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Die Medizin ist in erster Linie zum Heilen da | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Stellungnahmen

33 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2009

Wirtschaftliche Überlegungen sind im Gesundheitswesen in Wirklichkeit nicht me­

dizinischer, sondern ethischer Natur. Sie müssen in die Überlegungen – als ein Ele­

ment unter vielen anderen – integriert wer­

den, mit denen der Behandlungsprozess ge­

steuert wird. Sie sind wichtig, haben aber nicht oberste Priorität. Und sie können uns keinesfalls veranlassen, die Qualität unserer Arbeit abzubauen.

Diese Qualität, die wir erhalten wollen, bezieht sich sowohl auf die erzielten Resul­

tate (Outcome) als auch auf die Prozesse, die zu diesen Resultaten führen. Dabei geht es insbesondere um die Beziehung zwischen Arzt und Patient, die – zusammen mit der Betreuung des Patienten – seit jeher in der Medizin von grundlegender Bedeutung ist.

Wirtschaftliche Überlegungen müssen daher von Fall zu Fall berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass jede Situation einzeln entspre­

chend dem jeweiligen Patienten oder den be­

troffenen Personen beurteilt werden muss, und dass es weder allgemeingültige Antwor­

ten noch rezeptmässige Lösungen gibt.

Von der Theorie zur Praxis

In der Praxis müssen dem Gesundheits­

system zweifellos wirtschaftliche Grenzen ge­

setzt werden, wie dies bei jedem Tätigkeitsbe­

reich der Gesellschaft und des Staates der Fall ist. Dies bestreitet auch die Ärzteschaft nicht.

Sie setzt sich jedoch gegen unsinnige wirt­

schaftliche Grenzen zur Wehr, wenn diese et­

wa dazu führen, dass für die Bevölkerung nicht mehr die benötigten medizinischen Leistungen erbracht werden können.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass wirtschaftliche Einschränkungen bei der Er­

bringung von medizinischen Leistungen po­

litischer Natur sind. Die Politik hat den Auf­

trag der Gesellschaft, von der sie gewählt und legitimiert wird, in Bezug auf die Finanzie­

rung des Gesundheitssystems die notwen­

digen Grenzen festzulegen. Angesichts der Sprunghaftigkeit der öffentlichen Meinung zu diesem Thema ist das ein schwieriges Un­

terfangen. Dies ist jedoch kein Grund, dass sich unsere gewählten Entscheidungsträger dieser Verantwortung entziehen.

So haben weder die Versicherer noch die Personen, welche im Gesundheitswesen tätig

sind, die Grenzen des Systems selbst festzule­

gen. Sie haben aber die Aufgabe, für einen optimalen Betrieb zu sorgen und die verfüg­

baren Mittel intelligent und mit Gemein­

schaftssinn zu nutzen. Nicht zu ihrer Rolle gehört indes das Treffen von Entscheiden, die letztlich im Wesentlichen politischer Natur sind.

Selbstverständlich soll man die so genann­

ten «betroffenen Kreise» an der Festlegung der Grenzen des Systems beteiligen. Da sie über die erforderlichen fachlichen Kompe­

tenzen verfügen, müssen sie angehört und einbezogen werden, und es wäre völlig kon­

traproduktiv, darauf zu verzichten. Doch die Verantwortungsbereiche müssen weiterhin klar aufgeteilt sein, damit das politische Sys­

tem richtig funktioniert.

Ein neuer Stil der Zusammenarbeit Die Schweizer Ärzteschaft misst der Ethik einen hohen Stellenwert bei. Sie fühlt sich für die bestmögliche Nutzung des Budgets des Gesundheitssystems mitverantwortlich und engagiert sich in ihrer täglichen beruflichen Tätigkeit entsprechend. Es gehört zwar nicht zu ihren Aufgaben, die Grenzen des Systems festzulegen, doch sie muss unbedingt in die Überlegungen zu dieser Frage einbezogen werden.

Was wir bis vor kurzem in der Gesund­

heitspolitik am meisten vermisst haben, ist ein Minimum an Übereinstimmung über die Grundsätze und die prinzipiellen Optionen.

Es ist zweifellos auf diesen Umstand zurück­

zuführen, dass konkrete Entscheide über die Umsetzung der Ausrichtungen des Gesund­

heitssystems blockiert wurden. Offenbar ent­

wickelt sich nun ein neuer Stil der Zusam­

menarbeit zwischen allen Akteuren des Gesundheitssystems, dank dem bisherige Blockaden überwunden werden können. Wir setzen unsere Hoffnungen darauf und freuen

uns darüber.

Die Medizin ist in erster Linie zum Heilen da

Dr. med. Jacques de Haller

Präsident der Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)

In der Medizin geht es nicht nur um Pillen, Fiebermesser und Zäpf- chen, obwohl man dies in Bundes- bern manchmal zu denken scheint. In erster Linie geht es vielmehr um Menschen und Menschlichkeit. Für Ärztinnen und Ärzte hat eine gute, richtige Medizin einen höheren Stellen- wert als wirtschaftliche Überle- gungen – das ist einer der Grund- sätze des Selbstverständnisses.

Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Ärzteschaft das Geld zum Fens ter hinauswerfen will oder dass für sie die Kosten- problematik völlig unerheblich ist. Sondern es geht hier um eine Frage der Prioritäten. Um es lapi- dar auszu drücken: Die Medizin ist nicht in erster Linie dazu da, um zu sparen, sondern um zu heilen.

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