• Keine Ergebnisse gefunden

DGA Info Infektionsmanagement in Kliniken für Anästhe siologie und Intensiv medizin in Deutschland

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "DGA Info Infektionsmanagement in Kliniken für Anästhe siologie und Intensiv medizin in Deutschland"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Beteiligte Autoren:

C. Lanckohr · B. Ellger · M. Lange Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Münster F. Bach

Klinik für Anästhesiologie, Intensiv medizin, Notfallmedizin, Transfusions medizin und Schmerztherapie, Evangelisches Kranken- haus Bielefeld

L. Fischer

Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum Memmingen

K. Suchodolski

Klinik für Anästhesiologie und

Intensivmedizin, Medizinische Hochschule Hannover

T. Schürholz

Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Universitäts klinikum Aachen

H. Bracht

Klinik für Anästhesiologie, Universitäts- klinikum Ulm

C. Wunder

Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Würzburg A. Brinkmann

Klinik für Anästhesie, operative Intensiv- medizin und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Heidenheim

M. Deja

Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Infektionsmanagement in Kliniken

für Anästhe siologie und Intensiv medizin in Deutschland

– Status quo, Probleme und Aufgaben der Fachgesellschaft –

Zusammenfassung

Hintergrund: Infektionsmanagement ist eine zentrale Aufgabe in der Behand- lung kritisch kranker Patienten. Um die Aktivitäten der Fachgesellschaft in diesem Bereich sinnvoll auszurichten, wurde durch den Wissenschaftlichen Arbeitskreis Intensivmedizin der DGAI eine deutschlandweite Umfrage zu Aspekten des Infektionsmanagements durchgeführt.

Methodik: Die Chefärzte und Leiten den Ärzte der deutschen Anästhesieabtei lun - gen wurden per E-Mail zur Teil nahme an einer Online-Umfrage ge beten.

Ergebnisse: Es wurde eine Rückläufer- quote von etwa 40% erreicht. Ein großer Teil der Kliniken führt im Alltag inter- disziplinäre Visiten zum Infektionsma- nagement durch. Diese Praxis reflektiert einen zentralen Gedanken von „Anti- biotic Stewardship“. Die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes werden vom überwiegenden Teil der Häuser erfüllt.

Es gibt einen Bedarf an infektiologisch ausgerichteten Fortbildungsveranstaltun- gen. 42% der Teilnehmer wünschen sich diesbezüglich ein größeres Angebot auf den Kongressen der DGAI. Ebenso zeigt sich der Wunsch nach einem intensiv- medizinisch fokussierten Fortbildungs- curriculum zum Infektionsmanagement.

Schlussfolgerungen: Viele Kolleginnen und Kollegen stellen sich im Alltag in fektiologischen Themen und setzen hierbei zeitgemäße Strategien um. Ins- besondere die erfreuliche Verbreitung interdisziplinärer Visiten ist zu begrüßen.

Es besteht Interesse an einem Fortbil- dungsangebot, welches Infektionsmana- gement und Antibiotic Stewardship be - handelt. Hier ergibt sich eine Aufgabe für die Fachgesellschaft, diesem Wunsch der Mitglieder nachzukommen.

Summary

Background: The management of in- fection is a central task in intensive care medicine. To direct the activity of the German professional organisations, a survey was performed by the scientific working group for intensive care medi- cine of the German Society of Anaesthe- siology and Intensive Care Medicine.

Methods: The heads of the anaesthesio- logy departments in all German hospi- tals were contacted by email and asked to participate in the survey.

Results: The participation rate was approximately 40%. A considerable pro portion of hospitals discussed the management of infections in interdisci- plinary rounds. This practice reflects a central tenet of antibiotic stewardship.

Legal guidelines formulated by the

“Infektionsschutzgesetz” are followed by the majority of participants. There is a demand for advanced training with regard to infectiology. 42% of partici- pants would like to see more of these topics during the national conferences.

Furthermore, there is a demand for a curriculum focusing on the management of infection in the intensive care unit.

Conclusions: Many colleagues imple- ment contemporary practices in their management of infectious complications

DGAInfo

Aus dem Wissenschaftlichen Arbeitskreis Intensivmedizin

Schlüsselwörter

Intensivmedizin – Anästhesio- logie – Antiinfektive Therapie – Therapiestandards

Keywords

Intensive Care – Anaesthesio- logy – Antibiotic Stewardship – Management of Infections

(2)

in the intensive care unit. The consider- able dissemination of interdisciplinary rounds is commendable. There is an interest in a training curriculum dealing with infectiology and antibiotic steward- ship. This is both a task and an oppor- tunity for the professional organisations.

Einleitung

Das qualifizierte Management schwerer Infektionen ist für das Überleben kri- tisch kranker Patienten von zentraler Bedeutung. Diese Aufgabe ist daher eine intensivmedizinische Kernkompetenz.

Nationale und internationale Untersu- chungen belegen eine hohe Prävalenz von Infektionen auf Intensivstationen und erklären die hohe Anwendungs- dichte von Antiinfektiva in diesem kli- nischen Bereich [1-4].

Seit Jahren ist weltweit eine Zunahme der Antibiotikaresistenz zu beobachten, die insbesondere im Bereich der gram- negativen Erreger beunruhigende Aus- maße erreicht hat [5]. Die Situation wird dadurch verschlimmert, dass die Neuentwicklung von Antibiotika mit in- novativem Wirkmechanismus auf einem historischen Tiefstand ist. Der immer häufigere Einsatz von Antibiotika mit sehr breitem Wirkspektrum führt dazu, dass auch diese Substanzen ihre Wirk- samkeit verlieren und weitere The ra- pie optionen verloren gehen [6-9]. Vor diesem Hintergrund ist ein rationaler Einsatz von Antiinfektiva essenziell, um die Resistenzentwicklung zu verlang- samen. In der klinischen Medizin sind hier vor allem Interventionen im Sinne von „Antibiotic Stewardship“ sinnvoll, die durch krankenhaushygienische Maß- nahmen flankiert werden müssen.

Bei vielen Ärztinnen und Ärzten scheint Unsicherheit im Umgang mit Anti bio - tika, Erregern und hygienischen As- pekten zu herrschen. Dabei sollte jeder Arzt, der Antibiotika verschreibt und In- fektionen behandelt, rationale Therapie- strategien beherrschen und das Problem der Resistenzentwicklung kennen.

Um die Aktivitäten auf Fachgesellschafts- ebene sinnvoll und bedarfsgerecht zu steuern, entstand im Wissenschaftlichen

Arbeitskreis Intensivmedizin (WAKI) der Deutschen Gesellschaft für Anästhesio- logie und Intensivmedizin (DGAI) eine Initiative, den Status quo des Infektions- managements in Kliniken für Anästhesio- logie und Intensivmedizin zu erheben.

Gleichzeitig sollte ein Meinungsbild eingeholt werden, welche Unterstützung von der DGAI erwartet wird.

Methodik

Das Forum „Infektionsmanagement in Anästhesiologie und Intensivmedizin“

des WAKI erarbeitete einen Fragenkata- log, der durch das Präsidium der DGAI ratifiziert wurde. Es wurden 48 Fragen zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisqua- lität des Infektionsmanagements gestellt.

Die Befragung erfolgte als Online-Um- frage. Hierzu wurde das kommerziell nutzbare Programm „Umfrage Online“

(www.umfrageonline.com, enuvo GmbH, Zürich, Schweiz) genutzt. Teilnehmer erhielten per E-Mail einen Link auf die Seiten der Umfrage. Die Teilnahme war nur einmalig möglich.

Kontaktiert wurden Kolleginnen und Kol legen, deren Adressen im Verteiler

„Chefärzte und leitende Ärzte“ der DGAI gespeichert waren. Vor Verwen- dung erfolgte eine Bearbeitung der

Adressliste, bei der fehlende Informa- tionen (insbesondere E-Mail-Adressen) durch Internetrecherche und telefoni- sche Kontaktaufnahme ergänzt wurden.

Am 21.01.2014 wurden in einem ersten Durchgang 1.080 Links per E-Mail ver- schickt. Adressen, die sich hierbei als fehlerhaft erwiesen, wurden korrigiert und die entsprechenden Einladungen zur Teilnahme erneut verschickt. Am 17.03. und 20.04.2014 wurden Erinne- rungsmails an Adressen gesendet, bei denen der Teilnahmelink noch nicht be- nutzt worden war. Die Umfrage wurde am 01.06.2014 geschlossen.

Der detaillierte Fragenkatalog ist online einsehbar.

Die Ausarbeitung erfolgte über das Um- fragetool mittels deskriptiver Statistik.

Ergebnisse

Infrastruktur der teilnehmenden Kliniken

399 Krankenhäuser nahmen an der Umfrage teil. 68% der teilnehmenden Kliniken waren kleine und mittelgroße Krankenhäuser mit bis zu 499 Betten (Abb. 1), 56% waren Häuser der Grund- und Regelversorgung (Abb. 2).

Abbildung 1

Anzahl der Betten am Krankenhaus

100-249

<100

250-499 500-749 750-999

>1000 500-749

21%

250-499 31%

100-249 33%

<100

>1000 4%

7%

750-999 4%

Anzahl der Betten, die an den Krankenhäusern der Teilnehmer vorgehalten werden.

(3)

Etwa die Hälfte (48%) der Teilnehmer betreut 10-19 Intensivbetten, jeweils ein Viertel der Kliniken umfassen größere bzw. kleinere Einheiten (Abb. 3).

In 76% der teilnehmenden Häuser wird die Intensivstation nicht exklusiv durch Mitarbeiter der Anästhesieabteilungen besetzt, so werden beispielsweise Kol-

leginnen und Kollegen aus anderen Fachdisziplinen zur Erlangung der Wei- terbildungszeiten eingesetzt.

Ein elektronisches Patienten-Daten- Management-System (PDMS) war bei 30% der Häuser vorhanden. 79% ver- fügten über eine krankenhauseigene Apotheke, 31% über eine Abteilung für

Mikrobiologie. Die Übermittlung mikro- biologischer Befunde erfolgte bei 41%

der teilnehmenden Häuser in Papier- form, die übrigen Kliniken erhalten eine elektronische Befundmitteilung. Dabei wird bei 14% eine Übermittlung direkt in ein PDMS vorgenommen. Insgesamt ist bei 8% der Teilnehmer die Übermitt- lung mikrobiologischer Befunde in ein PDMS umgesetzt.

Infektionsmanagement

86% der Teilnehmer erstellen lokale Standards („standard operating proce - dures“, SOPs) zum Infektionsmanage- ment, die diagnostische und therapeu- tische Themen umfassen. 94% geben an, diese SOPs im Sinne gelenkter Dokumente in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. In 87% der Kliniken existiert eine SOP zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe für den überwie- genden Teil der Eingriffe, hierbei waren in 68% der Fälle Anästhesisten an der Erstellung des Standards beteiligt.

In 41% der teilnehmenden Kliniken werden auf der Intensivstation interdis- ziplinäre klinische Visiten zum Infek- tionsmanagement durchgeführt, die bei 93% vor Ort und bei 7% telefonisch abgehalten werden. 64% der Teilnehmer hält die Visite einmal wöchentlich ab, bei 18% wird häufiger als einmal wö- chentlich visitiert. 19% haben kein festes Schema und terminieren die Visiten nach Bedarf. Teilnehmer der interdis- ziplinären Visiten sind typischerweise der zuständige Anästhesist/Intensivmedi- ziner (99%), ein Mikrobiologe/Hygieniker (88%) und ein Apotheker (32%). Bei 31% ist ein „ABS-Experte“ mit spezieller Weiterbildung in Antibiotic Stewardship verfügbar, ein Infektiologe bei 13% der Krankenhäuser.

74% der Teilnehmer führen im Alltag eine Restriktion von Antiinfektiva durch und setzen bestimmte Präparate nur nach vorheriger Freigabe durch einen erfahrenen Mitarbeiter (z.B. Oberarzt) ein. Hierfür ausschlaggebende Gründe sind eine Begrenzung des Resistenz- drucks (88%) und der Kosten (78%). Eine strenge Restriktion mit Notwendigkeit interdisziplinärer Beratung setzen 16%

der Kliniken um. Hier wird vor der Frei- Abbildung 2

Versorgungsstufen

4%

8%

56%

Grund- und Regelversorgung Schwerpunkt- versorgung Nicht-universitäre Maximalversorgung Universitäts- klinikum

Versorgungsstufen der Krankenhäuser der Teilnehmer.

Abbildung 3

Anzahl Intensivbetten 2% 3%

2% 1%

3%

12%

29%

48%

keine 1-9 10-19 20-29 30-39

>60 50-59 40-49

Anzahl der Intensivbetten, die durch die Abteilungen der Teilnehmer betrieben werden. Es wurde keine Differenzierung zwischen Intensivtherapiebetten und Observationsbetten gemacht.

(4)

gabe typischerweise die Beratung eines Mikrobiologen (77%), „ABS-Experten“

(33%) oder Apothekers (32%) eingeholt.

Das ABx-Programm der DGAI ist 38%

der Teilnehmer bekannt, 34% hiervon nutzen das Tool im Alltag.

Der „Sanford Guide to Antimicrobial Therapy“ hat mit 47% einen etwas hö- heren Bekanntheitsgrad, und 48% derer, die ihn kennen, nutzen ihn.

Umsetzung des Infektionsschutz- gesetzes (IfSG)

Eine Resistenzstatistik von typischen Er- regern für das eigene Krankenhaus steht 93% der Teilnehmer zur Verfügung. Bei 95% wird auch die Anzahl der nachge- wiesenen jeweiligen Erreger reportiert.

70% erhalten eine Resistenzstatistik speziell für den Bereich der Intensivsta- tion. Die Statistik wird in halbjährlichen (47%) oder jährlichen (50%) Abständen aktualisiert, in 3% der Kliniken wird sie seltener überarbeitet. Die Daten der Resistenzstatistik stehen in 63% der ant- wortenden Kliniken allen Mitarbeitern zur Verfügung.

Eine Verbrauchssurveillance von Anti- infektiva wird bei 78% der Teilnehmer durchgeführt, 85% hiervon erhalten stationsspezifische Verbrauchszahlen.

Eine Erhebung der Verbrauchszahlen mit Bezug auf Patientenbelegungstage (Antibiotika-Behandlungstage / 1.000 Pa- tiententage, sog. „Verordnungsdichten“) erfolgt in 50% der Kliniken, die die Verbräuche überwachen.

Eine Überwachung des Verbrauchs an Händedesinfektionsmittel wird bei 84%

umgesetzt.

87% der Teilnehmer verfügen über Da ten zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen (z.B. postoperative Wundinfektion, beat- mungsassoziierte Pneumonie, katheter- assoziierte Infektionen). Eine Teilnahme am ITS-KISS (www.nrz-hygiene.de) ge - ben 60% der Befragten an.

Der überwiegende Teil der teilnehmen- den Kliniken verfügt über hygienebeauf- tragte Mitarbeiter. So ist bei 85% ein hygienebeauftragter Arzt und bei 84%

eine hygienebeauftragte Pflegekraft für den Bereich der Intensivstation be- nannt.

Aktivitäten der Fachgesellschaft

42% der Teilnehmer sind der Ansicht, dass Themen aus dem Bereich Infek- tionsmanagement und Hygiene auf den Kongressen der DGAI nicht ausreichend repräsentiert sind. Mit Bezug auf Unter- stützung durch die DGAI wurden die Teilnehmer um eine Priorisierung der Aktivitäten gebeten. Hierbei konnten zwei Themenfelder aus einer Liste von Vorschlägen ausgewählt werden (Abb. 4).

Der größte Teil der Befragten (77%) wünschte sich die Erstellung eines Weiterbildungscurriculums zum Infek- tionsmanagement (z.B. Kurse). An zwei- ter Stelle (75%) folgte der Wunsch nach Hilfe bei der Erstellung lokaler SOPs, z.B. durch Bereitstellung von Vorlagen oder Musterleitlinien. Ein Bedarf an Un- terstützung bei der lokalen Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes wird von 40% der Teilnehmer angegeben.

Abbildung 4

Welche Aktivitäten der Fachgesellschaft werden gewünscht?

HILFE BEI SOPs WEITERBILDUNGS- CURRICULUM

UNTERSTÜTZUNG UMSETZUNG IFSG

% der Teilnehmer

90 77

80 70 60 50 40 30 20 10 0

40

75

Priorisierung der Themenfelder, bei denen die Teilnehmer Unterstützung der DGAI wünschen.

Pro Teilnehmer konnten zwei Themen gewählt werden.

Abbildung 5

Zu welchen Themen würden Sie Hilfe bei der Erstellung von SOPs erwarten?

RATIONALER UMGANG MIT ANTIBIOTIKA UMGANG MIT MRE VAP PAP CLABSI SSI BLUTKULTURDIAGNOSTIK CLOSTRIDIUM DIFFICILE

Prozent der Teilnehmer

70 60 50 40 30 20 10 0

66 51

46 32

32 19

16 16

Priorisierung der Themen, zu denen Teilnehmer Hilfe bei der Erstellung von SOPs wünschen.

Pro Teilnehmer konnten bis zu drei Themen ausgewählt werden. (MRE: multiresistente Erreger, VAP: Ventilator-assoziierte Pneumonie, PAP: perioperative Antibiotikaprophylaxe, CLABSI: katheter- assoziierte Blutstrominfektion, SSI: postoperative Wundinfektion).

(5)

Diejenigen Teilnehmer, die sich Hilfe bei der Erstellung von SOPs wünschen, wurden bezüglich ihrer Themenwün - sche befragt (Abb. 5). Die Top 3 der The- men waren der rationale Umgang mit Antiinfektiva bzw. Antibiotic Ste ward - ship (66%), der Umgang mit multi- resistenten Erregern (51%) und die be- atmungsassoziierte Pneumonie (46%).

Diskussion

Die vorgestellte Umfrage zeigt, dass das Infektionsmanagement auf deut- schen anästhesiologischen Intensivsta tio - nen aller Versorgungsstufen als zentrales Thema wahrgenommen wird. Aktivitäten der Fachgesellschaft sind erwünscht, ein Ausbau der spezifischen Kompetenzen soll durch gezielte Fortbildungsangebote auf verschiedenen Ebenen unterstützt werden.

Durch das gezielte und exklusive An- sprechen der Chefärzte der Abteilungen wurde die Voraussetzung geschaffen, einen möglichst breiten Überblick über viele Krankenhäuser zu erhalten, ohne eine übermäßige Gewichtung großer, personalstarker oder universitärer Kli- niken zu erzeugen. Dieses Ziel konnte erreicht werden. Bei einer guten Rückläuferquote von fast 40% kam der überwiegende Teil der Antworten aus kleinen und mittelgroßen Krankenhäu- sern (bis 500 Betten), die der Kategorie der Grund- und Regelversorgung an- gehören. Die Umfrage bildet also die Versorgungsrealität in Deutschland gut ab.

Infektionsmanagement

Ein zentrales Ergebnis der Umfrage ist die Erkenntnis, dass mehr als 40% der teilnehmenden Häuser bereits regel- mäßige interdisziplinäre Visiten zum Infektionsmanagement auf der Inten- sivstation durchführen. Das Visitenteam besteht typischerweise aus den jeweils behandelnden Klinikern und einem Kollegen der Mikrobiologie. Deutlich seltener nimmt ein Mitarbeiter der Apotheke (klinischer Pharmazeut) an diesen Visiten teil. Vor dem Hintergrund verschiedener nationaler [10] und in- ternationaler [11] Empfehlungen zur

Durchführung von Visiten im Sinne von „Antibiotic Stewardship“ wäre eine häufigere Einbindung von entsprechend qualifizierten Pharmazeuten wünschens- wert, zumal eine krankenhauseigene Apotheke bei 79% der teilnehmende Häusern vorhanden ist. Die Fachkom- petenz klinischer Pharmazeuten bei Fragen der individuellen Dosierung, des therapeutischem Drug-Monitorings und der Arzneimittelinteraktion ist von großer Bedeutung [12,13]. In 31% der Häuser nimmt ein speziell ausgebildeter Mitarbeiter mit Kenntnissen in Antibiotic Stewardship an den Visiten zum Infek- tionsmanagement teil. Dieses Ergebnis zeigt, dass Interdisziplinarität und In ter - professionalität im Sinne von ABS bereits in einem relevanten Umfang auf anäs- thesiologischen Intensivstationen um - gesetzt werden.

In einem großen Teil der teilnehmenden Häuser (74%) erfolgt im Alltag eine Anwendungsbeschränkung bestimmter Antibiotika, die nur durch einen erfahre- nen Mitarbeiter (z.B. Oberarzt) verordnet werden dürfen. Als vordringlicher Grund für die Anwendung derartiger Restriktio- nen wird von 88% die Begrenzung des Resistenzdrucks angegeben, allerdings spielt bei 78% der Teilnehmer auch eine Kontrolle der Medikamentenkosten eine Rolle. Eine Restriktion, die sich ausschließlich am Medikamentenpreis orientiert, ist nicht sinnvoll. Der größte Teil der alltäglich verordneten Antibio- tika stellt keinen relevanten Kostenfaktor dar, ist aber für die Resistenzinduktion von großer Bedeutung. Die Substanz- wahl muss sich daher ausschließlich an Fragen der Therapieoptimierung und Resistenzentwicklung orientieren.

Ein sinnvoller Schritt zur Verbesserung der Behandlungsqualität ist die Erstel- lung lokaler Therapieempfehlungen vor dem Hintergrund der Resistenzlage [14].

In Ergänzung zu „Hauslisten“ in Papier- form bietet das ABx-DGAI-Programm eine elektronische Plattform zur Umset- zung dieses Ziels. Der Bekanntheitsgrad von 38% ist verbesserungswürdig und sollte auf DGAI-Ebene gefördert wer- den, zumal es sich hierbei um ein im Alltag bewährtes Tool handelt, das kostenlos verfügbar ist. Die Nutzung des

Sanford-Guides als Nachschlagewerk ist grundsätzlich zu unterstützen, hierbei muss allerdings klar sein, dass die dort enthaltenen Therapieempfehlungen auf die US-amerikanische, deutlich schwie- rigere Resistenzsituation ausgerichtet sind und einer Anpassung an lokale Gegebenheiten bedürfen.

Erfreulich ist das Ergebnis, dass 86% der Teilnehmer an ihren Kliniken eine SOP zur perioperativen Antibiotikaprophy- laxe haben. In der Mehrheit der Fälle haben Anästhesisten an der Erstellung dieser Standards mitgearbeitet und sind hier für Prozess- und Ergebnisqualität von integraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass bei 76% der teilnehmenden Häu - ser die Intensivstation nicht exklusiv durch Mitarbeiter der Anästhesieabtei- lungen besetzt wird. Die interdisziplinäre Integration von Kollegen anderer Fächer (vor allem aus operativen Disziplinen) ist eine exzellente Chance, die infektio- logische Kompetenz des Anästhesisten/

Intensivmediziners zu demonstrieren und das Profil des Fachgebiets weiter zu schärfen. Anästhesisten müssen als kompetente Ansprechpartner in infektio- logischen Fragen sichtbar und engagiert tätig sein.

Infektionsschutzgesetz – Umsetzung

Durch das Infektionsschutzgesetz wird eine Reihe von hygienischen und infra- strukturellen Maßnahmen gefordert, die von Krankenhäusern umgesetzt werden müssen. Das Nichtbefolgen dieser ge- setzlichen Vorschriften kann sanktioniert werden.

Das Vorhandensein einer Resistenzsta- tistik in 93% der Häuser ist ein gutes Ergebnis, auch wenn letztlich in allen Kliniken eine entsprechende Statistik er- stellt werden muss. Verbesserungs würdig ist jedoch die Tatsache, dass nur 70%

der Teilnehmer eine Resistenzstatistik speziell für den Bereich der Intensivsta- tion erhalten, obwohl dies klar gefordert ist. Zusätzlich wird vorgegeben, dass die Ergebnisse solcher Resistenzerhebungen allen Mitarbeitern vorgestellt werden.

Auch an diesem Punkt ist eine Verbes- serung im Alltag wünschenswert.

(6)

Ein wichtiges Instrument zur Über- wachung des Antibiotikaeinsatzes ist die Erhebung der Verbrauchszahlen („Verbrauchssurveillance“). Obwohl im Infektionsschutzgesetz gefordert [15,16], geben nur 78% der Häuser an, dies umzusetzen. Dort, wo ein Verbrauchs- monitoring existiert, wird zwar überwie- gend stationsspezifisch reportiert (85%

der Teilnehmer), leider wird aber nur in der Hälfte der Fälle eine Korrelation der Verbräuche mit Bezug auf Patientenbe- legungstage vorgenommen (sog. Ver- ordnungsdichten). Hier ist eine bessere Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes erforderlich. Eine weitere Verbreitung von PDMS-Systemen könnte die techni- schen Voraussetzungen schaffen, diese Erhebungen im Alltag unproblematisch durchzuführen.

Neben der Verbrauchssurveillance und Resistenzstatistik fordert das Infektions- schutzgesetz auch eine strukturierte Erhebung der Häufigkeit nosokomialer Infektionen. 87% der teilnehmenden Kliniken führen diese Erhebungen im Alltag durch, auch hier ist eine weitere Verbesserung wünschenswert. 60% der Teilnehmer erhalten über das „ITS-KISS“

Daten über die lokale Rate an noso- komialen Infektionen und können am nationalen Benchmarking teilnehmen.

Rolle der DGAI – Betätigungsfelder auf Ebene der Fachgesellschaft

Ein zentrales Ergebnis der Umfrage ist die Erkenntnis, dass ein Bedarf an Fort- und Weiterbildung zu infektiologischen Themen besteht, der derzeit nicht aus- reichend bedient wird. Viele Teilnehmer der Umfrage wünschen ein Kursangebot zum Infektionsmanagement und erhof- fen sich von Seiten der Fachgesellschaft Hilfe bei der Erstellung von SOPs zum rationalen Umgang mit Antiinfektiva.

Darüber hinaus sind 42% der Teilneh- mer der Ansicht, dass Veranstaltungen zum Infektionsmanagement auf den Kongressen der DGAI nicht in ausrei- chendem Maße angeboten werden. Es bleibt festzustellen, dass die existierende Fortbildungsinfrastruktur verbessert wer- den muss, und dass zusätzlich ein Bedarf an speziellen infektiologisch ausgerich- teten Veranstaltungen besteht.

Bei der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass im Rahmen der Umfrage exklusiv die Chefärzte und leitenden Ärzte der Anästhesieabteilun- gen angesprochen wurden. Grundsätz- lich darf angenommen werden, dass es sich hierbei um Kolleginnen und Kollegen handelt, die über eine gute theoretische und praktische Berufserfah- rung verfügen. Offensichtlich begegnen viele Kolleginnen und Kollegen im Alltag Herausforderungen, für die sie sich eine bessere Fortbildung wünschen.

Schlussfolgerung

Die hier vorgestellte Umfrage gibt ei- nen aktuellen Einblick in die Praxis des Infektionsmanagements in deutschen Anäs thesieabteilungen. Viele Kollegin- nen und Kollegen stellen sich im Alltag infektiologischen Themen. Ein erfreulich großer Teil der teilnehmenden Kliniken führt auf der Intensivstation interdiszi- plinäre Visiten zum Infektionsmanage- ment durch und greift so auf das spezia- lisierte Wissen von Mikrobiologen und Pharmazeuten zurück. Diese Praxis ist in hohem Maße zeitgemäß und reflek- tiert zentrale Gedanken von Antibiotic Stewardship. Neben einer „ideellen“

Förderung der übergeordneten Ziele (Optimierung des Antibiotikaeinsatzes, Verlangsamung der Resistenzentwick- lung) muss sich die DGAI dem Wunsch nach Fortbildungsveranstaltungen stel- len. Der Bedarf nach einem intensiv- medizinisch fokussierten Fortbildungs- curriculum zum Infektionsmanagement ist aus den Umfrageergebnissen klar ersichtlich.

Danksagung

Bei der Entwicklung der Fragen, die in dieser Umfrage verwendet wurden, diente als Diskussionsgrundlage und Orientierungshilfe ein Fragebogen, der von Herrn Dr. med. Andreas Rothbart (Klinik für Anästhesiologie mit Schwer- punkt operative Intensivmedizin, Campus CVK und Mitte der Charité – Univer- sitätsmedizin Berlin) für ein anderes Projekt entwickelt wurde.

Literatur

1. Behnke M, Hansen S, Leistner R, Diaz LA, Gropmann A, Sohr D, et al:

Nosocomial infection and antibiotic use: a second national prevalence study in Germany. Dtsch Arztebl Int 2013;110:627-33

2. Engel C, Brunkhorst FM, Bone HG, Brunkhorst R, Gerlach H, Grond S, et al:

Epidemiology of sepsis in Germany:

results from a national prospective multicenter study. Intensive Care Med 2007;33:606-18

3. Montravers P, Dupont H, Gauzit R, Veber B, Bedos JP, Lepape A, et al:

Strategies of initiation and streamlining of antibiotic therapy in 41 French inten- sive care units. Crit Care 2011;15:R17 4. Vincent JL, Rello J, Marshall J, Silva E,

Anzueto A, Martin CD, et al: Inter- national study of the prevalence and outcomes of infection in intensive care units. JAMA 2009;302:2323-9

5. Maechler F, Pena Diaz LA, Schroder C, Geffers C, Behnke MGastmeier P:

Prevalence of carbapenem-resistant organisms and other Gram-negative MDRO in German ICUs: first results from the national nosocomial infection surveillance system (KISS). Infection 2015;43(2):163-8

6. Gastmeier P, Schroder C, Behnke M, Meyer EGeffers C: Dramatic increase in vancomycin-resistant enterococci in Germany. J Antimicrob Chemother 2014;69:1660-4

7. Meyer E, Gastmeier P, Deja M, Schwab F:

Antibiotic consumption and resistance:

data from Europe and Germany.

Int J Med Microbiol 2013;303:388-95 8. Meyer E, Schwab F, Schroeren-Boersch B,

Gastmeier P: Dramatic increase of third-generation cephalosporin-resistant E. coli in German intensive care units:

secular trends in antibiotic drug use and bacterial resistance, 2001 to 2008.

Crit Care 2010;14:R113

9. Meyer E, Schwab F, Schroeren-Boersch B, Gastmeier P: Increasing consumption of MRSA-active drugs without increasing MRSA in German ICUs. Intensive Care Med 2011;37:1628-32

10. S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus. AWMF-Registernummer 092/001. 2013

11. Dellit TH, Owens RC, McGowan JE Jr., Gerding DN, Weinstein RA, Burke JP, et al: Infectious Diseases Society of America and the Society for Healthcare

(7)

Epidemiology of America guidelines for developing an institutional program to enhance antimicrobial stewardship.

Clin Infect Dis 2007;44:159-77 12. Roberts JA, Abdul-Aziz MH, Lipman J,

Mouton JW, Vinks AA, Felton TW, et al:

Individualised antibiotic dosing for patients who are critically ill: challenges and potential solutions. Lancet Infect Dis 2014;14:498-509

13. Tabah A, De Waele J, Lipman J, Zahar JR, Cotta MO, Barton G, et al: The ADMIN- ICU survey: a survey on antimicrobial dosing and monitoring in ICUs. J Anti- microb Chemother 2015;70(9):2671-7 14. Luebbert C, Schumacher U, Stareprawo S,

Claus J, Heess-Erler G, Fiebig C et al:

Lässt sich die Antibiotikaverordnungs- praxis im Krankenhaus durch haus - interne Richtilinien

beeinflussen? Inter ventionsstudie am Universitätsklinikum Halle (Saale). Dtsch Med Wochenschr 2014;139:2578-84 15. Festlegung der Daten zu Art und

Umfang des Antibiotikaverbrauchs in Krankenhäusern nach § 23 Abs. 4 Satz 2 IfSG. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheits- schutz 2013;56:996-1002

16. Schweickert B, Kern WV, de With K, Meyer E, Berner R, Kresken M et al:

Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance.

Ausführungen und Erläuterungen zur Bekanntmachung „ Festlegung der Daten zu Art und Umfang des Anti - biotikaverbrauchs in Krankenhäusern nach § 23 Abs. 4 Satz 2 IfSG“.

Bundesgesundheitsblatt-Gesundheits- forschung-Gesundheitsschutz 2013;56:903-12.

Weitere Infos unter:

www.dgai-abx.de

Korrespondenz- adresse

Prof. Dr. med.

Björn Ellger

Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie

Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, Geb. A1 48149 Münster, Deutschland

E-Mail: ellger@anit.uni-muenster.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Peter Schirle, D.E.A.A., Stuttgart · Prof.. Wolfgang Schlack, D.E.A.A., Amsterdam

Eckhard Schmid, Tübingen Michael Schmid-Haslbeck, Niederhummel Prof. Christoph Schmidt,

Nachdem der Wahlleiter festgestellt hat, dass es zu den einzelnen Kandidaten keine Alternativvorschläge gebe, keine weitere Aussprache gewünscht werde und dass alle

Michael Hoor, Düsseldorf Prof.. Hans-Bernd Hopf,

gezeigt, dass die frühzeitige exogene Substitution von Fibrinogen zu einer signifikanten Reduktion eines Trauma-bedingten Blut- verlustes führt und auch das Vorliegen

Zur Behandlung von Patienten mit pro - longierter Entwöhnung von der Beat- mung muss sichergestellt sein, dass diese Patienten durch eine Physiothe- rapie mit Spezialkenntnissen

Unterstützt von folgenden Gesellschaften/Vereinigungen: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Öster- reichische Gesellschaft für

Der Anästhesie-Ausweis der DGAI ist zum Preis von ¡ 0,41 zzgl. für Nicht-Mitglieder) mit nachstehendem Bestellschein erhältlich über. Aktiv Druck &amp; Verlag GmbH · An der