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Diese aber war, so führt er weiter aus, im Vergleich zu dem Gesamtphänomen Buddhismus in China nur hauch¬ dünn

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(1)

Von Herbert Franke, Gauting

Professor Erik Zürcher (Rijksuniversiteit Leiden) hat kürzlich ein¬

drücklich hervorgehoben, daß trotz der großen Zahl buddhistischer

Texte im chinesischen Tripitaka das Bild, welches wir uns daraus vom

Buddhismus in China machen können, recht einseitig ist. „A tiny

clerical establishment is working at imperial order in a handful of top-

level ofiicial monasteries; they are charged with the production of texts, obviously as a magical protection for state and dynasty; the production of those texts is to some extent regulated; their inclusion into the Canon (apparently an imperial prerogative) certainly is".' ZtJRCHER bezeich¬

net diese offiziell sanktionierten Texte als Teil der „Great Tradition"

des chinesischen Buddhismus. Diese aber war, so führt er weiter aus, im

Vergleich zu dem Gesamtphänomen Buddhismus in China nur hauch¬

dünn. „What about the vast body of innumerable little traditions — local

manifestations of Buddhist life as it existed among the people, far remo¬

ved from that world of texts, treatises, leamed doctors, impressive

rituals and rich endowments? What can we expect to find at those lower

levels?"^

Die Frage Zürchers können wir nicht generell beantworten. Statt¬

dessen soll versucht werden, hier eine chinesische Apokryphe vor¬

zustellen, die nun zweifellos zu der volkstümlichen Variante des Bud¬

dhismus gehört, zur „Little Tradition". Es handelt sich um eine Apo-

* Abkürzungen:

BD Mochizuki Shinkö: Bukkyö Daijiten. Tökyö: Sekai Shöten ''1958-

1963.

DKJ Morohashi Tetsu ji: Dai Kanwa Jiten. Repr. Taipei o.J.

Nj Bunyiu Nanjio: A Catalogue of the Chinese Translation of the Buddhist Tripitaka. Repr. Tökyö 1929.

SH William Edward Soothill, Lewis Hodous: A Dietionary of Chi¬

nese Buddhist Terms. Repr. Taipei 1961.

T Taühö Shinshü Daizökyö. Tökyö 1924-1935.

' Erik Zürcher: Perspectives in the Study of Chinese Buddhism. In: JRAS

1982, 164.

^ Zürcher, op. cit., 165.

(2)

Zu einem apokrj^phen Dhäram-sutra aus Cliina 319

kryphe, die anscheinend in der frühen Ming-Zeit recht verbreitet gewe¬

sen sein muß , weil relativ viele Drucke aus jener Zeit nachgewiesen wer¬

den können. Der Titel des Werkes ist Fo-ting hsin ta t'o-lo-ni ching; es

umfaßt 3 Kapitel (chüan). Der Zufallsfund von buddhistischen und taoi¬

stischen Schriften in einer Buddhastatue der Ming-Zeit hat allein zwei

Drucke dieses Werkes, datiert 1440 und 1441, erhalten. Sie sind vor

einigen Jahren zusammen mit den anderen „Buddha-Eingeweiden" {Fo-

tsang) bibliographisch beschrieben worden.^ Dieser Fund kann viel¬

leicht insofern als typisch für die Zeit des 15. Jahrhunderts und die

damals im Vofk verbreiteten buddhistischen Werke angesehen werden,

als er in der Tat bis auf den sozusagen unvermeidlichen Lehrtext des

Mahäyäna, das Lotus-Sütra, vorwiegend nichtkanonische Werke ent¬

hielt oder Adaptationen und Kurzfassungen von kanonischen Werken.

Ebenso darf als typisch gelten, daß von den insgesamt 11 Stücken des

Fundes 9 buddhistisch waren und zwei taoistisch. Wir haben also inner¬

halb der Religionsübung ein ausgesprochenes Nebeneinander von

Buddhismus und Taoismus. Bemerkt sei schließlich auch noch, daß die

beiden taoistischen Texte Versionen bieten, die von der jeweiligen Fas¬

sung im taoistischen Kanon inhaltlich abweichen.'' Auch hier haben wir

also ein Beispiel dafür, wie der Kanon expurgiert worden ist gegenüber

den privaten Druckausgaben. Im übrigen kann jetzt mitgeteilt werden,

daß die Fundstücke von der Bayerischen Staatsbibliothek in München

erworben und hervorragend restauriert worden sind. Sie stehen damit

der wissenschaftlichen Bearbeitung voll zur Verfügung. Der Druck des

Fo-ting hsin ta t'o-lo-ni ching von 1440 (in der Übersicht in der Anm. 3

genannten Arbeit Nr. 3) hat jetzt die Signatur der Bayerischen Staatsbi¬

bliothek L. sin. C. 527, der Druck von 1441 (Nr. 2 der Übersicht) die

Signatur L. sin. C. 526. Für unsere Ausführungen legen wir den Druck

von 1441 zugrunde, da er recht gut erhalten ist und keinen Textverlust

aufweist.

Unser apokryphes Sütra fand sich auch mehrfach in privaten Samm¬

lungen. So wurden allein fiinf verschiedene Drucke des Werkes auf

einer Ausstellung in Peking 1944 gezeigt, darunter ein Exemplar des

Peking-Drucks von 1440, der sich auch in München befindet.^ In der

' Herbert Franke: Einige Drucke und Handschriften der frühen Ming-Zeit.

In: Oriens Extremus 19 (1972), 55-64.

" Herbert Franke, op. oit., 61-64, ferner H. Franke: Bemerkungen zum

volkstümlichen Taoismus der Ming-Zeit. In: Oriens Extremus 24 (1977), 205-215.

^ Exposition d'Ouvrages Elustres de la Dynastie Ming. P6kin: Centre franco- chinois d'ötudes sinofogiques, Juillet 1944. Dort S. 106-107 unter No. 110 der Druck vom 5. Jahre Cheng-t'ung (1440).

(3)

gleichen Ausstellung von 1944 wurden femer Dmeke von 1491 und

1598 sowie zwei weitere nicht datierte Dmeke gezeigt. Sicherlich wäre

es möglich, weitere Dmeke unseres apokryphen Sütras nachzuweisen.

Auch ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich bei dem im Palastmuseum

Taipei befindlichen Ming-Manuskript in 3 Kapiteln namens Fo-ting hsin

kuan-shih-yin p'u-sa ta t'o-lo-ni ching gleichfalls um unseren Text han¬

delt.'

Wie bereits in einer früheren Arbeit (s. Anm. 3) dargelegt, könnte

man bei unserer Apokryphe zunächst auf den Gedanken kommen, es

handele sich um die Buddhosni^avijayadhärani. Dieser Sanskrittext war

in Ghina ungemein populär, ebenso in Japan. Er wurde sowohl in der

originalen Sanskrit-Fassung wie auch in chinesischer Umschrift ver¬

breitet und nicht selten auch als Steininschrifb aufgestellt. Der T'ang-

Kaiser Tai-tsung ordnete 776 an, daß alle Mönche und Nonnen 21 mal

pro Tag den Text zu rezitieren hätten und die Gesamtzahl der Rezitatio¬

nen jeweils am Jahresende melden mußten.' Im Jahre 840 sah der japa¬

nische Pilgermönch Ennin diese Dhäram bei einem Kloster am Wu-t'ai-

shan.* Aber in unserer illustrierten Apokryphe finden wir einen ganz

anderen Dhärani-Text. Er stimmt lautlich, wenn auch nicht orthogra¬

phisch, überein mit dem Anfang einer Dhärani im Kuan-shih-yinp'u-sa pi-nti tsang ju-i lun t'o-lo-ni shen-chu ching.^ Man kann also vielleicht

' T'ai-wan kung-tsang Shan-pen shu-mu shu-ming so-yin. Bd. 1. Taipei: Kuo-li chung-yang t'u-shu-kuan 1971, 550. Die japanische buddhologische Bibliogra¬

plüe Bussho Kaisetsu Daijiten. Tökyö: Daitö 1935 verzeichnet eine illustrierte

japanische Ausgabe aus dem 8. Jahre Kwambun (1668), vgl. Bd. 9, 321 //II,

doch muß offen bleiben, ob sie mit unserer Apokryphe von 1440-1441 zu tun

hat.

' Chou Yi-liang: Tantrism in China. In: HJAS 8 (1945), 322-323. Zu den

Sanskritfassungen der Dhärani vgl. auch R. H. van Gulik: Siddham. An Essay on the History of Sanskrit Studies in China and Japan. Nagpur: Intemational Aca¬

demy of Indian Culture 1956 (Sarasvati-Vihara Series. Vol. 36.), 76-78 und die dort zitierte weitere Literatur, sowie H. Franke (Anm. 3), 58-60 zu Nr. 7, fer¬

ner BD 1, 234/in, 3,3169/1 und 8, 2/11. Die Popularität dieser Dhärani zeigt sich auch darin, daß ein neueres chinesisches Werk, das alle schriftlichen und inschriftlichen Zeugnisse aus der Liao-Zeit (907-1125) abdmckt, nicht weniger als elf Belege für Inschriften mit dieser Dhäraiji bietet. Leider ist in diesem Werk nicht gesagt, ob der Text der Dhäraiii in chinesischer Umschrift oder Sanskrit¬

buchstaben geboten wird. Vgl. Ch'en Shu: Ch'üan Liao-wen. Peking: Chung-

hua shu-chü 1982. 170, 177, 230, 242, 282 (2 x), 307, 314, 343, 358 und 369.

' E. 0. Reischauer (Übers.): Ennin's Diary. The Record of a Pilgrimage to

China in Search of the Law. New York: The Ronald Pr. Comp. 1955, 266.

' T Bd. 20, Nr. 1082, 200/1; ebenso Nr. 1083, 200/n. Obwohl die Apokry- phenausgaben von 1440 bzw. 1441 in der Umschrift der Dhärani gelegentlich

Vulgärformen der Schriftzeichen verwenden und die Genauigkeit der Recht-

(4)

Zu einem apokryphen Dharaiji-sütra aus China 321

sagen, daß unsere Apokryphe eine populäre Zusammenfassung bzw.

Adaptation von früheren einschlägigen Dhärani-sütras darstellt.

Der populäre Charakter des Textes geht auch aus der Tatsache hervor,

daß er illustriert ist. Auch ist es nicht überflüssig, darauf hinzuweisen,

daß keiner der befragten Kataloge des buddhistischen Schrifttums ein

Fo-ting hsin t 'o-lo-ni ching in 3 chüan verzeichnet.Das Werkchen, das

in der Ming-Zeit anscheinend so verbreitet war, ist natürlich auch nicht

in irgendeiner kanonischen Sammlung vertreten. Was die Illustrationen

angeht, spiegeln sie gleichfalls eine populäre Form des Buddhismus

wider. Die Kanon-Drucke in China, Japan und Korea verzichten ja,

abgesehen von Frontispizen, auf Illustrationen erzählender Art. Unser

Text ist dagegen durchlaufend illustriert und zwar über dem Text durch

das gesamte Buch durchlaufend, in der Art eines frommen Comic Strip.

Solche Illustrationen im Kopfteil der Druckplatte sind nicht selten in

umgangssprachlichen Erzählungen, und zwar schon seit der Sung-

Zeit. '' Die Bilder unseres Textes nun sind ausgesprochen grobe und pri¬

mitive Holzschnitte, anders als das etwas besser ausgeführte Titelbild

mit Kuan-shih-yin und einer vierköpfigen Familie als Adoranten.'^ Die

einzelnen Stationen der fortlaufenden Bebilderung sind mit kleinen

Kästchen versehen, in denen eine Art Überschrift zum Bild gegeben

wird, jeweils in Anlehnung an den damnter stehenden Text. Insgesamt

27 solcher Bildaufschriften sind vorhanden. Sie weisen wie auch der

Schreibung nicht mit der in den kanonischen Dhärani-sütras konkurrieren kann, ist es doch möglich, wenigstens teilweise eine Rekonstruktion des sanskriti¬

schen vermutlichen Wortlauts zur Diskussion zu stellen. Es wäre dies: Namah tatnatraya-ya. Namo ärya Avaiokitesvara-ya bodhisattva-ya mahäsattva-ya mahä- karunika-ya tad yathä aparäjitä (?) pärvati (?) tad yathä sarvadhäraniman- dala-ya -buddha-ya orn sarvajätaka-ya (?) dhärani indriya tad yathä Avalo-

kitesvara-ya sarva tu^ita svähä. Angerufen werden also zunächst die Edel-

stein-Dreiheit (Buddha, Dharma, Sangha), sodann der Bodhisattva Avalokites¬

vara, der mit vielen Epitheta wie erbarmungsvoU und unbesiegbar bezeichnet wird.

Die ün Bussho Kaisetsu Daijiten (vgl. Anm. 6) verzeichneten Titel haben alle nicht drei Kapitel wie unsere Apoluyphe.

'' Für buddhistische Werke ist diese Anordnung (Bilder am oberen Rollen¬

rand über dem Text) schon sehr früh bezeugt, nämlich aus der T'ang-Zeit. Auch haben sich in Tun-huang solche Darstellungen gefunden. Vgl. William Cohn:

Chinese Painting. London: Phaidon Press 1948, 36 (mit Abbüdung aus der bebil¬

derten japanischen Rolle des Ingwakyö/Yin-kuo ching (T Bd. 3, Nr. 189; Nj Nr.

666), welche im Jalu-e 1939 auf der Berliner Ausstellung japanischer Kunst zu sehen war {Ausstellung Altjapanischer Kunst Berlin 1939. Berlin: Verl. für Kunst¬

wissenschaft 1939, Abbildung S. 78). Die japanische Rolle ist ins 8. Jahrhundert zu datieren.

Vgl. Abb. 3 in der Anm. 3 angefuluten Arbeit.

(5)

eigentliche Text gelegentlich Vulgärfomen von Schriftzeichen auf und

sind überhaupt nur schwer zu entziffern. Auch finden sich hier und da

ausgesprochene Schreibfefiler. Die von mir verglichenen Textillustra¬

tionen der Parallelausgaben,''' insbesondere auch des Drucks von 1440,

sind nur in der Ausführung verschieden, ikonographisch dagegen fast

identisch. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie alle auf einen Archety¬

pus, der vermutlich sehr viel sauberer ausgeführt war, zurückgehen und

daß im Wege des Durchpausens immer wieder neue Druckstöcke

geschnitten worden sind.

Abb. 1

L. Sin. C. 526. Frontispiz und Anfang von Kap. 1.

Die beiden Mimchener Texte von 1440 und 1441 sind beides Privat¬

drucke, hergestellt auf Kosten von frommen Stiftern. Im Druck von

1441 ist bemerkenswert, daß der Kolophon mit dem Stiftervermerk

sehr sauber und schön gedruckt ist, in einem anderen Duktus als der

eigentliche Text des Sütras. Es ist zu vermuten, daß diese privaten Stif¬

tervermerke jeweils neu geschnitten werden mußten, während die

Druckplatten des Werkes selbst fiir mehrere Auflagen herhalten mu߬

ten. Das Kolophon des Druckes von 1441 lautet in Übersetzung: „Auf

Veranlassung des in der Stadt Peking des großen Mingreiches wohnen¬

den Laienbruders Chao, Beiname X [NB. im Druck ist hier eine Lücke

gelassen, vermutlich für den persönlichen Namen]. Dieser hat, weil sein

Sohn an einer Krankheit litt und es ihm nicht gut ging, ein Gelübde

getan, Geld zu stiften und den Auftrag zu geben, [dieses Buch] drucken

" Es handelt sich dabei um Photographien von Titelblättern der Exemplare unseres Textes, die im Kunsthandel angeboten wurden.

(6)

Zu einem apolirypiien Dharaiji-sütra aus China 323

zu lassen als fromme Gabe. Möge es oben den vierfachen Segen''' vergel¬

ten und unten den drei Daseinszuständen'^ helfen, möge es in der Dhar¬

ma-Welt Freund und Feind gleichermaßen zu Glück und Freude verhel¬

fen. Cheng-t'ung 6. Jahr, 6. Monat 1. Tag [d. i. 19. Juni 1441]" Wie groß

die Auflage war, ist in dem Kolophon nicht vermerkt, wohl dagegen in

dem Druckvermerk der Ausgabe von 1440. Dieser lautet: „Auf Ver¬

anlassung von dem Buddhajünger Ch'ien X [Zeichen des Namens zer¬

stört] in der Landeshauptstadt des Mingreiches, der zusammen mit sei¬

ner Frau Miao-yüan, geborener Hu, gelobt hat, eintausend Kapitel des

Fo-ting hsin t 'o-lo-ni ching drucken zu lassen und sie als fromme Gabe

allgemein zu verbreiten. Demütig wünschen sie, daß das ganze Reich

beschützt werde, daß die Sonne des Buddha vermehrt scheine, daß oben

der vierfache Segen vergolten werden und unten den drei Daseinszu-

ständen geholfen werden möchte und daß allem, was in der Dharma-

Welt lebt [wörtlich: Gefiihle hat], zusammen Einsicht eingepflanzt

werden möge. Cheng-t'ung 5. Jahr, 4. Monat, 8. Tag [d. i. 8. Mai 1440]."

Den Ausdruck „eintausend Kapitel (chuang wird man wohl im Sinne

von „tausend Stücke" auffassen müssen. Wenn also eine fromme Fami¬

lie in Peking allein schon eine solche Auflage herstellen ließ, mag man

sich ausrechnen, wieviele weitere tausende von Exemplaren anderwei¬

tig gedruckt und unter die Leute gebracht worden sein mögen.

Herr Ch'ien hat nicht angegeben, ob er aus einem besonderen Anlaß

heraus sein Gelübde tat, Herr Chao hingegen erhoffte durch seine

fromme Spende, daß sein Sohn wieder gesund werden möge. Und in der

Tat bringt der Text selbst immer wieder zum Ausdruck, daß die Rezita¬

tion, aber auch schon die bloße Verehrung dieses Sütras vor allen mögli¬

chen Gefahren schützen könne.

Wir wenden uns nun dem Inhalt zu. Die drei Kapitel (als shang, chung

und hsia, also eins, zwei und drei bezeichnet) tragen jeweils verschie¬

dene Titel. Kapitel shang ist betitelt Fo-ting hsin ta t'o-lo-ni ching

„Essenz {hsin) des großen Dhärani-sütras der Buddha-U§ni§a". Das

''' Der „vierfache Segen" (chin. ssu-en) wird im buddhistischen Kontext auf verschiedene Weise gedeutet. Es kann sein der Segen, den einem der Lehrer,

der Landesfurst, die Almosengeber und die Eltern gewährt haben, aber auch

bezogen sein auf die Eltern, alle Lebewesen, den Landesfürsten und die drei

Edelsteine (Buddha, Sangha, Dharma), vgl. DKJ 3, 6/I-II und SH, 325b.

" Die Bedeutung der „Drei Daseinszustände" (chin. san-yu) ist manchmal

gleich „die Drei Welten" {san-chieh) von Vergangenheit, Gegenwart und

Zukunft, häufiger jedoch im Sinne der drei Welten Kämadhätu, Rüpadhätu und

Ärüpadhätu, d. h. Welt der Leidenschaften, der Formen und der Abwesenheit von Formen. Der Sinn ist in diesem Fall soviel wie „das ganze Universum". Vgl.

u.a. SH, 68a, 70b.

(7)

mittlere Kapitel (chung) dagegen heißt Fo-ting hsin liao-ping chiu-ch'an

fang „Essenz der Buddha-U§ni§a-Methode, Krankheiten zu heilen und

bei der Geburt zu helfen". Es geht hier also auch um Erleichterung von

Geburten, nicht nur um das Heilen von Krankheiten. Das letzte Kapitel

(hsia) schließlich heißt Fo-ting hsin chiu-nan shen-yen ching „Essenz des

Buddha-Usni§a-sütras über die göttlichen Erfolge bei Rettung aus

Gefahren". Allein schon die Verschiedenheit der drei Untertitel deutet

darauf hin, daß unser Gesamttext Bestandteile verschiedener Prove¬

nienz enthalten muß, und daß es sich nicht um eine in einem Zug ver¬

faßte Apokryphe handeln kann. Auch wird man von einem solchen

populären Gebetstext, dem man übernatürliche Wirkung zuschrieb,

keine tiefsiimigen Spekulationen erwarten köimen. Es dürfte sich

darum auch eine Gesamtübersetzung des Werkchens erübrigen, so daß

wir uns darauf beschränken wollen, das wichtigste kurz anzugeben.

Der Bodhisattva Kuan-8hih-5dn (Avalokitesvara) äußert dem Säkya-

muni-Buddha gegenüber, daß er in seiner früheren Existenz nicht dar¬

über nachgedacht habe, wie den Lebewesen zu helfen sei, aus den Ver¬

strickungen herauszukommen und vom Leid befreit zu werden. Aus die¬

sem Grunde will er jetzt mit Hilfe einer Dhärani dies nachholen. Mit die¬

ser Methode könnte allen Lebewesen geholfen werden, Krankheiten

köimten geheilt, und sogar wiederholte Sünden und ein schlechtes

Karma getilgt werden. Sodann predigt Kuan-shih yin diese Dhärani,

deren chinesische Umschrift folgt. Kaum ist er damit fertig, erzittern

alle zehn Weltgegenden, und es regnen vom Himmel frische Blumen

hernieder, mit denen die Dhärani verehrt werden kann. Der Text ist so

wunderkräftig, daß, wenn brave Söhne und Töchter ihn hören, eine

Unzahl von Sünden getilgt wird, sogar die „Zehn Kapitalverbrechen"

und die „Fünf Widersetzlichkeiten". Hierzu sei angemerkt, daß die

letztgenarmten Begriffe rein chinesisch sind — die „Zehn Kapitalverbre¬

chen" sind ein von alters her geläufiger Begriff in der chinesischen

Rechtsprechung,'* während die „Fünf Widersetzlichkeiten (gegen Him¬

mel, Erde, Herrscher, Eltern und Lehrer)" eher dem taoistischen

Gedankengut zuzurechnen sind. " Wenn jemand zu Lebzeiten die Sünde

" Über die Kapitalverbrechen im T'ang-Gesetzbuch siehe Wallace John¬

son: The T'ang Code. Vol. f: General Principles. Princeton: Princeton Uiüv. Pr.

1979, 17-22, 68-70, 79-82.

" Nach dem Wörterbuch von Mathews Nr. 7187-89 sind wu-ni „Fünf

Widersetzlichkeiten" diejenigen gegen Himmel, Erde, Herrscher, Eltern und Lehrer. DKJ bringt den Ausdruck nicht. Für taoistische Belege zu wu-ni vgl. K.

M. Schipper: Index du Yunji Qiqian. T. 1. Paris: ficole Francaise d'Extröme- Orient 1981. 169.

(8)

Zu einem apokiyphen Dliarapi-sutra aus China 325

der Tötung von Lebewesen begangen hat, so ist das freilich schlimm;

der Betreffende kommt zur Vergeltung in die Avici-Hölle, wo er Tag und

Nacht zehntausend Tode stirbt und ohne Unterbrechung immer aufs

neue geboren wird, durch 80.000 große Kalpa hindurch. Wenn aber mit¬

leidvolle und gehorsame Söhne und Töchter die von den Eltern empfan¬

genen Wohltaten vergelten wollen, so sollen sie jemanden bitten, das

Dhärani-sütra abschreiben zu lassen und es täglich rezitieren, nachdem

sie dem Buddha Weihrauch verbrannt haben. Auf diese Weise kommt

keiner in die Hölle, sondem wird hundert Jahre alt. In der Todesstunde

erscheint ihm dann der Bodhisattva und er wird im Reinen Lande, im

Paradies wiedergeboren. Wenn eine Frau des Körpers einer Frau über¬

drüssig wird und zum Mann werden möchte, kann sie das erreichen,

indem sie das Sütra schreiben läßt, es vor den Buddha hinlegt und es

mit gutem Weihrauch verehrt. Dann wird sie, wenn sie stirbt, gleich im

westlichen Paradies wiedergeboren und dort auf einer kostbaren Lotos¬

blüte sitzen, umgeben von tausenden von Dienerinnen. Die Rezitation

des Sütras bewahrt auch vor häuslichem Unglück, sowie Gefahren

unterwegs auf Reisen. Wer in einem stillen Raum mit geschlossenen

Augen den Kuan-yin-Bodhisattva anmft und 17 mal das Dhärani-sütra

rezitiert, der verhindert schlechte Gedanken und es kann ihm leibhaftig

der Buddha selbst erscheinen. Wer vor dem Buddha Weihrauch ver¬

brennt und tausend mal das Sütra rezitiert, der erblickt den Kuan-yin-

Bodhisattva, welcher sich in die Gestalt des Änanda verwandelt; ihm

werden durch ihn alle Wünsche erfiillt nach Auflösung aller Verstrik-

kungen durch Taten des Körpers, des Mundes und des Sinnes. Er kann

den Zustand der Versenkung {samädhi) erreichen, in welchem er den

Buddha erblickt xmd völlige transzendente Weisheit erlangt.

Zu diesem Inhalt von Kapitel 1 gehören insgesamt 13 Bilder bzw.

Bildaufschriften. Die Aufschriften lauten 1. „Der Bodhisattva spricht"

zum Buddha". 2. „Er geht fort wegen aller" Lebewesen". 3. „Vom Him¬

mel regnen frische Blumen hernieder, wenn gelesen und gepredigt

wird". 4. „Brave Söhne und brave Töchter verehren dieses Sütra". 5.

„Wer Sünden begangen und Lebewesen getötet hat, stirbt und stirbt in

'* Die Büdaufschrift hat für pai „mitteilen" (Mathews Nr. 4975) die falsche Schreibung pai „hundert" (Mathews Nr 4976).

" In der Aufschrift steht das sinnlose chih „nur" (Mathews Nr. 746), welches sicher Falschschreibung fiir das richtige, ähnlich jedoch komplizierter aus¬

schauende Zeichen chung „alle" (Mathews Nr. 7517) in chung-sheng „alle Lebe¬

wesen" ist. Diese und andere Richtigstellungen in den nicht seltenen falschen

Schreibungen in den Aufschriften ergeben sich aus einem Vergleich mit dem

Haupttext.

(9)

Abb. 2

Fortsetzung von Kap. 1 mit dem Text der Dhärani.

der Hölle". 6. „Stelle wo [das Sütra] in Empfang genommen wird". 7.

„Das Sütra wird rezitiert . . . und gelobt, es zu schreiben zu lassen^' . . ..

8. „Die Stelle, wo eine Frau, die ihres Körpers als Frau überdrüssig ist,

dieses Sütra verehrt". 9. „Der aus einer Frau zum Mann Gewordene

sitzt auf kostbaren Lotusblüten". 10. „Hundert und tausend brave^^

Mädchen folgen ständig und machen Musik" .11. „Durch göttliche Kraft

ist man überall beschützt". 12. „Duftende Blumen werden zur Ver¬

ehrung dargebracht". 13. „An einem ruhigen Ort sitzend das Sütra rezi¬

tieren".

Die Illustration stellt zwei Metzger dar, die ein Schwein schlachten. Dahin¬

ter erhebt sich eine Mauer mit einem Tor, über welchem eine Aufschrift steht „A- mi-Hölle". Das ist sicher auch eine falsche Schreibung. A-mi wäre allenfalls als Abkürzung fiir A-nü-t'o, d.h. Amithäba, noch sinnvoll. Aber es ergibt sich aus

dem Vergleich mit dem Text, daß statt mi (Mathews Nr. 4459) hier pi (Nr.

5100) zu lesen ist, also ein lautlich nahestehendes Zeichen. A-pi ist eine abge¬

kürzte Form von A-pi-chih, skr. Avici, des Namens der tiefsten der acht heißen Höllen, wo die Sünder ohne Unterbrechung immer wieder sterben, wiedergebo¬

ren werden und aufs neue leiden. Vgl. z.B. SH, 294a.

^' In der Aufschrift sind eitüge Zeichen urüeserlich.

Die Aufschrift hat shan „gut, brav" (Mathews Nr. 5657), während der Druck von 1440 an der betreffenden Stelle ts'ai „hübsch, bunt, ansehiüich", DKJ Nr. 6392 bietet. Letzteres stimmt mit dem Haupttext überein.

(10)

Zu einem apoltrj^phen Dharani-sütra aus China 327

Das zweite Kapitel beschreibt die Wirksamkeit des Textes in Gefah¬

ren des Kindbetts und bei Krankheiten. Wenn eine Schwangere

Beschwerden bei der Geburt hat, Schmerzen leidet und nicht weiß, an

wen sie sich wenden soll, dann schreibe man die Dhärani und die gehei¬

men Zeichen mit Zinnober^^ und lasse sie diese in duftendem Wasser

trinken. Dann wird das Kind gesund geboren und entweder ein intelli¬

genter Knabe oder ein ansehnliches Mädchen sein, an denen alle

Freude haben. Wenn die Plazenta nicht abgeht, und das Leben von Mut¬

ter und Kind in Gefahr ist, dann muß man schnell die geheimen Zeichen

des Ting-lun wang^** mit Zinnober schreiben und sie in duftendem Was¬

ser zu trinken geben. Eine eventuelle Totgeburt werfe man dann ins

Wasser. Eine schwangere Frau soll nicht auf Hunde, Fische, Vögel

oder sonstige Lebewesen schimpfen, sondern muß täglich zu dem

Buddha Pao-3dieh chih-yen kuang-yin tzu-tsai wang" beten. Wenn

brave Söhne oder Töchter schwer erkranken, monate- oder jahrelang

bettlägerig sind und auch die besten Medizinen nicht helfen, muß man

die Dhärani und die geheimen Zeichen vor dem Buddha mit Duftwasser

von Mariengras^'' trinken, dann wird geholfen. Wenn brave Söhne und

Töchter in ihrem Herzen (d. h. psychisch) leiden, verfahrt man ähnlich;

die Dhärani und die geheimen Zeichen werden mit einem Dekokt aus

Osterluzei-WurzeP' und . . . (Zeichen unleserlich) — Gelb getrunken.

Alle Beschwerden werden dadurch geheilt. — Es folgt, was brave Söhne

und Töchter machen sollen, wenn das Leben von Eltern, Geschwistern

oder sonstigen Verwandten sich dem Ende zuneigt: man nehme von der

westlichen Himmelsrichtung eine Handvoll sauberer Erde^*, schreibe

Zu den „geheimen Zeichen" als Medizin vgl. auch weiter unten S. 333.

Zu Ting-lun wang (etwa: U§nisacakra-räja) vgl. unten S. 333 und Anm. 42.

Dieser Buddha, der auch unter dem Kurznamen Pao-yüeh („kostbarer

Mond", skr. Ratnacandra) verehrt wird, ist einer der sieben Medizinbuddhas, vgl. BD 2, 1917/1. Im Lotus-Sütra ist diese Gottheit jedoch ein Bodhisattva, nicht ein Buddha, vgl. Leon Hurvitz: Seripture oJ the Lotvs Blossom of the Fine Dharma (The Lotus Sütra). Transi. from the Chinese of Kumärajiva. New York:

Columbia Univ. Pr. 1976, 2.

" Mariengras: cliin. mao-hsiang („Duftgras"), vgl. DKJ 9, 610/IH und Tzü- hai s. V. Diese Pflanze (Hierochloe borealis) enthält das Alkaloid Cumarin, also den gleichen Duftstoff wie unser Waldmeister.

" Osterluzei: chin. ch'ing-mu („Grün-Holz"), vgl. DKJ 12, 117/IV und Paul Ulrich Unschuld: Pen-ts'ao. 2000 Jahre traditionelle pharmazeutische Literatur Chinas. München: Moos 1973, 228 (mit Abbildung).

^' hsi-fang „westliche Gegend, Himmelsrichtung" ist ein Ausdruck, der auch das „westliche Paradies" des Buddha Amitäbha bezeichnet, ching-t'u heißt sowohl „reine Erde" wie „reines Land". In letzterem Sinne genommen bedeutet

(11)

die DhärapI auf, verbrenne sie und mische die Asche mit der Erde zu

einer Paste, die man dem Sterbenden auf Herz und Kopf streicht. Auch

kann man ihnen ihre Kleider anlegen. Die Dhärani bewirkt durch ihre

Kraft, daß im Nu der Sterbende in der westlichen Welt der höchsten

Freude (Paradies) wiedergeboren wird, und nicht 49 Tage lang im Zwi-

schenzustand^' zu bleiben braucht. Aber auch sonst hilft der Zauber¬

spruch. Ist jemand arm, leidet Hunger und Durst, denkt immer nur an

Kleidung und Nahrung und hat niemanden, der ihm hilft, so muß er mit

ganzem Herzen und duftenden Blüten als Zeichen der Verehrung sich

an Buddha wenden, dann wird er bestimmt ausreichend Mittel zum

Leben, Nahrung und Kleidung, bekommen. Wenn jemand einen guten

Bekannten hat, soll er ihn ermahnen, die drei Kapitel des Dhärapi-sütra

abschreiben zu lassen, damit sie innerhalb des buddhistischen Kanons

weiter überliefert werden können. Dieses Tugendverdienst ist so groß,

als wenn jemand alle zwölf Abteilungen des Kanons'" herstellen, oder

eine goldene Buddhastatue anfertigen läßt. Auch hilft das Dhärani-

sütra gegen schwarze Magie und alle männlichen und weiblichen Dämo¬

nen und bösen Geister; sie fliehen das Haus, wo der Text verehrt wird

und können kein Unheil anrichten.

Zu Kapitel zwei gehören die folgenden Bildaufschriften: 14. „Stelle

wo Kuan-yin' ' als Änanda erscheint", 15. „Böse Gedanken erzeugen

Hinderungen und Schwierigkeiten"", 16. a. „Westliche Weltgegend und östliche Erde"", 16. b. „Ein Mensch, der das Sütra rezitiert, welcher in es auch das Paradies Sukhävati des Buddha Amitäbha. Saubere Erde von einer Stelle im Westen des Hauses zu nehmen symbolisiert also das westliche Para¬

dies, wobei die Erde als magisches Hüfsmittel zur Wiedergeburt im Paradies angesehen wurde.

^' Zwischenzustand (chin. chung-yin) bezeichnet den Wartezustand von 49

Tagen zwischen Tod und Wiedergeburt, vgl. u. a. SH, f f 2 a. fn unserem Text ist 2/m fälschlich mit dem Radikal 140 geschrieben (Mathews Nr. 7446), während

die übliche Schreibung die ohne das betreffende Radikal ist (Mathews Nr.

7444).

Die 12 Abteilungen bzw. Literaturgattungen des buddhistischen Kanons

wie Sütren, Nidänas, Gäthäs, Avadänas etc., vgl. BD 3, 2337/III-2339/I.

^' In der Bildaufschrift ist das Zeichen kuan („Betrachten", Mathews Nr.

3575), wie es für den Namen Kuan-yin korrekt gebraucht wird, ersetzt durch das homophone Zeichen kuan „Beamter" (Mathews Nr. 3552), das graphisch sehr viel einfacher ist. Solche Vulgarismen der Orthographie sind in unserem Text recht häufig.

" „Schwierigkeiten" bedeutet im buddhologisehen Sinne hier Hindemisse auf dem Wege zur Erleuchtung (skr. varana).

Hier ist „westliche Weltgegend" das westliche Paradies (vgl. oben Arun.

28), „östliche Erde" ist ein häufiger buddhistischer Ausdruck für China.

(12)

Zu einem apokryphen Dhäraru-sütra aus China 329

seiner Heimat an Essen und Nahrung denkt", 17. „Bei Bedrückung

durch Geister und Dämonen braucht man nur [das Sütra] zu verehren,

und wenn sie kommen, dann fliehen sie alle'"* davon".

Das dritte Kapitel besteht aus vier pseudohistorischen Geschichten,

in denen die Wirksamkeit der Verehrung des Sütra gezeigt werden soll.

Zwei davon spielen in Indien, die dritte irgendwo und die vierte sicher

in China.

Hier die erste Geschichte. Vor alters war in Kaschmir" eine Epide¬

mie, die das ganze Land erfaßte. Alle, die angesteckt wurden, starben

nach ein oder zwei Tagen. Da verwandelte sich der Bodhisattva Kuan-

shih-yin in einen weißgekleideten Eremiten.'* Voll Mitleid ging er zu

helfen und ließ die drei Kapitel des Dhärani-sütras schreiben. Wenn

man es mit ganzem Herzen verehrte, verlor sich die Krankheit sofort.

Dann ging er in ein anderes Land, damit man dort lerne, das Sütra zu

verehren.

Die zweite Geschichte hat auch einen indischen Rahmen. Im Lande

Po-lo-nai (Väränaöi, Benares) gab es einen Hausherrn, der war uner¬

meßlich reich. Er hatte nur einen Sohn von fünfzehn Jahren, der plötz¬

lich erkrankte. Weder Ärzte noch Medizinen konnten helfen, so daß der

Vater sich sehr grämte und fürchtete. Ein benachbarter Hausherr kam

zu ihm und fragte nach dem Grund seiner Trauer. Dann gab er ihm den

Rat, die drei Kapitel des Fo-ting hsin t'o-lo-ni-Sütra auf reine Seide

schreiben zu lassen und vor dem Buddha Weihrauch zu verbrennen,

dann könne sein Sohn gerettet werden und ein langes Leben erlangen.

Kaum war das geschehen, erschien ein Geisterbote des Höllenkönigs

(Yen-lo wang, d.i. Yama) und teilte mit, daß dem Sohn eigentlich nur

ein Lebensalter von sechzehn Jahren zugemessen sei, so daß er nur

noch ein weiteres Jahr zu leben hätte. Durch die Sütra-Verehrung aber

könne er nunmehr 90 Jahre alt werden. Der Hausherr und seine Gattin

freuten sich maßlos; sie nahmen aus ihrem Schatz Gold und Perlen und

bestellten die Abschrift von tausend Exemplaren des Sütras, die täglich

ohne Unterbrechung verehrt wurden. Hieraus ersieht man die göttliche

Wirkung dieses Sütras.

„alle": Auch lüer liegt eine Vulgärschreibung vor. Die Aufschrift hat hsi

„alt" (Mathews Nr. 2493) für das gleichlautende richtige hsi „alle" (Mathews Nr. 2506), welches graphisch etwas komplizierter ist.

" Für Kaschmir steht im Text der Ausdruck Chi-pin, der in der Han-Zeit gebräuchlich war. Die Silbe t'o hinter Chi-pin ist ein sinnloser Zusatz.

pai-i „weißgekleidet" ist auch eine der Bezeichnungen von Avalokitesvara in der Erscheinungsform auf weißem Lotus, skr. Pändaraväsini, vgl. SH, f 98 b.

(13)

Die dritte Geschichte: Vor alters gab es einmal eine Ehefrau, die das

Sütra besaß und es täglich betete. Nun hatte diese Frau in einer frühe¬

ren Existenz jemanden durch Gift getötet. Dieser Jemand wollte sich

rächen und trachtete der Frau nach dem Leben. Er schlich sich heimlich

in ihren Leib zu dem Embryo und umklammerte Herz und Leber der

Frau. Und als nach furchtbaren Schmerzen das Kind geboren wurde,

nahm die Mutter das Kind und Warfes ins Wasser. Das wiederholte sich

noch einmal. Beim dritten Mal, als sie unter Klagen das Kind wieder ins

Wasser werfen wollte, erschien der Bodhisattva Kuan-shih-yin in

Gestalt eins buddhistischen Mönchs und sagte ihr, sie brauche sich

nicht zu grämen, es wäre ja gar nicht ihr Kind, sondern der Feind aus

einer früheren Existenz, der ihr schon dreimal nach dem Leben getrtich-

tet habe. Da sie, die Frau, aber stets das Sütra verehrt habe, wäre sie

mit dem Leben davon gekommen. Dann verwandelte sich das Kind in

einen Yaksa, der sich im Wasser aufrichtete und sagte, er habe wegen

des Mordes in einer früheren Existenz die Frau töten wollen, es wegen

ihrer Sütraverehrung jedoch nicht fertig gebracht. Von nun an werde er

sich auf Geheiß des Bodhisattva nicht mehr zu rächen suchen. Sprachs

und verschwand im Wasser. Die Frau bedankte sich weinend bei dem

Bodhisattva. Dieser hieß sie nach Hause gehen und geloben, ihre

Gewänder zu verkaufen, damit sie Leute bitten könne, eintausend Mal

das Sütra abschreiben zu lassen. Die Frau wurde 97 Jahre alt und bei

ihrem Tode im Land China'' als Mann wiedergeboren. — Es folgen noch¬

mals Anweisungen, das Sütra zu verehren. Man soll das Sütra in einem

Beutel aus fünffarbiger Seide aufbewahren und mit sich tragen, dann

könne einem keine Gefahr zu Hause oder auf Reisen etwas anhaben,

denn man stünde dann dauernd unter dem persönlichen Schutz von

hundert und tausend Tärä und den Diamant-Schützern des Vairocana'*,

insbesondere aber des Geistergenerals Ätavaka". — An dieser

Geschichte ist stilistisch bemerkenswert, daß sie im Gegensatz zu den

" China: Der Text hat Ch'in-kuo „Land Ch'in", eine der im 4.-5. Jahrhundert n.Chr. im Buddhismus gebräuchlichen Bezeichnungen fiir China als ganzes.

chin-kang mi-chi, vgl. SH, 281a.

^' Der Text hat A-t'o-pa-kou-la, was eine skr. Form Ätavakara nahelegen könnte. Die übliche Form ist Ätavaka. Dieser Geistergeneral herrscht über die Yaksa-Dämonen und gilt als einer der vidyäräja „Wissenskönige" (chin. ming- wang) . Diese tantrische Gottheit wird in China, vor allem aber auch in Japan viel verehrt, vgl. BD 2, 1103/1-111,4, 3210/1-32 12/n (mit Bild); 10, 814/H-815/I.

Dhärani-Texte, mit denen die Gottheit gebannt werden konnte, sind in den

buddhistischen Kanon aufgenoimnen worden, vgl. T Bd. 21, Nr. 1237-1240 und

Nj Nr. 474.

(14)

Zu einem apokryphen Dhäraipj-sütra aus China 331

vorhergehenden Berichten Elemente der Umgangssprache aufweist,

etwa liao/la als Perfektivpartikel, oder che als Demonstrativ.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Berichten spielt die vierte und

letzte Geschichte in China und enthält auch einige eindeutige geogra¬

phische Angaben. Vor alters gab es einen Beamten, der sollte einen

Posten in der Kreisverwaltung von Huai-chou"" antreten. Er hatte aber

kein Reisegeld. Darum ging er in den Tempel P'u-kuang ssu in Ssu-

chou"" und wollte sich dort 200 Geldschnüre für seine Reisekosten lei¬

hen. Der Abt ging auf den Wunsch ein und schickte einen Novizen mit

dem Beamten auf die Reise nach Huai-chou, wo er die geborgte Summe

ausbezahlt bekommen sollte. Also begleitete der Novize den Beamten

auf der Fahrt mit einem Schiff nach Huai-chou. Als das Boot des Nachts

an einer tiefen Stromschnelle ankerte, bekam der Beamte plötzlich böse

Gedanken; er wollte das geliehene Geld nicht zurückzahlen. Er befahl

seinem Gefolge, den Novizen in einen Leinensack zu stecken und ihn ins

Wasser zu werfen. Nun hatte aber der Novize seit seinem siebten Jahr,

Huai-chou war Präfektur (chou) in der T'ang- und Sung-Zeit, während die betreffende Verwaltungseinheit unter den Chin (1115-1234) und Yüan (1271- 1368) anders hieß. Daraus ergibt sich eine wenigstens ungefähre Datierung der

Geschichte. Huai-chou entspricht der heutigen Kreisstadt Ch'in-yang in der

Provinz Honan nordostwärts von Lo-yang.

Ssu-chou (heute als Kreisstadt Ssu-hsien) liegt im Nordosten der Provinz Anhui nahe der Grenze zu Kiangsu. Die Entfernung von Ssu-chou bis Huai-chou beträgt in Luftlinie fast 500 km. — P'u-kuang „umfassendes Licht" ist einer der

chinesischen Namen des Buddha Dipamkara. Ein Tempel namens P'u-kuang-

wang ssu befmdet sich südöstlich der Kreisstadt Ssu; er wurde um 661 durch

den aus Kuäana stammenden Mönch Sangha (chin. Seng-chia, 628-710), einen

der Hauptvertreter des volkstümlichen Buddhismus in China, gegründet und

erfreute sich zunächst kaiserlicher Protektion. Sangha galt manchmal sogar als

Verkörperung des Avalokitesvara. Der Tempel führte seinen Namen, weü ein

goldenes Büdiüs des P'u-chao-wang-Buddha aus früherer Zeit auf dem für den

Bau in Aussicht genommenen Gelände entdeckt worden war. Das Zeichen chao

„leuchten" (Mathews Nr. 238) wurde im Jahre 707 auf Geheiß des Kaisers durch das Zeichen kuang „Licht" (Mathews Nr. 3583) ersetzt, da chao als Be¬

standteU des Namens der Kaiserin Wu tabuiert war. Siehe hierzu BD 4, 3042/1- II und namentlich 8, 22 1/III-222/III, ferner auch Jan YtJN-HUA: A Chronicle of Buddhism in China 581-960 A. D. Transi. from Monk Chih-p'an's Fo-tsu T'ung-

chi. Santiiüketan: Visva-Bharati 1966, 51. Der japarüsche Mönch Ennin

besuchte erstmals den Ort Ssu-chou im Jahre 838 auf einem Ausflug. Als er 845 wiederkam, war der Tempel bereits im Rahmen der antimonastischen Gesetzge¬

bung des Kaisers Wu-tsung aufgehoben worden und völlig verlassen. Vgl. E. 0.

Reischauer: Ennin's Diary (wie Anm. 8), 45, 372. Ergänzend sei bemerkt, daß die 707 erfolgte Umbenennung des Tempels in P'u-kuang-wang ssu uns flir die im Text der Apokryphe erzählte Geschichte einen terminus post quem ergibt.

23 ZDMG 134/2

(15)

als er Mönch geworden war, das Dhärani-sütra immer bei sich getragen

und unaufhörlich verehrt. Jetzt, wo der Beamte ihn hatte töten wollen,

betete er und es geschah ilun nichts. Ihm war, als ob er von mehreren

Menschen durch die Lüfte getragen würde und unversehens fand er sich

in der Kreisstadt Huai-chou und wartete, bis der Beamte eintraf, was

erst ein paar Tage später war. Als der Beamte vom Dienstgebäude

zurückkam, sah er plötzlich den ins Wasser geworfenen Mönch in der

Halle sitzen und erschrak sehr. Er stieg empor und setzte sich mit dem

Mönch zusammen hin und fragte ihn aus. Der Mönch antwortete, er

habe in seinem Gewand die drei Kapitel des Dhärani-sütras bei sich

gehabt, was unermeßliches Tugendverdienst bedeute. Als der Beamte

das hörte, ergriff ihn tiefe Reue, er verneigte sich und gab dem Mönch

das geliehene Geld zurück. Auch nahm er von seinem Privatvermögen

Geld, um in seinem Amtssitz eintausend Exemplare des Sütras

abschreiben zu lassen. Diese legte er auf einen Altar und verehrte sie

täglich mit Weihrauch. Später erging ein kaiserlicher Erlaß, der ihn

zum Landrat {tz'u-shih) von Huai-chou ernannte. Daran erkennt man,

daß dieses Sütra grenzenlose und unermeßliche Tugendverdienste

besitzt. — Auch in dieser Geschichte finden sich gelegentlich umgangs¬

sprachliche Elemente.

Abb. 3

Kap. 3 Mitte (Büdszenen 19-21).

Zu den vier Geschichten gehören Bilder mit den folgenden Aufschrif¬

ten: 18. „Stelle, wo der Bodhisattva sich in einen Eremiten verwandelt

und über die Krankheit belehrt". 19. „Stelle, wo der Hausherr ermahnt

(16)

Zu einem apokiyphen Dhäraru-sütra aus China 333

wird [das Sütra] schreiben zu lassen." 20. „Der Sohn des Hausherrn ist

krank". 21. „Die frühere Existenz der Frau". 22. „Stelle, wo die Frau am

Ende ist". 23. „Durch alles durchdringende göttliche Kraft weist der

Bodhisattva Kuan-yin hin auf frühere Feindschaft; alsdann verwandelt

sich [der Feind] in einen Yaksa, der im Wasser verschwindet". 24. „Die

Frau kehrt nach Hause zurück, verehrt den Bodhisattva und gelobt, die

Sütren herzustellen". 25. „P'u-kuan ch'an-ssu [Tempelname]". 26. „Als

der Beamte im Dienstort eintrifft, sieht er den Mönch im Zimmer sit¬

zen". 27. „Der Beamte gelobt, das Sütra herstellen zu lassen und wird

durch Berufung befordert zum Landrat von seinem Dienstort".

Den Beschluß des ganzen Buches machen zwei Mantras und weitere

magische Hilfsmittel. Der erste Mantra ist bezeichnet als I-tzu ting-lun

wang t'o-lo-ni, also „Dhärani des königlichen mit einem Rad

geschmückten [Buddha] in einer Silbe". In der Tat gibt es ein im Jahre 709 übersetztes Sütra dieses Titels"^. Die eine Silbe, die als magische

„Keimsilbe" die ganze Wesenheit der angerufenen Gottheit verkörpert,

folgt in unserer Apokryphe auf die Anrufung an, skr. Om, und lautet chi¬

nesisch ch'ih-lin. Dieses entspricht einem skr. srhyim'^^. Der zweite

Mantra ist bezeichnet als Tzu-tsai wang chih-wen-tu t'o-lo-ni, also „Dhä¬

rani des Herrscherkönigs, welche Krankheit und Vergiftung heilt". Ein

Sütra mit einem ähnlichen Namen, der daraufhindeutet, daß der Bodhi¬

sattva Avalokitesvara in Gestalt der Jähguli Kinder vor Krankheit und

Gift retten kann, findet sich im chinesischen Kanon'*''. In unserer Apo¬

kryphe folgt auf die Anrufungssilbe an, skr. Om der eigentliche

Mantra, chinesisch umschrieben pu-lin. Dieses pu-lin ist eine der vielen

voneinander abweichenden chinesischen Umschriften der Sanskrit-

" T Bd. 19, Nr. 951, Nj Nr. 532. Der Übersetzer ist Bodhiruci (angeblich 572- 727!). Es gibt auch noch weitere verwandte Werke, in deren Mittelpunk einsil¬

bige Mantras stehen, vgl. z.B. T Nr. 950, 952, 953.

■•^ Diese Keimsilbe kann auch fiir MafljuÄri stehen, vgl. BD 1, 145/11. Sicher handelt es sich bei der sanskritischen Schreibung ci-li-hyarfi auch um eine Variante unseres Wortes. Vgl. R. H. van Gulik: Siddham (wie Arm. 7), 132 und die Abbildung in Siddham-Schrift Tafel LIII B. Auch hier ist die Gottheit Mari- juSri. Für ein weiteres Vorkommen s.a. T Bd. 20, Nr. 1181, 780/11 (gleiche Orthographie wie in der Apokryphe, in einem Mantra für ManjuSri).

T Bd. 21, Nr. 1264, Nj Nr. 961. Der Übersetzer ist Pu-k'ung (Amoghavajra, 705-774). Seine Biographie aus dem Kao-seng chuan ist übersetzt von Chou Yi- LiANG in: HJAS 8 (1945), 284-307. Zu JähguÜ, die vielleicht mit einer der For¬

men der Durga im hinduistischen Pantheon zu verbinden ist, und zur einschlägi¬

gen Legende im Buddhismus siehe BD 3, 2578/II1-2579/II (mit Büdern), 10,

705/11 und 933/1. Tzu-tsai wang (skr. ISvararäja) kann den Siva bezeichnen, ist aber auch ein Epitheton von Avalokitesvara, vgl. SH, 218b und BD 4, 3229/1.

23«

(17)

Silbe bhrüm^^. Diese ist, so unser Text, in einem Atemzug insgesamt 21 mal auszusprechen.'"

Den Beschluß unseres Ming-Textes bilden drei Schriftzeichen, die

unter einer Rubrik „Geheime Buchstaben" (jpi-tzu-yin) erscheinen. Es

handelt sich dabei nicht um eigentliche chinesische Schriftzeichen,

sondem um künstliche Zeichen, wie sie im volkstümlichen Taoismus als

Abb. 4

Schluß von Kap . 3 mit Bildszenen 2 6 und 2 7, magischen Formeln und Kolophon.

Für weitere Transkription dieses einsilbigen Mantra siehe u.a. SH, 5b, 431 a; BD 1, 431/1; 8, 20/1 und 10, 597/11. Die Silbe wird im japanischen Tan¬

trismus bezogen auf den als Verkörperung von Vairocana geltenden Ta-sheng

chin-kang (skr. etwa Mahäjinavajra), einem der Vidyäräjas, vgl. R. H. van

Gulik: Siddham (wie Anm. 7), 132 und Tafel L C. Zu dieser Gottheit vgl. SH,

85b und BD 4, 3265/III-3267/II. Eine andere Siddham-Form von hhrüm fmdet

sich bei VAN Gulik, op. cit., S. 131 und Tafel XLIV C. Sie ist ausdrücklich bezo¬

gen auf den 1-tzu ting-lun wang, welchem in unserer Apokryphe die Silbe ärhyim entspricht, vgl. auch oben Anm. 42. van Gulik sanskritisiert den Göttemamen als Ekäk§ara-buddhosni?a-cakra(-räja), p. 131. Man sieht, es geht mit der Zu¬

schreibung zu bestimmten Gottheiten etwas durcheinander. Eine wieder andere

Zuschreibung finden wir in Albert Grünwedel: Mythologie des Buddhismus in

Tibet und der Mongolei. Leipzig: Brockhaus 1900, 149. Dort ist bhrürn als Keim- sUbe für die Göttin U§iü§avijaya angegeben. Sie kommt auch vor im ManjuAri- mülalcalpa, vgl. T Bd. 20, Nr. 1191, ch. 11, 875/111 (gleiche Orthographie wie in unserer Apokryphe)..

Zum 21maligen Aussprechen vgl. auch den Befehl des T'ang-Kaisers aus

dem Jahre 776, oben S. 320 und Anm. 7.

(18)

Zu einem apolcryphen Dhäraiji-sutra aus China 335

Amulette gang und gäbe sind. Auf diese drei Zeichen folgt dann noch die

Angabe „Kann aus Geburtsnöten helfen". Im zweiten Kapitel der Apo¬

kryphe ist übrigens von solchen Geheimzeichen als magischem Mittel

die Rede (vgl. oben S. 327).

Wenn wir nunmehr versuchen, unseren Text zu charakterisieren, so

sehen wir auf den ersten Blick, daß er aus den verschiedenartigsten Ele¬

menten des „magischen" Buddhismus (Mantrayäna) zusammengestük-

kelt ist. Woher die einzelnen Abschnitte innerhalb der drei Kapitel des

Textes entlehnt sind, läßt sich nicht unmittelbar nachweisen. Sachliche

bzw. inhaltliche Parallelen sind natürlich leicht auszumachen, doch war

es bisher nicht möglich, textliche Vorbilder nachzuweisen. Die Leitfigur

unseres Textes ist der barmherzige Erlöser Avalokitesvara. Ihn mit

einem — dem chinesischen Gläubigen unverständlichen — Sanskrit¬

texte, nämlich eben der zentralen Dhäram unsres Büchleins anzurufen,

sollte also Hilfe verbürgen. Am häufigsten finden wir, daß das betref¬

fende Gebet gegen Krankheiten rezitiert werden sollte, aber genau so

oft geht es um Nöte bei der Geburt. Wir haben hier vor uns, was die Her¬

zen damals in erster Linie bewegt haben mag. Aber auch gegen

schwarze Magie und böse Geister war der Text hilfreich, ebenso in allen

weltlichen Nöten und Gefahren, auf Reisen und zu Hause. Selbst wenn

jemand arm und verlassen war, konnte er, so hoffte man, diu-ch das Her¬

beten zu Essen, Kleidung und Geld kommen. Ein wahres Allheilmittel

also, doch dem Gläubigen mochte vielleicht als noch wichtiger erschei¬

nen, daß in der Stunde des Todes das Sütra bzw. die Dhäranl die sofor¬

tige Wiedergeburt im westlichen Paradies garantierte. Ebenso bedeut¬

sam war aber auch, daß Sünden und zwar sowohl die in einer früheren

Existenz als auch die in diesem Leben begangenen durch die Rezitation

des Textes getilgt werden konnten. Typisch für die hier anzutreffende

Art von Buddhismus ist auch, daß dem Besitz und der Verbreitung des

Textes durch Abschrift oder Druck eine solch große Bedeutung zuge¬

messen wird. Das ist bekanntlich eine im ganzen Mahäyäna mehr oder

weniger verbreitete Vorstellung, auch heute noch. Die Verehrung des

Sütra war ebenso unaufwendig wie das Rezitieren leicht war: Weih¬

rauch und Blumen. Also keine anstrengenden asketischen Übungen

oder Enthaltungen — es handelt sich hier ersichtlich um Volksfrömmig¬

keit auf dem geringsten Nenner. Auffallend ist, daß im ganzen Text nie¬

mals von Klöstem und Mönchen gesprochen wird. Sie brauchte man zu

diesen Dingen gar nicht. Es geht, wie immer auch die einzelnen

Geschichten lauten mögen, um Hausandachten, um häusliche Fröm¬

migkeit bei der Verehmng. Und von Almosen oder Spenden für die

Mönche ist schon gar nicht die Rede.

(19)

Wir müssen Herm Chao und den anderen frommen Gläubigen, die

unseren Text dmeken ließen, noch nachträglich dafür dankbar sein, daß

sie uns einen Einblick in den Laienbuddhismus der Ming-Zeit tun lie¬

ßen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß die Vorstellung,

der Besitz und die Rezitation bestimmter Bücher könne Heil und Erlö¬

sung bringen, in China durchaus nicht auf den Buddhismus beschränkt

war. Wir finden genau das gleiche bei taoistischen Texten, etwa in

bezug auf das mingzeitliche San-Icuan ching^^ und ähnliche heilige

Schriften des späteren Taoismus. Aufder Ebene solcher volkstümlichen

Frömmigkeit verschwinden somit die Grenzen zwischen Buddhismus

und Taoismus weitgehend.''*

Zu diesem wohl mingzeitlichen taoistischen „Sütra" siehe Herbert

Franke: Bemerkungen zum volkstümlichen Taoismvs der Ming-Zeit. In: Oriens

Extremus 24 (1977), 205-210.

Die Vermischung der beiden Religionen auf der Laienebene betont auch

Erik Zürcher in: JAOS 1982, No. 2, 173.

(20)

über Wang Ching-hungs und Hou Hsiens

Teilnahme an Cheng Hos Expeditionen

Von Rode BICH Ptak, Toronto

Gemäß Duyvendak fanden zwischen 1405 und 1433 sieben Fahrten

statt, welche Cheng Ho und seine Begleiter bis nach Ostafrika

brachten' :

1. Fahrt 1405-7

2. Fahrt 1407-9

3. Fahrt 1409-11

4. Fahrt 1413-15

5. Fahrt 1417-19

6. Fahrt 1421-22

7. Fahrt 1431-33

Unter den Gesandten, welche Cheng Ho begleiteten, ragen zwei

Namen hervor: Wang Ching-hung und Hou Hsien^ An welchen der

aufgeführten sieben Untemehmen beide beteiligt waren, ist unklar.

Cheng Hao-sheng etwa meint, daß Wang am ersten, zweiten, vierten

und siebten Untemehmen teilnahm. Er zitiert femer Quellen, die eine

Teilnahme Wangs und Hous am dritten Untemehmen andeuten''. Hsu

YuN-Ts'iAO vertritt die gleiche Auffassung*. Hstj Ytj-HU äußert eine

widersprüchliche Ansicht. Einerseits faßt er Cheng Hos Fahrten in

einer tabellarischen Übersicht zusammen, in der er erklärt, daß Wang

die erste, dritte und siebte Mission begleitete — Hou wird in dieser

Tabelle nicht als Begleiter Cheng Hos aufgeführt^ —, andererseits

' J. J. L. Duyvendak: The Tme Dates of the Chinese Maritime Expeditions in the Early Fifteenth Century. In: TP 34 (1939), 341-412.

^ Modeme Biographien in L. C. Goodrich u. Fang Chaoying (eds.): Dietio¬

nary ofMing Biography, 1368-1644. New York and London 1976, 1, 522-3, II,

1364-66.

' Cheng Hao-sheng: Cheng Ho i-shih hui-pien. Taipei 1970, 83, 88, 96, 112.

■* Hsu Yun-ts'iao: Notes Relating to Admiral Cheng Ho's Expeditions. In:

Journal of the Malaysian Branch of the Royal Asiatic Society 49, 1 (August 1976), 137-8.

* Hsü Yü-hu: Cheng Ho p'ing-chuan. Taipei 1958, 190-2.

Abbildung

Tabelle nicht als Begleiter Cheng Hos aufgeführt^ —, andererseits

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