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Lokale Aufhänger

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144 IPSeptember/Oktober 2011 Schlusspunkt

Lokale Aufhänger

Über Paradoxien deutscher Auslandsberichterstattung Beim ersten Zeitungspraktikum in

einer Lokalredaktion lernte ich eine Kollegin kennen, deren Spezialität das

„lokale Aufhängen“ von „großen“

und nicht ganz so großen Themen war. Meldete die „Tagesschau“, dass der Verfassungsschutz vor einer Zunahme linksextremer Gewalttaten warne, ging sie am nächsten Tag der Frage nach, wie es denn damit in un- serer Stadt bestellt sei. Schlugen sich Landwirte am anderen Ende der Re- publik mit dieser oder jener Tierseu- che herum, galt es herauszufinden, was die heimischen Bauern so darü- ber dachten.

Wer nach fast zehn Jahren im Aus- land nach Deutschland zurückkehrt, wundert sich über vieles, nicht zuletzt über manche Aspekte der deutschen Auslandsberichterstattung. Das be- ginnt schon am frühen Morgen im Radio. Sprecher seriöser Nachrichten- sendungen scheinen darauf trainiert zu sein, auch noch den letzten Fun- ken Aufregung, den Neuigkeiten aus aller Welt entfachen könnten, mit fast schon absurd kühler Nüchternheit zu ersticken. Insgeheim wünscht man sich dann „Today“ auf BBC Radio 4 zurück, das auch schon mal live aus Washington oder Tokio sendet, wenn dort Weltbewegendes passiert, und Interviewpartner befragt, von denen man schon mal gehört hat, jenseits der Berliner Stadtgrenzen.

Ungleich verwunderlicher aber ist, dass „lokale Aufhänger“ bei der Aus- landsberichterstattung offenbar den Ton angeben. Dass beim japanischen

Erd- und Seebeben im März fast 16 000 Menschen umgekommen und weite Landstriche verwüstet sind, dürfte in Deutschland nicht sehr prä- sent sein. Japan ist zur bloßen Kulisse von „Fukushima“ geworden, das in Deutschland auf noch nicht ganz ge- klärte Weise den endgültigen Atom- ausstieg bewirkt hat und nun Godzilla- gleich weiter durch die deutsche Me- dienlandschaft stapft.

Auch kann ein rechtsextremer Massenmörder, den nicht gerade we- nige zunächst mit einem Al-Kaida- Terroristen verwechselten, in Nor- wegen nicht zur abscheulichen Tat schreiten, ohne dass nicht doch Hen- ryk M. Broder seine Finger im Spiel hatte. Da das „Manifest“ genannte Geschreibsel des Attentäters irgend- wie Broder zitiert, musste man auch den, mit Understatement formuliert, zur Provokation neigenden Publizis- ten zu seiner Rolle befragen. Der ver- zichtete gegenüber dem Berliner Ta- gesspiegel dann auch erwartungsge- mäß auf bußfertige Zerknirschtheit.

Und ob die Politik nicht die Hun- gerkrise in Somalia verschlafe, könn- ten Deutschlands Medien mit größe- rer Berechtigung fragen, wenn sie mehr als die zirka zwei übriggebliebe- nen Afrika-Korrespondenten beschäf- tigten. Sollte „Somalia“ noch Thema werden, wird sich sicher ein lokaler Aufhänger finden: In meinem Bio- Supermarkt um die Ecke wurde neu- lich zum Beispiel die Milch knapp.

Dr. Henning Hoff ist Editor-at-Large der IP.

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