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Julians autobiographischer Mythus als Quelle des
Julianusromans.
Von Rndolf Asmus.
Für den sogenannten zweiten Julianusroman, den Nöldeke
(ZDMG. 28, 1874, S. 660 ff.; vgl. Förster, Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte V, S. 2 ff.) aus dem Syrischen ins Deutsche über¬
tragen hat, ist bislang bloß Gregorios von Nazianz als literarische
Vorlage nachgewiesen worden. Eine genauere Analyse des Ab- 5
Schnitts, der von dem Abfall des Prinzen handelt, erschließt uns
eine weitere Quelle.
Julians Apostasie bildet auch den Gegenstand des auto¬
biographischen Mythus, den der Kaiser seiner Rede gegen
den Kyniker Herakleios (Or. V, p. 294, 22 ff. ed. Hertlein) eingefügt 10
hat. Nur verschreibt sich der Held hier den Göttern und dort
dem Teufel. Beide Male wird er seinem neuen Herrn von einem
Vertrauten zugeführt, im griechischen Text von Hermes, im syrischen
von dem Zauberer Magnus. Hinter diesem verbirgt sich gerade so
wie hinter jenem der Neuplatoniker Maximus von Ephesos, der als 15
Mystagog Julians von den Christen ebenso verabscheut wurde, wie
ihn sein Zögling vergötterte. Den Antichrist stellt bei dem Apostaten Helios, der intellektuelle Sonnengott, dar. Dieser hat aber unver¬
kennbar auch dem Romanschreiber Modell gestanden. Denn die
von ihm berichtete Beschwörungsszene spielt sich vor der Bildsäule 20
ab, die das Uhrgebäude der Reichsbauptstadt bewacht. Schon der
Übersetzer hat deshalb (S. 661, 4), da ja wohl nur eine Sonnenuhr
in Betracht komme, bei dem dargestellten Gotte an Apollon oder
an Helios gedacht. Wenn daher Satan gerade hier umgeht, so
haben wir in ihm niemand anders als Helios, den Bewohner der 25
Bildsäule , zu erkennen. Vor ihm wirft sich dann auch der Ver¬
führte ebenso, wie er dies (p. 300, 3; 301, 18) vor Helios tut, zu
Boden. Seinen solaren Charakter kann Satan auch gar nicht ver¬
leugnen.
In der Rede, die er an die Versammelten hält, paßt es einer- so
seits nicht zum höllischen Wesen, daß er in seinem alle Länder
umfassenden Gebiete überall Frieden stiftet, andrerseits vereinbart 5 0«
702 Asmus, Julians autobiogr. Mythus a. Quelle d. Julianusromans.
sich aber eben diese Wirksamkeit, die Verehrung, die er allerorts bis zu den Rändern der Erde genießt, seine zeitweilige Abwesenheit in der einen Region und sein Erscheinen in der anderen und endlich
seine Aufgabe, in allen Reichen der Völker umherzufahren und
5 sie zu besichtigen, vortreflFlich mit dem Sonnengotte, der für
seinen Gefolgsmann Julian der heilspendende König der Könige
war. Diese Ansprache findet in der autobiographischen Erzählung
ein Gegenstück. Denn hier hält Helios im Kreise der Seinen an
den Neubekehrten eine ganz ähnliche Rede. In ihren Worten und
10 in der ihr als Einleitung dienenden Vorgeschichte kommt das Macht¬
bewußtsein, die Verurteilung der Gegner, die Anerkennung und
Ermunterung des Auserkorenen und selbst der mystische Grundton
in ganz ähnlicher Weise zum Ausdruck wie bei Satan. Einzelne
Übereinstimmungen kann man sogar ungescheut als unmittelbare
15 Anklänge bezeichnen. Ihre Beweiskraft wird noch verstärkt durch
einige Stellen aus dem „Gastmahl" Julians, in welchem gerade so
wie in dem Mythus das Wesen der wahren Apotheose dargelegt
werden soll.
Die folgende Gegenüberstellung möge die Entsprechungen dem
20 Leser vor Augen führen :
Die Rede Satans.
„Ihr wißt, daß ich die Herr¬
schaft und die Gewalt über diese
ganze Welt besitze, und daß die
S5 Könige der ganzen Erde mich
verehrten und mir opferten ; die Reiche von Babel, Persien, Medien, Schaba und Saba, Indien, Äthio¬
pien, Ägypten und Philistäa
30 und die aller barbarischen Völker,
so an den Rändern der Erde
wohnen, sind unser und verehren
uns mit Weib und Kind, und so
auch das große Rom; und von
85 Beginn der Welt an war kein
Volk oder Reich, das mich nicht
verehrt hätte. Nur dieser Kon¬
stantin fiel ab in seiner Verstand-
losigkeit und seinem Mangel an
40 Einsicht. Denn weil ich viel zu
tun hatte und nach allen Rich¬
tungen zu den Rändern der Erde
hinausging und in allen Reichen
der Völker umherfubr und sie
45 besichtigte und Frieden stiftete
in allen meinen Gebieten , da
5 0 *
Der Mythus Julians.
(A = Athena. — H = Helios.
— J = Julian. — K = Kon¬
stantins. — KK = Konstantinus d. Gr. — Die Elemente der Helios¬
rede sind gesperrt gedruckt.)
p. 295, 11. 24 (von KK bzw.
seinen Söhnen) : Unwissenheit bzw.
Unverstand und Unwissenheit.
Asmus, Julians autobiogr. Mythus a. Quelle d. Julianusromans. 703 hatte, bevor ich hierher zurück¬
kehrte , dieser Konstantin die
Religion seiner Väter verleugnet und sich der Irrlehre der Galüäer
hingegeben. Und er nannte sich
und seine Söhne allein Kaiser.
Nachdem ich nun gesehen, daß
sie mich verließen und den ver¬
ehrten, welchen die Juden ge¬
kreuzigt haben, da hatte ich erst noch aus Liebe zu seinen Vätern
lange Zeit Geduld mit ihm. Als
ich aber sah, daß er von seinem
Irrwege nicht umwandte, beraubte
ich ihn und auch seine beiden
Söhne, welche nach ihrem Vater regieren wollten, des Lebens, und auch diesen, der von ihnen übrig geblieben ist, beraube ich in diesen
Tagen des Lebens und lasse ihm
keinen Sohn als Erben. Und
dann erhebe ich den Julian zur
Regierung und mache ibn zum
Imperator über die ganze Erde,
und er soll nur allein Kaiser
sein vom Aufgang bis zum Nieder¬
gang; seine Regierung soll hundert
Jahre währen , ihm sollen alle
Reiche der Erde Untertan sein,
und ich will für ihn tun , was
ich nicht für seine Väter getan;
wie in einem Ruhebette sollen
in ibm alle meine Heerscharen ruhen , er soll mir ein Tempel
Zeitsohrift der D. M. O. Bd. 68 (19U).
p. 295, 5 (von KK ; vgl. p. 296,10;
G p. 422, 23) Er kümmerte sich
. . . wenig um die Götter. —
G p. 431, 20 Urheber der Götter-
losigkeit; vgl. p. 408, 11. 5
p. 300,10 (J zu A ; vgl. p. 297,15)
Ich war im Hause meiner Ver¬
wandten auf die Seite geworfen,
p. 296, 16 (Z zu H von KK)
Der Mann, der dich verließ. — lo
G p. 431, 14 KK nimmt seine
Zuflucht zu Jesus,
p. 304, 3 (H zu J; vgl. G 431,
23flF.) Wir werden das Haus
deiner Vorfahren ausis
Achtung vor ihnen ent¬
sühnen. — p. 296, 13 Z be¬
kam Mitleid (mit dem Haus
des KK).
p. 296, 17 (Z zu H von KK). 20
Er hat so großes Leid über sich selbst . . . und seine Söhne ge¬
bracht. — p. 296, 10 (von den
Söhnen des KK) Sie brauchten
bald viele Gräber. — G p. 431, 25
20 (von KK und seinen Söhnen)
Es peinigten sie die Rachegeister.
— p. 296, 22 (Z zu H von K)
Willst du sein Haus verwaisen
lassen ? so
p. 301, 15 (H zu J von K) Ich
werde dich im Bunde mit
A da im Auftrag des Z an
Stelle dieses Erben zum
Verwalter über all diesss
einsetzen.
p. 303, 18 (H zu J) Gehe
durch jedes Land und durcb
jedes Meer!
p. 302, 27 (H zu J) Wir sind 40
deine Wohltäter, Freunde
und Heilande. — p. 303, 4
Wir werden jaüberall mit
(mystisch = in) dir sein...
wir Götter alle miteinander. 45
— p. 297, 22 (Z zu H von J).
Das von dir in ihm ausgesäte
46
704 Asmus, Julians autobiogr. Mythu^s a. Quelle d. Julianusromans.
sein, und ich will in ihm wohnen und ihn niemals verlassen, weil
ich ihn als einzigen Überge¬
bliebenen in meinem Reiche er-
s
funden habe; er soll mir all
meinen Willen tun. Steh' auf,
Julian , unser Kaiser , gib dir
Mühe und gedeihe!"
10
(Unmittelbar darauf heißt es) : Sogleich stand er auf und opferte.
16
Feuer. — p. 297, 28 In J ist
noch ein Funke aus H erhalten,
p. 300, 14 (J zu A) Es half
mir ja niemand (zur Erwerbung des wahren Glaubens,
p. 301, 24 (J zu H und A; vgl.
303, 2). Gebraucht mich, wozu
ihr wollt!
p. 301, 19 (H zu J) Sei nicht
allzu unfolgsam! — p. 303, 2
(H zu J) Ziehe hin voll
froher Hoffnung!
p. 301, 1 (J zu Z) Dir, Vater
der Götter . . . will ich mich
selbst als Opfergabe darbringen.
In welchem Grade die Rede Satans mit dem autobiographischen
Mythus, den man füglich als den ersten Julianusroman bezeichnen
könnte , verwandt ist , entzieht sich der genaueren Feststellung.
HofFentlich läßt aber meine kritische Vergleichung an der Ver-
20 wandtschaft selbst keinen Zweifel mehr übrig.
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Anzeigen.
Deutsche Aksum-Expedition herausgegeben von der General-
verwaltung der königl. Museen zu Berlin. Bd. I: Reise¬
bericht der Expedition. Topographie und Geschichte
Aksums von Enno Lütmann unter Mitwirkung von
Th. vm Lüpke. Mit 3 Tafeln und 44 Textabbild. 5
V + 64 S. M. 11. — Bd II: Ältere Denkmäler Nard-
abessiniens von Dan. Krencker mit Beiträgen von Th. von
Lüpke und einem Anhang von R. Zahn. Text mit
439 Abbildungen. IX -j- 240 S. 31 Tafeln. M. 48. —
Bd. III: Profan- und Kultbauten Nordabessiniens aus lo
älterer und neuerer Zeit von Th. von L üp k e unter Mit¬
wirkung von E. Littmann und D. Krencker. Mit
11 Tafeln und 281 Textabbild. I + 112 S. M. 24. —
Bd. IV*): Sabäische, griechische und altabessinische In¬
schriften von Enno Littmann. Mit 6 Tafeln, 1 Karte i6
und 109 Textabbild. IX + 96 S. M. 17. — Verlag von
Georg Reimer, Berlin 1913. Polio. Gesamtpreis M. 90.
•) S. unten 8. 707, Z. 13.
Was man schon viele Jahre für Südarabien vergeblich gehofft
hat, ist nun für Abessinien zur Wirklichkeit geworden. Eine to
wissenschaftliche Expedition hat die Denkmäler Aksums, des uralten Kulturzentrums Abessiniens, ,der Mutter der Städte Äthiopiens', genau untersucht und beschrieben.
Die Verhältnisse in Abessinien waren für diese Expedition
außerordentlich günstig. Kaiser M e n i 1 e k II. von Äthiopien be- 25
zeugte nämlich, wie Littmann im Vorwort mitteilt, dem deutschen
Gesandten, Herrn Dr. Fr. Rosen ein lebhaftes Interesse für die
deutschen Ausgrabungen in Babylon und bat den Deutschen Kaiser
Fachleute zur üntersuchung der Ruinen von Aksum zu entsenden ;
zugleich versprach er den zu erwartenden Widerstand der abessinischen 30
Geistlichkeit niederzuhalten. „Darauf geruhte Se. Majestät der
Deutsche Kaiser im Herbst 1905 zu befehlen, daß eine wissen¬
schaftliche Expedition zur Erforschung der aksumitischen Altertümer
ausgesandt werde, und die dafür erforderlichen Mittel aus dem
allerhöchsten Dispositionsfonds gnädigst zu bewilligen". Mitglieder 33
der Expedition wurden Professor Enno Littmann als wissen¬
schaftlicher Leiter, Regierungsbaumeister Daniel Krencker als
46*