KLIMAWANDELS AUF DIE
TRINKWASSERVERSORGUNG
Anpassungsstrategien
zur Daseinsvorsorge
Stand: 18. Dezember 2018
1 Einleitung
2 Grundwasserneubildung 3 Wasserbedarf
4 Anpassungsstrategien
1. EINLEITUNG
Die öffentliche Trinkwasserversorgung ist durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren in ihrer Hauptaufgabe der Daseinsvorsorge gefährdet. Vulnerabilität äußert sich einerseits quanti- tativ in kurzfristigen Versorgungsengpässen (z.B. durch Rohrbrüche oder während trocke- ner Sommerwochen), die zeitlich auf Stunden oder Tage begrenzt sind. Qualitative Prob- leme lassen sich letztendlich durch entsprechende Aufbereitung des Trinkwassers behe- ben während man auf einen klimabedingten Grundwassermangel keinen Einfluss hat.
„Neue“ Vulnerabilitäten, wie Bedrohungsszenarien durch Hackerangriffe, Anschläge und Naturkatastrophen sowie insbesondere hydrologische Veränderungen durch einen in sei- nen wirklichen Ausmaßen noch immer nicht richtig abschätzbaren Klimawandel können aber durchaus zu Beeinträchtigungen einer dauerhaften und langfristigen Bereitstellung von Trinkwasser in ausreichender Menge und Qualität führen.
Vorrangige Aufgabe der Wasserwirtschaftsverwaltung ist die nachhaltige Bewirtschaftung der Wasservorräte im Land. Dazu gehört die Berücksichtigung aktueller sowie voraus- schauend auch künftiger klimatischer und hydrologischer Veränderungen.
2. GRUNDWASSERNEUBILDUNG
Klimaexperten sagen für die Zukunft höhere Jahresmitteltemperaturen und höhere Nieder- schlagsmengen während des hydrologischen Winterhalbjahres voraus. Die Klimabeobach- tung in Rheinland-Pfalz zeigt in der Tat eine Zunahme der Jahresmitteltemperatur in den letzten 15 Jahren um ca. 1 °C (Abb. 1) während die jährlichen Niederschlagsmengen im selben Zeitraum abgenommen haben (Abb. 2).
Abb. 1: Jahresmitteltemperatur von 1951 bis 2015
Bei höherer Temperatur „verkürzt“ sich das sogenannte hydrologische Winterhalbjahr, die Vegetationsperiode beginnt früher und endet später im Jahr. Da Grundwasserneubildung fast ausschließlich in der vegetationsfreien Zeit stattfindet, steht nunmehr ein kürzerer Zeit- raum für die Grundwassererneuerung zur Verfügung.
Abb. 2: Niederschlagsjahressummen von 1951 bis 2015
Die Niederschläge sind in den letzten 15 Jahren um etwa 3 % gegenüber dem vieljährigen Mittel zurückgegangen. In Verbindung mit einer temperaturbedingten Erhöhung der Ver- dunstung um etwa 2 % im gleichen Zeitraum führte das zu einem Rückgang der Grund- wasserneubildung um rd. 12 % (Tab. 1), (Abb. 3). Betrachtet man lediglich die letzten fünf Jahre, so fällt der Rückgang der Grundwasserneubildung mit 22 % gegenüber der langen Reihe noch deutlicher aus.
Tab. 1: Rheinland-pfälzische Wasserhaushaltskomponentern im zeitlichen Vergleich
Vieljähriges Jahresmittel Reihe 1951-2010 Reihe 2001–2015 Änderung
Temperatur 8,9o C 9,7o C + 0,8o C
Niederschlag 788 mm 765 mm - 3,0 %
Verdunstung 510 mm 519 mm + 1,8 %
Gesamtabfluss 278 mm 246 mm - 11,5 %
Grundwasserneubildung 104 mm 92 mm - 11.5 %
Abb. 3: Grundwasserneubildungssummen von 1951 bis 2015
Besonders Quellen in ergiebigen Gesteinen sind sehr verwundbar. Das Wasser fließt schnell im Untergrund und Niederschlagsdefizite im Winter machen sich umgehend durch einen Rückgang der Quellschüttung bemerkbar (Abb. 4).
Abb. 4: Schüttungsganglinie der Quelle 5526 Waldböckelheim
Allerdings sind auch die Talsperren gefährdet, da diese zum Teil von Quellschüttungen abhängig sind. Seit 2003 ist es zwar wärmer geworden, die Niederschlagsmengen insbe- sondere in den Winterhalbjahren sind jedoch nicht angestiegen, so dass die Grundwasser- neubildung in diesen Jahren unterdurchschnittlich war. Das seit 15 Jahren deutlich vermin- derte Grundwasserdargebot zeigt sich an Quellschüttungen wie auch an Grundwasser- ständen (Abb. 5).
Abb. 5: Grundwasserstände der Messstelle 1019 Winden
Zum Ausgleich des derzeitigen Grundwasserdefizits sind mehrere Jahre mit überduch- schnittlicher Grundwasserneubildung erforderlich. Sollte sich der Klimawandel in Zukunft so weiterentwickeln, könnten die aus heutiger Sicht extremen Jahre zur Normalität werden.
Die Arbeitsgruppe Grundwasser des Arbeitskreises Klimaveränderung und Wasserwirt- schaft (KLIWA) hat für die südlichen Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg eine Sensitivitätsanalyse für die Grundwasserneubildung bei geänder- ten klimatischen Bedingungen erarbeitet. Dabei wurde die jeweils “trockenste“ Dekade je- des Naturraums mit dem vieljährigen Mittel der Reihe 1951 bis 2010 verglichen. Es zeigt sich, dass in Rheinland-Pfalz gerade in den ergiebigsten Naturräumen (Pfälzerwald und Oberrheingraben) mit dem stärksten Rückgang der Grundwasserneubildung (mehr als 25 % Rückgang) zu rechnen ist. In den übrigen Landesteilen geht man von einem Rück- gang der Grundwasserneubildung zwischen 15 und 25 % aus (Abb. 6). Sollte sich dieser Trend in Zukunft bestätigen bzw. fortsetzen, erfordert dies neue Strategien und eine An- passung der bisherigen Grundwasserbewirtschaftung.
Abb. 6: Darstellung des Grundwasserdargebots in Trockenzeiten im Vergleich zu dem in Normalzeiten (die jeweils trockenste Dekade eines Naturraums wird mit dem vieljärigen Mittel der Reihe 1951 bis 2010 verglichen)
3. WASSERBEDARF
Für die öffentliche Trinkwasserversorgung werden rd. 236 Mio. m³/a Grundwasser geför- dert. Die Entnahmen setzen sich wie folgt zusammen:
1268 Brunnen 192,5 Mio. m³/a 964 Quellen 37,0 Mio. m³/a 2 Talsperren 6,5 Mio. m³/a
Darüber hinaus werden ca. 100 Mio. m³/a Grundwasser für die private und gewerbliche Wasserversorgung sowie für die landwirtschaftliche Feldberegnung benötigt.
Das nutzbare Grundwasserdargebot in Rheinland-Pfalz wird in der derzeitigen Struktur der Wasserversorgung weitgehend ausgeschöpft. Es bestehen landesweit nur geringe Re- serven an nutzbarem Dargebot. Eine weitere Erschließung von Grundwasserresourcen ist nur begrenzt möglich und mit hohem wirtschaftlichen Aufwand verbunden.
Regionen mit knappem nutzbarem Grundwasserdargebot (Abb. 7) sind insbesondere
der Rhein-Lahn-Kreis,
der westliche Hunsrück,
das Ferschweiler Plateau in der Westeifel,
der Raum Grünstadt
sowie der Raum Landau-Bad Bergzabern.
Diese Gebiete liegen in Mittelgebirgsregionen oder an deren Rand, mit einem hohen Anteil an Quellwasser-Versorgung. Die in größerer Höhe in Kammnähe austretenden Quellen (Oberhangquellen) sind durch einen Rückgang der Grundwasserneubildung am ehesten verwundbar. Eine Ausweitung der Grundwassergewinnung bzw. die Kompensation von zurückgehendem Grundwasserdargebot ist in diesen Gebieten kaum möglich. Zur langfris- tigen Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung müssen hier regionale bzw.
überregionale Verbundlösungen geschaffen werden.
Ähnliches gilt auch für Talsperren, die von Quellen und Oberflächengewässern gespeist werden. Auch sie sind mittelbar von einem zurück gehenden Grundwasserdargebot ab- hängig und müssen langfristig durch Verbundlösungen abgesichert werden.
Abb. 7: Mittlere jährliche Grundwasserneubildung und Entnahmen durch die öffentliche Wasserversorgung in Rheinland-Pfalz
4. ANPASSUNGSSTRATEGIEN
Die nachfolgenden Anpassungsstrategien sollen sowohl derzeitigen als auch künftigen quantitativen und qualitativen Vulnerabilitäten der öffentlichen Trinkwasserversorgung ent- gegenwirken:
Mengenmäßige Aspekte
Vergabe von gehobenen Erlaubnissen statt Bewilligungen
für die öffentliche Wasserversorgung, um von behördlicher Seite (auch im Interesse des Begünstigten!) auf sich verändernde hydrologische Verhältnisse flexibler reagieren zu kön- nen.
Vergabe von befristeten Wasserrechten
um von behördlicher Seite wie auch von Seiten des Begünstigten nach einer festgelegten Zeitspanne die Entnahmemengen hydrologisch neu beurteilen zu müssen.
Berücksichtigung reduzierter Grundwasserneubildung
durch Orientierung des Wasserrechts am nutzbaren Grundwasserdargebot in Trockenzei- ten, d. h., an Zeiten mit mehrjährig unterdurchschnittlicher Grundwasserneubildung.
Durchführung von Langzeitpumpversuchen
bei der Erschließung von neuen Gewinnungsgebieten bzw. bei der Erhöhung der Entnah- men in bestehenden Gewinnungsgebieten. Es müssen Pumpversuche über einen Zeitraum von mehreren Jahren zur Verifizierung der genehmigten Entnahmemengen durchgeführt werden.
Schutz tiefer Grundwasserstockwerke
durch einen Entnahmevorbehalt für die öffentliche Wasserversorgung (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 LWG). Das hochqualitative Grundwasser im tieferen Untergrund soll langfristig für die Trinkwasserversorgung erhalten bleiben.
Versorgungsverbünde
zur Sicherstellung der Wasserversorgung und zum Ausgleich von Wassermangel- und überschussgebieten sind weiter auszubauen.
Politische Zielsetzungen
Unterstützung der Entwicklung einer ökologischen Landwirtschaft
zur Verringerung von diffusen Stoffeinträgen in das Grundwasser, denn Schadstoffe wer- den bei zurückgehender Neubildung im Grundwasser aufkonzentriert.
Trinkwasserschutzgebiete
sind im erforderlichen Umfang fachlich qualifiziert auszuweisen und mit den zum langfristi- gen Schutz der Gewinnungsanlagen erforderlichen Ver- und Geboten mittels Rechtsver- ordnung festzusetzen. Vorsorgender und nachhaltiger Schutz von Gewinnungsanlagen vor Beeinträchtigungen (Beweidung, Intensivlandwirtschaft etc.) ist zu gewährleisten.
Verringerung von Rohrnetzverlusten
durch weitere finanzielle Förderung entsprechender Sanierungsmaßnahmen.
Sanierung diffuser Belastungen des oberen Grundwasserleiters
zur qualitativen Verbesserung des oberflächennahen Grundwassers wie auch zum qualita- tiven Schutz des tieferen Grundwassers. Damit soll langfristig die Gewinnungsmöglichkeit aus tiefen Grundwasserstockwerken gesichert bzw. wieder hergestellt werden.
Schutz von Gewinnungsanlagen vor Extremhochwässern in Tallagen durch Höherlegung der Brunnenköpfe.
Planerische Aspekte
Ermittlung der zukünftigen nutzbaren Grundwasserdargebotsreserven
durch Korrektur der bisherigen Dargebotsreserven aus dem Wasserversorgungsplan, der für Rheinland-Pfalz in den 1990er-Jahren aufgestellt wurde.
Erkundung potenzieller Standorte von Gewinnungsanlagen
zur Erschließung von durch Uferfiltrat angereichertem Grundwasser und von Gewinnungs- anlagen in wasserhöffigen Regionen sowie darauf aufbauende Konzeptionierung von über- regionaler Wasserversorgung.
Ermittlung von quantitativen und qualitativen Vulnerabilitäten
durch geeignete landesweite Modellrechnungen. Damit sollen Maßnahmenschwerpunkte verortet werden
Nutzung der Instrumente der Raumplanung
um fachlich qualifizierte Abgrenzungen von wasserhöffigen Gebieten durchzusetzen bzw.
zu erhalten (Vorrang- und Vorbehaltsgebiete zur Trinkwassergewinnung).
Nutzung des Instruments der Wasserversorgungsplanung (§ 53 LWG)