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Kein Anspruch auf Erfüllungsübernahme bei durch Vollstreckungsbescheid festgestelltem Schmerzensgeldanspruch

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VG Augsburg, Urteil v. 05.12.2019 – Au 2 K 18.1445 Titel:

Kein Anspruch auf Erfüllungsübernahme bei durch Vollstreckungsbescheid festgestelltem Schmerzensgeldanspruch

Normenketten:

BayBG Art. 97 ZPO § 699 Leitsätze:

1. Ein durch Vollstreckungsbescheid iSv § 699 ZPO zivilrechtlich vollstreckbarer Anspruch auf Schmerzensgeld stellt keinen „rechtskräftig festgestellten Anspruch“ iSv Art. 97 Abs. 1 S. 1 BayBG dar. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

2. Der unbestimmte Rechtsbegriff "unbillige Härte" verlangt die Uneinbringlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs und dafür in der Regel das Vorliegen von vergeblichen Vollstreckungsversuchen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

3. Jedenfalls bei Aufenthalt des Schuldners in einem mit einem funktionsfähigen Justizsystem versehenen EU-Mitgliedstaat kann unter Kostenaspekten verlangt werden, dass eine Vollstreckung im Ausland versucht wird. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Recht der Landesbeamten, Erfüllungsübernahme, tätlicher Angriff auf Polizeibeamten, im Ausland wohnender Schädiger, Notwendigkeit des Nachweises von Vollstreckungsversuchen, durch

Vollstreckungsbescheid geltend gemachter Anspruch auf Schmerzensgeld, Polizeibeamter, tätlicher Angriff, Schmerzensgeld, richterliche Kontrolle, rechtskräftig festgestellter Anspruch, Vollstreckungsbescheid, Vollstreckungstitel, unbillige Härte, Vollstreckungsversuch, Ausland

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Beschluss vom 18.12.2020 – 3 ZB 20.190 Fundstelle:

BeckRS 2019, 35131  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand 1

Der Kläger begehrt die Erfüllung eines gegen einen im Ausland wohnenden Dritten gerichteten und mit Vollstreckungsbescheid rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld aufgrund einer im Dienst erlittenen Schädigung.

2

1. Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter in Diensten des Beklagten.

3

Am 23. Januar 2016 kam es bei einem Einsatz des Klägers und weiterer Kollegen in einem ... Lokal zu einer Auseinandersetzung mit dem Schädiger .... Nachdem sich der Schädiger massiv gegen die beabsichtigte Fesselung wehrte, kniete sich der Kläger schließlich nieder, um den Kopf des sich am Boden befindlichen

(2)

Schädigers mittels beider Knie am Boden zu fixieren. Aufgrund der Abwehrbewegungen des Schädigers schürfte sich der Kläger das Knie auf. Es wurde schließlich durch einen Kollegen des Klägers Pfefferspray gegen den Schädiger eingesetzt. Aufgrund des Pfeffersprays erlitt der Kläger massive Atemprobleme, welche erst am Abend des nächsten Tages wieder nachließen.

4

2. Durch an die britische Adresse des Schädigers adressiertes Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 8. Juni 2016 machte der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 EUR geltend.

5

3. Nach dem Erlass eines Mahnbescheids durch das Amtsgericht ... am 7. März 2017, dem Schädiger zugestellt am 17. April 2017, erging am 22. Juni 2017 ein an die britische Adresse des Schädigers adressierter Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts, zugestellt am 18. August 2017, über einen Gesamtbetrag von 1.395,63 EUR. Dieser Betrag beinhaltet u.a. die Hauptforderung von 1.000,00 EUR.

6

4. Mittels auf den 10. Oktober 2017 datierten Formblatts beantragte der Kläger die Erfüllungsübernahme durch den Beklagten aufgrund eines Schmerzensgeldanspruchs nach Art. 97 BayBG. Hinsichtlich der Frage, ob die Zwangsvollstreckung (teilweise) erfolglos verlaufen sei, kreuzte er „Ja“ an und merkte an, dass „keine Zwangsvollstreckung versucht [worden sei], da [der] Schuldner sich im Ausland“ befinde.

7

5. Mit Bescheid des Landesamts für Finanzen, Dienststelle, vom 18. Juli 2018 wurde der Antrag auf Erfüllungsübernahme abgelehnt.

8

Als Vollstreckungstitel kämen nur rechtskräftige Urteile oder gerichtliche Vergleiche in Betracht.

Vollstreckungstitel, die auf einem gerichtlichen Verfahren beruhten, in dem die Frage der Angemessenheit des Schmerzensgeldanspruchs nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei und damit - wie im Falle eines Vollstreckungsbescheids - auch keiner rechtlichen Kontrolle unterlegen habe, würden nicht von Art.

97 BayBG erfasst. Der Begriff der „rechtskräftigen Feststellung“ sei hierbei so zu verstehen, dass er eine tatsächliche richterliche Kontrolle erfordere, in deren Rahmen die Rechtmäßigkeit von Anspruchsgrund und -höhe gerichtlich festgestellt werde. Eine materiell-rechtliche Prüfung des zugrunde liegenden Anspruchs finde vor dem Erlass eines Vollstreckungsbescheids nicht statt.

9

Im Falle des Klägers fehle es zudem am Vorliegen einer unbilligen Härte als Tatbestandsmerkmal des Art.

97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayBG. Die Uneinbringlichkeit des Anspruchs sei zwingende Voraussetzung für die Erfüllungsübernahme.

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6. Am 20. August 2018 ließ der Kläger Klage erheben. Beantragt ist:

11

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 18. Juli 2018 verpflichtet, die Erfüllung des mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 22. Juni 2017 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld gegen Herrn ... in Höhe von 1.000,00 EUR zu übernehmen.

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Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 21. September 2018 begründet:

13

Vollstreckungsbescheide stellten geeignete Titel im Sinne des Art. 97 BayBG dar. Sie seien nicht explizit ausgenommen. Vielmehr stehe ein Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil nach zivilprozessualen Grundsätzen gleich. Die Nennung eines Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG sei hingegen notwendig, da Vergleiche nicht in Rechtskraft erwüchsen. Bei Vollstreckungsbescheiden sei dies jedoch anders (§ 322 ZPO i.V.m. § 700 Abs. 1 ZPO).

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Der Schutzzweck des Art. 97 BayBG sei, dass ein Beamter, der sich in Gefahr begebe und in Ausübung seines Dienstes verletzt werde, nicht auch das Insolvenz- und Vollstreckungsrisiko des Schädigers tragen müsse. Der Gesetzgeber habe sich mit Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG entschieden, sogar einen Titel aufzunehmen, welcher nicht in Rechtskraft erwachse. Damit habe der Gesetzgeber aber gerade gezeigt, dass er alle sonstigen Titel, welche in materielle Rechtskraft erwüchsen, bereits als umfasst angesehen habe. Denn mit der Aufnahme des Vergleichs in Art. 97 BayBG habe der Gesetzgeber den

Anwendungskreis eindeutig erweitern, nicht lediglich spezieller regeln wollen.

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Eine unbillige Härte i.S.v. Art. 97 BayBG liege vor. Dafür sei nicht zwingend notwendig, dass es erfolglose Vollstreckungsversuche gegeben habe. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut („insbesondere“) von Art.

97 Abs. 2 BayBG. Die unbillige Härte könne sich auch aus anderen Umständen ergeben. Der Kläger versuche bereits seit zwei Jahren, seine Ansprüche gegen den Schädiger durchzusetzen. Aufgrund dessen Ansässigkeit im Ausland habe der Kläger bereits erhebliche Kosten für die Rechtsverfolgung gehabt.

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7. Der Beklagte beantragt durch Schreiben vom 12. November 2018, 17

die Klage abzuweisen.

18

Zur Begründung wird zunächst auf den Bescheid vom 18. Juli 2018 verwiesen.

19

Die Uneinbringbarkeit des Anspruchs sei zwingende Voraussetzung für die Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen. Nur wenn die Uneinbringlichkeit des Anspruchs zu einer unbilligen Härte führe, bestehe aus Fürsorgegründen die Möglichkeit einer Erfüllungsübernahme (vgl. die

Gesetzesbegründung zu Art. 97 BayBG: LT-Drs. 17/2871, S. 44 f.). Der Schmerzensgeldanspruch sei ein Anspruch höchstpersönlichen Natur, weshalb es primär dem Beamten obliege, seine

Schmerzensgeldansprüche zu befriedigen. Der Einwand, dass der Schuldner sich im Ausland befinde und eine Vollstreckung deswegen kostenintensiver sei, vermöge keine unbillige Härte zu rechtfertigen.

20

Es fehle auch an einer rechtskräftigen Feststellung des Schmerzensgeldanspruchs im Sinne des Art. 97 BayBG. Nur durch eine nachvollziehbare zivilrechtliche Prüfung des Anspruches nach Grund und Höhe könnten zivilprozessual zwar zulässige, von der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht aber nicht gedeckte Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG stelle aus diesem Grund auch gerichtliche Vergleiche einer rechtskräftigen Feststellung nur unter der zusätzlichen Voraussetzung gleich, dass das Schmerzensgeld der Höhe nach angemessen sei.

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8. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. November 2018 nahm der Kläger zum Schriftsatz des Beklagten vom 12. November 2018 Stellung.

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Die Uneinbringlichkeit bzw. Erfolglosigkeit des Vollstreckungsversuches sei nur ein Regelbeispiel für das Merkmal der unbilligen Härte und nicht ein originäres Tatbestandsmerkmal. Art. 97 BayBG beruhe auf der politischen Forderung, der gegenwärtig wachsenden Gewaltbereitschaft [Hervorhebung im Original]

insbesondere gegenüber Polizeibeamten ein klares Signal der Wertschätzung für die betroffenen Beamten entgegenzusetzen. In diesem Zusammenhang sei es im Lichte der Fürsorgepflicht des Dienstherrn als nicht hinnehmbar erachtet worden, dass Polizeibeamte zum Wohle der Allgemeinheit sowie für ihren Dienstherrn regelmäßig ihre Gesundheit riskierten und selbst das Insolvenz- und Ausfallrisiko tragen müssten.

23

Sofern sich der betroffene Polizist und der Schädiger innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik befänden, möge es daher richtig sein, wenn ein erfolgloser Vollstreckungsversuch vorausgesetzt werde. Die

Vermögenslosigkeit des Schädigers sei jedoch nicht per se Tatbestandsmerkmal. Gerade das Bestehen der Mindestschadensgrenze stütze diese Argumentation.

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(4)

Selbst wenn man der Argumentation des Beklagten folge, dass allein die richterliche Kontrolle, welche beim Vollstreckungsbescheid fehle, der ausschlaggebende Punkt sei, müsse der Beklagte eine

Plausibilitätsprüfung selbst vornehmen. Nehme man hierbei eine planwidrige Regelungslücke an, biete sich jedenfalls eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG auch auf Vollstreckungsbescheide an.

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9. Mit Schriftsatz vom 4. März 2019 vertiefte der Beklagte seine Argumentation. Mit Schriftsatz vom 14.

März 2019 äußerte sich der Bevollmächtigte des Klägers abschließend zur Sache.

26

10. Am 5. Dezember 2019 fand mündliche Verhandlung statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Die Beteiligten wiederholten die schriftsätzlich angekündigten Anträge.

27

11. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 28

Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme nach Art.

97 BayBG hat. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

29

Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erfüllungsübernahme bzw. auf

ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erfüllungsübernahme nicht zu, da vorliegend kein „rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld“ i.S.v. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG vorliegt (1.). Darüber hinaus ist im Fall des Klägers auch keine „unbillige Härte“ im Sinne der genannten Vorschrift gegeben (2.).

30

1. Ein durch Vollstreckungsbescheid i.S.v. § 699 ZPO zivilrechtlich vollstreckbarer Anspruch auf

Schmerzensgeld stellt keinen „rechtskräftig festgestellten Anspruch“ i.S.v. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG dar.

31

Dies ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, da die Norm (lediglich) einen rechtskräftig festgestellten Anspruch verlangt. Gemäß § 700 Abs. 1 ZPO steht ein Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Nach Ablauf der Einspruchsfrist wird der

Vollstreckungsbescheid bei Nichteinlegung des Einspruchs formell und materiell rechtskräftig (vgl. Schüler in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 700, Rn. 9 ff. m.w.N.). Dass der Anspruch „festgestellt“

worden sein muss, schließt den durch Vollstreckungsbescheid geltend gemachten

Schmerzensgeldanspruch nicht aus, da auch zivilrechtliche Leistungsurteile auf Schmerzensgeld - welche unstreitig von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG erfasst sein dürften - den Schmerzensgeldanspruch nicht ausdrücklich in der Tenorierung feststellen, sondern zu einer Zahlung verurteilen (vgl. Pukall/Kießling in Pukall, Der Zivilprozess in der Praxis, 7. Aufl. 2013, Rn. 1194).

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In systematischer Hinsicht aber ist zu beachten, dass Art. 97 BayBG schon in seinem dritten Absatz (Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG) davon spricht, dass „[d]ie Übernahme der Erfüllung [..] innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils [..] zu beantragen [ist]“ (Hervorhebung nicht im Original). Dies deutet daraufhin, dass der primäre Anwendungsfall des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG grundsätzlich der durch gerichtliches Urteil festgestellte Schmerzensgeldanspruch ist, sodass anderweitig zivilrechtlich rechtskräftig festgestellte Ansprüche - wie solche aufgrund Vollstreckungsbescheid - für den

Landesgesetzgeber nicht im Blickfeld standen.

33

Dass ein Vollstreckungsbescheid nach Zivilprozessrecht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten

Versäumnisurteil gleichsteht (s.o.), ändert daran nichts. Denn erstens wird der Vollstreckungsbescheid zwar dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich gestellt, es wird aber keine Fiktion im

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eigentlichen Sinne formuliert (vgl.: § 105a Satz 1 BGB „gilt als“). Mit anderen Worten „ist“ der

Vollstreckungsbescheid auch nach der Formulierung des Bundesgesetzgebers kein (Versäumnis-)Urteil.

Zweitens ist auch für Versäumnisurteile fraglich, ob der Landesgesetzgeber sie aufgrund der nur eingeschränkten richterlichen Kontrolle des klägerischen Vortrags auf Schlüssigkeit unter Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG fassen wollte (vgl. Buchard in Brinktrine/Voitl, BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand 1.4.2019, Art. 97 Rn. 21 ff.).

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Auch Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG stützt die Auslegung, dass der Landesgesetzgeber vor allem durch Urteil festgestellte Schmerzensgeldansprüche erfassen wollte. Diese Regelung stellt unter bestimmten

Bedingungen einen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der rechtskräftigen Feststellung i.S.v. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gleich. Zwar können Vergleiche - wie dies auch bei Vollstreckungsbescheiden der Fall ist - auch ohne wirkliche richterliche Inhaltskontrolle geschlossen werden, sie können aber nicht in

(materielle) Rechtskraft erwachsen (vgl. Wolfsteiner in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, Rn.

90 m.w.N.). Insofern enthält Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG eine Abweichung zu dem in Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG enthaltenen Tatbestandsmerkmal des „rechtskräftig“ festgestellten Schmerzensgeldanspruchs. Die in Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG geregelte Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gerade in Bezug auf die Rechtskraft des zugrunde liegenden Titels, ermöglicht aber nicht den Rückschluss, dass von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG auch im Generellen solche zivilrechtlichen Titel umfasst sein sollen, die zwar rechtskraftfähig sind, bei denen es aber an der richterlichen Inhaltskontrolle fehlt. Mit anderen Worten lässt sich der Tatbestandserweiterung des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG zu der Frage, ob von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG alle rechtskraftfähigen Titel erfasst werden, oder nur solche, die einer richterlichen Inhaltskontrolle unterlagen, kein durchgreifendes für die erste Alternative sprechendes Argument entnehmen.

35

Vielmehr wird durch den Verweis auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und den dort genannten Vergleich deutlich, dass auch in diesen Fällen stets die Mitwirkung eines Richters oder zumindest eines unparteiischen

Schlichters (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BaySchlG) erforderlich ist und damit eine nichtförmliche Einflussnahme des Richters bzw. des Schlichters zumindest möglich bleibt. Im Rahmen des Erlasses eines

Vollstreckungsbescheids wird ein Richter aber grundsätzlich nicht tätig (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 RpflG).

36

Seinem Sinn und Zweck nach soll Art. 97 BayBG eine Ergänzung für solche Fälle sein, in denen die in Art.

45 ff. BayBeamtVG normierte Unfallfürsorge als ansonsten umfassender Ausgleich der durch einen Dienstunfall eingetretenen materiellen und immateriellen Schäden keine angemessene Abdeckung von besonderen Härten bietet. Dies gilt insbesondere für den Schmerzensgeldanspruch, der einen immateriellen Schaden betrifft und auch im Zivilrecht eine Sonderstellung einnimmt, da ihm vor allem eine

Genugtuungsfunktion zukommt. Grundsätzlich soll es der Beamte selbst sein, welcher den

Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Schädiger geltend macht (vgl. LT-Drs. 17/2871, S. 48 f.).

Dadurch kommt der grundsätzliche „subsidiäre“ Charakter des Art. 97 BayBG zum Ausdruck, welcher den Dienstherrn nicht prinzipiell als ersten Adressaten für eine gegen einen Dritten gerichtete

Schmerzensgeldforderung etablieren will. Art. 97 BayBG soll dem Beamten nur in Ausnahmefällen weiterhelfen, nicht jedoch den normativen Regelfall darstellen. Der insofern betonte Charakter als

„Ausnahmetatbestand“ lässt nicht auf eine „weite“ Auslegung des Tatbestands schließen, sondern indiziert, dass der Landesgesetzgeber von einer engen Auslegung ausging. Dies spricht dafür, die Norm vorwiegend auf den in Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG zum Ausdruck kommenden „Regelfall“ des durch Urteil

festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld anzuwenden (s.o.).

37

Durch Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG wird zudem deutlich, dass ein zivilrechtlicher Vollstreckungstitel, welcher tatbestandlich nicht von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG erfasst ist, nur unter der zusätzlichen Bedingung der Angemessenheit für die Erfüllungsübernahme ausreichen soll. Dies ist ein Ausgleich dafür, dass bei einem gerichtlichen Vergleich eine direkte richterliche Kontrolle der Höhe des titulierten Schmerzensgeldes nicht gegeben ist und der Dienstherr keinen Einfluss auf das Ergebnis der gütlichen Einigung hat (vgl. VG Ansbach, U.v. 25.7.2019 - AN 1 K 18.1545 - BeckRS 2019, 20662 Rn. 78 f.; Buchard in Brinktrine/Voitl, BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand 1.4.2019, Art. 97 Rn. 25.1 ff.).

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38

Gerade diese Zielrichtung des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG, welcher den Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG in Bezug auf dessen Wortlaut auf Tatbestandsseite erweitert und gleichzeitig aber die Ausweitung nur auf bestimmten inhaltlichen Bedingungen genügende Vergleiche begrenzt, zeigt, dass der Dienstherr nicht für solche Schmerzensgeldansprüche Adressat sein soll, welche ohne jegliche Form einer inhaltlichen (Angemessenheits-)Kontrolle zivilrechtlich tituliert wurden.

39

Letztlich scheidet auch eine analoge Anwendung des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG auf

Vollstreckungsbescheide aus. Die hierzu notwendige planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor, da das Gesetz ausdrücklich auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verweist. Nicht anzunehmen ist, dass § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unbeabsichtigt übersehen wurde (vgl. auch Buchard in Brinktrine/Voitl, BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand 1.4.2019, Art. 97 Rn. 19.2). Zudem dürfte es auch an einer vergleichbaren Interessenslage fehlen, da die erfassten Vergleiche stets unter Mitwirkung eines neutralen Dritten geschlossen werden. Somit ist immer schon eine gewisse vorgeschaltete indirekte Inhaltskontrolle vorhanden, sodass das Interesse des Dienstherrns vor einer Inanspruchnahme in ungerechtfertigter Höhe zusätzlich geschützt wird. Bei einem Vollstreckungsbescheid gibt es aber selbst diese „indirekte“ Vorprüfung nicht.

40

2. Im Übrigen kann sich der Kläger auch deswegen nicht auf Art. 97 BayBG berufen, weil hier keine

„unbillige Härte“ i.S.v. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gegeben ist.

41

Es ist grundsätzlich und auch hier im konkreten Fall davon auszugehen, dass dieser unbestimmte

Rechtsbegriff die Uneinbringlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs und dafür (in der Regel) das Vorliegen von vergeblichen Vollstreckungsversuchen verlangt.

42

Dafür spricht zunächst Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG, der zwar „nur“ die Geltendmachung des Anspruchs auf Erfüllungsübernahme bzw. des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die

Erfüllungsübernahme betrifft, aber ausdrücklich den „Nachweis der Vollstreckungsversuche“ (Hervorhebung nicht im Original) fordert. Von diesem Nachweiserfordernis ist keine (ausdrückliche) Ausnahme vorgesehen.

Aus der Verwendung des Plurals wird sogar teilweise gefolgert, dass mindestens zwei erfolglose

Vollstreckungsversuche zu verlangen sind (vgl. Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand August 2019, Art. 97 Rn. 8 BayBG).

43

Diese durch vergebliche Vollstreckungsversuche nachgewiesene Uneinbringlichkeit der Schmerzensgeldforderung entspricht auch dem aus der Gesetzesbegründung hervorgehenden

„subsidiären“ Charakter des Art. 97 BayBG (s.o.). Grundsätzlich soll der Beamte seinen höchstpersönlichen Schmerzensgeldanspruch selbst gegenüber dem Dritten geltend machen. Der titulierte Anspruch an sich soll nicht ausreichen, sondern es bedarf auch des Versuchs einer Zwangsvollstreckung (vgl. LT-Drs.

17/2871, S. 48/49).

44

Dieser Auffassung kann auch nicht die Regelung des Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG entgegengehalten werden. Soweit dort geregelt ist, dass eine unbillige Härte „insbesondere“ vorliegt, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 EUR erfolglos geblieben ist, heißt dies nicht, dass es zwingend auch Fälle der unbilligen Härte geben muss, in welchen die Vollstreckung über einen Betrag von 500 EUR nicht erfolglos geblieben ist. Die Formulierung der Regelung („insbesondere“) kann vielmehr auch so verstanden werden, dass sie sich auf die Höhe des Betrags bezieht, über welchen eine Vollstreckung erfolglos

geblieben sein muss und nicht auf die Vergeblichkeit der Vollstreckung. Mit anderen Worten setzt Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG voraus, dass es auch Fälle der unbilligen Härte geben kann, in welchen die Vollstreckung über einen Betrag von weniger als 500 EUR erfolgt und vergeblich geblieben ist. Für eine solche Auslegung spricht, dass damit Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG in Einklang mit der Gesetzesgenese und Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG gebracht werden kann.

45

(7)

Ob im Hinblick auf die oftmals schwierige Vollstreckung gegenüber im Ausland lebenden Schädigern bzw.

deren ggf. faktische Unmöglichkeit ein Vollstreckungsversuch im Einzelfall als nicht notwendig anzusehen ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls für einen mit einem funktionsfähigen Justizsystem versehenen Staat wie Großbritannien, welcher zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch Mitglied in der Europäischen Union ist, kann auch unter Kostenaspekten verlangt werden, auf das unionsrechtliche Vollstreckungsregime der Verordnung Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21. April 2004 zurückzugreifen (vgl. auch Buchard in Brinktrine/Voitl, BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand 1.4.2019, Art. 97 Rn. 40.5).

46

3. Nachdem die Klage ohne Erfolg bleibt, hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

48

4. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§§ 124a, 124 VwGO).

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