angebot einen wich- tigen Beitrag zu leisten, Familien aus unse- rem Landkreis in ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen und in Konflikten und Krisen als verlässliche Anlaufstelle präsent zu sein.

An dieser Stelle gilt unser besonderer Dank unserem Landrat Martin Bayerstorfer. Durch seine Unterstützung und Offenheit neuen Projekten gegenüber ermöglicht er es unserer Stelle, auf gesellschaftliche Veränderungen und Gegebenheiten flexibel eingehen zu können.

Fallbeispiel

Herr Z. erlitt am Sportplatz einen Herzinfarkt. Als Frau Z. ihren Mann abholen wollte, erfuhr sie von dessen Zusammenbruch. Im Krankenhaus lag Herr Z. noch zwei Tage im Koma und verstarb dann.

Der 13-jährige Simon sah seinen Vater nicht mehr. Es wurde auch nie wirklich über den Todes- hergang gesprochen. Frau Z. wünscht sich die Teilnahme von Simon an der Trauergruppe, da sie nichts über ihre Gefühle sagen kann und nicht weiß wie sie mit S. darüber reden soll.

Beim Vorgespräch wirkt Simon bereits sehr erwachsen, er übernimmt teilweise das Gespräch, wenn er merkt, dass es der Mutter schwerfällt zu sprechen. Er entschließt sich nach anfänglicher Weigerung letztendlich doch für eine Gruppenteilnahme.

Es scheint ihm von Anfang an Freude zu bereiten. Er ist meistens als einer der Ersten da und die Mutter berichtet, dass er sie am Morgen des Tages schon daran erinnert, dass heute wieder Grup- penstunde ist. Er organisiert sich diesen Tag sehr genau, um keinen Stress mit der Schule zu be- kommen.

Auch in der Gruppe arbeitet er sehr lebendig mit. Er ist schnell anerkannt und sehr beliebt. Im Verlauf der Gruppe äußert er sich immer mehr zu seinen Gefühlen, wird offener, weicher, wieder altersgemäßer. Es scheint, dass er den Mut findet, sich auch zuhause abzugrenzen und mehr sei- nen eigenen Weg zu gehen.

Die Mutter berichtet, dass sie mit ihm mittlerweile ganz gut über den Vater sprechen kann und Simon auch Fragen dazu stellt. Die Mutter hat für sich eine Therapie begonnen.

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