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Über meinen Glauben reden

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Academic year: 2022

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Friedhardt Gutsche / Martin Schrott

Über meinen Glauben reden

Lernen, sprachfähig zu werden

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Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelstellen folgender Übersetzung entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe

© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Mit EÜ gekennzeichnete Verse sind entnommen der Einheitsüber­

setzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

Mit NGÜ gekennzeichnete Verse sind entnommen der Neuen Genfer Übersetzung ­ Neues Testament und Psalmen Copyright

© 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d­nb.de abrufbar.

© 2017 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen­Vluyn Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Vogelsang Design, Aachen unter Verwendung eines Bildes von fotolia.com, © lklyt Lektorat: Hauke Burgarth, Pohlheim

DTP: Magdalene Krumbeck, Wuppertal

Verwendete Schrift: Bembo Std, Quay Sans ITC Std Gesamtherstellung: Finidr, s.r.o

Printed in Czech Republic ISBN 978–3­7615–6448­6 Print ISBN 978–3­7615–6449­3 E­Book www.neukirchener­verlage.de

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Inhalt

Vorwort ... 7 Hinführung ... 9 Reden, nicht schweigen – versuchen wir’s! ... 9 Was uns vor allem Weitersagen

klar sein sollte ... 15 1. Für mich klären, was mich trägt, hält und

hoffen lässt ... 15 2. Das Evangelium als Beziehungsbotschaft begreifen ... 18 3. Weitergeben, was uns wichtig ist ... 20 4. Weitersagen, Zeuge sein – was dazugehört und

gemeint ist ... 23 5. Ehren und wertschätzen – sich öffnen und

sich mitteilen ... 27 6. Beweglich in der Form, fest verortet im

Inhalt des Evangeliums ... 32 Kurzformulierungen des Glaubens finden

und erläutern ... 43 1. Kurze Glaubenssätze im Alten und Neuen Testament ... 43 2. Rechenschaft über den Glauben ablegen nach

1. Petrus 3,15 ... 45 3. Du bist willkommen ... 55 4. Du hast einen Wegweiser und Wegbegleiter ... 60

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5. Du musst nicht mehr mit dir alleine sein ... 65 6. Du kannst befreit aufatmen und entlastet

weitergehen ... 70 7. Du bist aus Liebe zur Liebe geschaffen ... 76 8. Du hast in Jesus den, der Böses in Gutes verwandelt ... 81 9. Du bist eine gute Gabe Gottes an diese Welt ... 87 10. Du bist gehalten und deshalb wirst du durchhalten... 93 11. Du hast in Jesus das »Ein und Alles« ... 98 12. Du bist auf gutem Weg und wirst mit der

ganzen Welt heil werden ... 103 Voneinander lernen – andere Texte

zur »Sprachfähigkeit« aufgreifen ... 109 1. Den Glauben in vier kurzen Sätzen gefasst

und erläutert... 109 2. Die Urwünsche der Menschen und das Evangelium

aufeinander beziehen ... 114 3. Reden von Gott in der Welt – heute in

unserer Zeit ... 121 4. Von Formulierungen anderer lernen und sich

anregen lassen ... 125 Bausteine und Seminare zu »Im Glauben

sprachfähig werden« ... 131 1. 20 Bausteine und erpropte Übungen als Angebot ... 131 2. Programmvorschläge für Seminare und

Mitarbeitertage ... 158 Zitate ... 167

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Vorwort

Warum gelingt es so selten, mit anderen über den Glau­

ben zu sprechen? Ihnen mitzuteilen, was mir, uns wichtig, ja das Wichtigste ist. Wir wollen dazu anregen und ermu­

tigen, dies gemeinsam einzuüben, sprachfähig und aus­

kunftsfähig zu werden.

Viele tun sich schwer, über Persönliches zu reden. Religi­

on und persönlicher Glaube sind Privatsache geworden, gehören in die Privatsphäre – darüber spricht man nicht.

Und worüber man nicht spricht, dafür hat man oft keine Worte mehr.

Manche haben Angst, ein umfassendes Bekenntnis able­

gen zu müssen, weil sie sonst von der Gruppe oder der Ge­

meinde nicht als Christ akzeptiert werden: Ganz oder gar nicht heißt die Parole. Einen halben Glauben gibt es nicht.

Andere halten sich zurück, weil sie selbst noch auf der Suche sind, bei wichtigen Glaubensaussagen noch schwanken oder erhebliche Zweifel haben. Sie fürchten, alles sagen zu müssen, wozu sie im Augenblick noch nicht in der Lage sind. Aber gerade Selbst­noch­Suchende kön­

nen anderen suchenden Menschen oft gute Gesprächs­

partner sein.

Viele haben Bedenken, ob sich der Glaube in einem kurzen Satz ausdrücken lässt.

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Aber es ist wie in der Liebe: »Ich mag dich!« sagt oft mehr als viele Worte.

Manche fürchten, zu wenig zu sagen, es geht doch um

»the full Gospel«. Nur wenn ich alles sage, kann der an­

dere genau wissen, worauf er sich einlässt. Am Anfang des Johannesevangelium aber gibt es genügend Beispiele, dass ein erster klarer Hinweis Menschen ins Nachdenken und in Bewegung bringt (1,37–46; 4,5–42f.). Alles Weitere kann folgen. Die ersten Schritte sind wichtig.

Andere blockieren sich selbst, weil sie meinen, eine be­

stimmte fromme Sprache gebrauchen zu müssen. Das Pro­

blem ist nur, diese verstehen nur Insider, es geht immer um ein Übersetzen in die Sprache und in die Denke un­

seres Gegenübers. Also: »sprachschöpferisch« werden und Worte aus dem Sprachschatz des anderen heraushören, die ihm vertraut, aber mit anderem Inhalt oder Akzent wei­

terhelfen können.

In kleiner Runde oder in Seminaren zur Sprachfähig­

keit in Sachen christlicher Glaube sind Sätze wie: »Das ist falsch!« oder »Das ist zu wenig christlich!« streng verboten.

Negative Kritik verhindert Offenheit und behindert je­

den Sprechversuch.

Weil der Glaube an Jesus Christus persönlich ist, origi­

nal, deshalb muss jeder seine eigene Sprache finden. Da­

rum können auch wir oft nur im Ich­Stil formulieren.

Die folgenden Seiten wollen ein paar grundlegende Aspekte zum Reden über den Glauben verdeutlichen, aber vor allem durch vielfältige Beispiele zu eigenen Sprechversuchen anregen und anleiten.

Friedhardt Gutsche, Martin Schrott

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Hinführung

Reden, nicht schweigen – versuchen wir’s!

Vier verschiedene Situationen, verschiedene Antworten, aber eine Botschaft

»Warum sind Sie Christ? Ein Satz – oder ich gehe!«

Ein offener Abend im CVJM Hamm in Westfalen. Nach meinem Referat spricht mich ein 16­Jähriger an: »Herr Gutsche, sagen Sie mir in einem Satz, warum Sie Christ sind! Ich habe schon viele andere gefragt und die haben mich alle zugelabert. Ein Satz – oder ich gehe!« Jetzt bin ich dran, muss kurz, knapp und altersgemäß antworten.

Mir rattert vieles durch den Kopf, dann sage ich einen Satz: »Ich bin Christ, weil ich nicht mehr mit mir alleine sein muss, Jesus hält es bei mir aus!« »Wie kommen Sie denn darauf?« Jetzt soll ich mehr sagen als nur einen Satz!

»Naturwissenschaft studieren und an Gott glauben?«

Bei einer internationalen Studentenfreizeit im Schwarz­

wald soll ich die Teilnehmer an der Tür begrüßen. Ein

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Student aus Indien, ein anderer aus Thailand kommen an.

Sofort fragen sie: »Und was studierst du?«, »Mathematik und Theologie!«, »Das geht nicht zusammen. Entweder Wissenschaft oder Theologie!« Die beiden wollen sofort reden, eine Antwort haben. Ich bin nicht vorbereitet, ih­

nen zu antworten, dann geht es doch ganz kurz: »Mich interessieren die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt, und ich glaube an Gott, den Schöpfer, der Ordnung und Ent­

wicklungsschritte in seine Schöpfung hineingelegt hat und der auch mich kennt und mir nahe ist!« Ich kann im Moment nichts anderes sagen. Ihre Reaktion: »Darüber müssen wir später ausführlicher reden!« Das tun wir dann auch!

»Gut, dass mit dem Tod alles vorbei ist«

Nach einer Beerdigung spricht mich jemand an. »Gut, dass einmal alles vorbei ist. Sarg zu. Erde drauf. Schluss. Ende.«

Ich bin etwas geschockt, das kann so nicht stehen bleiben.

Aber was soll und kann ich jetzt sagen? Ich krame meine letzten Gedanken zusammen: »Ich glaube, Gottes Wege mit uns enden nicht an den Gräbern! Da kommt noch was!« Ich sehe in ein verdutztes Gesicht. »Sagen Sie bloß, Sie glauben an ein Weiterleben nach dem Tod?! Aber wie denn? Wiedergeburt wie im Hinduismus? Erde zu Erde, Staub zu Staub, aber die Seele fliegt davon, ist unsterblich?

Der Energieerhaltungssatz: Alles wird nur verwandelt?«

Jetzt ist keine Zeit für eine lange Diskussion. Ich sage nur:

»Wie wäre es mit Neuschöpfung, mit Auferweckung?«

Kurzes Nachdenken, dann: »Kann ich Sie mal anrufen; ich

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würde gerne mit Ihnen weiterreden!« Der Anruf kommt und einige intensive Gespräche folgen.

»Wo kann ich mich mal bedanken?«

Wie oft fragen wir andere: »Wie geht’s?« Die häufigste Antwort: »Es geht!« »Nein, so geht’s nicht!« (R. Boh­

ren). Oft frage ich nach, was das heißt: »Es geht!« Einer ist überrascht, dass jemand nachhakt. »Viele wollen doch gar nicht genau wissen, wie es mir geht. Deswegen sage ich gleich: ›Es geht.‹« Wir kommen schnell ins Gespräch über das, was alles nicht geht, was belastet, was Angst macht, wo Schuldgefühle nagen, Selbstvorwürfe quälen. Manche können überhaupt nicht aufhören zu erzählen. Sie sind einfach froh, dass sie sich einmal alles von der Seele re­

den können und jemand nur(!) zuhört – ohne Ratschlä­

ge, große Lebensweisheiten, oberflächige Patentrezepte.

Früher hatte ich Angst nachzuhaken, weil ich meinte, ich müsste für alle Probleme eine Lösung parat haben. Jetzt sage ich meist nur: »Danke, dass Sie so offen erzählt ha­

ben, mich an ihrem Ergehen haben teilhaben lassen. Ich habe gut zugehört. Darf ich dem lieben Gott erzählen, was sie alles gesagt haben und wo er Ihnen deutlicher helfen und besser beistehen sollte? Er kennt Sie genauso gut wie mich und ist ein guter Mutmacher und Wegbegleiter. Sie können es ihm auch kurz selbst sagen. Er hat ohnehin alles mitbekommen, was Sie erlebt und mir eben erzählt haben.«

Andere sagen auf die Frage »Wie geht’s?« »Danke, es geht uns gut, wir müssen dankbar sein, wenn wir sehen,

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wie es anderen geht. Wir wissen gar nicht, wie wir das ver­

dient haben!« Meine Reaktion: »Haben Sie dem Geber aller guten Gaben auch schon dafür gedankt? Wir sagen das ja oft nur so dahin: Gott sei Dank! Aber Dank ist etwas Konkretes. Jeder, der schenkt, freut sich, wenn er einen Dankbrief oder ­anruf bekommt. Sie würden dem ge­

benden Gott eine Freude machen, wenn Sie ihm einmal laut zurückmelden würden: »Gott, dir sei Dank für unser Leben und alle deine guten Gaben. Amen!«

Nach einem Bibelkreis geschieht vor der Tür Folgen­

des. Ein Mittdreißiger spricht uns an: »Ihr seid doch so ein religiöser Club. Mir geht’s gut, ich bin gesund, habe eine gute Stellung, bin verliebt – ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe. Können Sie mir sagen, wo und bei wem ich mich da mal bedanken kann?« Unsere Antwort: »Es gibt jemanden, der Leben gibt und versorgt, der wohnt da, wo von Jesus geredet wird. In jedem Gottesdienst will er anwesend sein. Dort können sie laut oder leise dan­

ke sagen oder auch nachher in Ihrem Zimmer: ›Gott, ich danke dir im Namen Jesu für alles!‹ Das ›Alles‹ sollten Sie möglichst konkret benennen! Und glauben Sie uns: Gott hat ein gutes Ohr und ein weites Herz!«

Verschieden reagiert, aber jeweils hingewiesen auf den Einen

Dies sind nur wenige Beispiele: verschiedene Situationen, verschiedene Antworten, aber immer der Hinweis auf den schenkenden Gott, der uns in Jesus zugewandt ist. Oft ist es erst ein Anfang, aber ohne Anfang kommt nichts in

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Bewegung. Eine kleine Saat, aber Gott wird sie wachsen lassen, begleitet durch unser Gebet.

Weitere Beispiele und Anregungen werden folgen!

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Was uns vor allem Weitersagen klar sein sollte

1. Für mich klären, was mich trägt, hält und hoffen lässt

Als engagierter Christ, der mit anderen über den Glau­

ben ins Gespräch kommen will, sollte ich mir bewusst machen, was mich trägt und hält, wovon und woraufhin ich lebe, was Jesus Christus mir bedeutet und wie ich als Christ mit den zentralen Fragen des Lebens umgehe: mit Leid und Schuld, Krankheit und Tod, Arbeit und Alltag, Liebe und Lust.

Dabei hilft es, nicht nur gedanklich Klarheit zu suchen, sondern das Wichtigste in Worte zu fassen, es aufzuschrei­

ben, im Tagebuch festzuhalten. Aufschreiben zwingt zu klaren, verständlichen Worten, die dann in der Begegnung mit anderen hilfreich sein können.

Was ich betend vor Gott ausspreche, bekenne ich öffentlich vor Menschen

In meinem Gebet drücke ich aus, wer Gott für mich ist – von der Anrede bis zu konkreten Punkten des Dan­

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kes oder der Bitte. Im Gebet bin ich per Du mit Jesus Christus und sage ihm, was er mir bedeutet, worauf ich bei ihm setze. Ähnliches kann und will ich »per Er« vor anderen Menschen über ihn aussagen. Ich bete: »Du, Je­

sus bist mein Herr, mein Freund und Bruder!«, und vor anderen sage ich gelegentlich: »In Jesus habe ich jeman­

den, der mich liebevoll leitet, er ist mir ein guter Freund und er steht wie ein Bruder neben mir!« Im Gebet danke ich: »Vater im Himmel, du hast an Jesus gezeigt, dass du reich bist an Vergebung. Dir befehle ich meine gestrigen Lieblosigkeiten an und bitte, mich dennoch vergebend anzusehen!« Und nach außen bekenne ich: »Ich kenne keinen, der mit Schuld und Versagen so heilend und be­

freiend umgehen kann wie Jesus, der uns Gott als einen vergebenden Vater vorgestellt hat!« Es ist wie in der Liebe.

Ich sage meiner Frau: »Ich mag dich, ich bin gern mit dir zusammen!« Und wenn andere mich nach unserer Be­

ziehung fragen, antworte ich: »Ich mag meine Frau und freue mich, wenn wir zusammen sein können!« So wird das Gebet zum Übungsfeld beim Sprachefinden vor Gott und den Menschen.

Wo ich die Klarheit verliere und falsche Akzente setze

Wenn ich über den Glauben rede, formuliere ich oft

»Lehrsätze«, verpacke ihn in dogmatisch einwandfreie Formeln. Es dauert meist etwas, bis ich wieder merke, dass der christliche Glaube ja primär keine Lehre ist, sondern die dauerhafte Beziehung zu einer Person, zum aufer­

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standenen Jesus Christus, der mir im Heiligen Geist na­

hekommt und nahe ist. Romano Guardini sagt: »Nicht eine bestimmte Lehre ist das Wesen des Glaubens, son­

dern eine Person: die Person Jesu Christi … Das Wesen des Christentums besteht in der bleibenden Beziehung zu Jesus Christus. Das Christliche ist letztlich keine Wahr­

heitslehre oder Deutung des Lebens. Es ist auch das, aber darin besteht nicht sein Wesenskern. Den bildet Jesus von Nazareth, dessen konkretes Dasein, Werk und Schicksal – das heißt also eine geschichtliche Person.«1

Buddha ist ein Lehrer. Wenn seine Anhänger dem

»achtstufigen Pfad« folgen und selbst erleuchtet sind, brauchen sie Buddha als Führer nicht mehr. Bei Jesus ist das anders. »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,5 EÜ). Das Wesen christlichen Glaubens besteht in einem freundschaftlichen Dauer­

kontakt zu Jesus Christus. Ich muss achtgeben, dass ich nicht verschwommen vom Glaube als einer »Sache« rede, eine christliche Lehre oder eine Ethik der Liebe in den Vordergrund rücke, statt auf Jesus Christus selbst hinzu­

weisen, der in eine lebenslange Nachfolge ruft und dafür sorgt, dass dieses Miteinander stabil bleibt. Was sonst noch über den Glauben zu sagen ist, ergibt sich aus dieser Be­

ziehung, aus dieser Mitte. Er, an dem das Leben festge­

macht ist, gibt dem Glauben seinen Inhalt, seine Form, seine Kraft. Das heißt:

Ich muss mir dankbar bewusst machen, nicht was, son­

dern wer mein Leben trägt und hält, mit wem ich mein Leben teile und wer mich mit Hoffnung erfüllt.

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2. Das Evangelium als Beziehungsbotschaft begreifen

Informieren ist wichtig, aber in Beziehung helfen ist wichtiger

Evangelium heißt gute Botschaft, erfreuliche Nachricht.

Was ist diese konkret? Als Antwort bekommen wir meist Informationen, die wir hören, verstehen, aufnehmen, ak­

zeptieren, ablehnen oder bejahen können. Es sind Sätze mit einem Inhalt, den man gut zusammenfassend, ver­

ständlich und liebevoll anderen weitergeben kann.

Dabei besteht die Gefahr, dass das Evangelium zu einer Sammlung von richtigen Sätzen, guten Einsichten und Ideen über den Sinn des Lebens, über Ursprung und Ziel der Menschheit und des Universums u. Ä. wird.

Das Evangelium aber handelt von einem Gemein­

schaftsgott, der uns ruft und einlädt, in einer liebenden, vergebenden und bergenden Beziehung mit ihm zu le­

ben. Alle Worte, die das Evangelium beschreiben, aus­

drücken, mitteilen sind Beziehungsaussagen: Liebe ist Be­

ziehung, Vergebung ist Beziehung, Trost ist Beziehung, Nachfolge ist Beziehung, Fürsorge ist Beziehung, Glaube bzw. Vertrauen ist Beziehung, Versöhnung ist Beziehung, Begnadigung bzw. Rechtfertigung ist Beziehung.

Das Evangelium ist keine Lehre oder Idee, keine Welt­

anschauung oder Lebensphilosophie, sondern in erster Linie das Gemeinschaftsangebot unseres Schöpfers an uns, seine Geschöpfe. Und: Das Evangelium ist eine Person, ist Jesus Christus, die Liebe und Versöhnung Gottes in Per­

son.

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Deshalb ist die einzig angemessene Antwort auf das Evangelium als Gemeinschaftsangebot Gottes nicht in erster Linie ein Ja zum christlichen Gottes­ und Men­

schenbild, zur Ethik Jesu oder zur Rechtfertigungsleh­

re des Paulus, sondern das bewusste Eintreten in eine Vertrauensbeziehung zu Gott, der in Jesus für uns da ist.

Glaube ist Gemeinschaft mit Jesus, Nachfolge ist Mitge­

hen mit ihm. Glaube ist wie ein Ehe­, Freundschafts­ und Treueverhältnis. Glauben meint, einen vertrauensvollen Umgang mit ihm zu haben.

Folgen für das »Weitersagen«

• Es ist klar zu unterscheiden zwischen dem Glauben an eine Person und dem Bejahen theologischer Inhal­

te. Ich glaube nicht an die Auferstehung Jesu oder an seine Wunder. Ich glaube an Jesus Christus, den Gott von den Toten auferweckt hat und der als Zeichen des Anbruchs einer neuen Schöpfung Menschen heilt, im Sturm bewahrt, aus diskriminierendem Gesellschafts­

denken befreit.

• Es geht bei Glaubensgesprächen nicht um Rechthabe­

rei oder den Sieg in einer Diskussion. Vorrangig geht es darum, anderen Einblick in die eigene Christusbezie­

hung zu geben und sie auf Jesu Einladung zu gemein­

samem Leben hinzuweisen.

• Argumente für oder gegen den Glauben haben nur den Sinn, um Missverständnisse oder Missdeutungen des Evangeliums aufzubrechen und unnötige Hinder­

nisse abzubauen. Durch Argumente ist noch niemand

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zum Glauben gekommen, höchstens zum Nachden­

ken. Gespräche über Inhalte oder Vorbehalte gegen­

über dem Glauben müssen auf die »Beziehungsebene«

führen, denn das Evangelium ist »Beziehung«, Glaube ist ein Beziehungsgeschehen.

Als Petrus in den Wellen versinkt, ruft er nicht: »Herr, lehre mich, wie ich hinüberkomme!«, sondern er schreit: »Herr, hilf mir!«

Der Hauptmann von Kapernaum sagt nicht: »Jesus von Naza- reth, kläre mich medizinisch auf, was hier zu machen ist, oder – falls nichts mehr zu machen ist – sage mir etwas über den Sinn des Leidens in der Welt, damit ich wenigstens geistig damit fertig werde!«, sondern er fleht: »Herr, sprich nur ein Wort, so wird mein Bursche gesund!« Sie alle suchen doch keine Lehre über Schuld, Leid und Lebensrätsel. Sie suchen den Heiland, der die Schuld vergibt, der das Leiden wegnimmt und der die Rätsel nicht in- tellektuell löst, sondern der uns von der Qual des Rätselhaften erlöst. Wer sein Heil bei einer Lehre, bei einem christlich-theolo- gischen Dogma sucht, ist verraten und verkauft, wenn er nur noch seufzen kann und vielleicht ein Nervenbündel ist.2

3. Weitergeben, was uns wichtig ist

Wir können’s nicht lassen, denn: Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.

Eine Freundin unserer Familie muss alles erzählen, was ihr wichtig ist oder wichtig geworden ist – und das möglichst sofort. Es sind keine Nebensächlichkeiten, es ist auch kein

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Tratsch, es geht immer um ihre Person, ihre neue oder vertiefte Sicht des Lebens und der Welt. Sie kann es nicht für sich behalten, es muss raus! Und genauso interessiert fragt sie uns, was uns in letzter Zeit Wichtiges begegnet ist, was unser Leben »antreibt und umtreibt«.

Ich kenne jemanden, der viele gesundheitliche Pro­

bleme hat. Wenn ihm ein Medikament geholfen hat, dann muss er es allen anpreisen, wenn sie ähnliche Schmerzen oder psychische Probleme haben sollten wie er. »Ich wür­

de mir Vorwürfe machen, wenn ich euch nicht erzählen würde, was mir geholfen hat und euch auch vielleicht hel­

fen könnte.«

»Nur der Begeisterte begeistert« (F. Schwarz). Vorrang haben nicht Methodenfragen, sondern die innere Über­

zeugung. Was mich begeistert, will ich anderen weiterge­

ben.

»Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben« – so reagieren die ersten Christen in Jerusalem, als man ihnen verbietet, öffentlich Jesus als den Christus, als den auferstandenen Herrn zu bezeugen (Apg 4,20).

Von den harten Kerls auf dem Hirtenfeld in Bethle­

hem, die ein Kind in ärmlichen Verhältnissen finden und bei ihm Gottes Nähe und Frieden entdecken, heißt es:

»Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war« (Lk 2,17). Ihr Besuch an der Krippe war das Wichtigste, Entscheidende in ihrem Leben – das zu verschweigen, geht ganz und gar nicht!

Da werden Kranke geheilt, und sie können nicht an­

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ders, als in ihrer Umgebung von Jesus, dem Heiler und Retter in Gottes Auftrag und Vollmacht zu berichten.

Grenzüberschreitungen

Da werden nach dem Märtyrertod des Stephanus die Griechisch sprechenden Judenchristen aus Jerusalem ver­

trieben (Apg 8,1); sie ziehen in das nördliche Antiochia, eine riesige Multikulti­Stadt, überschreiten die Grenzen des Judentums und erzählen auch den Griechen von Jesus (Apg 11,19–21).

Da werden ca. 310–325 n. Chr. die Christenverfolgun­

gen der Römer eingestellt und der christliche Glaube als menschenfreundliche und gottesfürchtige Religion im ganzen Römischen Reich anerkennt. Warum? Weil Men­

schen aus allen Schichten der Bevölkerung Christus als den einzig wahren Heilsbringer erkannt und angenom­

men haben und davon in ihrer Umwelt – von der Türkei bis Spanien, vom Libanon bis nach Nordafrika – nicht schweigen können und nicht schweigen wollen. »Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über« (Mt 12,34).

Und so ist es durch die ganze Kirchen­ und Mis­

sionsgeschichte bis heute weitergegangen. Dass die Gemeinden auf der südlichen Erdhalbkugel und in China in unseren Tagen rasant wachsen, hat mit dem

»Nicht­schweigen­Können«, mit dem Weitersagen, was uns wichtig, ja das Wichtigste ist, zu tun.

Uns in Deutschland sind Rede­ und Religionsfreiheit durch das Grundgesetz zugesichert, aber wir »schweigen«.

Zu viele wagen nicht, von ihrem Glauben vor und mit

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anderen zu reden. Ist ihnen die Christusbotschaft keine solche Herzensangelegenheit, dass sich ihnen der Mund auftut und sie verständliche und einladende Worte her­

vorbringen (müssen)?

So wie Kinder das Reden lernen, es üben müssen, so können auch die Kinder Gottes in Sachen »Glaube an Christus« sprechwillig und sprachfähig werden. Manches geht von selbst, aber es können auch »Sprachkurse« hilf­

reich sein. In Gemeinschaft geht vieles leichter, gemeinsa­

mes Lernen bringt mehr.

4. Weitersagen, Zeuge sein – was dazugehört und gemeint ist

Betroffen sein

Das Weitersagen des Evangeliums setzt voraus, (a) dass ich etwas gehört und erlebt habe, was mich berührt hat, und (b) dass diese Erfahrung so wichtig ist, dass ich sie weiter­

geben und mit anderen teilen möchte, ja sogar muss. »Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gese­

hen und gehört haben« (Apg 4,20). Paulus ergänzt: »Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte« (1Kor 9,16).

Das Evangelium ist persönlich, aber nicht privat, es muss öffentlich werden. Es ist keine Geheimbotschaft, ist nicht »top secret«.

Das, was einem über die Maßen wichtig ist, kann man nicht verschweigen.

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Weitersagen ist ein Bekennen

»Sag bitte den anderen, dass wir um 12.30 Uhr zu Mittag essen!« – oder: »Der Briefträger ist da gewesen!« Dieses Weitersagen ist hier nicht gemeint. Es geht um eine per­

sönliche Stellungnahme, um eine Bewertung Jesu, die von vielen nicht geteilt wird. Nur zu erzählen, wer Jesus vor 2.000 Jahren war, was er getan und erlitten hat, was andere später von ihm geglaubt und öffentlich bezeugt haben, ist gut, aber zu wenig. Es geht um die Weitergabe einer Glau­

bensgewissheit: Jesus hat an Karfreitag die Schuldfrage für uns und alle Welt geklärt, er ist seit seiner Auferweckung am Ostermorgen der verborgene Weltenherr, dem schon alle Macht im Himmel und auf Erden übergeben ist (Mt 28,16ff.), er ist der Versöhner Gottes mit dieser Welt (2Kor 5,18–21), der Friedensstifter zwischen uns so unterschied­

lichen Menschen und Gruppierungen (Eph 2,14).

Und weil alles Weitersagen immer auch ein Bekennen ist gegen andere Meinungen, andere politische oder reli­

giöse Denkweisen und Weltanschauungen, kann es nicht ohne Auseinandersetzungen, ohne ein engagiertes Rin­

gen um die Wahrheit abgehen – im Dialog, nicht mit Ge­

walt.

Das Weitersagen als Bekenntnis ist gleichzeitig Ange­

bot und Anspruch. Der Gesprächspartner muss reagieren, Stellung beziehen, das Gespräch abbrechen oder vertagen.

Weitersagen ist ein Übersetzen

Was wir als Glaubensbotschaft gehört und erlebt haben, haben wir in einer bestimmten Situation erlebt, in einer

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bestimmten Sprache gehört. Der, dem wir unsere Erfah­

rungen und Erkenntnisse weitergeben wollen, lebt aber in einer anderen Welt, mit anderen Fragen, Unsicherheiten und Sehnsüchten. Die Sprachgestalt des Evangeliums und unsere persönliche geistliche Erfahrung müssen in eine neue Lebenswelt übersetzt, transformiert werden.

Wenn wir sagen: »Jesus ist der erwartete Messias«, ver­

steht das kaum einer. »Messias – was ist das?« Ein Jude weiß, was gemeint ist, aber ein Nichtjude versteht nur Bahnhof. Was ich nach einem schweren Unfall an Ge­

borgenheit und Trost durch Christus erlebt habe, ist nicht die Erlebenswelt des anderen. Ich muss die Erfahrung, in tiefster Verzweiflung und Unsicherheit im Glauben ge­

halten zu sein, in seine aktuelle Not­ oder Ideologiewelt über­setzen; ich muss im wahrsten Sinne des Wortes an seinem Ufer an Land gehen.

»Von dem, den Gott durch seine Offenbarung beglückt hat, wird immer wieder eine Unbequemlichkeit gefor­

dert, durch die er dieser Gnade danke. Die Unbequem­

lichkeit heißt: wirksame Weitergabe der Frohbotschaft in den der Zeit entsprechenden Formen. Der Gläubige hat es schwerer als der Ungläubige. Er muss umdenken um seiner Brüder willen.«3 Er muss sich in andere hinein­

denken und von ihnen herkommend das Evangelium so formulieren, dass sie es verstehen und in ihrem Alltag als befreiende Botschaft erkennen können.

Bezeugen mit Herzen, Mund und Händen

Das Evangelium kostet uns mehr als nur ein paar Worte.

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Die Weitergabe ist nicht nur Mund­Werk, sondern auch Hand­Werk, ja Lebenszeugnis. Beim Weitergeben redet nicht nur unser Mund, sondern auch unser Mimik, unse­

re Augen, unsere Hände, unsere Haltung, unser Schwei­

gen, die Art unseres Zuhörens genauso wie das vielleicht gerade nötige diakonische Engagement. »Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi«, so umschreibt Paulus unser Lebenszeugnis (2Kor 3,3ff. EÜ). Wir können also durch unser Verhalten »unleserlich werden für Gottes Wirklich­

keit«; wir können durch unser Auftreten das Weitersagen unterlaufen oder unterstreichen.

Glaube beschlagnahmt den Zeugen mit seiner ganzen Person. Vom griechischen Wort »martys« (Zeuge) stammt unser Wort »Märtyrer«.

Der Zeuge ist Wegweiser und Von-sich-weg-Weiser Vor allem an Johannes dem Täufer ist zu lernen, dass Zeu­

ge sein heißt: von sich wegweisen auf Christus (Joh 1,6–

8.15.29ff.). Mit der Sache oder Person, die man bezeugt, wird man selbst nicht größer, sondern kleiner. »Er (Jesus) muss wachsen, ich (Johanes der Täufer) aber muss abneh­

men« (Joh 3,30). Die Glaubwürdigkeit des Zeugen hängt nicht nur von dem ab, was er sagt, worauf er hinweist, sondern davon, ob er sich als Zeuge zurücknehmen kann oder dauernd im Mittelpunkt stehen muss. Wie viele ha­

ben durch ihre Profilsucht das Bild Jesu Christi verdeckt, statt es zum Leuchten zu bringen. Wir müssen zurücktre­

ten, damit Christus wahrgenommen werden kann!

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John Wesley (1707–1788) sah, dass die Fabrikarbeiter nicht mehr in die Gottesdienste kamen, deshalb drängte es ihn, ihnen um 7 Uhr in aller Frühe vor den Fabriktoren unter freiem Himmel das Evan- gelium nahezubringen. David Hume (1711–1776), der führende Denker der britischen Aufklärung, der kein Christ war, machte sich ebenfalls früh auf, um John Wesley zu hören. Unterwegs fragte ihn jemand: »Weshalb wollen Sie diesen Mann predigen hören? Sie glauben doch sicher nicht an das, was er sagt!« »Nein«, sagte Hume,

»ich glaube nicht daran, aber er glaubt das, was er sagt. Und deshalb gehe ich hin!«

5. Ehren und wertschätzen – sich öffnen und sich mitteilen

Christus heiligen und die Würde der Menschen respektieren

»Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt« – so 1. Pe­

trus 3,15 (EÜ). Doch bevor es dazu kommt bzw. kom­

men soll, ist etwas anderes nötig: »Ehrt vielmehr Christus, den Herrn, indem ihr ihm von ganzem Herzen vertraut«

(NGÜ) oder: »Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen« (LU). »Heiligen« heißt: etwas ganz Besonde­

res wertachten, als das Höchste und Wichtigste ansehen, Christus für das konkurrenzlos Größte und Wertvollste halten, ihn ehren und anbeten. Pfarrer Wilhelm Busch drückte das so aus: »Wer vor Gott kniet, kann vor Men­

schen gerade stehen.«

Wenn wir Christus heilig halten in unseren Herzen, Gedanken und Gefühlen, unserem Wollen und Verhalten,

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führt das auch zu einer Würdigung und Wertschätzung der Menschen, denen wir begegnen, mit denen wir ins Gespräch kommen oder im Gespräch sind. Denn: Je­

der Mensch ist wertgeachtet in Gottes Augen. Deshalb kommt Ehrung vor Bekehrung.

Für alle Begegnungen mit Menschen gibt es eine Vor­

gabe. Christus hat sie schon gewürdigt, indem er auch für sie gestorben ist, sie schon mit Gott versöhnt hat (2Kor 5,19). Er hat seine Geschichte mit jedem Menschen schon längst begonnen, bevor wir auftreten. Karl Barth unter­

strich: »Jesus Christus ist das Milieu, die Atmosphäre, in der jeder Mensch lebt.«

Ob der andere das weiß oder nicht, ist zunächst nicht so wichtig; wichtig ist, dass ich es weiß und mich entspre­

chend verhalte. Tatsache ist, dass der oder die andere schon in den Raum der zugewandten und wohlwollenden Güte Gottes hineingestellt ist. Dieses »Zuvorkommen« Gottes muss unser Miteinander und die Atmosphäre bestimmen.

Um dies mit 1. Petrus 3,16a auszudrücken: Gebt Auskunft über den Grund der Hoffnung/des Glaubens »mit Sanft­

mut und Gottesfurcht« (LU), denn der andere ist ja Ge­

schöpf und Ebenbild Gottes – oder: »Tut es freundlich und mit dem gebotenen Respekt« (NGÜ).

Anteil nehmen und Anteil geben – sich öffnen und mitteilen

Paulus und seine Mitarbeiter erinnern die junge Gemein­

de in Thessaloniki an ihre Erstbegegnung. »Wir […] wa­

ren bereit, euch nicht allein am Evangelium teilzugeben,

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sondern auch an unserem Leben, denn wir hatten euch liebgewonnen« (1Thess 2,8).

Weitersagen kostet uns mehr als nur ein paar Worte. Es gilt, in zugewandter Haltung teilzunehmen an den Freu­

den und Nöten, den Erfolgen und Enttäuschungen der anderen. Da ist Zeit zu investieren, da sind Wege und Um­

wege mitzugehen. Das Wort Jesu von der zweiten Meile (Mt 5,41) gilt hier im Besonderen. Bevor wir mit unse­

rem Anliegen ein ernsthaftes Gespräch erwarten können, müssen wir ein offenes Herz und Ohr haben für die be­

drängenden und erfreulichen Erfahrungen der anderen.

In der amerikanischen Jugendarbeit von Young Life (YL) gilt der Leitsatz: »To win the right to be heard« (Wir müs­

sen erst das Recht(!) gewinnen, selber gehört zu werden).

Wir sagen oft zu schnell: »Die wollen ja nichts vom Evangelium wissen. Die haben überhaupt kein Interesse!«

Könnte es sein, dass sie deshalb kein Interesse haben, weil wir kein Interesse an ihrem Erleben und Erleiden haben?

Paulus schreibt: »Wir haben euch teilgegeben an un­

serem Leben!« Unsere Gesprächspartner wollen wissen, wie das Evangelium in unserem Leben Gestalt gewonnen, wie es uns geprägt, verändert, durch Höhen und Tiefen getragen hat. »Erzähl mir, was du mit dem Evangelium erfahren hast, wie du Anfechtungen und Versagen durch­

gestanden und bewältigt hast, wie du nach Niederlagen wieder aufgestanden bist, woher und wie du Mut zum Weitermachen bekommen hast!« Es geht nicht um die Weitergabe von Lehrformeln, von richtigen Glaubenssät­

zen, sondern vorrangig um das Weitergeben von Leben, es geht um das Mitteilen und Teilgeben von Glaubens­ und

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Lebenserfahrungen, Krisen und Zweifeln und dem »Den­

noch« des Glaubens. Wenn wir uns selber öffnen, gerade auch den Vollzug des Glaubens bei uns sehen lassen, kön­

nen wir hoffen, dass sich auch die anderen öffnen, auf­

merksam und gespannt etwas von unserem Leben in und mit Christus wissen wollen. Die Idee ist, sich gegenseitig zu öffnen – und zwar auf Augenhöhe!

»Man sieht nur mit dem Herzen gut!«

»Man sieht nur mit dem Herzen gut! Man hört nur mit dem Herzen gut! Man spricht nur mit dem Herzen gut!

Man begegnet nur mit dem Herzen gut!«4 Nur mit dem Herzen hören wir die Unter­ und Zwischentöne beim anderen. Viele reden und fragen in Gesten, in ihrer Mi­

mik, in verklausulierten Sätzen oder schnodderigen Be­

merkungen. Es ist unsere Aufgabe, genau hinzuhören und wahrzunehmen, was unser Gesprächsgegenüber meint, wenn er dieses mit seinem Mund sagt oder wenn er jenes durch Körpersprache ausdrückt.

Bei all unserer Menschenkenntnis und Herzenswärme brauchen wir das Gebet und den Blick Gottes auf diesen Menschen und in sein Innerstes hinein. Wer über und von seinem Glauben mit anderen sprechen möchte, muss ein interessierter, aufmerksamer und wacher Beobachter und ein betender Zeitgenosse sein.

Viele blühen richtig auf, wenn man sie fragt, was sie denn so machen.

Wenn man sich für sie interessiert. Und da können Sie mir sagen, was Sie wollen, alle Menschen werden im Augenblick ganz andere

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Menschen, wenn sie merken, da ist plötzlich jemand, der oder die sich für das, was ich mache, interessiert.

Plötzlich sieht der ganze Tag völlig anders aus, viel heller, obwohl es regnet. Weil man auf einmal von sich erzählen darf. Und dann muss man einfach zuhören. Ich lasse mir oft von Leuten ihren Beruf klarklein erklären, obwohl ich nichts davon verstehe. Aber der andere erzählt mir dabei sein ganzes Leben. Und ich sehe, wie er immer leidenschaftlicher wird. Vor einer halben Stunde war er noch apa- thisch und verbittert. Jetzt sind er und seine Frau gar nicht mehr zu bremsen, bloß weil jemand gesagt hat: »Wie geht es Ihnen?«! und

»Was machen Sie so?«, »Erzählen Sie doch mal!«

Sie müssen das, meine Freunde, auch mal machen. Probieren Sie’s mal aus. Lassen Sie die Menschen erzählen. Geben Sie den Menschen ihre Bedeutung zurück!5

Liebe macht nicht nur erfinderisch, sondern zunächst einmal finde- risch. Die Liebe, wenn sie wirklich da ist, hilft uns nicht nur Wunden heilen, sondern vor allem Wunden entdecken. Nur darum ist auch mit der Mutterliebe das tiefste Verstehen verbunden. Denn die Mut- ter versteht ihr Kind schon, ehe es sagen kann, warum es weint, und vielleicht schon, ehe es überhaupt weint. Sie versteht es, weil sie das Kind liebt…Wenn das Evangelium immer wieder berichtet, dass Jesus weiß, was im Menschen ist, und dass er ihn also versteht und bis in seine Innerstes durchschaut, dann liegt das daran. dass er ihn liebt…Es geht hier nicht um eine so theoretische Eigenschaft Gottes wie seine sog. »Allwissenheit«, sondern er geht darum, dass er uns so unendlich liebt. Darum versteht er uns so genau.6

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