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DIE EVANGELISCHE KIRCHE A.B. IN OSTERREICH

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DIE EVANGELISCHE KIRCHE A .B. IN OSTERREICH

von un~ v. Prof. DDr. Wilhelm Daneine

1. Der ~ unserer Kirche ist eher tu1ge~<öhnlich. Qlsten aus anderen Ländern ist er seltsam tu1d einer längeren Erklärtu1g bedürftig; uns ist er vertraut, l<ir rochten ihn auch nicht missen. :-iicht nur, weil die sonst übliche Be:eichntu1g

'lutherische' bzw. 'evang.-lutherische Kirche' 1;egen der dann enthaltenen Bin- dLU1g an eine Person etlvas fragi<Ürdig erscheint - ~lartin Luther selbst hat ähn- liche \lortverbindtu1gen scharf kritisiert - sondern "-eil :u1 der Bezeichntu1g 'evangelisch Augsburgischen Bekenntnisses' (evang. A. B.) zwei wesentliche ~I:Jmen­

te einer besonderen kirchlichen Existenz deutllch werden: die Diaspora-Gestalt tu1d die tiefe Verbtu1denhei t dieser ~linderheitski rche mit dem ganzen Volk und Land. Lange :eit mußte sie im 'Untergrund' leben (1625-1781), dann eine Epoche diskriminierender 'Toleran:' erdulden (li81-1861), ehe ihr eine noch ztu1ächst beschränkte, seit 1961 eine volle, Gleichberechtigtu1g zuteil 1vurde. Ihren Minder- heitsstatus verdankt sie der erfolgreichen Gegenreformation, die die Habsburger, vor allem tu1ter ~Ii thilfe des damaligen Jesuitenordens eingeleitet hatten; sie begann 1598 in der Steiermark, wurde bald auf Kärnten tu1d Krain ausgedehnt, et-

~<as später auch in ll'ien tu1d Niederösterreich durchgeset:t, dann aber auch in Oberösterreich mit besonderen militärischen ~litteln tu1d durch Niederwerftu1g der aufständischen Bauern zu einem Phyrrhussieg geführt. In anderen Btu1desländern trug derselbe Vorgang ein 2. T. anderes Gesicht: in Salzburg erfolgte erst 1731 die große :~<angsemigration, in Tirol gab es eher einen Dauerkleinkrieg, die letzten evangelischen Tiroler wurden erst 1840 (also 60 Jahre nach dem Toleranz- patent!) vertrieben, "'ährend im Burgenland wegen seiner Zugehörigkeit zu Ungarn

(bis 1921) sich eine eruas größere Be>.-egtu1gsfreihei t für die protestantische

~li.nderheit ergeben hatte. Oie Eri.nnertu1g an den vierhtu1dertjährigen Leidensweg tu1d den . .\bstieg von e:u1er repräsentativen ~lehrheit im Lande um 80\ um das Jahr 1560 in einen ~li.nderheitsstatus - gegenwärtig zählt die lutherische Kirche eruas über 4CO.OCO Gemeindemitglieder, das sind etlva 6\ der Österreichischen Gesamtbe- völkerLUlg - ist naturgemäß gelegentlich Gegenstand von nostalgischer Verklärtu1g der einst so großen Vergangenheit, vermittelt aber vor allem z~<ei wesentliche

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Gnmdeinstellungen, die unsere kleine Kirche prägen. Der Diaspora-Charakter 1-i.rd vorzugsweise kirchlich verstanden und von daher ist auch die innere Teilhabe am Schicksal Österreichs bestimmt. Im Unterschied zu erst im 20. Jahrhundert auf- tauchenden artven;andten evangelischen Freikirchen ist bei uns 'Diaspora' nicht etwa verstanden worden als Ergebnis einer propagandisüsch-missionarischen Tä- tigkeit, bzw. als eine von außen eingednmgene oder eingesickerte religiöse Spe- zialgesellschaft, sondern als ein durch geschichtliches Schicksal bestimmter Rest einer 'Kirche für alle' in diesem Lande und deshalb "'ird die Teilhabe arn Geschick Österreichs als konstitutiv und nicht als zufallig empfunden. In all dem spielt das 'Augsburger Bekenntnis von 1530 eine signifikante Rolle, weil in ihm die sogenannten 'Augsburgischen Konfessionsven<andten' einen reichs- bzw.

staatsrechtlichen Anspruch auf Anerkennung zu besitzen meinten. Ein kleines Bei- spiel: als nach Erlaß des Toleranzpatentes arn 13.10.1781 durch Josef II der da- malige kaiserliche Statthalter in Oberösterreich die Verlautbanmg dieses Geset- zes eine zeitlang zu verhindern wußte, dann doch durch Eingreifen des alarmier- ten Kaisers dazu gezwungen wurde, versuchte er den in Wels zusammengerufenen evangelischen Bauern weiszumachen, daß sie gar nicht wüßten, wofür sie sich ein- setzten. Da erscholl ihm aus 5CXXl Bauernkehlen der Sprechchor entgegen: 'Wir be- kennen uns zur unveränderten Augsburgischen Konfession' ; das Lehrbekennmis vom Augsburger Reichstag des Jahres 1530 war arn 'Weiser Bekennertag' (2. 12. 1781) le- bendige Wirklichkeit geworden, 1;eil es neben Bibel, Gesang- und Gebetbuch von den sogenannten 'Geheimprotestanten' als Nahnmg des Glaubens geschätzt und ver- wendet wurde.

2. Daraus ist bereits ersichtlich, welche Bedeutung der 'Confessio Augustana' (CA) von 1530 in der Geschichte des Österreichischen Protestantismus zukommt.

Dies zeigt sich auch heute noch in den lutherischen Kirchen in den sogenannten Nachfolgestaaten: so nennen sich die Lutheraner in der Slowakei, in Ungarn und Rumänien, aber auch in Polen und selbst in Rußland evang. A. B., im letzteren Fall hängt dies mit der Ausstrahlungskraft der Ideen des josefinischen Staats- kirchenrechtes zusammen, sodaß man in Petersburg die Namen aus der Österreichi- schen kirchlichen Szene holte. Aber auch einige andere lutherische Minderheits- kirchen, wie etwa diejenige im Elsaß trägt diese Bezeichnung. ~fit ihr verbindet sid1 aber auch die Glaubens- und Lehrgemeinschaft des Weltlutherturns. So hat etwa auch die 'Kirche Schwedens' die CA als einzige Lehrgnmdlage, aber auch

jene Kirchen, die lutherische Bekenntnisschriften, wie sie im 'Konkordienbuch' von 1580 zusarnmengefaßt sind, oder auch nur einzelne von diesen, wie dem Kleinen und Großen Katechismus Martin Luthers vom Jahre 1529 oder die 'Apologie' der CA von Ph. Melanchthon von 1531, angenonmen haben, sind insoferne mit der CA ver-

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bunden, als das Augsburger Bekenntnis eben als erstes und als das grundlegende angesehen wird, dem gegentlber die anderen je1<eils nur als eine Auslegung dessel- ben erscheinen. Für die Österreichische evangelische Kirche A.B. gilt, daß S1e früher neben der C<>. nur den Kleinen Katechismus als Lehrgrundlage nannte, jedoch hatte sie sich bei der Erarbei tung der Kirchenverfassung von 1949, einem drunaU- gen :ug der :eit folgend, entschlossen, die Gemeinschaft mit dem Weltluthertum dadurch :u vertiefen, daß man das gan:e Konkordienbuch als Lehrgrundlage annahm.

Das ~1arken:eichen 'evang. A.B.' kann somit als besondere Verankerung im Lehrge- füge des Luthertums und seiner Tradi non verstanden "erden.

Neben anderen Elementen spielt auch der Artikel VII der CA eine besondere, für das Luthertum als Ganzes außerordentUch typische Rolle. Dort wird nämlich gelehrt, daß zur Einheit der Kirche keine Uniformität von Gebräuchen, Liturgien, Kirchenordnungen etc. nötig seien, sondern ausschließlich und allein "daß ein-

trächtlieh nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen llort genäß gere1cht werden". Diese bewußte Konzentration auf die rei- ne Lehre des Evangeliums (pura doctrLna evangelii) 1st überaus charakteristisch für die luthensche Kirche und bewirkt, daß in ihr ein großer und freier Plura- lismus hinsichtheil des rechtlichen Gefüges der verfaßten Kirchen, aber auch hin- sichtlich der Sitten und Gebräuche entstehen konnte. Letztere sind nicht unwich-

tig, besit:en aber stets nur sekundäre Bedeutung, und dies ermöglicht es, daß das Luthertum zu jenen großen Konfessionen zählt, die am "-enigsten unter Abspal-

tungen oder Neugründungen litten. So tritt uns auch heute noch im Luthertum ein sehr buntes Bild entgegen: neben den skandinavischen Staatskirchen mit ihren Bi- schöfen und Er:bischöfen stehen die amerikanischen, sehr lebendigen, Freilrillig- kei tski rchen und auch in Europa solche mit ausgesprochener presbyteral-synodaler Grundordnung, >.i.e etwa auch die österre1chische lutherische Kirche, andererse1ts wieder der Typus der skandwavischen Kirchen mit reicher, aus dem ~Ii ttelal ter überkommener Liturgie, mit ~leßgewändern und sonstiger Pracht und daneben Gottes- dienstordnungen mit karger Liturgie wie etwa in der Kirche Württembergs. Umso geschlossener ging es dann freilich um die reine Lehre: dogmatische Auseinander- setzungen und der Streit um die rechte Theologie ist ein besonderes Kennze1chen des lutherischen 1\esens, vergleicht man es beispielsweise mit dem des Anglikanis- mus, in dem das Ringen um die Liturgie oder das Bischofsamt 1m Vorder- grund steht.

Diese Konzentration auf die reine Lehre als nor..endiges Band der kirchll- chen Einheit hängt sehr wesentlich mit der Eigenart der lutherischen Reformation zusammen. Ihr Refornwerk war weniger ein Versuch der ordnungsmäßigen Niederher- stellung der Urgemeinde, sondern die Erkenntnis der befreienden Kraft der Recht-

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fertigung allein aus dem Glauben, wie Luther selbst das Heilsgeschehen in und durch Jesus OJ.ristus im Anschluß an Paulus narmte. Die Lehre von der 'Rechtferti- gung' h'Urde zum 'articulus stantis et cadentis ecclesiae', d. h. zur 'Lehre, IT'i t der die Kirche steht und fallt'. Das für den Glauben absolut Unaufgebbare ist das reine Angewiesensein auf Gottes Gnade, und damit auf die Heilstat Gottes in Jesus Christus. Diese, oft als christologisch-soteriologische Engführung kriti- sierte, Privilegierung des OJ.ristusglaubens ist in der Tat das eigentliche gei- stig-geistliche Vermächmis, das vom Luthertum in den gegem;ärtigen öi..'UIIlenischen Dialog miteinzubringen ist. Ausdruck fand es insbesondere im Lied und Gebet;

evangelische Kirchenmusik eroberte sich lange vor der ökumenischen ~loderne katln- lische Herzen und Kirchen. Dies bereitete freilich die viel spätere ökumenische Bewegung entschieden vor. Dazu trat überdies eine Neigung zu Objektivierbarkeit vor Lehre und Sakramentsfeier; die Lehre von der leiblichen Realpräsenz OJ.risti im Abendmahl scheint vielen OJ.risten eine Brücke Zl<ischen den Konfessionen dar- zustellen. Auch das Verständnis vom kirchlichen 'Amt' und insbesondere die Revi- talisierung des Bischofsamtes im 20. Jahrhundert, nährt solche Vorstellungen.

3. In diesem Zusammenhang dürfte es an der Zeit sein, auch einigen selbstkri- tischen überlegungen Raum zu geben, ohne die eine evangelische Selbstdarstellung grundsätzlich nicht möglich ist. Nicht zufallig hat sich die lutherische Refor- mation an der Bußlehre und Bußpraxis der spätmittelalterlichen Kirche entzündet;

Reue und Buße haben im lutherischen Verständnis des Heiles stets einen besonde- ren Rang, und dieser muß sich auch hinsichtlich der eigenen Sache zu Worte mel- den. Nun läßt sich feststellen, daß die spezielle lutherische Reaktion auf die aufklärerisch-liberalistischen Auszehrungserscheinungen, die im 18. und 19. Jahr- hundert in allen Konfessionen auftraten, in der Gestalt äußerst selbstbewußter konfessioneller Verfestigungstendenzen auftrat, die sich u.a. an einer wirkli- chen oder vermeintlichen Brückenfunktion des Luthertums orientierten. Dies gip- felte in unserer Gegenwart in dem Schlagwort vom Luthertum 'als der ~Ii ue der Konfessionen', worin sich ein nicht immer nur verkappter konfessionalistischer Triumphalismus offenbart, der im Grunde der eigenen zentralen ~ tte, nämlich der Rechtfertigungslehre widerspricht. Das Problem, das sich hiemit stellt, karm hier freilich nicht entfaltet, sondern nur genarmt werden, ist jedoch als lebendige Unruhe den lutherischen Kirchen von früh an eingestiftet. Man karm es knapp so formulieren: ist Luthers Reform in einer stabilisierten lutherischen Konfession '''irklich zu ihrem Ziel gekomnen? Denn jene konfessionalistische Selbstbestäti- gungstendenz, die u.a. seit der ~litte des neunzehnten Jahrhunderts zu einer teil-

"eise schroffen Polemik gegenüber der reformierten Schwesterkirche führte, ist ja nur eine der Seiten dieses romantischen (im buchstäblichen Sinn des Wortes,

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da hier starke Einflüsse aus der 'Romantik' wirksam wurden) Selbstlobes. Ein schon während der Herrschaft der sogenannten 'lutherischen Orthodoxie' (ca. 160Q- 1750) sich anbahnendes Trot:en auf den Besi t: der 'reinen Lehre' und die Untade- ligkeit des eigenen KirchentlUTIS, verbunden mit einem notorischen Desinteresse an den Wirkungen des EvangelilUTIS im Weltgeschehen, verstärkte sich nunmehr :u einer massiven Abkehr von den so:ialethischen Problemen, die in diesem Jahrhundert für die Kirchen immer brennender wurden. Voll Genugtuung über die eigene Leistung, die man vor allem in einer Verinnerlichung des christlichen Glaubens erblickte, erschloß man sich damaligen konservativen und restaurativen Tendenzen. Hier hat nicht selten gemeinsame katholische und kalvinistische Kritik nicht ohne Grund eingehakt und eine lutherische Neigung zu einem fronmm Quietismus gegeißelt.

Nicht vergessen darüber darf man freilich, daß es auch jederzeit eine ähnliche selbstkritische Strömung in den lutherischen Gemeinden und unter Theologen gege- ben hat, die nun ihrerseits unter Beschwörung des Geistes des Reformators gegen jene konfessionelle Selbstgenügsamkeit :u Felde zog. ~titunter lautet das Feldge- schrei: mit Luther gegen das Luthertum! Dies gehört nicht weniger :um Bilde unse- rer Kirche als dasjenige, das so gerne ein selbstgefälliger Konfessionalismus malt.

4. Das äußere Bild des Luthertums hat sich seit einem halben Jahrhundertstark gewandelt und zwar hinsichtlich :l<eier Aspekte. Die ursprüngliche, in der nach- reformatorischen Zeit entstandene, Kirchengestalt war durch die rechtliche Unter- werfung der Kirche unter die Staatsge~<alt geprägt ge~<esen, der gegenüber die Kir- chen selbst nur ein inneres Widerstandsrecht halten konnten, das Lehre, Gottes- dienst und christliches Leben zu schüt:en hatte. Das sogenannte 'landesfürstli- che SUI111lCpiskopat', nach welchem ewa der preußische König oberster 'Bischof' der evangelischen Kirche seines Landes war, aber auch der Österreichische Kaiser das Sl.llll1lCpiskopat über die evangelische Kirche hierzulande unbeschadet seiner eigenen katholischen Konfession innehatte, zerbrach 1918 mit dem Erlöschen der rronarchischen Gestalt des Staates. Alle evangelischen Kirchen, darunter auch die lutherische, im ehemaligen Deutschen Reich wie auch in Österreich suchten mühsam eine neue Rechtsgestalt der verfaßten Kirche. So kam es dazu, daß man sich des alten Bischofsamtes entsann: ab 1925 gaben sich die lutherischen Landeskirchen in Deutschland neue Kirchenverfassungen mit einem 'Landesbischof' an der Spitze - in Österreich kam es erst 1940 nominell, seit 1949 real und rechtsgültig dazu.

Es war ein naheliegender Ausweg - ob er sehr glücklich war, darüber sind die Ak-

ten ~<ohl noch nicht geschlossen. Denn schon der Titel schuf Verwirrung genug:

das Vorbild des katholischen Bischofsamtes kam aus triftigen Gründen nicht in Frage, aber nicht selten wird dies aus begreiflichen Gründen doch assoziiert.

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Die prinzipiell synodal-presbyteriale Kirchenverfassung bekam einen Fremdkörper eingestiftet; "elche Folgerungen daraus zu ziehen sind, beschäftigt die Kirchen seither unablässig - die erfolgten formalen Abklärungen sind inhaltlich noch kaum bewältigt.

Die zweite auffallige Veränderung liegt in dem nach dem z;.ei ten Weltkrieg erfolgten welt"eiten Zusammenschluß der lutherischen Kirchen, der zwar jeder einzelnen die volle Autonomie beläßt, aber doch als geistiges Band eine ge;.'isse Einheit vendrklicht. Seit 1947 in Lund in Sch1<eden der 'Lutherische lieltbund' gegründet \<Urde und seither neben und innerhalb des öhmenischen Weltkirchenra- tes einen Eigenkörper bildet, entstanden Ideen wie diejenige von einer 'Lutheri- sdlen ll'eltfamilie', "odurch man sich der eigenen Eigenart in noch stärkerem Maße be1<ußt wurde. Vor allem verminderte sich dadurch die frühere Vorstellung von partikularen Landeskirchen konfessioneller Prägung. Das lutherische Bewußtsein,

früher auf individuelle staatliche und nationale Eigenart hin orientiert, ;.'ird dadurch universaler, auf eine ~lenschheitsgesellschaft hin geöffneter. Nicht un- wesentlich ist auch, daß nunmehr starke Ein1drkungen aus dem kräftigen amerika- nischen Luthertum oder auch dasjenige der skandinavischen Kirchen auf das mittel- europäische Luthertum erfolgen.

5. Noch auf eine Besonderheit muß unsere Aufmerksamkeit gelenkt werden, die jedoch nur das deutsdlsprachige Luthertum betrifft. Keineswegs alle Lutheraner, auch keineswegs alle lutherischen Gemeinden, sind in lutherische Kirchen inte- griert oder zusammengefaßt. Bekanntlich entstanden zu Beginn des vorigen Jahr- hunderts in Preußen, Baden und in der Rheinpfalz sogenannte 'Unionskirchen', d.

h. evangelische Landeskirchen, die selbst keiner Konfession zugehörten, sondern Lutheraner und Reformierte miteinander vereinigte. Die Gemeinden behielten je- doch ihren spezifischen jeweiligen konfessionellen Olarakter. Da überdies die größte dieser Kirchen, die 'AlLpreußische Union', einen hohen Prozentsatz evan- gelischer Christen deutscher Zunge umfaßt, stehen wir seit längerem vor dem selt- samen Tatbestand, daß lutherisches Olristentum in Unionskirchen vertreten ist:

es handelt sich in den Gebieten BRD und der DDR um etwa vierzig Prozent der sich lutherisch bezeichnenden Christen überhaupt. Die Zahlen spielen freilich keine letzte Rolle, denn für die geistige Präsenz der lutherischen Frörrmigkeitstradi- tion ist jene starke ~ünderheit nicht selten nicht weniger repräsentativ wie das in verfaJ~ten lutherischen Kirchen existierende Luthertum. Im Blick auf die gegen- wärtige Lebendigkeit der Theologie Luthers selbst 1drd sogar gelegentlich be- hauptet, sie sei in der 'Union' besser oder nicht weniger intensiv vertreten.

Eine eigentümliche Rolle hat die evangelische Kirche A.B. in Österreich inne: sie stellt zum einen die große ~lehrheit der Protestanten des Landes (etwa

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90\), isc jedoch mit der kleinen evangelisch-reformierten Kirche (evang. H.B.

d.i. hel\~tischen Bekenn~sses) in einer besonderen FOrm liiert. Dies sieht so aus: es g1bt kirchenrechtlich eigentlich drei Kirchen: die evangelische Kirche A. und H.B., die allerdings nur als 'juristische Person' faßbar ist, da sie die beiden getrennten Kirchen A.B. und H.B. nur formal zusanunenfaßt, und nur letzte- re bestehen als echte verfaßte Kirchen und besitzen auch ein je eigenes Kirchen- regiment. Da aber z.B. der Religionsunterricht an den Schulen ebenso wie viele geneinsame kirchliche ll'erke und \'ereine im Leben der Kirchen wichtige Aufgaben wahrneluren, so ist die faktische Geneinsamkeit stärker als es das juristische Bild wiedergibt. Der Sache nach handelt es sich hier um eine eigem;illige, ty- pisch Österreichische Lösung, die seit dem Wiederaufleben des Protestantismus im Jahre 1781 ven;irklicht wurde.

In gewisser \\'eise kann davon gesprochen werden, daß dieses Österreichische

~bdell ftir die sogenannte 'Leuenherger Konkordie' von 1968 Pate gestanden hat, ftir jenes Einigungswerk also, in dem sich fast alle europäischen lutherischen und reformierten Kirchen wie auch die deutschen Unionskirchen gegenseitig 'Kir- chengemeinschaft' zugesprochen haben, 1;as u.a. Kanzel- und Abendmahlsgeneinschafc miteinschließt. Daß sich die Leuenherger Konkordie in fast ganz Europa durch- setzen konnte, kann als ein Zeichen dafür ge1;ert:et werden, daß die lucherische Kirche die Kraft besitzt, über ihre geschichtlich gewordene Gestalt und ihre formalen Grenzen hinaus ihre Eigentlichkeit und Identität ökunenisch aufzu- schließen. Weil sie von Anbeginn darum rang, sich ausschließlich und allein auf das Evangelium einzulassen, und auf sonst nichts, ist in ihr und mit ihr auch jene Zukunft erschlossen, die diesem Evangeliun verheißen ist. \\'eil ihr mit die- sem von Beginn an die Dimension der Freiheit eingestiftet ist, ist ihr auch die Kraft zugesprochen, morsch gewordene Brücken abzubrechen und neue, in die Zu- kunft weisende, zu bauen.

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