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Hamburg, 24. Mal 1958 / Verlagspostamt Leer (Ostfriesland)

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Jahrgang 9 / Folge 21

Organ der Landsmannschaft Ostpreußen

Hamburg, 24. Mal 1958 / Verlagspostamt Leer (Ostfriesland)

Geschenke für den Kreml

kp. Es gibt viele deutliche Anzeichen dafür, daß in den ersten Maitagen in den h ö c h s t e n Moskauer F ü h r u n g s k r e i s e n durchaus keine sehr gehobene Stimmung herrschte. Man kann anneh- men, d a ß es am 6. und 7. M a i auf der Sitzung des a l l m ä c h t i g e n P a r t e i p r ä s i d i u m s im Kreml ziemlich h e i ß hergegangen ist. Die kritische Z u - spitzung des V e r h ä l t n i s s e s zum . u n b o t m ä ß i g e n "

jugoslawischen Parteimarschall Tito, das B e m ü - hen Rotchinas, nun auch einmal selbst über die Generallinie des roten Machtblocks k r ä f t i g e Worte zu sprechen und manches andere wie etwa die heimliche Agitation der unentwegten Altstalinisten um Molotow mit deutlicher Spitze gegen den „ O b e r b o ß " Chruschtschew m u ß t e n auf dieser roten Geheimberatung eine wichtige Rolle spielen. Offiziell stand zwar — wie die

»Prawda" meldete — nur die „Lage in der che- mischen Industrie" auf der Tagesordnung. D a ß man aber auch von ganz anderen Dingen gespro- chen hat, wurde wenigstens andeutungsweise schon am 10. M a i dadurch bekannt, d a ß die Kremlagentur kurz meldete, vor dem Präsidium habe der Genosse Chruschtschew mit gewissen üblen „ R e v i s i o n i s t e n und Reformisten" abge- rechnet, die — wie er so s c h ö n sagte — eben

„Handlanger des Kapitalismus" und „heimtücki- sche Feinde der Sowjetunion" seien. Diesen

„PseudoSozialisten" m ü s s e gründlich heimge- leuchtet werden. Es blieb jedem unbenommen, sich vorzustellen, wen Chruschtschew hier ge- meint hatte. Es wird wohl nach altem Sowjet- brauch geraume Zei.t dauern, ehe man den ge- nauen Wortlaut der Rede des roten Regierungs- und Parteichefs erfahren wird. Vielleicht er- scheint er nie. Schon jetzt aber darf man behaup- ten, d a ß hier eine Generalabrechnung gehalten wurde, bei der man durchaus nicht nur an Tito und seine Trabanten dachte, sondern in die man auch „Ketzer" und Konkurrenten einbezog, die mit Chruschtschew in der Sowjetunion sozusa- gen unter einem Dach wohnen. Es ist sicher, d a ß der noch keineswegs beendete innere Macht- kampf wieder einen Punkt erreicht hatte, wo auch dem heute noch ersten Mann des Kreml die g r o b s c h l ä c h t i g e S p a ß m a c h e r e i , mit der in ver- gangenen Jahren und Monaten so oft seine Reden w ü r z t e , gründlich vergangen war.

Wenn sich zu diesem Zeitpunkt die schon recht ernsten Mienen in Moskau dann doch wie- der etwas aufheiterten, so hat der Kreml das wieder einmal einigen Geschehnissen in der noch freien Welt zu verdanken. Die dramati- schen Ereignisse in Algerien und Frankreich, die Unruhen im Libanon an der ö s t l i c h e n Mittel- m e e r k ü s t e und die ernsten Z w i s c h e n f ä l l e auf der S ü d a m e r i k a r e i s e des amerikanischen V i z e p r ä s i - denten Nixon waren wirklich Ereignisse, die den roten Moskowitern wie ein Geschenk vom Him- mel kamen. Was kann zum Beispiel den Kreml- größen willkommener sein als ein r e g u l ä r e r Auf- stand g r o ß e r französischer Truppeneinheiten und

vieler H e i ß s p o r n e in Algier gegen die eigene Regierung? W i e immer di.e Dinge da weiter lau- fen, sie m ü s s e n doch dahin führen, die s c h w ä - rende Wunde Algerien weiter zu e n t z ü n d e n , das ohnehin seit langem bedenklich wacklige Fun- dament der f r a n z ö s i s c h e n Vierten Republik wei- ter zu e r s c h ü t t e r n und manche Leute für den alten Moskauer Traum eines Volksfrontregimes mit der Pariser Kremlfiliale reif zu machen. Wie herrlich k ö n n e n sich Chruschtschews Beauftragte für Frankreich als „Retter des Vaterlandes" in Szene setzen, wenn der alte schwelende Kampf zwischen den Scharfmachern und den einiger- m a ß e n G e m ä ß i g t e n bei den anderen Parteien Frankreichs g e f ä h r l i c h e Hitzegrade erreicht! W o die Z ü g e l am Boden schleifen, wo man in drei- zehn Nachkriegsjahren vierundzwanzig (!) Re- gierungen „ v e r h e i z t e " und die f ü n f u n d z w a n z i g - ste erst nach einmonatigem peinlichem H i n und Her nur bei Stimmenthaltung der m ä c h t i g e n Kommunistenfraktion bilden konnte, wo Gene- rale putschen und politische K a m p f h ä h n e laut krähen, da b l ü h t e r f a h r u n g s g e m ä ß immer der Weizen Moskaus. M a n braucht nur hier und da die Leidenschaften schüren, die S c h w ä c h e n eines ü b e r s t e i g e r t e n Interessenten-Parlamentarismus geschickt zu n ü t z e n und die Massen aufzusta- cheln, und man kann dann leicht ernten. Die so- genannte „Machtergreifung" kann man dabei ruhig erst einmal vertagen. Auch ein in seiner Rolle für die westliche Verteidigung praktisch g e l ä h m t e s Frankreich, das seine Ohren den Mahnungen zur Vernunft gerade in der algeri- schen und der kolonialen Frage hartnäckig ver- schließt, ist für die Moskauer Politik sein Ge- wicht in Gold wert. Was hier an S c h w ä c h e n und Unterlassungen zutage tritt, m u ß sich auf den ganzen Bund auswirken, in dem Frankreich eine

entscheidend wichtige Rolle spielen sollte und eben doch nicht mehr spielt.

*

Muß es den M ä n n e r n im Kreml aber auch nicht warm ums Herz werden, wenn sie die Nachrichten g e n i e ß e n , die sie aus S ü d a m e r i k a über den Verlauf der Reise von Nixon erreich- ten? Den Stellvertreter und vielleicht einmal Nachfolger Eisenhowers, den zweiten Mann in den Vereinigten Staaten, hat man in Peru wie in Kolumbien, in Ekuador wie schließlich in V e - nezuela auf einer „Rundfahrt des guten W i l - lens" angespien und mit S t e i n w ü r f e n empfan-

gen. „Scher dich fort, Nixon" und „Reise ab, du Yankee" rief man ihm zu. W ä r e n nicht die Polizeikordons so stark gewesen, dann h ä t t e aus den gewaltigen S t r a ß e n k u n d g e b u n g e n mit un- sagbaren Beschimpfungen der Nordamerikaner ein politisches Drama mit unvorstellbaren Aus- wirkungen werden k ö n n e n . Das geschah g e w i ß nicht z u f ä l l i g genau zu einem Zeitpunkt, wo die Sowjetbotschafter und Sonderdelegationen den S ü d a m e r i k a n e r n höchst geschickt bessere A b - satz- und V e r d i e n s t m ö g l i c h k e i t e n bei einem Handel mit dem Ostblock v e r h e i ß e n und wo alle die oft hervorragend getarnten kommunistischen und kommunistenfreundlichen Geheimorganisa- tionen der lateinamerikanischen Republiken h ö c h s t e Regsamkeit entfalten. G e w i ß kann man hier nicht nur von rein bolschewistischen Kund- gebungen sprechen. Viele Spannungen zwischen dem m ä c h t i g e n n ö r d l i c h e n Amerika und den von Krisen oft heimgesuchten Rohstofflieferanten im S ü d e n spielen dabei mit. Alle diese G e f ü h l e und Vorurteile aber sind wiederum von kundigen roten Regisseuren angeheizt und g e n ü t z t wor- den. Massenausschreitungen solcher A r t und sol- chen A u s m a ß e s geschehen nie von selbst, sie haben immer ihre Hinterleute. Und wo die zu suchen sind, das kann man sich leicht vorstellen.

Amerikanisches Ungeschick im Umgang mit wichtigen Nachbarn hier und raffinierte Kunst der Massenbeherrschung auf der anderen Seite trugen dazu bei, d a ß Moskau hier einen wahren Triumph erlebte. Er stärkt in ihm die Hoffnung, man werde die redlichen, aber etwas langstieli- gen Kräfte des Westens nicht nur in Asien und Afrika, sondern nun auch vor der nordamerika- nischen H a u s t ü r in Lateinamerika ü b e r r u n d e n und ausschalten. Die Ereignisse in Lima, Bogota, Caracas und Quito sind für den freien Westen ebenso eine ernste Mahnung zu k l ü g e r e r Politik wie die Dramen in Algier und Paris.

*

Um keinen Deut anders aber liegen die Dinge im kleinen Mittelmeerstaat Libanon. W ä h r e n d noch der P r ä s i d e n t der neuen „ V e r e i n i g t e n Arabischen Republik" von Ä g y p t e n und Syrien zu f a c h g e m ä ß e r Bearbeitung für eine Koexistenz nach Moskaus Geschmack in der Sowjetunion weilte, brachen schon im — bis heute noch west- lich orientierten — alten P h ö n i z i e r l a n d nördlich von Israel die „ s p o n t a n e n " Unruhen aus. Im Libanon, dessen Bewohner zur guten Hälfte Christen und zur knappen Hälfte Mohammeda- ner sind, erhoben sich weite Kreise der letzte- ren — sicher nicht ohne Fernsteuerung — gegen die Regierung. Und es sei festgehalten, daß sich der Sturm hier wie in Algier und auch in S ü d - amerika zuerst gegen amerikanische Vertretun- gen richtete und diese in mehreren F ä l l e n zer- s t ö r t e . Die A u f s t ä n d i s c h e n wollen Libanon jener arabischen Republik eingliedern, die heute so gute Beziehungen zu den Sowjets unterhält.

K ä m e es dazu, so w ä r e dieser Kleinstaat ein S c h l ü s s e l p u n k t arabischer Politik. Hier sitzen nicht nur die wichtigsten Firmen der Levante, hier m ü n d e n auch — mit einer Ausnahme — s ä m t l i c h e gewaltigen Ö l f e r n l e i t u n g e n aus dem arabischen Raum. Wer den Libanon beherrscht, hat auch die bedeutendsten Ö l h ä f e n und kann den m ä c h t i g e n ö l k o n z e r n e n seine Bedingungen diktieren. Welch eine Chance für ein weltrevolu- tionär denkendes und planendes Moskau, hier direkt oder über g e f ü g i g e M i t t e l s m ä n n e r seine Hand auf einen der entscheidendsten Punkte der Orientpolitik legen zu k ö n n e n ! Durchziehen nicht jetzt schon — wie offiziell zugegeben wurde — sowjetische Fachleute Libanons Nach- barland Syrien, um dort „harmlose" General- stabskarten aufzunehmen?

W i r brauchen nicht daran zu zweifeln, d a ß man in Moskau diese drei Ereignisse nicht nur freudig aufnehmen, sondern auch g e b ü h r e n d in die weitere Planung einbeziehen wird. Die Frage stellt sich, welche Folgerungen der Westen, der so oft schon ungewollt dem Kreml

««MC ''Wik..,

Über den Dächern von Königsberg

Diesen Blick von der Galerie des Schlosses von Königsberg muß man aus der Ruhe erinne- rungsvollen Schauens genießen. Unter den sonnenüberstrahlten Dächern liegt jener StadtteH von Königsberg, in dem auch der Besucher, der vielleicht nur für wenige Stunden in die Pro- vinzhauptstadt gekommen war, immer wieder gerne weilte. Wie viele Landsleute sind über den weiten Schloßplatz gegangen, um die historischen Stätten zu sehen, oder sie schritten am Oberlandesgericht und an der Hochmeisterwohnung (links) vorbei zu einem Dämmerschop- pen ins Blutgericht. Drüben, im Schatten, steht der Ostilügel des Schlosses mit dem schönen Erker. Aus den Fenstern blitzt der Widerschein des Lichtes, das hell, in das oiiehe Viereck Hütet, über die Zinnen des Haberturmes, (in der Bildmitte) wandert das Auge gen Nordosten zum Münzplatz hin und zum Schloßteich, dem stillen Paradies im Herzen der betriebsamen Stadt. Hinter dem Grün seiner Anlagen ragt der massive Bau der Burgkirche in den Himmel.

Im Dunst der Ferne (ganz oben links) erkennt man gerade noch die Altroßgärter Kirche, die aus dem Meer der Dächer herübergrüßt. Jedes Haus, jeder Turm, jede Straße, — sie sind mit Erinnerungen verknüpft, die nun wieder lebendig werden, als wäre es gestern gewesen, daß wir die Heimat verlassen mußten.

Tausende Königsberger werden sich am 1. Juni in Hamburg treffen, — äußerer Anlaß da- für, daß wir in dieser Folge Erinnerungen an Königsberg — in Wort und Bild — veröffent- lichen. . , . . . .

Trümpfe zuspielte, aus ihnen ziehen wird. Es ist höchste Zeit, die eigenen Fehler zu erkennen und dem vollen Ernst der Lage Rechnung zu tra- gen. Läßt man die Dinge wieder einmal laufen, dann m u ß das unabsehbare Weiterungen her- a u f b e s c h w ö r e n .

Raketenbasen im Königsberger Dreieck

Mittelstrecken-Lenkwaffen auf Wehlau-Flugfeld

Modernste Langstrecken-Geschosse vom Musier T-3 in Tapiau

Die „Kieler Nachrichten" bringen in der Num- mer vom 18. M a i in ihrer Beilage für Wehr- fragen einen Artikel über die Raketenbasen der Roten Armee im nördlichen O s t p r e u ß e n . Soweit wir feststellen k ö n n e n , handelt es sich dabei um die erste V e r ö f f e n t l i c h u n g , in der nicht nur ganz allgemein von der Errichtung solcher Raketen- basen gesprochen wird, sondern in der auch zahlreiche genaue Einzelheiten angegeben wer- den; es braucht nicht noch besonders betont zu werden, d a ß es natürlich keine M ö g l i c h k e i t gibt, festzustellen, inwieweit sie stimmen. In dem Artikel wird a u s g e f ü h r t :

„Unter abenteuerlichen Bedingungen gelang es jetzt einigen Schweden, aus dem Internie- rungslager Seligenfeld bei K ö n i g s b e r g auszu- brechen. Was sie gesehen haben, spricht B ä n d e . . .

Im K ö n i g s b e r g e r Dreieck, dem .Kaliningrad- skaja Oblast', wie es die Sowjets nennen, liegen Sondertruppen der ersten und dritten Fern- waffen-Division. Diese geheimen Sonderwaffen der Roten Armee werden durch die .Truppe für innere Sicherheit' besonders geschützt. Sie sind in festen Basen feuerbereit aufgestellt und haben bereits ihre Erprobungen mit scharfen Geschossen hinter sich. Oft genug konnten schwedische Kriegsschiffe die geheimnisvollen Raketen auf ihrem Flug in den ö s t l i c h e n Teil der Ostsee beobachten.

Der zentrale Punkt des Raketenaufmarsches um O s t p r e u ß e n s unvergessene Hauptstadt ist der ehemalige Fliegerhorst Wehlau. In gut- g e s c h ü t z t e n Bunkern laufen die F e u e r l e i t f ä d e n zusammen, werden die hochempfindlichen Fern- waffen gelagert. Dazu g e h ö r e n auch:

C o m e t - 2 - Rakete mit 13,2 Meter Länge und 1,30 Meter Durchmesser. Reichweite: 1000 Kilo- meter, Geschwindigkeit etwa 9000 km/st.

, J - 2 ' , R u ß l a n d s neueste F l ü g e l r a k e t e , die ebenfalls zielsicher 1000 Kilometer weit fliegt.

Sie mißt 11 m und wird durch zwei Feststoff- Raketen angetrieben. Ihre Geschwindigkeit soll bei 1200 km/st liegen.

Ferner sind in der Basis Tapiau Langstrecken- Geschosse vom Muster ,T-3' beobachtet wor- den. Diese 33,20 Meter langen Raketen fliegen 8000 Kilometer weit bei einer Geschwindigkeit von 24 000 km/st.

Tapiau, das eine reine Raketenbasis geworden ist, in der nur noch Spezialtruppen liegen, be- herbergt auch die ,T-4'-Rakete, eine ballistische Mittelstreckenlenkwaffe von 17,10 m Länge. Sie reicht 1600 Kilometer weit. Ihre Schubelemente werden durch flüssigen Sauerstoff und Hydrazin ,bedient'.

Große Radarleitstellen für die Raketensteue- rung befinden sich in Palmnicken und bei Fisch- hausen. Diese Plätze werden besonders auf- merksam abgesichert. Für ihren Schutz gegen ü b e r r a s d i u n g e n stehen a u ß e r d e m J ä g e r und Raketenbatterien zur V e r f ü g u n g . Bei Palmnicken besteht a u ß e r d e m eine K ü s t e n s c h u t z s t e l l u n g mit weitreichenden Seeziel-Batterien. In Wechsel- stellungen für Kurzstreckenraketen wurden noch bis vor kurzem Planierungsarbeiten vorgenom- men. Sie befinden sich auch in Gutenfeld, L ö w e n - hagen, Pobethen und Mollehnen. Sämtliche Basen sind kaum weiter als fünfzig Kilorr^ter S c h l u ß n ä c h s t e S e i t e , S p a l t e 1

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24. Mai 1958 / Seite 2 Das Ostpreußenblatt Jahrgang 9 / Folge 21

Nur auf der Grundlage des Rechts

Carroll Reece über die deutschen Ostgebiete und das Problem der deutsch- polnischen Nachbarschaft

Der amerikanische Abgeordnete Carroll R e e c e sprach am 16. M a i 1957, wie das O s t p r e u ß e n b l a t t seinerzeit berichtete, vor dem R e p r ä s e n t a n t e n h a u s in Washington über die Frage der deutschen Ostgebiete.

Der G ö t t i n g e r Arbeitskreis hat nun dan- kenswerterweise die e i n s t ü n d i g e , histo- risch und dokumentarisch gründlich unter- legte Rede als Broschüre (70 Seiten) her- ausgebracht. Was Carroll Reece über den Rechtsanspruch Deutschlands auf die deut- schen Ostgebiete und über die gewaltsame Vertreibung der deutschen B e v ö l k e r u n g aus diesem Raum sagt, verdient g r ö ß t e Beachtung. Nachfolgend einige heute be- sonders bemerkenswerte Stellen aus sei- ner Rede.

. . . V o r z w ö l f Jahren fand in diesem Teil Euro- pas eine der g r ö ß t e n T r a g ö d i e n der Geschichte statt, fast vor unseren Augen und g e w i ß mit unserer Kenntnis, obgleich viele von uns ihrer zu jener Zeit kaum b e w u ß t wurden, da wir alle in einem Kampf auf Leben und T o d mit einigen der t o t a l i t ä r e n Herrscher verwickelt waren. Ich meine die Austreibung von mehr als 16 M i l - lionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat in den deutschen Provinzen östlich der Oder- N e i ß e - L i n i e und in anderen Teilen des ö s t l i c h e n Mitteleuropa, die zu dem T o d von mehr als drei Millionen dieser Menschen führte und dazu, d a ß U n g e z ä h l t e zur Sklavenarbeit gezwungen wur- den . . .

. . . Das Problem einer geteilten Welt ist weit- gehend das Problem eines geteilten Europas.

Das Problem eines geteilten Europas ist fast v ö l - lig das Problem eines geteilten Deutschlands.

M o s k a u s A b s i c h t e n

Dieses geteilte Deutschland also, das das Pro- blem der Gegenwart ist, ist das Deutschland von 1937. Das Gebiet, das jetzt unter der Herrschaft jenes kommunistischen Marionettenregimes ist, das sich „ R e g i e r u n g der Deutschen Demokrati- schen Republik" betitelt, wird oft falsch als Ost- deutschland bezeichnet. In Wirklichkeit ist es nur der Mittelteil oder Mitteldeutschland, w ä h - rend Ostdeutschland den Teil östlich der F l ü s s e Oder und N e i ß e umfaßt, d. h. einfach gesagt die Provinzen O s t p r e u ß e n , Pommern, Schlesien und einen Teil Brandenburgs . . .

. . . Die Einwohner dieser Ostprovinzen Deutschlands, insgesamt 10,5 Millionen, wurden summarisch vertrieben und 1945 und 1946 ge- zwungen, die Länder zu verlassen, die ihre und ihrer Vorfahren Heimat seit dem f r ü h e n Mittel- alter oder, da viele von ihnen Nachkommen der einheimischen S t ä m m e waren, seit vorgeschicht- lichen Tagen gewesen sind.

V o n diesen 10,5 Millionen Menschen erreich- ten mehr als sieben Millionen West- und Mittel- deutschland, nachdem sie entsetzliche Erfahrun- gen mit Massenmord, Raub und Grausamkeit aller Arten ü b e r s t a n d e n hatten, die ihnen von sowjet-russischen und kommunistisch-polnischen Ü b e l t ä t e r n z u g e f ü g t worden w a r e n . . .

. . . In den N ü r n b e r g e r Prozessen wurden die N a z i f ü h r e r zu Recht des feigen Verbrechens

Raketenbasen im Königsberger Dreieck

S c h l u ß v o n S e i t e 1

von K ö n i g s b e r g entfernt. Z u den Kurzstrecken- raketen, die in den o s t p r e u ß i s c h e n Basen fest- gestellt werden konnten, g e h ö r t auch die .Golem 1'-Rakete, mit der zur Zeit die neuauf- gestellten russischen Fernwaffen-Bataillone aus- g e r ü s t e t werden. Hier ihre Daten: L ä n g e 16,40 Meter, Durchmesser: 1,65 Meter. Reichweite:

Rund 650 Kilometer, Geschwindigkeit 8000 km/st.

Antrieb: F l ü s s i g e r Alkohol und Sauerstoff.

Diese Raketen k ö n n e n auch durch Untersee- boote im getauchten Zustand abgefeuert werden.

Fast alle hier e r w ä h n t e n Lenkwaffen eignen sich für die Aufnahme atomarer S p r e n g k ö p f e . W o sich die A t o m s ä t z e befinden, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Dem Ver- nehmen nach lagern sie in der N ä h e des ost- p r e u ß i s c h e n S t ä d t c h e n s Friedland, da hier in weitem Umkreis Bunker und unterirdische Ein- richtungen geschaffen worden sind, die schärf- ster Bewachung ausgesetzt sind. Im K ö n i g s - berger Hafen sind neue Pierstrecken von der A u ß e n w e l t hermetisch abgesperrt worden, ü b e r die alle Transporte der Lenkwaffen-Einheiten laufen. Sämtliche Offiziere dieser V e r b ä n d e sind von ihren Familien getrennt, im Gegensatz zu den anderen auf o s t p r e u ß i s c h e m Boden statio- nierten Panzer- und Infanterie-Divisionen, die in Siedlungen ihre Familien bei sich haben dürfen."

Weitere politische Berichte auf Seite 4

H e r a u s g e b e r ; Landsmannschaft Ostpreußen e. V C h e f r e d a k t e u r : Martin Kakies Verant- wortlich für den politischen Teil: Eitel Kaper. Unver- langte Einsendungen unterliegen nicht der redaktio- nellen Haftung, für die Rücksendunq wird Porto er- beten.

Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmann- schaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur In- formation der Mitglieder des Fördererkreises der Landsmannschaft Ostpreußen.

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Leer 24 11 / I

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gegen die Menschlichkeit verurteilt. Die sowje- tischen A n k l ä g e r jedoch, die damals so eifrig die Klage vorantrieben, kamen mit „ u n s a u b e r e n H ä n d e n " ins Gericht, ungeachtet der Vorschrift der Billigkeit. Flüchtlingstrecks waren von M a - schinengewehren beschossen und unter sowje- tischen Panzern niedergewalzt worden. Andere Menschen wurden einfach zur Seite genommen und k a l t b l ü t i g ermordet...

. . . Zusätzlich zu jenen Millionen, die ich ge- rade genannt habe, wurden zumindest fünf M i l - lionen Deutsche aus ihrer Heimat in Mittel-, Ost- und S ü d o s t e u r o p a vertrieben, unter ihnen 3,5 Millionen Deutsche aus der Tschechoslowa- kei und eine Million Deutsche aus dem eigent- lichen Polen. Um 1950 waren u n g e f ä h r z w ö l f Millionen deutsche F l ü c h t l i n g e nach West- und Mitteldeutschland gelangt. Im vergangenen Jahr hatte die Zahl nach offizieller Angabe die 13- Millionen-Grenze erreicht.

Nach all dem k ö n n t e man vermuten, d a ß die Menschen, die jene Grausamkeiten ü b e r l e b t e n und den freien Westen erreichten, in G e f ü h l e n der Bitterkeit und tiefer Feindschaft g e g e n ü b e r denen verharren, die für die Entscheidungen ver- antwortlich sind, die zu dem Verlust ihrer Be- s i t z t ü m e r und der g e g e n w ä r t i g e n Trennung von ihrer Heimat führten.

Sicher war es der Plan des Kreml, als er diese Millionen von Enteigneten in einen dicht b e v ö l - kerten Westen v e r d r ä n g t e , ein riesiges Proleta- riat zu schaffen, wirtschaftliche Verwirrung an- zustiften und so ein Reservoir von Unzufriede- nen zu errichten, aus dem er eine Vorhut des Kommunismus rekrutieren konnte.

A u ß e r d e m w ü r d e die g e g e n w ä r t i g e illegale Besetzung deutschen Bodens und Eigentums durch Polen — so plante der Kreml — dieses Land sicher an die Mauern des Kreml ketten, weil Polen nur auf Grund sowjetischer militäri- scher Hilfe hoffen kann, die deutschen Provinzen zu behalten, w ä h r e n d andererseits die Brücken zwischen dem deutschen und dem polnischen Volke, solange das Unrecht fortdauert, nicht beschreitbar sein w ü r d e n .

Es ist um so bemerkenswerter, d a ß am 5. A u - gust 1950 die Delegierten dieser deutscher Ver- triebenen sich in Stuttgart versammelten und eine Deklaration unterzeichneten, die als die

„Charta der Vertriebenen" bekannt ist und sicher als ein g r o ß e s menschliches Dokument in die Geschichte eingehen wird. Nichts ent- sprechendes ist seitens irgendeiner ä h n l i c h e n Gruppe, die ebenso m i ß h a n d e l t wurde, erklärt w o r d e n . . .

D e u t s c h l a n d h a t e i n e n R e c h t s a n s p r u c h

. . . Eine realistische Politik hinsichtlich des ö s t l i c h e n Mitteleuropas m u ß auf der festen Grundlage des V ö l k e r r e c h t s und der historischen Wahrheit fundiert sein. Die Vorstellung, d a ß eine Regierung ihre Politik durch die Wahrneh- mung des Vorteils einer Augenblickssituation auf der Grundlage des Unrechts aufbauen kann, indem sie ein solches Unrecht fortsetzt, ist eine v ö l l i g e Illusion . . .

Deutschland hat einen g ü l t i g e n Rechtsanspruch auf seine Provinzen östlich der Oder und N e i ß e . Die Regierung in Bonn sollte ermutigt werden, auf ihrem Recht zu bestehen. Ein Schwanken

w ü r d e einer Stärkung der Kontrolle des Kreml über Polen gleichkommen und somit in Wirklich- keit den sowjetischen Imperialismus fördern . . .

. . . In demselben M a ß e , in dem Polen, auf Anstiften Stalins und mit der Hilfe seiner beiden arglosen westlichen Partner, geographisch nach Westen g e s t o ß e n wurde, wurde es politisch nach Osten verschoben. Dieser scheinbare Wider- spruch e n t h ä l t doch eine unausweichliche Logik.

Damals, als Polen zur Besetzung der ostdeut- schen Provinzen wahrhaft getrieben wurde, hat es mit seiner u n a b h ä n g i g e n A u ß e n p o l i t i k vor Moskau kapituliert, w ä h r e n d die Herrscher im Kreml nicht ein Jota von der Weite ihrer politi- schen P l ä n e opferten. Es wird immer im Belie- ben des Kreml stehen, vor den Augen k ü n f t i g e r

deutscher Regierungen den K ö d e r der allen deutschen Gebiete östlich der O d e r - N e i ß a - Linie a u f z u h ä n g e n . Polen wird nie seines un- r e c h t m ä ß i g e n Besitzes sicher sein.

Z y n i s c h e P o l i t i k

So ist die tatsächliche Lage genau das Gegen- teil von der, w o f ü r sie einige unserer politischen Analytiker halten. Das ist keine neue Entdek- kung. Viele intelligente Polen haben dies l ä n g s t erkannt. Es ist zu verschiedenen Zeiten darauf hingewiesen worden, und man sollte es im G e d ä c h t n i s behalten. In seiner Stalin-Biographie stellte Isaac Deutscher den Fall so dar: „Die Einverleibung der deutschen Provinzen sollte die Polen für ihre ö s t l i c h e n S ü m p f e e n t s c h ä d i - gen; aber sie sollte sie auch in Zukunft der Gefahr einer deutschen Rache aussetzen und v ö l l i g a b h ä n g i g von R u ß l a n d s Schutz machen."

In der Tat, nur im Schutz der sowjetischen Armee kann Polen letzthin sicher sein, an sei- nem Kriegsraub festhalten zu k ö n n e n . Solange Polen die Besetzung der deutschen Provinzen b e i b e h ä l t , m u ß es sich auf ein Ballspiel mit dem Kreml einlassen, m u ß es tun, was von ihm ver- langt wird, und wird doch nie sicher sein. Die Politik des Kreml ist zynisch und unbarmherzig bis zum ä u ß e r s t e n . Moskau wird nicht einen Augenblick z ö g e r n , Polen zu verkaufen, wenn eines Tages die sowjetischen Herrscher damit das richtige Geschäft machen k ö n n t e n . Ich m ö c h t e manchmal gern wissen, ob das gegen- w ä r t i g e Regime in Warschau sich der unaus- weichlichen Logik in dieser Hinsicht nicht klar ist. . .

Dieser K o n g r e ß und in der Tat die gesamte amerikanische Öffentlichkeit m ö c h t e n wissen, ob die neue polnische Regierung noch eine Mario- nette des Sowjets oder tatsächlich eine patrio- tische polnische Regierung ist. Einer der besten Wege, dieses zu erkennen, ist die Beobachtung, ob sie die sowjetische Politik aufgibt und den klugen Kurs Frankreichs an der Saar verfolgt, n ä m l i c h die Rechte der Menschen, die das mili- tärisch besetzte Gebiet bewohnten, anzuerken- nen und gleichzeitig mit der benachbarten Re- gierung zu einer gerechten L ö s u n g des Problems zu gelangen, die noch die wirtschaftlichen Vor- teile ergeben wird, die für Polen so dringend notwendig sind . . .

. . . Die L ö s u n g kann nie mit einer M i ß a c h t u n g des Rechts verbunden sein; die L ö s u n g liegt vielmehr in der Wiederherstellung eines Z u - standes, der dem V ö l k e r r e c h t entspricht. Dieses wird die einzige Grundlage sein, auf der künf- tige deutsch-polnische Beziehungen einer guten Nachbarschaft aufgebaut werden k ö n n e n . Sie bildet daher die Vorbedingung für einen dauer- haften Frieden in jenem Teil Europas. A u ß e r d e m wird sie eine Grundlage für das Entstehen eines echt e u r o p ä i s c h e n Geistes in jenem Teil Euro- pas schaffen, eines Klimas, das auf eine Kon- f ö d e r a t i o n h i n f ü h r t . . . "

Immer das gleiche Ziel

Der Rapacki-Plan war nur ein Glied in der Kette des Prager Programms

Bei der Diskussion um den Rapacki-Plan ist gänzlich außer acht gelassen worden, daß die- ser angeblich der Initiative des polnischen A u ß e n m i n i s t e r s entsprungene Plan nichts an- deres als eine Fortentwicklung des Prager Pro- gramms darstellt, das am 29. Januar 1956 beim A b s c h l u ß der Konferenz der Ostblockstaaten v e r k ü n d e t wurde. Ein Vergleich zwischen jenen vor zwei Jahren in der Hauptstadt der Tschecho- slowakei g e f a ß t e n B e s c h l ü s s e n und dem Ra- packi-Plan ist also von besonderem Interesse, zumal sich erkennen läßt, d a ß das „Prager Pro- gramm" nach wie vor die Grundlage der so- wjetisch gelenkten Politik des Ostblocks ist, wenn auch im taktischen Bereich einige durch den Gang der Entwicklung bedingte A b ä n d e r u n - gen erfolgt sind.

Die Prager Konferenz der Ostblockstaaten stand scheinbar im Zeichen des Eden-Plans, den der damalige britische Premierminister auf der Genfer Konferenz vorgetragen hatte: Er sah vor, daß entlang des Eisernen Vorhangs eine „Zone herabgesetzter Rüstung" errichtet werden sollte.

Die sowjetischen Politiker bzw. die Ostblock- staaten griffen diesen Eden-Plan auf, nahmen aber sogleich eine entscheidende V e r ä n d e r u n g vor, indem sie das Herzstück entfernten. Eenn w ä h r e n d nach dem Eden-Plan diese „Reduk- tionszone" im Zusammenhang mit der freiheit- lichen Wiedervereinigung Deutschlands ge- schaffen werden sollte, sah das Prager Pro- gramm die Errichtung einer solchen „Zone"

unter Aufrechterhaltunq der Teilunq Deutsch- lands vor, was darin zum Ausdruck kam, d a ß in den Prager B e s c h l ü s s e n a u s g e f ü h r t wurde, die Zone solle „beide Teile Deutschlands ein- schließen". Sodann aber — und hier zeigt sich, wo der Ursprung des Rapacki-Plans zu finden ist — wurde ein Abkommen gefordert, in wel- chem festgelegt werden sollte, d a ß weder die westlichen Streitkräfte auf dem Boden der Bun- desrepublik, noch die B u n d e s w e h r mit A t o m w a f f e n a u s g e r ü s t e t werden dürften, wobei als „ G e g e n l e i s t u n g " angeboten wurde, daß die gleiche Regelung auch für die Sowjet- zonenrepublik gelten solle. Der Rapacki-Plan erweiterte also diesen Punkt des Prager Pro- gramms nur insofern, als nun nicht allein die

„DDR", sondern auch Polen und die Tschecho- slowakei zur „ a t o m f r e i e n Zone" g e h ö r e n sollten, wobei zu beachten ist, d a ß die sowjetische R ü s t u n g s i n d u s t r i e inzwischen Raketen von gro- ßer Reichweite entwickelt hatte.

Der dritte Punkt des Prager Programms hatte schließlich die „ H e r s t e l l u n g normaler diploma- tischer Beziehungen zwischen den e u r o p ä i s c h e n Staaten" zum Gegenstand, also insbesondere die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Staaten des War- schauer Paktes. Diese Forderung wurde noch- mals im Westen — und vor allem auch in West- deutschland — besonders eingehend erörtert, wobei die Frage der Aufnahme diplomatischer

Beziehungen das h a u p t s ä c h l i c h e Thema dar- stellte.

Aber der Ostblock, also Moskau, b e s c h r ä n k t e sich nicht darauf, den Programmpunkt Nr. 2 — eben jenen Punkt, der im Rapacki-Plan wieder- auftauchte — weiter zu verfolgen, sondern man versuchte, auch den Punkt 1 des Prager Pro- gramms durchzusetzen. A m 17. November 1956 v e r ö f f e n t l i c h t e die Sowjetregierung eine „Er- k l ä r u n g zur Frage der A b r ü s t u n g und der M i l - derung der internationalen Spannung", in der nun vorgeschlagen wurde, die S t r e i t k r ä f t e der Sowjetunion, der U S A und Chinas auf je 1 bis 1,5 Millionen Mann, die S t r e i t k r ä f t e Englands und Frankreichs auf je 650 000 Mann und die Streitkräfte der „übrigen Staaten" — also ins- besondere der Bundeswehr — „auf je 150 000 bis 200 000 Mann e i n z u s c h r ä n k e n " . Dieser V o r - schlag wurde von den W e s t m ä c h t e n aus nahe- liegenden G r ü n d e n abgelehnt; seine Annahme w ü r d e dem Ostblock eine schier u n e r m e ß l i c h e Ü b e r l e g e n h e i t gesichert haben.

Mit dem Prager Programm, der sowjetischen Erklärung vom November 1956 und mit dem Rapacki-Plan ist also stets das gleiche Ziel ver- folgt worden: Die Sicherung der Ü b e r l e g e n h e i t des Ostblocks auf m i l i t ä r i s c h e m Gebiet und die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands auf politischem Felde. Was dies letztere an- langt, so m u ß daran erinnert werden, d a ß der damalige sowjetische A u ß e n m i n i s t e r Molotow gerade anläßlich der Prager Konferenz der Ost- blockstaaten die westliche Welt erstmals auf-

Von Woche zu Woche

B u n d e s p r ä s i d e n t Heuss wird zu seinem Staats- besuch in den Vereinigten Staaten am 4. Juni in Washington erwartet. A m 5. Juni wird er vor den beiden H ä u s e r n des amerikanischen Kongresses sprechen. Den offiziellen Veran- staltungen schließt sich eine Rundreise durch viele amerikanische Bundesstaaten an.

Bundeskanzler Adenauer e r k l ä r t e auf einer Wahlkundgebung in Dortmund, er halte die gegen die atomare Bewaffnung gerichtete Aktion für eine schwere G e f ä h r d u n g aller B e m ü h u n g e n um den Frieden. Eine Verschie- bung des m i l i t ä r i s c h e n Gleichgewichts zu Gunsten der Sowjetunion m ü s s e das Ende aller Bestrebungen um eine allgemeine kon- trollierte A b r ü s t u n g sein.

„Berlin m u ß wieder die Hauptstadt des freien und wiedervereinigten Deutschland werden", e r k l ä r t e der Parteivorsitzende Ollenhauer bei der Eröffnung des SPD-Parteitages in Stutt- gart. Oberstes Ziel deutscher Politik m ü s s e es sein, jede Entscheidung unter gesamtdeut- schen Gesichtspunkten zu treffen.

Berlin e r h ä l t auch in diesem Jahr wieder grö- ß e r e ERP-Mittel. A n Krediten, Z u s c h ü s s e n und Finanzierungshilfen sollen für Berlin im euro- p ä i s c h e n Wirtschaftsplan 1958 ü b e r 400 Mil- lionen D M bereitgestellt werden. Ziel ist da- bei vor allem die F ö r d e r u n g der m i t t e l s t ä n - dischen Wirtschaft, der Rationalisierung und des sonstigen Wirtschaftsausbaues. V o r dem Bundesrat in Berlin betonte der Berliner Wirtschaftssenator Hertz, d a ß es notwendig sei, die alte Reichshauptstadt bei der Ver- gebung von A u f t r ä g e n auch weiter stark zu u n t e r s t ü t z e n .

E h r e n b ü r g e r der Stadt Berlin wurde an seinem 78. Geburtstag Bischof D. Dibelius. Im Namen der deutschen Volksvertretung und der Bun- desregierung sprach ihm B u n d e s t a g s p r ä s i d e n t Gerstenmaier herzliche G l ü c k w ü n s c h e aus.

Besprechungen wegen der von dem Sowjet- zonenregime erhobenen neuen G e b ü h r e n für den I n t e r z o n e n - W a s s e r s t r a ß e n v e r k e h r finden zur Zeit in Ost-Berlin zwischen Beauftragten des Bundesverkehrsministeriums und der Z o n e n b e h ö r d e statt. Bonn hat sich bereit erklärt, echte A n s p r ü c h e wegen aller Schä- den, die durch den Bau der Staustufe Geest- hacht an den Zonenufern entstehen, zu be- zahlen

Der 90. Aussiedlertransport dieses Jahres ist mit 450 Ostdeutschen am Himmelfahrtstage auf dem Zonengrenzbahnhof Buchen einge- troffen. Fast t ä g l i c h treffen neue Transporte ein.

Die A u s r ü s t u n g der deutschen Luftflotte mit leichten Kampfflugzeugen neben den Jagd- maschinen k ü n d i g t e Bundesminister Strauß in Köln an. Er e r k l ä r t e , die Bundeswehr m ü s s e in der Lage sein, sich auch mit rein konven- tionellen Waffen zu verteidigen, wenn es die Lage erfordert. Gemeinsam mit den anderen NATO-Staaten sollen in den kommenden J « ^ ren auch Flugabwehr-Raketen-Bataillone auf- gestellt werden. Für die Bundeswehr sind drei Bataillone mit je einer Stabsbatterie und vier Batterien vorgesehen.

Etwa zwanzig neu angeforderte Generalsstellen hat der V e r t e i d i g u n g s a u s s c h u ß des Bundes- tages gesperrt. Er setzt sich dafür ein, d a ß Offiziere, die auf h ö h e r e NATO-Posten kom- mandiert werden, den Generalsrang nur für die Zeit ihrer dortigen T ä t i g k e i t zuerkannt erhalten.

Neuer Herrenmeister des evangelischen Johan- niter-Ordens in Deutschland wurde Prinz W i l - helm Karl von P r e u ß e n , ein Enkel Kaiser W i l - helm II. und Sohn des vor kurzem verstorbe- nen Prinzen Oskar. Der Johanniter-Orden, der durch den Krieg fast alle O r d e n s - K r a n k e n h ä u - ser verlor, hat inzwischen dreizehn Kranken- anstalten neu errichtet; zwei .sind im Bau.

Ein erhebliches Absinken der Todesopfer bei V e r k e h r s u n f ä l l e n stellt das Statistische Bun- desamt auch für M ä r z 1958 fest. G e g e n ü b e r 1957 sank die Ziffer der Todesopfer um über 32 Prozent, die der Verletzten um ü b e r 25 Pro- zent.

Für Erleichterungen bei R e n t e n a n t r ä g e n der Frauen hat sich die SPD-Bundestagsabgeord- nete Doehring beim Bundesarbeitsmin^ ter eingesetzt. Sie tritt dafür ein, d a ß A n t r ä g e auf G e w ä h r u n g der Altersrente künftig bereits drei Monate vor Vollendung des 60". Lebens- jahres oder vor Beendigung der Beschäftigung gestellt werden k ö n n e n .

Chruschtschew will Kairo besuchen. Der so- wjetische Regierungschef und der Staats- p r ä s i d e n t Woroschilow haben eine Einladung Nassers angenommen. Der Zeitpunkt der Reise wurde noch nicht festgelegt.

forderte, sie m ö g e endlich die »Existenz zweier deutscher Staaten" anerkennen. Und wenige Wochen s p ä t e r e r k l ä r t e Chruschtschew in Mos- kau auf einem Bankett zu Ehren des in der so- wjetischen Hauptstadt weilenden schwedischen M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n Erlander, man k ö n n e sich sehr wohl „den Frieden ohne Wiedervereini- gung Deutschlands vorstellen".

Die Tatsache, d a ß das Prager Programm auf die Verewigung der Z e r s t ü c k e l u n g Deutschlands und zugleich auf eine B e e i n t r ä c h t i g u n g der west- lichen Verteidigung abzielte, wurde bereits im Jahre 1956 erkannt. In den Kommentaren der westlichen und westdeutschen Presse wurde daraufhin die Meinung vertreten, d a ß voraus- sichtlich erfolgversprechende Verhandlungen ü b e r die Wiederherstellung der staatlichen Ein- heit Deutschlands in Frieden und Freiheit erst dann Zustandekommen dürften, wenn man sich in Moskau davon ü b e r z e u g t haben werde, daß das Prager Programm nicht durchzusetzen sei.

Dem ist heute nur h i n z u z u f ü g e n , d a ß also die freiheitliche Wiedervereinigung eben v e r z ö g e r t oder gar verhindert wird, wenn die s-wjetischen Forderungen des Prager Programms in Ländern westlich des Eisernen Vorhangs bzw. der Zonen- grenze als annehmbar betrachtet oder gar in dieser oder jener Form inhaltlich ü b e r n o m m e n werden sollten.

D r , O s k a r L . L i p s i u «

(3)

Im Binnenhafen Königsbergs, unterhalb der Grünen Brücke, wird der Pregel zu einem ansehnlichen Fluß, der schon die offene Weite des Haffes ahnen läßt, in die er hinaus- zieht. An der Werlthalle (links) geht der Blick vorbei auf Masten, Kräne und rauchende

Schlote, — ein Bild des tätigen Lebens.

Dort, wo der Pregelarm den Kneiphof liebevoll umfaßt, lebte noch das historische Königs- berg. Die Alte Universität, an der einst Immanuel Kant lehrte, der Domturm, der gemäch- lich durch die Holzbrücke dahingleitende Schleppzug, — alles atmet die Geruhsamkeit

vergangener Zeiten.

Die alten Lastadie-Speicher waren die Kornkammern der Stadt, ja der ganzen Provinz. Am Ufer des Hundegatts herrscht Emsigkeit von früh bis spät. Drunten werden Getreidesäcke und Fässer ausgeladen, der Mann am Aufzug muß kräftig zufassen und hat wohl kaum einen Blick für die Dittcheniähre, die

gerade dem Kneiphöfischen Ufer zusteuert, und für den Betrieb vor der Börse (im Hintergrund).

R u n d u m d e n P r e g e l h a f e n

Königsberg, wie es in der Erinnerung lebt

Es gibt keine Erinnerung an Königsberg ohne liebevolle Gedanken an den Pregel:

der Fluß war die Ader, die das Herz der Stadt durchströmte. Er umspülte die Stätten ihres Ursprungs, ihres Wachsens, ihres größ-

ten Glanzes und ihres über Grenzen und Zeiten wirkenden geistigen Lebens. An den Gestaden des Pregels verschmolzen Vergan- genheit und Gegenwart, behagliche Nähe und weltoffene Weite. Die engen Gassen am Kneiphof mit den verträumten Winkeln atmeten die gleiche Luft, wie die langgestreck- ten Uiermauern mit dem Spalier der großen Segler und Dampfschiffe, die tausend Sehn- süchte mit hinaustrugen auf die See. Fern- weh und Heimatglück zugleich ruhten über dem Leben am Fluß. Wohl dem, so daclüe man einst, der hinausziehen kann und der dennoch weiß, daß ein Heimathafen auf ihn wartet. Damals ahnte noch niemand, daß einmal dieses Fernweh zum Heimweh wer- den könnte nach dem geschändeten, nicht mehr zu betretenden lieben alten Königsberg.

Auch die Fischfrauen gehörten zum Leben am Pregel. Ihr drasti- scher Humor war weit über Ost-

preußen hinaus bekannt.

Das ist der Kai am Hundegatt, überragt von den festgefügten Mauern des Schlosses (links), dessen Turm wie ein Wächter in die Ferne weist. Da wird an der Lastadie (im Vordergrund) Stückgut ausgeladen, an einem wolkenverhangenen Tag im Sommer; die Luit riecht nach Wasser und Teer, nach Rauch und nassem Holz.

Uber die Dächer grüßen die Löbenichtsche und die Propsteikirche (rechts)%

Die modernen Haienanlagen der Stadt stammten aus den zwanziger Jahren und umfaßten ein Gebiet vor rund tausend Morgen. Vor dem Turm- und Gruppen- speicher im Hafenbecken IV legten Get eide- und Überseeschilfe an. (Einen Bei- trag über Königsberg, wie wir es am Pregel erlebten, bringen wir aui Seite 9.)

Referenzen

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bart. .Hier war jemand, der glaubte, den ihm anvertrauten Menschen — Kranken und Studen- ten — verpflichtet zu sein und deshalb eine Bürde tragen zu müssen, die schier unerträglich

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