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Auswirkungen der Eurokrise auf das Wirtschaftswachstum und das Produktionspotenzial der Schweiz | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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Dieser Beitrag1 behandelt die Auswirkun- gen der europäischen Währungskrise auf die Schweiz. Neben den Effekten auf das BIP- Wachstum sollen auch die Implikationen für die Wirtschaftsstruktur, den Arbeitsmarkt, das Investitionsverhalten und das Potenzial- wachstum untersucht werden. Wirkungsana- lysen dieser Art sind methodisch heikel.

Denn bekannt ist nur die Entwicklung unter den tatsächlich herrschenden Bedingungen, während das zur Identifikation der Effekte benötigte Vergleichsszenario – im vorliegen- den Kontext also die Entwicklung ohne Eu- rokrise – anhand modellmässiger Überle- gungen konstruiert werden muss. Nur festzuhalten, was sich nach Ausbruch der Eu- rokrise verändert hat, wäre wenig hilfreich, da die seitherige Entwicklung von einer Viel- zahl weiterer Einflussfaktoren geprägt war.

In einem ersten Schritt ist zu überlegen, wie sich die Weltwirtschaft ohne Eurokrise entwickelt hätte. Wegen der Verquickung mit anderen Problemherden – wie der Finanzkri- se von 2008, der Bankenrettung und der dar- aus resultierenden zusätzlichen Staatsver- schuldung – stellt dies ein schwieriges Unterfangen dar. Die Eurokrise ist zudem als Folge von Fehlentwicklungen zu sehen, die

bereits früher eingesetzt haben. Das kon- trafaktische Weltszenario müsste deshalb strenggenommen weiter zurückblenden und zum Beispiel ein risikobewussteres Verhalten im Finanzsektor, erhöhte staatliche Budget- disziplin und weniger divergierende Lohn- stückkosten im Euroraum unterstellen. Das im nächsten Abschnitt skizzierte Weltszena- rio kann vor diesem Hintergrund nur als grobe Behelfslösung betrachtet werden.

Anschliessend gehen wir der Frage nach, warum sich die Schweizer Wirtschaft unter den Bedingungen der Eurokrise besser ent- wickelt hat als dies gemeinhin erwartet wor- den war. Es lassen sich vor allem zwei wachs- tumsstützende Faktoren identifizieren: die Widerstandsfähigkeit der Exporte gegenüber der Frankenaufwertung sowie die unter dem Regime der Personenfreizügigkeit trotz Kon- junkturabschwächung fast ungebrochene Einwanderung. Umgekehrt konnte die Geld­

politik nach der Absenkung des 3M-Libor auf praktisch null im Rahmen konventioneller Massnahmen nicht mehr weiter gelockert werden.

Im Haupttteil der Untersuchung zeigen wir schliesslich, wie sich die Schweizer Wirt- schaft unter den kontrafaktischen Weltan-

Auswirkungen der Eurokrise auf das Wirtschaftswachstum und das Produktionspotenzial der Schweiz

Die Schweizer Wirtschaft hat sich trotz Eurokrise erstaunlich güns- tig entwickelt. Die vorliegende Studie zeigt anhand von Modellsi- mulationen, dass dies den robus- ten Exporten und dem zuwande- rungsbedingt hohen Bevölke- rungswachstum zuzuschreiben ist. Dennoch sind im Vergleich zu einem hypothetischen Szenario ohne Eurokrise deutliche Brems- spuren festzustellen. Beim Brut- toinlandprodukt (BIP) zeigt sich bis Ende 2012 ein Niveauverlust von 1,7%, und beim Produktions- potenzial beträgt die Einbusse längerfristig 1,3%. Während die schlechte Auslandkonjunktur und die Aufwertung des Frankens zu markanten Exporteinbussen führ- ten, werden der Wohnbau und die Immobilienpreise durch die re- kordtiefen Zinsen stimuliert.

Dr. Caroline Schmidt Inflationsprognosen, Schweizerische National- bank SNB, Zürich

Prof. Dr. Peter Stalder Inflationsprognosen, Schweizerische National- bank SNB, Zürich

Die Wirtschaftsleistung der Jahre 2011 und 2012 lag mit Wachstumsraten von 1,4% bzw. –0‚3% weit unter den noch im Jahr 2010 prognostizierten Werten. Wie viel dieser Einbusse auf die Eurokrise zurückzuführen ist, versucht die vorlie-

gende Untersuchung zu eruieren. Foto: Keystone

1 Die in diesem Beitrag vertretenen Ansichten sind die der Autoren und stimmen nicht notwendigerweise mit jenen der SNB überein. Neben dem hier verwendeten Modell stützt sich die SNB in ihren Einschätzungen auf verschie- dene andere Modelle und Indikatoren.

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krise resultierte, ist fraglich. Vielmehr scheint man auch die nach der Finanzkrise von 2008 vom Entschuldungsprozess im öffentlichen und privaten Bereich ausgehenden Brems- wirkungen unterschätzt zu haben. Mit ande- ren Worten wäre das realwirtschaftliche Wachstum auch ohne Eurokrise tiefer ausge- fallen als Ende 2010 prognostiziert. Wir ge- hen deshalb davon aus, dass die Entwicklung der Weltwirtschaft ohne Eurokrise zwischen den überoptimistischen Prognosen von Ende 2010 und dem effektiven Pfad verlaufen wäre.

Die wichtigsten Annahmen dieses Ver- gleichsszenarios sind in Tabelle 1 festgehal- ten. Die im oberen Teil der Tabelle dargestell- te «effektive Entwicklung» ist natürlich nur bis Ende 2012 bekannt; die für 2013-2015 unterstellte Entwicklung geht von einem gra- duellen Abklingen der Eurokrise aus und entspricht in etwa dem gegenwärtigen Prog- nose-Konsens. Das 2012 realisierte bzw. für 2013 erwartete BIP-Wachstum der EU liegt 1,3 bzw. 1,4 Prozentpunkte unter den Werten des Vergleichsszenarios ohne Eurokrise. Da- nach verringert sich der Wachstumsrück- stand. Im Niveau fällt die Wirtschaftsleistung der EU bis 2015 aber um 2,9% unter den Vergleichspfad. Entsprechend bleiben auch die Kurz- und Langfristzinsen unter den Werten des Vergleichsszenarios, und der Eu- ro notiert zum Dollar anhaltend schwächer.

Warum kam die Schweiz trotz Eurokrise relativ gut über die Runden?

Tabelle 2 vergleicht die effektive bzw. un- ter der Annahme einer langsam abflauenden Eurokrise prognostizierte Entwicklung der Schweizer Wirtschaft mit verschiedenen Al- ternativszenarien. Angesichts des Wachs- tumseinbruchs in Europa und der markan- ten Frankenstärke kam die Schweiz mit BIP-Wachstumsraten von 1,9% in 2011 und rund 1% in 2012 erstaunlich gut über die Runden. Auch für 2013 ist gemäss Modell trotz anhaltender Stagnation in Europa ein moderates Wachstum von 1,3% zu erwarten.

Zwei Faktoren haben den Wirtschaftsgang unter den Bedingungen der Eurokrise posi- tiv beeinflusst:

– Die Exporte erwiesen sich gegenüber der weltweiten Wachstumsschwäche und der massiven Aufwertung des Frankens als er- staunlich widerstandsfähig. Dies dürfte auf eine verstärkte Spezialisierung auf we- nig preissensitive Produkte sowie die stark wachsende Bedeutung aussereuropäischer Absatzregionen zurückzuführen sein. Im Modell schlägt sich dies in positiven Resi- duen der Exportgleichung nieder. Setzt man diese Residuen auf Null, so zeigt das Modell die Entwicklung, wie sie gemäss nahmen ohne Eurokrise entwickelt hätte

und diskutieren die Abweichungen der tat- sächlichen Entwicklung von diesem Ver- gleichsszenario. Das für die Simulationen verwendete ökonometrische Modell ist in vielen Anwendungen erprobt, stellt aber – wie jedes andere Modell – ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit dar. Auch deshalb sind die Untersuchungsergebnisse mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren.

Vergleichsszenario «Weltwirtschaft ohne Eurokrise»

Als Beginn der Eurokrise im engeren Sinn kann das Frühjahr 2010 gesehen werden. In- nerhalb kurzer Zeit war damals klar gewor- den, dass es der griechischen Regierung nur mit Hilfe der EU und des IWF gelingen wür- de, einen Staatsbankrott abzuwenden.

Gleichzeitig stiegen die Risikoprämien auf Anleihen der Peripherieländer stark an. Aus- wirkungen auf das aggregierte BIP-Wachs- tum der EU wurden allerdings erst rund ein Jahr später sichtbar. Aus heutiger Sicht etwas erstaunlich rechneten die meisten Prognosti- ker jedoch nicht mit einer markanten Wachs- tumsabschwächung. So prognostizierte z.B.

das Seco im Dezember 2010 für die EU noch Wachstumsraten von 1,7% in 2011 und 2,0%

in 2012 und die KOF von 1,4% in 2011 und 1,8% in 2012. Tatsächlich waren es dann 1,4% bzw. –0,3%. Offensichtlich war man damals der Auffassung, die Eurokrise würde nicht auf die Realwirtschaft übergreifen. Die Ende 2010 veröffentlichten Prognosen für die Weltwirtschaft können mithin als Aus- gangspunkt für die Konstruktion des kon- trafaktischen Vergleichsszenarios dienen.

Ob der damalige Überoptimismus aller- dings allein aus der Vernachlässigung der re- alwirtschaftlichen Auswirkungen der Euro-

Effektive und prognostizierte Entwicklung 2010 2011 2012 2013 2014 2015

BIP EU-15a 2.0 1.4 -0.3 0.3 1.7 2.3

BIP Welt a, b 3.2 2.4 1.1 1.6 2.8 3.2

Euro Kurzfristzinsc 0.8 1.4 0.6 0.3 0.8 1.8

Zins deutsche Staatsanleihenc 2.8 2.7 1.6 1.9 2.9 3.6

Wechselkurs USD/EUR 1.33 1.39 1.29 1.30 1.30 1.30

Vergleichsszenario ohne Eurokrise 2010 2011 2012 2013 2014 2015

BIP EU-15a 2.0 1.5 1.0 1.7 2.4 2.5

BIP Welt a, b 3.2 2.5 2.3 2.7 3.3 3.3

Euro Kurzfristzinsc 0.8 1.4 2.3 2.9 3.3 3.5

Zins deutsche Staatsanleihenc 2.8 2.8 3.4 3.8 4.1 4.2

Wechselkurs USD/EUR 11.33 1.36 1.36 1.36 1.36 1.36

Tabelle 1

Entwicklung der Weltwirtschaft, 2010–2015

a Wachstum in %.

b Gewichtet mit CH-Exportanteilen.

c Niveau in %.

Quelle: Nationale Statistikämter, Consensus Forecasts;

Schmidt, Stalder / Die Volkswirtschaft

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Bevölkerungswachstum kumuliert über die Jahre 2010 bis 2013 einen BIP-Zu- wachs von 0,6% generiert. Dabei fällt der angebotserweiternde Effekt der hohen Zuwanderung etwas stärker aus als die nachfrageseitige Stimulierung der Wirt- schaft (Konsumnachfrage und Woh- nungsbau). Entsprechend sinkt der Infla- tionsdruck; der 3M-Libor kann bei gleichem Inflationsziel tiefer gehalten werden. Das höhere Arbeitsangebot wirkt sich aber negativ auf das Produktivitäts- wachstum und das BIP pro Kopf der Be- völkerung aus. Es schlägt sich in leicht er- höhter Arbeitslosigkeit und einer tieferen Erwerbsquote nieder. Umgekehrt formu- liert wären die Unternehmungen ohne die starke Zuwanderung mit verstärkter Per- sonalknappheit und daher stärker stei- genden Löhnen konfrontiert gewesen, was das BIP-Wachstum gebremst, die Produktivität aber gesteigert und die Ar- beitslosigkeit reduziert hätte.

Den wachstumsstützenden Effekten der robusten Exporte und der starken Zuwande- rung wirkt der Umstand entgegen, dass die Eurokrise die Schweiz in einer Situation traf, in der der 3M-Libor nicht mehr weiter ge- senkt werden konnte. Die Konsequenzen der Zinsuntergrenze lassen sich quantifizieren, indem man in einer Modellsimulation nega- tive Kurzfristzinsen zulässt. Wie Spalte A3 in Tabelle 2 zeigt, wäre der 3M-Libor 2012 auf –1,0% gesenkt worden. Der Franken hätte sich weniger stark aufgewertet, die Inflation wäre nicht so stark in den Negativbereich getaucht, und das BIP-Wachstum wäre 2012 mit 1,46%

spürbar höher ausgefallen, als dies effektiv der Fall war (0,95%). Kumuliert über die Jahre 2010 bis 2013 ergibt sich aus der Zinsunter- grenze ein BIP-Verlust von 1,5%. Dieser nega- tive Effekt ist absolut gesehen grösser als die positiven Effekte der robusten Exporte und der ungebrochenen Zuwanderung. Dabei ist aber zu beachten, dass die Exporte und die Zu- wanderung tatsächlich hätten tiefer ausfallen können, während ein Absenken des 3M-Libor in den Negativbereich keine real existierende Möglichkeit darstellt.

Auswirkungen der Eurokrise auf das BIP-Wachstum

Grafik 1 stellt die effektive bzw. die für 2013 prognostizierte Entwicklung der Schweizer Wirtschaft dem kontrafaktischen Vergleichs- szenario ohne Eurokrise gegenüber. Die ent- sprechenden Jahreswerte finden sich in Tabel­

le 2 in den Spalten A und B. In seiner Rolle als

«sicherer Hafen» hat sich der Franken im Sommer 2011 massiv aufgewertet. Seit der den historisch geschätzten Reaktionspara-

metern zu erwarten gewesen wäre. In den Jahren 2011 und 2012 hätte das Export- wachstum nicht 3,83% bzw. 0,06% betra- gen, sondern wäre mit 2,40% bzw. –0,65%

spürbar tiefer ausgefallen, was sich dämp- fend auf das BIP-Wachstum, die Teue- rung, die Zinsen und das Bevölkerungs- wachstum ausgewirkt hätte. Insgesamt resultiert aus der erstaunlich robusten Exportentwicklung bis Ende 2012 ein po- sitiver BIP-Niveaueffekt von 0,7%.

– Unter dem Regime der Personenfreizügig­

keit hielt das hohe Bevölkerungswachs- tum trotz Konjunkturabkühlung fast un- gebremst an. Um den Einfluss dieses Faktors abzuschätzen, wird anhand des Modells untersucht, was passiert wäre, wenn die Immigration stärker abgenom- men hätte. Im Vergleich zu dieser Simula- tion zeigt sich, dass das anhaltend starke

A) Effektiv a A1) Exporte A2) Weniger A3) Ohne Zins- B) Vergleichs- schwächer b Immigration c untergrenze d szenario ohne

Eurokrise

BIP-Wachstum

2010 3.03 2.99 3.00 3.14 3.03

2011 1.93 1.51 1.79 2.35 2.46

2012 0.95 0.69 0.76 1.46 2.04

2013 1.31 1.27 1.11 1.79 1.41

Exportwachstum

2010 7.50 7.33 7.45 7.73 7.50

2011 3.83 2.40 3.68 4.50 5.22

2012 0.06 –0.65 –0.08 0.58 2.41

2013 3.35 3.60 3.24 3.55 3.65

Inflation (LIK)

2010 0.69 0.69 0.68 0.71 0.69

2011 0.14 0.06 0.11 0.27 0.99

2012 –0.58 –0.78 –0.62 –0.29 0.68

2013 0.49 0.26 0.49 0.92 1.30

3M-Libor

2010 0.19 0.19 0.33 –0.41 0.19

2011 0.12 0.09 0.36 –0.86 0.80

2012 0.07 0.05 0.33 –1.00 1.92

2013 0.05 0.05 0.37 –1.01 2.42

Wechselkurs CHF/EUR

2010 1.38 1.38 1.38 1.39 1.38

2011 1.23 1.23 1.23 1.26 1.33

2012 1.21 1.21 1.20 1.25 1.31

2013 1.21 1.21 1.20 1.26 1.30

Bevölkerungswachstum

2010 1.10 1.10 1.05 1.10 1.10

2011 1.06 1.05 0.86 1.06 1.06

2012 0.92 0.90 0.58 0.95 0.92

2013 0.81 0.78 0.38 0.85 0.81

Tabelle 2

Entwicklung der Schweizer Wirtschaft, 2010–2013

Quelle: BFS, SECO, SNB; Schmidt, Stalder / Die Volkswirtschaft a Effektiv bzw. prognostiziert unter dem Einfluss der Eurokrise.

b Exporte weniger widerstandsfähig gegenüber Aufwertung.

c Weniger Immigration (keine Personenfreizügigkeit).

d Ohne Zinsuntergrenze (3M-Libor kann negativ werden).

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– wie oben erwähnt – sogar auf –1% gesenkt worden. Gemäss Modell ist die Geldpolitik somit derzeit restriktiver als unter den gege- benen Umständen erwünscht. Das schwache BIP-Wachstum und der starke Franken drü- cken die Teuerung für längere Zeit in den Ne- gativbereich. Sie liegt durchschnittlich um et- wa einen Prozentpunkt unter den Werten, die im Vergleichsszenario ohne Eurokrise zu er- warten gewesen wären.

Auswirkungen der Eurokrise auf das Produktionspotenzial

Die Eurokrise wirkte sich auch negativ auf die Entwicklung des Produktionspoten­

zials aus. Wie Grafik 2 zeigt, näherte sich das BIP nach der Finanzkrise bis Ende 2010 von unten dem Potenzialpfad an; d.h. der zuvor negative Output Gap hat sich bis zu diesem Zeitpunkt nahezu geschlossen. Ohne Euro- krise hätte sich der Output Gap 2011 vor- übergehend leicht ins Positive gedreht. Unter dem Einfluss der Eurokrise fiel das BIP 2011 Einführung der Untergrenze durch die SNB

fluktuiert er leicht über dem Mindestkurs von 1,20 CHF/EUR. Damit ist der Franken aber immer noch hoch bewertet, was sich in entsprechenden Residuen der auf Funda- mentalfaktoren basierten Wechselkursglei- chung des Modells widerspiegelt. Im Ver- gleichsszenario sind diese «Schocks» im Sinne einer ungestörten Wechselkursent- wicklung auf null gesetzt, womit die 2011 eingetretene Aufwertung unterbleibt. Zu- sammen mit der besseren Auslandkonjunk- tur ohne Eurokrise setzt sich daher im Ver- gleichsszenario das BIP-Wachstum in der Schweiz ungebrochen fort. Effektiv hat das BIP-Wachstum jedoch seit Anfang 2011 auf- grund der faktischen Frankenstärke und der verschlechterten Auslandkonjunktur deut- lich nachgelassen. Die sich bis Ende 2012 ge- genüber dem Vergleichsszenario öffnende Niveaudifferenz beläuft sich auf 1,7%. Der 3M-Libor, der ohne Eurokrise bereits ab En- de 2010 angehoben worden wäre, bewegt sich nahe bei null und wäre ohne Zinsuntergrenze

Wechselkurse CHF/EUR und CHF/USD

CHF/EUR

CHF/USD

–1.7%

Effektiv bzw. prognostiziert unter dem Einfluss der Eurokrise Vergleichsszenario ohne Eurokrise

2009 2010 2011 2012 2013

0.8 0.9 1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

3M-Libor

2009 2010 2011 2012 2013

0.0 0.4 0.8 1.2 1.6 2.0 2.4 2.8

BIP real in Mrd. CHF

2009 2010 2011 2012 2013

128 130 132 134 136 138 140 142 144

Konsumteuerung gegenüber Vorjahr in %

2009 2010 2011 2012 2013

–1.5 –1.0 –0.5 0.0 0.5 1.0 1.5

Quelle: BFS, SNB, SECO; Schmidt, Stalder / Die Volkswirtschaft Grafik 1

Entwicklung der Schweizer Wirtschaft, 2009–2013

Kasten 1

Bestimmung des Produktions- potenzials

Das diesem Artikel zugrundeliegende ökonometrische Makromodell erklärt die Ent- wicklung des Produktionspotenzials als Folge der Abschreibung alter Produktions- anlagen und der Investitionen in neue Produktionsanlagen:

– Bestehende Anlagen werden umso rascher abgeschrieben (und durch neue Anlagen ersetzt), je stärker die Löhne im Verhältnis zu den Kapitalkosten steigen (und je höher die Rate des technischen Fortschritts auf neuen Produktionsanlagen ist).

– Zudem beeinflusst das Faktorpreisverhält- nis auch das Faktoreinsatzverhältnis auf neuen Produktionsanlagen. Eine relative Verteuerung des Faktors Arbeit hat zur Folge, dass ein bestimmtes Investitions- volumen mit weniger Arbeitseinsatz kombiniert wird, wodurch sich der kapa- zitätserweiternde Effekt der Neuinvesti- tionen verkleinert.

– Das Investitionsvolumen schliesslich hängt von einem Vergleich der effektiven Nach- frage mit der vorhandenen Produktions- kapazität ab.

Die Eurokrise zieht eine temporäre Erhö- hung des Lohn/Kapitalkosten-Verhältnisses und einen Rückgang der effektiven Nachfrage nach sich. Sie dämpft folglich das Potenzial- wachstum über alle drei Kanäle, wobei der Rückgang des Investitionsvolumens empi- risch am stärksten ins Gewicht fällt.

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veren Neuinvestitionen niederschlägt. Beides wirkt sich negativ auf die Entwicklung des Produktionspotenzials aus (siehe Kasten 1).

Auswirkungen der Eurokrise auf die Wirtschaftsstruktur und das Preisgefüge

Die aufgrund der Eurokrise eingetretene Kombination eines überbewerteten Frankens mit rekordtiefen Zinsen hat auch zu be- trächtlichen Verschiebungen in der Wirt­

schaftsstruktur und veränderten relativen Preisen geführt (siehe Grafik 3). Die Wohn- bauinvestitionen wurden durch die günsti- gen Finanzierungskonditionen angetrieben.

Unter dem Einfluss anhaltend tiefer Zinsen übersteigen sie das Vergleichsszenario ohne Eurokrise bis 2015 um rund 5%. Stark nega- tiv betroffen waren demgegenüber die Ex- porte und die Ausrüstungsinvestitionen.

Beim privaten Konsum dominiert zunächst der dämpfende Einfluss der verschlechterten Einkommens- und Arbeitsmarktsituation;

längerfristig überwiegt der stimulierende Ef- fekt der tiefen Zinsen, sodass das Vergleichs- niveau ohne Eurokrise leicht übertroffen wird. Die Importe fallen deutlich unter die Werte des Vergleichsszenarios, was den Ef- fekt der rückläufigen Nachfrage auf das BIP abfedert. Der BIP-Verlust gegenüber dem Vergleichsszenario ohne Eurokrise erreicht 2013 aber trotzdem ein Maximum von 1,7%.

Die veränderte Nachfragestruktur wider- spiegelt sich im Preisgefüge. Positiv beein- flusst von der Eurokrise werden aufgrund der steigenden Immobiliennachfrage einzig die Hauspreise. Sie kommen bis 2015 um gut 4% über das Vergleichsniveau ohne Eurokri- se zu liegen. Alle anderen Preisvariablen fal- len infolge der Aufwertung des Frankens und/oder der rückläufigen Nachfrage unter die Werte des Vergleichsszenarios. Am we- nigsten ist dies für die Baupreise der Fall, weil hier von der kräftigen Nachfrage nach Bauleistungen ein Gegeneffekt ausgeht. Die Löhne sinken zunächst weniger als die Kon- sumentenpreise, so dass die Reallöhne von der Eurokrise in einer ersten Phase positiv beeinflusst werden. Längerfristig kehrt sich der Effekt wegen der verschlechterten Ar- beitsmarktsituation jedoch um. Der Um- stand, dass die Exportpreise stärker fallen als der BIP-Deflator, bringt zum Ausdruck, dass die Exportfirmen auf die Frankenaufwer- tung mit einer Margenverengung reagierten.

Ohne dieses Verhalten wäre das Exportvolu- men noch stärker unter das Vergleichsniveau ohne Eurokrise gefallen. jedoch wieder unter das Produktionspoten-

zial. Der resultierende negative Gap vergrös- sert sich 2013 auf –1,2% und schliesst sich erst Anfang 2015. Dabei ist zu beachten, dass das Produktionspotenzial seinerseits länger- fristig um 1,3% unter das Vergleichsniveau ohne Eurokrise zu liegen kommt. Verant- wortlich dafür sind primär die verminderten Ausrüstungsinvestitionen. Sie fallen um 7%

unter das Vergleichsszenario ohne Eurokrise.

Zudem verändert die Eurokrise in einer ers- ten Phase das Faktorpreisverhältnis zu Un- gunsten des Arbeitseinsatzes (rasch sinkende Kapitalkosten im Verhältnis zu den trägen Löhnen), was sich in einem beschleunigten Abschreibungsrhythmus und kapitalintensi-

Quelle: SECO; Schmidt, Stalder / Die Volkswirtschaft

Quelle: Schmidt, Stalder / Die Volkswirtschaft Grafik 2

BIP und Produktionspotenzial, 2010–2015 Real, in Mrd. CHF

Grafik 3

Wirkung der Eurokrise auf die Verwendungsstruktur des BIP und die relativen Preise, 2010–2015 Abweichungen vom Vergleichsszenario ohne Eurokrise in %

Vergleichsszenario ohne Eurokrise BIP Potenzial

130.0 132.5 135.0 137.5 140.0 142.5 145.0 147.5 150.0

Effektiv bzw. prognostiziert unter der Eurokrise

2010 2011 2012 2013 2014 2015

2010 2011 2012 2013 2014 2015 130.0

132.5 135.0 137.5 140.0 142.5 145.0 147.5 150.0

Verwendungskomponenten des BIP

Konsum BIP Ausrüstungsinvestitionen Exporte Wohnbau Importe

Konsumentenpreise Importpreise

Ausrüstungsinvestitionen Löhne Exportpreise Hauspreise

BIP-Deflator Baupreise

–8 –6 –4 –2 0 2 4 6

Diverse Preise und Löhne

2010 2011 2012 2013 2014 2015

2010 2011 2012 2013 2014 2015 –6

–4 –2 0 2 4 6

Kasten 2

Literatur

– Stalder, P. (2001): Ein ökonometrisches Makromodell für die Schweiz, Quartalsheft 2/2001, Schweizerische Nationalbank, S. 62-89.

– Stalder, P. (2010): Free Migration between the EU and Switzerland: Impacts on the Swiss Economy and Implications for Mone- tary Policy, Swiss Journal of Economics and Statistics 146(4), S. 821–874.

Referenzen

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