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Rezension von: Kemmer, Suzanne: REZENSIONEN

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REZENSIONEN

Petra M. Vogel

Rezension von: Kemmer, Suzanne: The middle voice.

Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins Publishing Company 1993.

(= Typological studies in language; 23).

Die vorliegende Arbeit zur Kategorie des Mediums ist eine revidierte Fassung der von der Autorin 1988 an der Stanford University vorgelegten Dissertation.

Im Rahmen der Greenberg-Schule entstanden, ist die Arbeit in einen universal- typologisch und funktional ausgerichteten linguistischen Rahmen eingebettet.

Vor dem Hintergrund übereinzelsprach-typologischer Ergebnisse in Synchronie und Diachronie werden Regularitäten hinsichtlich Form und Inhalt gesucht.

Zentral ist die strukturelle Funktionalität der Formen, die in indexikalischem Zusammenhang mit ihren Inhalten stehen, wodurch es möglich wird, eine typologisch einheitliche semantische Kategorie 'Medium' zu konzipieren. Die Arbeit ist in ihrer Art die erste und bislang einzige, die sich zum einen ausschließlich auf die Kategorie Medium konzentriert und zum anderen gleichzeitig auf Ergebnissen aufbaut, die über wenige, und dazu meist noch indogermanische, Sprachen hinausgehen.

In sechs Kapiteln wird das Medium umfassend untersucht. Auf eine Einleitung (Kapitel 1) folgt als erste Orientierung ein relativ knapp gehaltener, aber systematischer und dadurch sehr hilfreicher Überblick über Medium- Systeme (Kapitel 2). Den Hauptteil der Arbeit bilden die Kapitel, die die Be- züge des Mediums zum Reflexiv (Kapitel 3) sowie anderen semantisch ver- wandten Bereichen (Kapitel 4) thematisieren. Die weiteren Schwerpunkte lie- gen zum einen auf den diachronen Entwicklungen (Kapitel 5) und zum ande- ren auf Hypothesen und Voraussagen (Kapitel 6). Die Abeit schließt mit Appendices in Form einer Checkliste für mediale Semantik sowie einem Quellennachweis für die in die Untersuchung einbezogenen Sprachen. Dem folgen ein Autoren-, Sprachen- und Stichwortverzeichnis. Letzteres erweist sich als besonders hilfreich aufgrund des etwas mageren Inhaltsverzeichnisses; hier wäre eine Aufstellung zumindest der Unterkapitel auf erster Ebene sehr hilfreich.

In der Einleitung wird der Themenbereich und die Vorgehensweise der Arbeit kurz skizziert. Untersucht wird die Kategorie des Mediums vor dem Hinter- grund von semantischer Transitivität bzw. Intransitivität und dabei vor allem in

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 15.2 (1996), 266-272

© Vandenhoeck & Ruprecht, 1998 ISSN 0721-9067

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The middle voice 267

Abgrenzung zu verwandten Bereichen wie Reflexiv, Reziprok und Passiv. Als Grundlage der Untersuchung dient ein Konzept der Ereignisstruktur, in dem die Menge und Charakterisierung der Parizipanten sowie ihre Bezüge zueinander die zentrale Rolle einnehmen. Zugrunde liegt dem der Faktor einer 'relative elaboration of events', dessen niedrigster Grad durch Intransitivität und dessen höchster Grad durch Transitivität zum Ausdruck kommt. Das Medium nimmt dabei eine buchstäbliche Mittelstellung ein, wobei mit Initiator und Endpunkt der Handlung zwar zwei Entitäten vorliegen, die jedoch identisch sind. Das ist offensichtlich ausschlaggebend für eine stärkere Bewertung in Richtung 'low degree of elaboration of events', eher in Richtung Intransitiv. Deshalb sind in .vielen Sprachen mediale Verben oft auch intransitive Verben. Kemmer postuliert jaber, daß es einen ganz spezifischen semantischen Bereich Medium gibt, was 'viele Sprachen auch durch ganz eigene Formen ausdrücken. Hauptsächlich ist

;dies der Fall in den Sprachen Europas, Australiens, Afrikas und Amerikas, jkaum dagegen in Ostasien und Austronesien.

1 Wie solche „Middle voice systems" auf formaler und semantischer Ebene aussehen, ist Gegenstand von Kapitel 2. Grundlegend sind drei Arten von Medium-Systemen, wobei für die Untergliederung die formale Übereinstim- mung mit dem Reflexiv ausschlaggebend ist. Besonders interessant für den Untersuchungsgegenstand des Mediums seien dabei Sprachen mit zwei unter- schiedlichen Markern für Medium und Reflexiv, da mit deren Hilfe überein- zelsprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Bereichen stärker herausgearbeitet werden können. Dadurch kristallisieren sich als mediale Bereiche solche heraus, die sich im Lexikon durch 'subject-affectedness' lauszeichnen. Dazu gehören vor allem:

"grooming/body care' (wash), 'change in body posture' (turn), 'self-benefactive middle' (acquire), 'naturally reciprocal events' (meet), 'emotion middle' (be angry),

'cognition middle' (think) sowie 'spontaneous events' (grow).

Solche Zwei-Form-Systeme mit verschiedenen Markern für Medium und Reflexiv zeigen zwei unterschiedliche Ausformungen. Zum einen können die beiden Marker eine ähnliche Form aufweisen, wobei der Medium-Marker phonologisch 'leichter' ist als der Reflexiv-Marker. Dabei sind die beiden Marker, auch noch synchron ersichtlich, historisch miteinander verknüpft, indem die 'längere' Form das jüngere und geneuerte System vertritt. Hierher gehört etwa Russisch, wo sich die 'lange' Form sebja und die 'kurze' Form -sja gegenüberstehen (S. 27):

(3)

268 Petra M. Vogel Viktor nenavidit sehja 'Victor hates himself vs.

On utonril-sja 'He grew weary' ('spontaneous event'),

(Zu einem ähnlichen Beispiel auf S. 63 ist anzumerken, daß es zu dem Mediummarker -sja eine durch vorausgehenden Vokal bedingte Variante -sj gibt. Die Verbform dort für "ich wasche* muß also moju-sj, nicht maju-sja lauten.)

Im Gegensatz dazu weist etwa Latein zwei Markierungen se und -r auf, die auch historisch distinkt sind (S. 18, 153):

se verlere 'turn around' vs.

amplecto-r 'embrance' ('naturally reciprocal event').

Ein-Form-Systeme dagegen besitzen nur eine einzige Form für Medium und Reflexiv, hier ist etwa Deutsch mit dem Pronomen sich zu nennen (S. 24):

Er sieht sich 'He sees himself vs.

Er fürchtet sich 'He is afraid' ('emotion middle').

Der genaueren Untersuchung des Verhältnisses von Medium und Reflexiv ist Kapitel 3 „Reflexive and middle situation types" gewidmet. Dies ist auch deshalb besonders interessant, weil die Reflexiv-Marker historisch gesehen oft die Quelle von späteren Medium-Markern darstellen. Im Rahmen des von ihr postulierten Konzepts von Ereignisstrukturen hinsichtlich Menge und Charak- terisierung der Partizipanten sowie ihrer Bezüge zueinander sieht Kemmer den Unterschied zwischen Medium und Reflexiv im Faktor der 'relative distinguis- hability of participants in an event' (S. 73).

l

Tow-participant Event Reflexive Middle One-participant Event '

+ ^—^_ „ =— e>

Degree of distinguishability of participants Abb. 1: Ereignis- und Partizipantenstruktur

Trotz der konzeptuellen Nähe von Reflexiv und Medium ist ersteres mehr dem transitiven, letzteres mehr dem intransitiven Pol zugewandt. Das Reflexiv setzt eine Konzipierung im Rahmen von zwei Partizipanten mit zwei thematischen Rollen voraus, wobei hier als besonderer Fall eine identische Besetzung der beiden Rollen durch ein und denselben Partizipanten vorliegt. Im Gegensatz dazu ist das Medium so konzipiert, daß Anfangs- ('agent', 'experiencer', 'mental source') und Endpunkt ('patiens', 'recipient', 'beneficiary') als holistische, nicht weiter aufspaltbare Einheit betrachtet werden. Das Faktum, daß in der außersprachlichen Wirklichkeit nur ein Partizipant beteiligtist, wird hier nicht

(4)

The middle voice 269 als Sonderfall von Transitivität betrachtet, sondern ist im Rahmen der jeweiligen Verbalhandlung zu erwarten (S. 71).

O

\

Reflexiv Medium Abb. 2: Reflexiv, Medium und Partizipantenstruktur

"Self-affectedness" ist ein wesentlicher Aspekt beider Konstruktionen, in einem Fall handelt es sich jedoch um eine pragmatisch bedingte Ausnahme, im anderen Fall um einen intrinsischen Teil der lexikalischen Bedeutung. Diese Differenzie- rung zeigt sich auch oft in ein und demselben Verb, das dann entweder mit dem Reflexivpronomen oder dem Mediummarker erscheint. Als Beispiel sei hier das Ungarische mit seinen zwei historisch distinkten Elementen mag* vs. -&0z-zitiert (S. 63):

Sajät mag-ä-t borotväl-t-a 'It was himself that he shaved' vs. Borotväl-koz-ott 0 shaved'.

Als für das Medium geradezu prädestiniert erweist sich der lexikalische Bereich

\ der 'body actions'. Die Nähe zum intransitiven - im Gegensatz zum transitiven -

"Pol zeigt sich auch in Sprachen ohne separate mediale Markierung, da dieser f : semantische Bereich eher unmarkiert intransitiv als reflexiv konzipiert ist, vgl.

b ·'

Deutsch: ich setzte mich vs.

' Englisch: I sät down *myself.

In dem Fall wäre es m. E. interessant zu fragen, wo die Grenze zwischen medialen und 'echten' Intransitiva liegt, wenn das Medium nicht spezifisch markiert ist. Oder: inwieweit ist es sinnvoll, eine inhärente semantische

; Medialität anzusetzen, wenn die Sprache selbst anders konzipiert ist?

\ In Kapitel 4 „Related semantic domains" werden Reziprok, mentale

; Ereignisse, spontane Ereignisse und passiv-ähnliche Ereignisse in ihrem Verhält-

; nis zum Medium erörtert. Parallel zu Reflexiv und Medium unterscheidet Kemmer zwischen eigentlicher und natürlicher Reziprozität. Das eigentliche

\ Reziprok ähnelt formal und konzeptuell dem Reflexiv. Zum einen bedient es sich oft des Reflexivmarkers zur Markierung. Zum anderen fungiert (jeder) der Verursacher gleichzeitig als Endpunkt, wenn auch nicht als sein eigener wie beim Reflexiv: Mary, Jane, and John congratulated each other (S. 97). Demgegenüber steht das natürliche Reziprok, das dem Medium ähnelt und durch Mediummar-

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270 Petra M. Vogel

ker oder Intransitive ausgedrückt wird: Russisch vstretii'-sja 'meet'. Englisch kiss (S. 104),

Mentale Ereignisse, die z.B. Emotion (Altnordisch liaka-sk *hate\ S, 131), Kognition (Ungarisch gondol-kod-'l}\\n\i\ S. 135) und Perception (Latein odöro- r 'smell', S. 137) umfassen, zeigen ebenfalls starke formale Bezüge zum Medium.

Kemmer erklärt diese Parallele damit, daß die Empfindung vom Initiator ausgeht und ihn gleichzeitig mental affiziert, er somit auch Endpunkt ist.

Leider nur sehr kurz wird von Kenimer das Passiv gestreift, da es nicht innerhalb der prototypischen Mediumsemantik angesiedelt ist. Die formale Anknüpfung ans Medium ergibt sich erst in der Entwicklung von Medium- zu Patiens-Markern und zwar dadurch, daß die affizierte Einheit einem Patiens entspricht, so daß, ebenso wie beim Passiv, eine starke Partizipanten-Reduzie- rung vorliegt.

Kapitel 5 „Diachronie developments" beschäftigt sich mit der diachronen Entwicklung medialer Systeme, und zwar im Romanischen, Germanischen und Nilo-Saharischen. Zwei Entwicklungstendenzen sind typisch, die jeweils vom Reflexivmarker ausgehen.

Die Ausbreitung des Reflexivmarkers in den medialen Bereich kann zur Entstehung von Ein-Form-Systemen führen. Im Lateinischen etwa erhält der mediale Bereich eine neue Markierung in Form des Reflexivpronomens se (Ein-Form-System), während die ursprüngliche Mediumform auf -r zum Passivmarker wird. Die Entwicklung geht dabei vom zentral medialen Bereich der 'body actions' aus und umfaßt im Französischen in der weiteren Entwick- lung schließlich auch Verben der Emotion und Kognition.

Die Aufspaltung des Reflexivmarkers führt zur Entwicklung von Zwei-Form- Systemen wie im Isländischen, wo die reduzierte Form des altisländischen Reflexivpronomens sik, nämlich -st aus -sk, als Mediummarker dient. Die Weiterentwicklung zum neuerlichen Ein-Form-System dokumentiert etwa Norwegisch. Durch Fossilierung des Medialmarkers -st und dessen Reinterpre*·

tation als Passiv, entsteht dann wieder, wie im Romanischen, ein Ein-Form- System durch Ausbreitung des Reflexivmarkers in den Medialbereich hinein.

Außerhalb der Reflexivquelle gibt es nur wenige Entwicklungsalternativen für Medialmarker. Am interessantesten ist dabei die Annahme, daß ein Medialmar- ker etymologisch auch auf einen Passivmarker zurückgehen kann, der wiederum in einer impersonalen Konstruktion, evtl. in Form eines Pronomens für die 3.

Person Plural, wurzelt. Dies wird in Hinblick auf den historischen Medial- und späteren Passivmarker -r im Lateinischen postuliert. So gesehen kann ein Mediummarker nicht nur zu einem Passivelement uminterpretiert werden, sondern auch als Uminterpretation aus einem Passivmarker entstehen.

In Kapitel 6 werden abschließend Hypothesen und Voraussagen ausgeführt.

Im Mittelpunkt steht dabei das Konzept der Ereignisstruktur mit dem Faktor der 'relative elaboration of events' und die Möglichkeit, auf einem Kontinuum zwischen mehr oder weniger elaborierten Strukturen als' Konzipierungen zu

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The middle voice 271

wählen. Die Kontinuumpole werden durch die Bereiche Lexikon und Gramma- tik repräsentiert, stellvertretend für eine holistische und eine analytische Perspektivierung. Dem entsprechen Intransivität auf der einen und Transitivitat auf der anderen Seite. Der Grad an 'event elaboration' ist auf der transitiven bzw. analytischen Seite am höchsten. In dieser Hinsicht besitzt das Medium einen niedrigeren, das Reflexiv einen höheren Grad an 'event elaboration'. Das Medium tendiert dabei zum intransitiven Pol. Das ist auch seine Verbindung zum Passiv. Das Reflexiv setzt eine Konzipierung im Rahmen von zwei Partizipanten mit zwei thematischen Rollen voraus, wobei hier als besonderer Fall eine identische Besetzung der beiden Rollen durch ein und denselben Partizipanten vorliegt. Im Gegensatz dazu ist das Medium so konzipiert, daß Anfangs- ('agent', 'experiencer', 'mental source') und Endpunkt ('patiens', frecipient', 'beneficiary') als holistische, nicht weiter aufspaltbare Einheit langesetzt werden. Das Faktum, daß nur ein Partizipant beteiligt ist, wird hier bicht als Sonderfall betrachtet, sondern ist im Rühmen der jeweiligen Verbal-

landlung zu erwarten.

Weiter wird im Rahmen einer funktionalen Betrachtung davon ausgegangen, daß gleiche Formen gleiche Bedeutungen repräsentieren, und daß deshalb die Subsumierung einer Funktion unter eine vorhandene Form darauf hinweist, daß hier ähnliche Bedeutungen vorliegen. Die Hauptquelle für Mediummarker sind dabei Reflexivmarker, was einer Verschiebung in Richtung zum analyti- schen bzw. transitiven Pol entspricht. Das umgekehrte, daß ein Mediummarker diachron gesehen Reflexivfunktionen subsumiert, ist nicht belegt. Das Medium st markierter als das Reflexiv bzw. das Medium impliziert das Reflexiv, da gilt:

Wenn es in einer Zwei-Form-Sprache einen medialen Marker gibt, dann auch binen Reflexivmarker. Das Medium ist stärker grammatikalisiert und markiert, das Reflexiv ist primär und unmarkiert.

' Als weitere Punkte, die in diesem Rahmen weiter untersucht werden müssen, nennt Kemmer die Opposition von Kausativ und Inchoativ, die aspektuellen Korrelationen sowie die Bereiche Aktivität und Stativität.

Der besondere Verdienst der Arbeit liegt, wie bereits angedeutet, in der Verknüpfung der Kategorie Medium mit einer universal-typologischen Perspek- tive. So gesehen geht Kemmers Arbeit über ähnlich gelagerte andere hinaus. Die einen rücken zwar den universal-typologischen Gesichtspunkt in den Fokus, weisen dem Medium aber nur einen relativ kleinen Raum im Rahmen von Re- flexivbetrachtungen zu, etwa Faltz 1985, Lichtenberk 1985, Geniusiene 1987 oder Klaiman 1991. Andere beschränken sich auf das Medium, legen den Schwerpunkt aber auf indogermanische Sprachen, etwa Barber 1975 oder Klaiman 1988.

Allerdings fuhrt gerade auch das Fehlen vertiefter Betrachtungen einzel- sprachlicher Strukturen bei Kemmer zu einer teilweise übergeneralisierend erscheinenden Mediumklassifizierung. Im Vordergrund steht bei ihr die maxi- male semantische Füllung einer universalen Kategorie Medium, vor allem im Hinblick auf die Erweiterung des Reflexivs um mediale Bereiche, und weniger

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272 Petra M. Vogel

die spezifischen Strukturen von Mediumsystemen. Wie bereits weiter oben erwähnt, ist es fraglich, ob in einer Sprache überhaupt von einem Medium gesprochen werden sollte, wenn dafür keine eigenen Markierungen existieren.

Auch fehlt eine Darstellung des Bezugs von semantischer und struktureller Transitivität, die bei Kemmer quasi gleichgesetzt werden. Klaiman (1991:105) hat aber etwa gezeigt, daß mediale Marker in manchen Fällen gerade nicht mit intransitiven Verben verknüpft sind, nämlich dann, wenn ein alternierendes Aktiv-Medium-System vorliegt. Auch wäre es sicher interessant, das Konzept der den Partizipanten anhaftenden 'Kontrolle', wie es bei Klaiman 1991 hinsichtlich von Genus verbi-Phänomenen einschließlich des Mediums ent- wickelt wird, mit Kemmers Konzept der Ereignisstruktur in Beziehung zu setzen. So postuliert Klaiman (1991:137ff.), daß 'Selbst-Affiziertheit', die auch bei Kemmer zentral ist, in das basale, weil allen Genus verbi-Systemen zugrundeliegende, Konzept von Kontrolle überführt werden kann. Gerade im Medium spielt 'Kontrolle' und deren Grammatikalisierung eine große Rolle.

Insgesamt gesehen handelt es sich um eine Arbeit, die spannend zu lesen ist, und neue und erstaunliche Einblicke in die mediale Semantik und damit verknüpfte komplexe Bereiche wie Reflexiv und Passiv sowie Transitivität undv

Intransitivität vermittelt. Ausgehend von Kemmers sehr weitgefaßter semanti-f scher Bestimmung des Mediums könnten nun einzelsprachliche Arbeiten darauf aufbauen und zum einen die Spezifika einer Sprache in diesem Rahmenjl herausarbeiten sowie vertieft damit zusammenhängende Gebiete wie Aspekt]

u. ä. bearbeiten. Ein Beispiel für eine solche, in dem Fall auf das Deutsche konzentrierte, Arbeit ist etwa Fagan 1992.

Literaturnachweis

Barber, E.J.W. (1975): Voice: Beyond the passive. In: Cathy Cogen/Henry Thomp- son/Graham Thurgood/Kenneth Whistler/James Wright (Hgg.). Proceedings of the first annual meeting of the Berkeley Linguistics Society. Berkeley: Berkeley Linguistics Society. S. 16-24.

Fagan, Sarah M. B. (1992): The syntax and semantics of middle constructions. Cambridge: · Cambridge University Press.

Faltz, Leonard (1985): Reflexivation, A study in universal syntax. New York: Garland , ; Publishing. ! Geniusiene, Emma (1987): The typology of reflexives. Berlin: Mouton de Gruyter. i Klaiman, Miriam H. (1988): Affectedness and control. A typological study of voice systems. \ j

In: Masayoshi Shibatani (Hg.): Passive and voice. Amsterdam: John Benjamins, i S. 25-84. j Klaiman, Miriam H. (1991): Grammatical voice. Cambridge: Cambridge University Press. [ | Lichtenberk, Frantisek (1985): Multiple uses of reciprocal constructions. In: Australian | i

journal of linguistics (5), S. 19-41. j j

. i

Eingereicht am: 13.2.1996. _ j I Angenommen am: 10.3.1997.

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i

Lutz Gunkel

Rezension von: Steube, Anita/Zybatow, Gerhild (Hg.):

Zur Satzwertigkeit von Infinitiven und Small Clauses

Linguistische Arbeiten 315: Max Niemeyer Verlag.

Der vorliegende Sammelband geht aus einer Tagung hervor, die im Januar 1991 in Leipzig anläßlich des 70. Geburtstages von Rudolf Rüzicka veranstaltet wurde, dem auch der Band gewidmet ist. Wie die Herausgeber anmerken, wurden alle Manuskripte bereits 1991 eingereicht.

Der Band enthält 11 Aufsätze zu Infinitivkonstruktionen und Small Clauses sowie einen Beitrag zu fragmentarischen Ausdrücken (Schwabe), der thematisch

*twas aus dem Rahmen fällt. Zwei der Beiträge (Junghanns, Zybatow) befassen sich mit dem Russischen, einer mit dem Englischen (Wilder), die übrigen sind zum Deutschen oder behandeln allgemeine theoretische Fragen (Ruzicka). Die .ufsätze von Haider und Abraham sind inzwischen in überarbeiteter und rweiterter Form als Kapitel 9 von Haider (1993) bzw. als Kapitel 8 von braham (1995) erschienen. Alle Beiträge bewegen sich im Rahmen der

^Prinzipien- und Parameter-Theorie.

?* Das Vorwort der Herausgeber bietet eine nützliche Übersicht über die leinzelnen Beiträge, die von unterschiedlicher Länge (zwischen 6 und 45 Seiten) und leider auch von unterschiedlicher Qualität sind. Tippfehler, fehlende oder 4nkonsistente Literaturangaben, fehlerhafte graphische Darstellungen fallen ebenso unangenehm auf wie sprachliche Mängel, die von stilistischen Merkwür- digkeiten bis zu klaren Grammatikverstößen reichen.

Den Auftakt bildet ein Beitrag von Rudolf Rüzicka („Gegen die Aufgabe von PRO": 13-18). Rüzicka plädiert anhand von Beispielen aus dem Deutschen, Russischen und Englischen für die Annahme von PRO als Subjekt von Kontrollinfinitiven. Diskutiert wird die Rolle von PRO u. a. im Zusammenhang mit Phänomenen wie Reflexivierung, Kontrollwechsel und der Bindung durch pro im Russischen.

Peter Suchsland („Äußere und innere Aspekte von Infinitiveinbettungen im Deutschen4': 19-29) diskutiert verschiedene syntaktische Eigenschaften von Infinitivkonstruktionen, die einerseits zur Unterscheidung zwischen Kontroll- und Anhebungskonstruktionen und andererseits zur Subklassifizierung der Kontrollkonstruktionen herangezogen werden können.

Zeilschrift für Sprachwissenschaft 15.2 (1996), 273-282

© Vandenhoeck & Ruprecht, 1998 ISSN 0721-9067

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274 Lutz Gmkel

Der erste Komplex von Eigenschaften betrifft die Perfektbildung des Matrix- verbs. Anhebungsverben haben im Gegensatz zu Kontrollverben keine Perfekt- formen. Verben wie drohen und versprechen, die sowohl als Anhebungs- als auch als Kontrollverben auftreten, lassen sich nach diesem Kriterium unterscheiden.

Epistemische Modalverben können im Unterschied zu nicht-epistemischen ebenfalls keine Perfektformen bilden, was Suchsland als Evidenz für die Analyse epistemischer Modalverben als Anhebungsverben und nicht-epistemischer Modalverben als Kontrollverben wertet.

Daß Anhebungsverben kein Perfekt bilden können, versucht Suchsland damit zu erklären, daß das Anhebungsverb als Partizip 2 die Fähigkeit verlieren würde, „[...] in die Subjektposition seiner Infinitiveinbettung hineinzuregieren und dem Subjekt einen Kasus zuzuweisen, ganz entsprechend wie beim Passiv."

(24). Suchsland übersieht jedoch, daß Anhebungsverben nicht nur kein Perfekt, sondern überhaupt keine periphrastischen Formen bilden können, also z. B.

auch kein Futur 1.

Problematisch ist auch die von Suchsland vertretene Analyse nicht-epistemi- scher Modalverben als Kontrollverben. Kontroilverben weisen im Gegensatz zu Anhebungsverben ihrem Subjekt eine Theta-Rolle zu. Suchsland versucht dies;

für nicht-epistemische Modalverben u. a. anhand der Ungrammatikalität von Sätzen wie *Hans glaubt [er ft die Prüfung bestehen] zu müssen] nachzuweisen, jl Da die NP er nicht nur von bestehen, sondern auch von müssen eine Theta-Rolle \ zugewiesen bekomme, sei das Theta-Kriterium verletzt (26). Die Ungrammati- kalität erklärt sich hier allerdings aus einer Verletzung des Kasusfilters und hat nichts mit der Frage zu tun, ob müssen in diesem Fall eine Theta-Rolle vergibt.

Leider geht Suchsland nicht auf die in Öhlschläger (1989:105 ff.) angeführten Argumente gegen eine Beschreibung nicht-epistemischer Modalverben als Kontrollverben ein, obwohl diese Arbeit mehrmals erwähnt wird. Auch nicht-epistemische Modalverben können subjektlos (weil gearbeitet werden j muß) oder mit expletivem Subjekt (weil es regnen muß) auftreten, und bei j Passivierung des eingebetteten Verbs bleibt die (propositionale) Bedeutung der ' Gesamtkonstruktion in der Regel gleich (weil Karl den Teppich klopfen soll vs. f

weil der Teppich von Karl geklopft werden soll). Diese Eigenschaften sind mit j einer Kontrollverbanalyse der betreffenden Modalverben nicht zu vereinbaren.l \

Suchsland kommt abschließend noch auf die Frage zu sprechen, bei welchen Kontrollverben das eingebettete Verb im Perfekt bzw. im Passiv vorliegen kann.

Er zeigt, daß sich mit diesem Parameter verschiedene semantische Subklassen von Kontrollverben unterscheiden lassen.

l Anders verhalten sich in dieser Hinsicht möchten und wollen, die Öhlschläger (l 989:

121 ff.) als Kontrollverben beschreibt. Die damit erfolgende Einteilung der Modalverben in Anhebungs- und Kon troll verben hat aber offenbar nichts mildem Unterschied epis- temisch vs. nicht-epistemisch zu tun.

(10)

II

>r

Zur Saizwertigkeit von Infinitiven und Small Clauses 275 Günther Grewendorf („Kohärente Infinitive und Inkorporation": 31-50) schlägt eine Analyse von AcI-Konstruktionen vor, die durch die folgenden drei Annahmen gekennzeichnet ist: l. Acl-Verben betten keine IPs, sondern CPs ein.

2. In AcI-Konstruktionen erfolgt Verbalkomplexbildung durch Inkorporation.

3. Das AcI-Subjekt wird nach SpecAgrOP des Matrixsatzes bewegt.

Grewendorf geht im Anschluß an Pollock (1989), Chomsky (1989) und Ouhalla (1991) von der Split-INFL-Hypothese aus und setzt für das Deutsche die folgende Satzstruktur an: [CP... [AgrSP... [Tp - · · [A^OP - · · \VP · · ·]]]]]· Anders als in früheren Analysen (vgl. z.B. Grewendorf 1988, 1989) erhält das AcI-Subjekt nicht mehr in situ via exceptional case marking seinen Kasus, sondern wird nach SpecAgrOP des Matrixsatzes bewegt, wo es strukturellen Kasus erhält. Gleichzeitig wird das eingebettete Verb obligatorisch in das Nlatrixverb inkorporiert.

l Evidenz für eine Bewegung des AcI-Subjekts in den Matrixsatz sieht Grewendorf in Konstruktionen, in denen ein das Matrixverb modifizierendes

\dverb nach dem AcI-Subjekt im Mittelfeld erscheint, vgl. Hans läßt den 'rofessor ungern das Auto reparieren. Solche Konstruktionen, auf die schon in Ostal (1974) hingewiesen wurde, stellen offenbar ein Problem für bisherige CM-Analysen von AcI-Konstruktionen dar (vgl. Postal/Pullum 1988), wes- lalb sie wohl auch in den einschlägigen Arbeiten wie z. B. Grewendorf (1988, 989) ignoriert worden sind. Grewendorf analysiert den fraglichen Satz so, daß ias Adverb an die Matrix-VP adjungiert ist, während das AcI-Subjekt nach IpecAgrOP des Matrixsatzes bewegt wurde und damit vor dem Adverb

«serialisiert wird. Allerdings kann auch ein Objekt des eingebetteten Verbs vor

^ einem das Matrixverb modifizierenden Adverb stehen, vgl. Hans läßt den - ^Professor das Auto nur ungern reparieren. Wie solchen Daten Rechnung zu , tragen ist, bleibt daher nach wie vor unklar.

> Ein weiteres bislang offenes Problem bei der Analyse von AcI-Konstruktio- nen betrifft das Verbot von 'langem Scrambling': Während das AcI-Subjekt im Mittelfeld vor das Matrixsubjekt bewegt werden kann (vgl. weil den Schüler der Lehrer das Gedicht vortragen ließ), kann ein AcI-Objekt weder vor dem Matrixsubjekt (vgl. *weil der Schülerin der Lehrer die Studenten helfen ließ) noch vor dem AcI-Subjekt (vgl. *weil der Lehrer der Schülerin die Studenten helfen ließ) stehen.2 Leider beschränkt sich Grewendorf hierbei auf die Bemerkung, daß für die fraglichen Restriktionen „eine problemlose Erklärung angeboten werden [kann], der zufolge die Spur in der Subjektposition des Acls den

2 Grewendorf sieht hier allerdings einen Akzeptabilitätsunterschied zwischen dem langen Scrambling des direkten und dem des indirekten AcI-Objekts, der mir nicht nachvollziehbar ist: Während die Stellung eines indirekten AcI-Objekts vor das Matrix- subjekt ungrammatisch sei, führe die Voranstellung eines direkten AcI-Objekts nur zu einem „geringfügigefn] Akzeptabilitätsverlust" (32).

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276 Lutz Gimkel

Opazitätsinduzierenden Faktor darstellt/* (45). Hier wäre eine ausführliche Analyse sicherlich wünschenswert gewesen.

Im Zentrum von Werner Abrahams Beitrag („Infinitivergänzungen": 51-74) steht die Frage, welche Basisstrukturen für die verschiedenen Infinitivkonstruk- tionen anzusetzen sind und welche Bewegungsbeschränkungen jeweils unwirk- sam sind. Den Schwerpunkt der Diskussion bilden die zw-Infinitive, speziell die Kontrollinfinitive.

Abraham folgt hier Vorschlägen von den Besten/Rutten (1989) und Koster (1987,1989) für das Niederländische und analysiert Kontrollinfinitive als IPs, die links vom Matrixverb (bei Verbletztstellung) basisgeneriert sind. Die gesamte IP kann extraponiert werden. Ferner können einzelne Elemente aus extraponierten Infinitiven wiederum in den Matrixsatz bewegt werden, wodurch sich die für 'kohärente' Strukturen typischen Erscheinungen wie Verbanhebung und Scrambling erklären. Allerdings sind die von Abraham angegebenen Bedingungen, denen solche Bewegungen unterliegen, nicht restriktiv genug. So kann Abraham zufolge in einem Satz wie daß er versucht hat, Peter das Buch zu geben „Linksversetzung ins Mittelfeld [...] jedes der Objekte oder Adjunkte in , VP erfassen [...], solange dies aus einer grammatischen (= unmarkierten) Akzentposition stammt/' (65) Ob die Akkusativ-NP alleine ins Mittelfeld bewegt werden kann, ist jedoch zumindest fraglich, vgl. ?? daß er das Buch versucht hat, Peter zu geben. Völlig ausgeschlossen ist 'Linksversetzung ins j Mittelfeld', wenn das Matrixverb ein Akkusativkomplement besitzt, vgl. *weil]

er mich das Buch bat, Peter zu geben.

Am Ende setzt sich Abraham noch mit dem Ansatz von Haider (1986b) auseinander. In diesem Zusammenhang werden Daten wie weil ihr Max pünktlich das Paket versprach abzugeben (70) für grammatisch, solche wie Der Wagen wurde zu reparieren versprochen (71) hingegen für ungrammatisch erklärt. Hier hat man allerdings den Eindruck, daß die Fakten verdreht werden, ; um sie der eigenen Theorie anzupassen.

Hubert Haider plädiert in seinem Beitrag „Fakultativ kohärente Infinitiv- konstruktionen im Deutschen" (75-106) wie bereits in seinen früheren Arbeiten zum Thema (vgl. Haider 1986a, 1986b, 1991) für eine nicht-derivationelle ; Analyse kohärenter Infinitivkonstruktionen. Haiders zentrale Idee besteht : darin, den für kohärente Konstruktionen typischen Verbalkomplex als 'komple- xe Projektionsbasis' zu analysieren. Eine Projektionsbasis einer Projektion oder ; Phrase ist einfach diejenige X°-Kategorie, die den Kopf der Phrase bildet. Eine . komplexe Projektionsbasis ist entsprechend eine X°-Kategorie, die strukturell ; komplex ist.

Die Beschreibung von Verbalkomplexen als komplexe Projektionsbasen soll ; zum einen dem Umstand Rechnung tragen, daß sich Verbalkomplexe in \ kohärenten Kontrollstrukturen syntaktisch wie einfache Verben verhalten.

(12)

Zur Satzwertigkeit von Infinitiven und Small Clauses 277

Damit erklären sich die monosententialen Eigenschaften solcher Konstruktio- nen. Entscheidend ist hierbei, daß die in einer komplexen Projektionsbasis zusammengefaßten Verben eine gemeinsame Argumentstruktur aufweisen.

Diese wird aus den Argumentstrukturen der beteiligten Verben gewonnen durch ein Verfahren, das dem der Funktionskomposition in kategorialgrammatischen Ansätzen entspricht.

Zum anderen soll mit dem Begriff der komplexen Projektionsbasis erfaßt werden, daß Verbalkomplexe zwar basisgeneriert, aber dennoch syntaktisch komplex sind. Die Alternative, den Verbalkomplex als Ergebnis eines lexikali- schen Prozesses zu betrachten, wird mit der Begründung verworfen, daß Objekte transitiver Verben bei Nominalisierung als Genitiv-NPs realisiert werden können (vgl. das Lesen der Inschrift, 89), dies aber nicht bei Verbalkomplexen möglich sei (vgl. *das [Lesevermögen] der Inschrift, 89). Folglich könne der Betreffende Verbalkomplex kein transitives Verb sein (vgl. daß die Inschrift niemand [zu lesen vermochte], 89).

Dieses Argument muß Haider selbst nicht besonders überzeugt haben, denn n Haider (1993) ist an der entsprechenden Stelle nur noch davon die Rede, daß Nominalisierüngen und andere Wortbildungsoperationen bei Verbalkomplexen iberhaupt nicht möglich seien, was gegen ihren Status als lexikalische Elemente spreche (Haider 1993: 266). Tatsächlich läßt sich Lesevermögen kaum als Nominalisierung des Verbalkomplexes zu lesen vermochte auffassen, wie Haider Dben angenommen hat. Allerdings ist auch die Nominalisierbarkeit eines

\usdrucks mit verbalem Kopf weder notwendigt noch hinreichend für die rage, ob der betreffende Ausdruck ein lexikalisches Element ist. So können z.B. phrasale Ausdrücke wie EisN essenv problemlos nominalisiert werden, f lexikalische Ausdrücke wie zw-Infinitive hingegen nicht.

* Uwe Junghanns („Satz und doch nicht Satz: über die (doppelte) Einbettung finaler Infinitive im Russischen": 107-139) plädiert dafür, finale Infinitivad- junkte im Russischen als CP einbettende PPs mit leerem Kopf zu analysieren:

fpp [pe [CP · · -]]]- Der CP-Kopf kann entweder leer oder durch die Konjunktion ctoby gefüllt sein; im ersten Fall ist das Subjekt des Infinitivs PRO, im zweiten Fall kann es stattdessen durch eine dativische NP realisiert werden. Diese Analyse trägt sowohl den typischen CP-Eigenschaften (Auftreten satzmodifizie- render Adverbiale, Bindungsdomäne, Subjekt-Position), als auch den typischen PP-Eigenschaften (Distribution, Koordinierbarkeit mit PP) finaler Infinitive im Russischen Rechnung. Ferner kann der Barrierenstatus der CP durch L- Markierung des leeren PP-Kopfes aufgehoben werden; in diesem Fall ist Extraktion aus der CP möglich. Junghanns zeigt abschließend, welche Rolle der leere CP- bzw. PP-Kopf bei der semantischen Komposition spielt.

Gerhild Zybatow („Infinitive, kleine und große Pros und (in)kohärente Konstruktionen im Russischen": 141-154) befaßt sich ebenfalls mit Infinitiv-

(13)

278 Lutz Gimkct

sätzen im Russischen. Es wird gezeigt, daß Infinitivsätze, die von (wertenden) prädikativen Adjektiven eingebettet werden, als Subjekte fungieren: Entweder steht der Infinitivsatz selbst in SpecIP, oder er wird von einem in dieser Position stehenden kleinen pro gebunden. Das Subjekt der eingebetteten Infinitivsätze ist PRO; die Gesamtkonstruktion bezeichnet Zybatow als inkohärent (149).

Kohärente Infinitivkonstruktionen im Russischen finden sich dagegen bei sog.

Modalprädikativen (l 50 f.). Zybatow zeigt, daß diese Konstruktionen Eigen- schaften aufweisen, die für monosententiale Strukturen typisch sind. Im Anschluß an die von Bierwisch (1990) vorgeschlagene Analyse kohärenter Infinitivkonstruktionen im Deutschen wird dafür plädiert, daß im Russischen Modalprädikative mit den eingebetteten Infinitiwerben einen Verbalkomplex bilden, wobei die Verbalkomplexbildung als quasi-morphologischer Prozeß via Funktionskomposition beschrieben wird (152; vgl. auch den Beitrag von Haider).

Brigitta Haftka befaßt sich in ihrem Beitrag „Wann man angeblich das finite Verb soll voranstellen müssen" (155-171) mit Verbinversionsstrukturen, wie sie sich in den folgenden Beispielen manifestieren:

(1) a. weil er wird arbeiten müssen

b. weil er das Geld wird haben verschenken wollen

(2) a. wann man angeblich soll das finite Verb voranstellen müssen b. daß sicher keiner gern wird haben Geld verschenken wollen Ähnlich wie Haider (s.o.) betrachtet Hafka Verbalkomplexe als komplexe V°-Strukturen. Da eine Bewegung des finiten Kopfes nach links durch den Head-Movement-Constraint (vgl. Baker 1988: 53) ausgeschlossen sei, komme für eine Derivation von Sätzen wie (1) nur eine Adjunktion der infiniten Verben rechts an das Finitum in Frage (l 59). (l a) hat demnach die Struktur weil er [vo t2

wird] fyo fvo arbeiten] müssen]]. Strukturen wie (l b) werden in zwei Schritten abgeleitet: Zunächst wird verschenken wollen haben rechts an das Finitum adjungiert, anschließend wird verschenken wollen nochmals rechtsadjungiert.

Da sich Sätze wie (2 a) und (2 b) nicht nach dem gleichen Muster ableiten lassen, setzt Haftka hier D-Strukturen an, in denen die Verben jeweils eine VP einbetten (l64ff.). Rechtsadjungiert werden hier keine V°-Komplexe, sondern VPs;

ansonsten bleibt das Verfahren gleich.

Kritisch anzumerken ist, daß Rechtsadjunktion ein viel zu unrestringierter Prozeß ist; es läßt sich damit eine Reihe von ungrammatischen Strukturen erzeugen (z. B. läßt sich aus weil er wird arbeiten müssen *weil er wird müssen arbeiten ableiten). Da Rechtsadjunktion optional ist, werden marginale Struk- turen, auf denen die Rechtsadjunktion appliziert (?weil er das Geld wird verschenken wollen haben -» weil er das Geld wird haben verschenken wollen) als grammatisch vorausgesagt. Problematisch ist ferner, daß in Fällen wie (2b) an

(14)

Zur Satzwertigkeit von Infinitiven und Small Clauses 279

eine nicht-maximale Projektion, nämlich V\ adjungiert wird. Dies wird gerade in Chomsky (1986: 6), auf den sich Haftka an verschiedenen Stellen ausdrück- lich beruft, ausgeschlossen.

In dem Beitrag von Claudia Maria Schmidt „Verbinversion als kurze Verbbewegung4' (173-217) geht es ebenfalls um Verbinversion. Anders als Haftka geht Schmidt von der Split-INFL-Hypothese aus; daher stehen für die Bewegung des finiten Verbs aus seiner Basisposition neben AgrS noch AgrO und T als Landeplätze zur Verfügung,3 wobei zu beachten ist, daß TP im Gegensatz zu AgrSP und AgrOP linksköpfig ist. Während das Verb in nicht-invertierten Strukturen bis AgrS bewegt wird (lange Verbbewegung), wird es bei Verbinver- sion nur bis T bewegt, bei gleichzeitiger Inkorporierung von AgrS ('Aflixsen- kung') in T (kurze Verbbewegung).

Nach einer kritischen Diskussion alternativer Erklärungssätze werden zu-

;nächst die theoretischen Grundlagen der eigenen Analyse unter Bezug auf (Arbeiten wie Pollock (1989), Chomsky (1989) und Rizzi (1990) umfassend und letailliert dargestellt, wobei dem in Chomsky (1989) entwickelten Ökonomie-

•rinzip ein besonderes Gewicht zugemessen wird. Da sich kurze Verbbewegung 1s ökonomisch aufwendiger erweist als lange Verbbewegung, ist zu zeigen, wodurch kurze Verbbewegung ausgelöst wird.

Hierzu geht Schmidt (i) von d£r Annahme aus, daß verbale Komplemente auf der S-Struktur statusmarkiert sein müssen, Nun können (ii) nicht-finite Verben nur dann 1. Status zuweisen, wenn sie von einem nicht-aspektuellen4 Element 'unterstützt' werden (207).5 Unterstützung liegt nur dann vor, wenn das regierende Verb (iii) entweder nicht-temporal ist oder (iv) ein nicht-temporales 4Flexionsmerkmal inkorporiert (211). (v) Bedingung (iv) ist sowohl bei langer als

\auch bei kurzer Verbbewegung erfüllt, (vi) Nun sind haben und (nicht- passivisches) werden gerade temporale Verben, (vii) Damit ein von haben oder werden regierter Infinitiv 1. Status zuweisen kann, müssen diese Verben in Verbletztsätzen folglich nach T bewegt werden.

Das Problem mit diesem Argument ist, daß (ii)-(iv) reine Ad-hoc-Annahmen sind. Damit wird nicht erklärt, sondern nur umständlich beschrieben, daß Verbinversion dann auftritt, wenn haben oder werden ein Verb im Infinitiv regiert, das wiederum ein Verb im Infinitiv regiert. Ebenso problematisch ist

3 Im Unterschied zu Grewendorf, bei dem TP AgrOP dominiert, dominiert bei Schmidt AgrOP TP. Weder Schmidt noch Grewendorf geben eine Begründung für die relative Reihenfolge von AgrOP und TP.

4 Auf S. 207 und S. 208 ist in diesem Zusammenhang statt von „nicbtaspektuellen"

von „nichttemporalentfc Elementen die Rede; im folgenden (209, 211) nur von „nicht- aspektuellen44 Elementen. Dies ist offenbar eine Inkonsistenz.

5 Genauer gesagt wird Status von den funktionalen Köpfen T (l. Status) und AgrO (3.

Status) zugewiesen (204).

(15)

280 Lutz Gunkcl

Schmidts Erklärung der Opttonalität von Verbinversion bei werden. Da werden nicht nur temporal, sondern auch modal sei, könne es „[...] wahlweise als temporal oder als nicht-temporal angesehen werden" (209). Dies wäre nur dann plausibel, wenn den beiden Stellungsmöglichkeiten von werden ein semantischer Unterschied (modal vs. futurisch) korrelieren würde, wofür es aber keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Chris Wilder („Small Clauses im Englischen und in der GB-Theorie":

219- 241) befaßt sich mit sekundären Prädikationen im Englischen. Wilder zeigt zunächst, daß die als Small-Clause-Strukturen in Frage kommenden Ausdrücke der Form „V-NP-Prädikat" keine einheitliche syntaktische Klasse bilden: In einigen Fällen fungiert der Small-Clause (SC) als Komplement, in anderen Fällen als Adjunkt, wobei hier wiederum zwischen Adjunktion an NP und Adjunktion an VP zu unterscheiden ist (220 f.).6

In SC-Komplementen wird das SC-Subjekt vom Matrixverb regiert, be- kommt aber vom 'Prädikat' des SC eine Theta-Rolle (vgl. / consider her intelligent). Das Subjekt von SC-Adjunkten ist PRO, das vom 'Prädikat' des SCs ebenfalls eine Theta-Rolle erhält, vom Matrixsubjekt aber nicht regiert wird (224). Die Prädikationsbeziehung, die zwischen einem Argument des Matrix- verbs und einem Adjunkt-SC besteht, wird als Kontrollbeziehung zwischen dem Argument und dem PRO-Subjekt des Adjunkt-SCs analysiert (225, 228), vgl. / eat carrots{ fPRO{ raw]. Mit dieser Analyse lassen sich Prädikationsbeziehun- gen in SC-Strukturen erfassen, ohne das Theta-Kriterium in der strikten Form von Chomsky (1981: 36) zu verletzen.

Anita Steube („Syntaktische und semantische Eigenschaften sekundärer Prädikationen'4: 243-264) befaßt sich mit syntaktischen und semantischen Eigenschaften sekundärer Prädikationen im Deutschen. Steube unterscheidet zwischen Small Clauses (SCs) einerseits (vgl. Ich glaubte Peter in Paris) und sekundären Prädikaten (SPs) andererseits (vgl. Er schießt die Katze tot; Er starb jung; Ich nenne ihn einen Stümper 251).

Steubes Feststellungen zur syntaktischen Struktur von SCs sind teilweise widersprüchlich. Zunächst sieht es so aus, als seien SCs IPs (251), dann allerdings wird für eine SC-Struktur im Sinne von Barriers (vgl. Chomsky 1986;

20 ff.) argumentiert (253 f.), also eine Struktur der Form k NP a] mit a e {NP, PP, AP},7 die dann wiederum dahingehend modifiziert wird, daß der SC eine phonetisch leere Kopula enthalten soll (257). Dem SC in Ich glaubte Peter in Paris wird die Struktur [PP[NPPeter] [ [ >[ >[ ™] f#p Paris]] fve]J]

6 Bsp. (12) auf S. 220 ist eine fehlerhafte Darstellung der Struktur von SCs als VP-Adjunkte; dort steht [VP [VP...] [XP [v...] [NP...]]]. Die korrekte Darstellung findet sich auf S. 229 (ebenfalls Bsp. (12)).

7 Diese Analyse geht ihrerseits auf Stowell (1982/83) zurück.* -

(16)

Zur Satzwertigkeit von Infinitiven und Small Clauses 281 zugeschrieben (vgl. 258, Bsp. (58)), die jedoch an zwei Stellen Prinzipien der X'-Theorie verletzt: Als Schwester von V muß in Paris eine PP sein; und eine PP, als die der SC hier auftritt, kann nicht eine NP und eine VP [!] unmittelbar dominieren.8

Im Gegensatz zu SC-Konstruktionen haben SP-Konstruktionen keine ein- heitliche syntaktische Struktur: Das sekundäre Prädikat kann entweder als Verbbestandteil (Er schießt die Katze tot), als Modifikator (Er starb jung) oder als Ergänzung (Ich nenne ihn einen Stümper) fungieren (254 ff.).

Steube schlägt abschließend für alle genannten Konstruktionstypen eine semantische Analyse auf der Grundlage von Bierwisch (1988) vor. Bei SC-Konstruktionen ist vor allem der semantische Beitrag der postulierten leeren Kopula relevant, die zwischen den Bestandteilen des SC eine geeignete Prädikationsrelation herstellt. Bei SP-Konstruktionen wird die Prädikationsbe- ziehung zwischen dem SP und einem Argument des Matrixverbs entweder durch die Semantische Form des Matrixverbs (SP als Wortbestandteil oder als

^Complement) oder des SPs (SP als Modifikator) hergestellt.

In dem Beitrag von Kerstin Schwabe („Das Für und Wider der Satzwertigkeit xagmentarischer Ausdrücke": 265-272) geht es im Gegensatz zu allen anderen [licht um Infinitivkonstruktionen oder Small Clauses, sondern um das Problem ler Kategorisierung fragmentarischer Ausdrücke wie Leider zu spät! (265).

Schwabe erörtert kurz die Frage, ob fragmentarische Ausdrücke jeweils nterschiedlichen subsententialen Kategorien zuzuordnen oder durchgehend als

"P-Strukturen (mit entsprechend vielen leeren Kategorien) zu analysieren sind.

.!.' Trotz der angeführten Kritikpunkte bietet der Sammelband einen interessan- ten Überblick über die jüngste Infinitivforschung (bis einschließlich 1991) im Rahmen der Prinzipien- und Parameter-Theorie. Wer sich mit der Syntax von Infinitivkomplementen und Small Clauses beschäftigt, wird nicht umhin kommen, sich mit den hier vorgeschlagenen und teilweise kontrovers diskutier- ten Analysen auseinanderzusetzen.

8 Unklar ist ferner, weshalb Steube die IP im Deutschen als linksköpfige Phrase beschreibt (vgl. S. 256, Bsp. (54); S. 257, Bsp. (55)).

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282 Lutz dunkel

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Eingereicht am: 4.7.1995 Angenommen am: 9.8.1995.

(18)

Barbara Lenz

Rezension von: Bresson, Daniel /Dalmas, Martine (Hg.):

Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen

Tübingen: Narr 1994. (= EUROGERMANISTIK - Europäische Studien zur deutschen Sprache 5)

L Überblick

Der hier zu besprechende Band entstand auf der Grundlage der Referate eines linguistischen Kolloquiums zum Thema „Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen" in Aix-en-Provence (Frankreich) am 12./13. November 1993.

Thematisch „galt das Interesse der Vortragenden sowohl prinzipiellen Fragen 1 wie z. B. der grammatisch-kategorialen Einordnung der Partizipien zwischen

Verben und Adjektiven, als auch einer genauen Beschreibung der Morphologie, ier Syntax und der Semantik dieser Einheiten, und teilweise sehr speziellen Aspekten" (Vorwort, S. VII).

Die 16 Beiträge des Bandes wurden - der Vielfalt der behandelten Aspekte entsprechend - zu thematisch verwandten Gruppen geordnet: Eugene Faucher, fean-Franfois Marillier und Paul Valentin stellen Terminologie und Kategori- sierung der deutschen Partizipien in den Vordergrund ihrer Ausführungen.

*!lean-Marie Zemb und Gertrud Greciano befassen sich kontrastiv mit deutschen und französischen Partizipialkonstruktionen. Peter Eisenberg, Herve Quintin und Jacques Poitou setzen sich mit morphologischen und syntaktischen, Hiltraud Dupuy-Engelhardt und Daniel Baudot mit semantischen Eigenschaf- ten der deutschen Partizipien auseinander. In den übrigen Beiträgen geht es um verschiedene Einzelaspekte des Konferenzthemas: Bezugnehmend auf die deutsche Gegenwartssprache befaßt sich Heinrich Weber mit den kommunikati- ven Bedingungen für den Gebrauch von Partizipialattributen, Maxi Krause mit ,Jcomm + Partizip II"-Konstruktionen und Erika Oubouzar mit den Tendenzen der partizipialen Wortbildung. Diachrone Aspekte beitragend befaßt sich Anne-Fran9oise Ehrhard mit Partizipien in Schulgrammatiken des 19. Jahrhun- derts, Michael Schecker mit der Genese der Perfekttempora des Deutschen und Irmtraud Behr mit selbständigen Partizipialsätzen in den Tagebüchern Hebbels.

„Da sich aber jeder Beitrag nicht ausschließlich mit einer genau abgegrenzten Problematik befaßt, ist eine gewisse Überschneidung unvermeidlich" (Vorwort, S. VII).

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 15.2 (1996), 283-290

© Vandenhoeck & Ruprecht, 1998 ISSN 0721-9067

(19)

284 Barbara Lenz

2. Die einzelnen Beiträge

Eugene Faucher befaßt sich unier dem Titel Partizip oder Adjektiv! Partizip oder Infinitiv? Benennungs* und Ahgrenzungsfragen mit (Nicht-)Symmetrie, Termino- logie und Kategorisierung der sog. Partizipia l und 2. Da sich der Aufsatz im Rahmen der Generativen Transformations-Grammatik der 70er Jahre bewegt, speziell die Translationen bei Fonquet zugrundelegt und kaum über diesen Rahmen hinausgelangt, bleiben Fragen offen, die bei Einbeziehung jüngerer Literatur plausible Antworten gefunden hätten; so wurde beispielsweise der Sonderstatus der sog. „ergativen" oder „unakkusati vischen" Verben wie begegnen (S. 6/7) oder fliegen (S. 9), der sich gerade auch in den besonderen Verwendungseigenschaften des 2. Partizips zeigt, überhaupt nicht beachtet (vgL dazu etwa Grewendorf 1989). Die tabellarische Zusammenfassung (S. 15) deckt sich frappierend mit dem von Bech (1955/57: 12) in seinen Studien über das deutsche Verbum infinitum vorgestellten Schema verschiedener Status und Stufen; überraschend nur, daß Bech weder erwähnt noch im Literaturverzeich- nis zitiert wird.

Jean-Fran9ois Marillier kommt in seinem Beitrag Was sind Partizipien?

Kritische Stellungnahme am Beispiel des sogenannten Partizips 2 auf dem Weg ;!|

über Fragen nach Kategorisierung, Aspekt und Reaktion von Partizipien zu!

dem Ergebnis, daß „weder P l noch P2 am Verb teilhaben - es handelt sich um!

normale de verbale Adjektive. Die Grammatik des Deutschen kann also den}

Begriff Partizip entbehren'' (S. 31).

Dies deckt sich mit dem Fazit von Paul Valentins Aufsatz Über Nicht-l Partizipien und Partizipien im heutigen Deutsch. Auch Valentin kategorisiert die deutschen Partizipien zusammenfassend als Adjektive, da sie „Adjektiven in allem vergleichbar" sind (S. 43). Sowohl in Marilliers als auch in Valentins Argumentation spielen neben anderen Kriterien die attributive Stellung und die Flektierbarkeit der Partizipien eine wesentliche Rolle für deren Einordnung als Adjektive. Daß eine solche Betrachtungsweise die Dinge jedoch zu sehr vereinfacht, daß nämlich weder attributive Verwendung noch Flektierbarkeit ein sicheres Indiz für die Adjektivität eines Partizips sind, läßt sich bei einem Vergleich der folgenden Phrasen zeigen:

(1) a. diese für mich befriedigende Lösung b. diese mich befriedigende Lösung

Im Falle (a) selegiert der Kontext (für mich) ein adjektivisches Partizip, im Falle (b) hingegen handelt es sich um ein verbales Partizip, denn es hat das Akkusativobjekt (mich) des zugrundeliegenden Verbs befriedigen beibehalten.

Als Testkriterium für Adjektivität/Verbalität kann darüber hinaus das Präfix un- fungieren, das sich im Gegenwartsdeutschen zwar mit-Adjektiven, jedoch

(20)

Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen 285 niemals mit Verben verbindet, weshalb die Phrase (2 a) akzeptabel, die Phrase (2b) jedoch unakzeptabel ist:

(2) a. diese für mich unbefriedigende Lösung b. Miese mich unbefriedigende Lösung

Eine ausführlichere Erörterung der Thematik würde den Umfang dieser Besprechung sprengen (eine detaillierte Analyse findet sich in Lenz 1993), doch schon die hier angeführten Beispiele zeigen, daß stärker differenziert werden muß, daß sich eine einheitliche Kategorisierung deutscher Partizipien als adjektivisch nicht rechtfertigen läßt.

Jean-Marie Zemb erörtert Kontrastives rund um das Mittelwort, ausgehend i von der Beobachtung, daß in deutschen Grammatiken meist nur die „einfä-

£hen" Partizip-Formen wie singend, gesungen aufgeführt sind, in französischen rammatiken hingegen üblicherweise auch die „zusammengesetzten" Formen ie etant donne und devant etre imite. Seine weiteren Ausführungen über die ntrifugale Anlage des Französischen und die zentripetale Anlage der deut- chen Syntax bleiben allerdings in vielen Punkten brüchstückhaft, was dem

\utor wohl auch selbst bewußt ist: In einer Nachbemerkung werden aüsführli- here Betrachtungen im Rahmen zweier weiterer Veröffentlichungen in Aussicht

;estellt.

Um komplexe Verbformen geht es auch im Beitrag von Gertrud Greciano:

L'auxiliaire-auxile / Das Auxiliatauxiliar: Luden Tesniere zu den Partizipien des l-Deutschen. Anhand der Paare gekonnt/können und geworden/worden erläutert

«»sie die von Tesniere vorgenommene Zweiteilung in „Auxiliar" und „Auxiliat"

sowie den „Auxiliatauxiliar"-Status der „Sekundärpartizipien" können und worden; abschließend demonstriert sie auf der Basis von Tesnieres „Theorie der

* Ordnung" Gemeinsamkeiten (in der strukturellen Ordnung) und Unterschiede (in der linearen Ordnung) der deutschen und der entsprechenden französischen Konstruktionen. Die kontrastiven Betrachtungen suggerieren allerdings eine Parallelität der deutschen Formen gekonnt/können und geworden/worden, die trotz der linearen Ähnlichkeit solcher Phrasen wie ich habe verstehen können und ich bin geschlagen worden tatsächlich nicht gegeben ist. Selbst wenn man, wie Tesniere, den sog. „Ersatzinfinitiv" der Modalverben aufgrund seiner Funktion , als „Sekundärprinzip" einordnet, so bleibt er doch der Form nach ein Infinitiv

; neben der Partizipform gekonnt, die - nebenbei bemerkt - in ihrer Verwendung sehr eingeschränkt ist. Die Formen worden und geworden hingegen sind beide Partizipien, die in der deutschen Gegenwartssprache klar gegeneinander abgrenzbare Funktionen haben: worden als Bestandteil einer komplexen Form des Hilfsverbs sein (vgl. 3 a)), geworden als Bestandteil einer komplexen Form der Kopula sein (vgl. 3 b)):

(21)

286 Barbara Lenz (3) a. er ist geschlagen worden l*geworden

b. er ist rot geworden l* worden er ist Bäcker geworden}*worden

Der Beitrag von Peter Eisenberg Die Syntax des Mittelwortes: Läßt sich die Kategorisiening der Partizipien einzelsprachlich rechtfertigen? befaßt sich mit Kategorisierung, Formbildung und Rektion der Partizipien, Unter dem Ge- sichtspunkt der Einordnung von Partizipien in einem Nomen-Verb-Kontinuum behandelt diese erfreulich systematische und umfassende Analyse viele Aspekte des komplexen Themas und kommt zu dem Ergebnis: „Aus syntaktischer Sicht sind die Partizipien im Deutschen Mittelwörter4' (S. 86). Mittelwörter, die einen eigenen Status im Nomen-Verb-Kontinuum besitzen.

Herve Quintin kommt in seinem Aufsatz Zur morphosyntaktischen und semantischen Einordnung von deutschen Partizipien und Partizipialsätzen zu einem anderen Ergebnis: „Der Verzicht auf die Begriffe 'Partizip' bzw.

Tartizipialgruppe' würde einer Grammatik des Deutschen nicht unbedingt schaden" (S. 102/103). Er betrachtet, ähnlich wie Marillier und Valentin, Partizipien als deverbale, d. h. abgeleitete Adjektive. Schon in der Einleitung wird diese Auffassung formuliert und die Untersuchung ist deutlich auf eine Untermauerung derselben ausgerichtet.

Die Morphologische Analyse und Kategorisierung der Partizipien Jacque Poitons kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Ebenfalls zunächst ausgehend!

von der Annahme, Partizipien seien der Kategorie 'Adjektive' zugeordnet (S. 110) untersucht Poitou die deutschen Partizipien hinsichtlich einer Reihe vonl morphologischen Kriterien - wie Flektierbarkeit, Graduierbarkeit, ww-Affigie-1 rung - und gelangt auf diesem Wege zu der Schlußfolgerung, daß aus syntaktischen und morphologischen Gründen eine Unterscheidung zwischen verbalen und adjektivischen Partizipien unumgänglich ist.

Unklar hinsichtlich der Zielsetzung bleibt der Beitrag von Hiltraud Dupüy- Engelhardt Das syntaktische Verhalten des zweiten Partizips. Ein Beitrag zur lexikalischen Semantik. Ausgehend von und wiederholt bezugnehmend auf ihre 1969er Dissertation, geht es u. a. um die Frage, „von welcher Kategorie Verb in welcher Umgebung ein attributives PII möglich ist" (S. 128). Die Fülle der zitierten Literatur und die Vielfalt der angeführten Inhalte machen den Eindruck eines Forschungsüberblicks, ohne daß jedoch eine klare thematische Linie sichtbar wäre.

Daniel Baudot untersucht Die Rolle von Ko~ und Kontext in der Interpretation der Aspektualität der formal ambigen Partizip-H-Gruppe. Gegenstand der Betrachtung sind ambige Partizip-II-Gruppen mit resultativem Aspekt, die sich sowohl mit werden als auch mit sein umschreiben lassen. Baudot tritt damit der in den meisten Grammatiken vertretenen Ansicht entgegen, daß ein werden- Partizip immer nur prozessualen Aspekt beinhaltet; als Beispiel für die resultative Lesart eines wmfe/i-Partizips führt er u.a. das Beispiel (4 a) an

(22)

Partizip und Parfizipialgruppen im Deutschen 287

(S. 134). Bei attributiver Umformung der Partizip-II-Gruppe (vgl. (4b)) ergibt sich - mangels Hilfsverb - eine Ambiguität, d. h. die Partizip-II-Gruppe in (4 b) kann „beliebig mit werden oder mit sein umschrieben werden, ohne daß dabei die Gesamtaspektualität modifiziert wäre" (S. 135):

(4) a. wir fuhren durch eine Gegend, die von Scheinwerfern beleuchtet wurde

'' b. eine flache, von Scheinwerfern beleuchtete Gegend

Baudot postuliert vier Bedingungen, die für die resultative Perspektive einer Partizip-II-Gruppe erfüllt sein müssen, speziell bei Partizipien, die sich sowohl ilnit sein als auch mit werden umschreiben lassen: Äußerüngssystem, Aktionsart der verbalen Basis, Kotext und Kontext, Er zeigt anhand vieler Beispiele, daß vor allem Ko- und Kontext die in der partizipialen Form angelegte Ambiguität aufheben.

j Im Beitrag von Heinrich Weber Erweiterte Partizipialattribute: Nur eine 'chriftsprachliche Konstruktion? werden sprachtypologische, kommunikative md sprachstilistische Bedingungen attributiver Partizipialgruppen detailliert intersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, daß erweiterte Partizipialattribute zwar orwiegend in der Schriftsprache verwendet werden, jedoch auch - etwa bei nediengeübten Sprechern - in der gesprochenen Sprache zu finden sind.

Maxi Krause liefert mit den Bemerkungen zu KOMM- + Partizip II im heutigen deutsch einen sehr materialreichen Beitrag zum Thema Partizipien. Gegenstand er Untersuchung sind Phrasen vom Typ er kommt geschwommen, die eine enge

mantische Verwandtschaft aufweisen mit an- und Amm-Bildungen:

?*·!* j(5) a. er kommt geschwommen b. er schwimmt ans Ufer c. er schwimmt heran

Alle drei „können eine 'Annäherung' ausdrücken" (S. 177), die Untersuchung zeigt jedoch, daß und inwiefern sich „KOMM- + Partizip H"-Bildungen von an- und /ieran-Konstruktionen unterscheiden und als eigenständige Strukturen im Deutschen zu betrachten sind.

: Tendenzen der partizipialen Wortbildung in der deutschen Gegenwartssprache ist das Thema Erika Oubouzars. Anhand vieler Beispiele führt sie an, daß (a) bei Partizipien vorwiegend das Wortbildungsmuster der Komposition produktiv ist, daß (b) die Wortbildung der Partizipien in der Forschung zu unrecht meist im Rahmen der Wortbildung der Adjektive mitbehandelt wird, und daß (c) partizipiale Komposita schon seit dem Althochdeutschen belegt sind. Den Abschluß bildet ein systematischer Überblick über gegenwartssprachliche Tendenzen in der formalen Struktur, der semantischen Gruppierung und der Neigung zur Reihenbildung. „Die angeführten Bildungsmuster sind schon sehr

(23)

288 Barbara Lenz

alt, ihre Produktivität ist aber in der Standardsprache der Gegenwart besonders groß. ... Die komplexen Partizipien kommen der allgemeinen Tendenz nach knapper komprimierter Informationsvermittlung entgegen.4* (S. 192).

Anne-Fran9oise Ehrhardt betrachtet Die Partizipien I und II und ihre Gruppen in den deutschen Schulgrammatiken des 19. Jahrhunderts. Dieser Zeitraum ist von besonderem Interesse, da sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts der in den Schulgrammatiken empfohlene Gebrauch der Partizipien deutlich veränderte.

So wurde noch zu Beginn des 19. Jh. allgemein zwischen vier Partizipien unterschieden, nämlich zusätzlich zu den uns vertrauten Partizipia Präsens und Präteritum noch ein Partizip Futurum (gebildet mit 'zu + Partizip Präsens': das zu lobende Kind) und ein komplexes Partizip (gebildet mit 'Partizip Präteritum + habend': die gelebt habende Welt), die erst seit etwa 1840 nicht mehr in den Grammatiken aufgeführt werden (S. 197/198). Ehrhard bezieht sich mit ihren Untersuchungen vorwiegend auf die im vergangenen Jahrhundert am meisten verbreiteten Schulgrammatiken von Heyse und Becker, die im deutschen Sprachraum ständige Neuauflagen erfuhren. Sie untersucht separat das Partizip in der Nominalgruppe und in der Verbalgruppe („d.h.: im Satz" (S.203)).

Zusammenfassend betrachtet bestand innerhalb der Nominalgruppe die En wicklung der Partizipien hauptsächlich in Lexikalisierungen und dem Rückgang des Komplexes mit habend; der Gebrauch von Partizipien innerhalb derj|

Verbalgruppe wurde in den Schulgrammatiken in der ersten Hälfte desjf Jahrhunderts sehr restriktiv gehandhabt, erst in der zweiten Hälfte tritt eine!

größere Liberalisierung ein; die zunehmende „Vorliebe für Partizipialkonstruk-1 tionen können wir mit der größeren Häufigkeit der Nominalisierungen (vonf Adjektiven und Verben) in Zusammenhang stellen" (S. 208).

Einen historischen Überblick bietet Michael Schecker unter dem Titel Vom prädikativ gebrauchten Partizip II zu den modernen Perfekttempora des Deut- sehen - eine historische Vergewisserung. Er verfolgt anhand einschlägiger Textbelege die Entwicklung der Partizipien vom klassischen Althochdeutsch bis zur Gegenwartssprache über das Auftreten des eine perfektive Bedeutung ausdrückenden Präfixes gi-, erste Belege von Plusquamperfektformen und erste Aspektunterscheidungen.

Den Abschluß bildet der Beitrag von Irmtraud Behr Können selbständige Partizipialsätze ein Subjekt haben? Ausgehend von Eintragungen in den Tagebüchern Hebbels wie beispielsweise Viel an Jesus gedacht, oder Den Kaiserstuhl erstiegen. (S. 231) untersucht Behr derartige Sätze, die sie als

„selbständige Partizipialsätze" bezeichnet, anhand einschlägiger Textbelege bis in die Gegenwartssprache und geht der Frage nach dem Subjekt solcher Sätze nach. In Tagebucheintragungen wie den obigen läßt sich die erste Person Singular als Subjekt erschließen, in Auffordenmgs- oder Befehlsäußerungen wie Aufgepaßt! oder Stillgestanden! (S. 235) die zweite Person Singular/Plural. Die dritte Person Singular/Plural kann sich innerhalb des Partizipialsatzes oder außerhalb dessen aus der Diskurssituation ergeben; typischerweise kommen

(24)

Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen 289

Partizipialsätze in Zeitungsartikeln vor, wie etwa Der Händler verprellt, der Sammler verhätschelt (S. 239). Als Ergebnis ihrer Untersuchung konstatiert Behr, daß Partizipialsätze durchaus „satzfähig" sein und ein Subjekt haben können. Ein Mangel dieser interessanten Untersuchung ist allerdings die fehlende Differenzierung zwischen grammatischem und logischem Subjekt.

3. Gesamtbetrachtung

Das Thema „Deutsche Partizipien" ist ungeheuer vielschichtig und in dieser

•Vielschichtigkeit auch schon Untersuchungsgegenstand vieler Linguist/innen gewesen. Daß der vorliegende Band eine Reihe von Arbeiten zu diesem Thema )bündelt, ist an sich schon ein löbliches Unterfangen, zumal auch die oft jvernachlässigte diachrone Betrachtungsweise hier nicht zu kurz kommt.

l Dem Ort der Konferenz und der Zielsetzung der Reihe „Eurogermanistik"

Entsprechend handelt es sich bei den Autor/innen zu einem großen Teil um Auslandsgermanist/innen. Dies wirkt sich auf die behandelten Themen insofern positiv aus, als Nicht-Muttersprachler/innen oft auch Details der deutschen Sprache beachten, die für Muttersprachler/innen so selbstverständlich sind, daß sie unbeachtet bleiben. Darüber hinaus stellen kontrastive Betrachtungen aus xanzösischer Sicht andere als aus deutscher Sicht naheliegende Aspekte in den Mittelpunkt, was grundsätzlich als Bereicherung der Diskussion zu werten ist,

*i Was jedoch auch dazu führen kann, daß spezifische einschlägige Eigenarten der f ^deutschen Sprache außer acht gelassen werden.

| . Die zentrale Fragestellung vieler Beiträge (Faucher, Marillier, Valentin, i« Eisenberg, Quintin, Poitou) betrifft - unter verschiedenen Ansatzpunkten - die

Kategorisierung der Partizipien, die darüber hinaus auch in Beiträgen, in denen

; sie weniger zentral ist (Greciano, Baudot, Oubouzar, Ehrhard, Schecker), explizit oder implizit eine Rolle spielt. Daß Partizipien im Deutschen nicht, wie einige Autoren (Marillier, Valentin, Quintin) annehmen, einheitlich als adjekti- i visch kategorisiert werden können, zeigen die Ausführungen in anderen Beiträgen des Bandes (Eisenberg, Poitou, Oubouzar), in denen stärker differen- ziert wird, wobei vor allem morphologische und syntaktische Kriterien eine Rolle spielen.

Semantische Kriterien der Partizipkategorisierung werden nur ansatzweise in die Diskussion eingebracht, etwa bei Untersuchungen bzgl. Resultativität vs.

Prozessualität (Baudot) und bei Aspektunterscheidungen in älteren deutschen Sprachstufen (Schecker). Damit ist ein Bereich angesprochen, der in der Literatur zum Thema „deutsche Partizipien" bisher noch unterrepräsentiert ist und Möglichkeiten für künftige Forschungen zu diesem Thema bietet.

Wie bei einem Sammelband nicht anders zu erwarten, enthält auch der vorliegende Beiträge unterschiedlicher Qualität. Einigen Abhandlungen ist noch fit

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290 Barbara Lenz

deutlich der ursprüngliche Vortragscharakter anzumerken, bei einzelnen stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Veröffentlichung. Diese Schwächen werden jedoch in der Gesamtheit der Beiträge ausgeglichen. Insgesamt bietet der Band eine Fülle interessanter Partizip-Aspekte und kann interessierten Germa- nist/innen schon wegen der gebündelten Vielfalt des behandelten Themas empfohlen werden.

Literaturnachweis

Bech, Gunnar (1955/57): Studien über das deutsche Verbum infinitum. 2., unveränderte Auflage 1983. Tübingen: Niemeyer. - f Grewendorf, Günther (1989): Ergativity in German. Dordrecht: Foris.

Lenz, Barbara (1993): Probleme der Kategorisierung deutscher Partizipien. In: Eilschrift ' '

für Sprachwissenschaft 12, l, S. 39-76. P!

·:

r Eingereicht am: 28.12.1995. ; ;.;

Angenommen am: 17.2.1997

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