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Video-Werkzeuge aus der Praxis für die Praxis

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Academic year: 2021

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Jörn LOVISCACH, Bielefeld

Video-Werkzeuge aus der Praxis für die Praxis

Als praktische Hilfsmittel in meiner langjährigen Arbeit mit Videos und Quizzen vor allem in der Mathematiklehre an der Hochschule und in MOOCs habe ich diverse Programme zur schlanken Medienproduktion und -interaktion entwickelt, die ich kostenlos zur Verfügung stelle (unter http://www.j3L7h.de/software.html), darunter Werkzeuge für elektronische Tafeln, für Screencasts im gängigen Erklärvideo-Stil und für Audience- Feedback per zeichnerischer Eingabe. Dieser Beitrag stellt nicht nur die Soft- ware vor, sondern zeigt die Ideen, Konzepte und Erfahrungen auf, welche zu dieser speziellen Auslegung der Funktionalität und der Oberfläche geführt haben.

1. Leitgedanken der Software-Entwicklung

Die Gestaltung herkömmlicher Programme für Desktop-Rechner basiert meist auf anderen Grundsätzen als die Gestaltung der hier beschriebenen Software: Ein umfassender Funktionsumfang und eine selbsterklärende Be- nutzungsoberfläche sind zweitranging, ähnlich der Situation bei Apps für mobile Geräte, die typischerweise ebenfalls auf ausgewählte Aufgaben zu- geschnitten sind und deren Bedienung sich ohne eine Sammlung von Tipps

& Tricks oft nur in Grundzügen erschließt. Im Zentrum stehen vielmehr:

Handhabung durch Dozentin oder Dozent „live“ während einer Prä- senzveranstaltung ohne Hilfskräfte,

minimierte Nacharbeiten, zum Beispiel, indem das nachträgliche Schneiden vermieden wird,

minimierte Ablenkung für das Publikum, zum Beispiel, indem nur we- nige für alle sichtbare Bedienelemente verwendet werden,

deutliches Feedback, ob im Live-Betrieb alle Funktionen ordnungsge- mäß laufen, auch wenn Dozentin oder Dozent geistig mit dem Unter- richt ausgelastet sind und nicht auf die Technik achten können,

Konzentration auf die wesentlichen Funktionen. Wenn eine Funktion unverzichtbar ist, soll sie möglichst automatisch ablaufen, denn manu- elle Einstellungen geraten oft kompliziert oder zeitraubend.

Weil Dozentinnen und Dozenten üblicherweise keine Administratorrechte auf den in Hörsälen und Seminarräumen fest eingebauten Rechnern besitzen, ist die Software „portabel“ ausgelegt: Sie kann ohne Installation benutzt wer- den. Es handelt sich um Programme für Microsoft Windows ab Version 7.

In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.)

Beiträge zum Mathematikunterricht 2018. Münster: WTM-Verlag

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2. Whiteboard: die elektronische Tafel

Die Software Whiteboard ist die Grundlage sowohl für Erklärvideos wie auch für Aufzeichnungen von Präsenzveranstaltungen. Dozentin oder Do- zent schreiben und zeichnen am Tablet statt an der Tafel. Die Teilnehmerin- nen und Teilnehmer der Präsenzveranstaltung sehen das Bild groß an der Wand, per Beamer.

Diese elektronische Tafel ist für die entwickelnde Darstellung insbesondere in Mathematik und Physik viel passender als die üblichen Folienpräsentati- onen. Es fällt außerdem leichter, spontan auf Fragen und Beiträge der Teil- nehmerinnen und Teilnehmer einzugehen.

Herkömmliche Programme für elektronische Tafeln zeigen eine ablenkende grafische Oberfläche. Whiteboard ist dagegen minimalistisch gestaltet und wird weitgehend per Tastatur oder Smartphone gesteuert (siehe Abschnitt 4).

Um die Freihandstriche sauberer zu machen, ohne dass sie gleich unpassend perfekt aussehen, gibt es Funktionen zur graduellen Glättung von Linien und zur graduellen Umwandlung in Kreisbögen. Whiteboard kann auch Bilder einbinden. Um eine Veranstaltung mit Bildern zu garnieren, kann man diese vorab auswählen und dann später per Tastendruck an der aktuellen Stelle platzieren, ohne dass das Publikum einen Dateiauswahldialog sieht.

Für das Computernumeriksystem GNU Octave steht ein Terminalfenster be- reit. Dieses und die Plot-Fenster von GNU Octave liegen verschiebbar auf dem Tafelbild. Man kann neben ihnen weiterhin schreiben und zeichnen.

3. Audio Video Grabber: der Screenrecorder

Die Aufnahme von Bildschirminhalt und Audio auf dem Präsentationsrech- ner ist mit gängigen Betriebssystemen riskant, weil sie keinen ungestörten Datenfluss garantieren, so dass Aussetzer drohen. Das Programm Audio Vi- deo Grabber ist deshalb so konzipiert, dass es robust mit Aussetzern umgeht und möglichst wenig Last auf dem System erzeugt (aus diesem Grund be- nutzt es ein eigenes, verlustloses Dateiformat) sowie auf mehrere Arten eine schnelle Kontrolle erlaubt, ob die Aufzeichnung ohne Probleme läuft.

Eine Lektion aus der Praxis ist, dass das Aufnahmeprogramm das sichtbare Bild mit einem roten „X“ durchstreicht, wenn die Aufnahme nicht läuft oder pausiert. So kann man nicht vergessen, die Aufnahme zu starten oder zu be- enden; außerdem sieht das Publikum, wann es leise werden sollte. Letzteres ist in meiner Variante des Flipped Classroom sehr hilfreich, in der ich Auf- gaben stelle (was ich aufnehme), dann die Studentinnen und Studenten ar- beiten lasse und dabei herumgehe (wobei die Aufnahme pausiert), dann Hin- weise gebe und Zwischenstände erläutere (wieder mit Aufnahme) usw.

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Dass sich die Aufnahme auch pausieren statt nur stoppen lässt, erspart, in der Nachbearbeitung mit einer Sammlung von Filmschnipseln zu hantieren. Um in der Nachbearbeitung nicht das ganze Material sichten zu müssen, sondern nur gezielt problematische Stellen (Fehler, Störungen usw.) anzufassen, las- sen sich während der Aufnahme Markierungen setzen.

4. Central und Remote: die Fernbedienung

Um die Bedienung für das Publikum unsichtbar zu machen, erfolgt sie wahl- weise per Tastatur (was das Auswendiglernen der Tastenbelegung, Aufkle- ber auf den Tasten oder schlicht einen Spickzettel verlangt) oder mittels mei- ner eigens dafür entwickelten Android-App namens Remote auf einem per Bluetooth angebundenen Smartphone oder Tablet. Auf dem Rechner läuft dazu als Gegenstelle das Programm Central; es verteilt die eingehenden Be- fehle an Whiteboard und Audio Video Grabber. Umgekehrt meldet es die Vitalfunktionen des laufenden Aufnahmevorgangs an die App, insbesondere Audiopegel, aktuelle Bildrate und Plattenplatz.

5. Video Editor: das Schnittprogramm

Konventionelle Videoschnittprogramme mit Dutzenden paralleler Spuren, Überblendungen, Effekten und vielen anderen Funktionen sind für den Schnitt von Erklärvideos zu umständlich und zu unübersichtlich. Das Pro- gramm Video Editor verzichtet auf parallele Spuren und sogar auf die übli- che Darstellung von Audio und Video mit oszillogramm-artigen Wellenfor- men und Filmstreifen. Stattdessen zeigt es mit Hilfe von Spracherkennung den Text in Schriftform, hinterlegt mit einem Farbmuster, das erlaubt, die verschiedenen Laute voneinander zu unterscheiden.

Bilder und Textkästen, die dem Video überlagert werden sollen, sowie Schnitte markiert man in dieser Textspur. Auch die bei der Aufnahme ge- setzten Markierungen von Fehlern usw. erscheinen in der Textspur. Sprech- pausen – zum Beispiel, wenn man im Video der Konzentration halber stumm einen längeren Satz geschrieben hat – lassen sich automatisch wegschneiden, um das Video zu straffen.

Zur schnelleren Arbeit lässt sich das Video mit bis zu doppelter Geschwin- digkeit abspielen, wobei die Tonhöhe korrigiert wird. Während des Ziehens an den Anfangs- und Endmarkierungen von Schnitten oder Bild- oder Textüberlagerungen spielt das Programm den Ton der jeweiligen Stelle im Zeitlupentempo ab und springt nach dem Loslassen der Maustaste ein wenig zurück, so dass man sofort den Zusammenhang hören und sehen kann.

Weil ein sauberes Einpegeln der Tonaufnahme unter Live-Bedingungen im Hörsaal schwierig ist, kann das Programm den Pegelverlauf automatisch

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nachkorrigieren. Diese Funktion hat eine weitere Funktion nötig gemacht:

Weil die Pegelkorrektur das Rauschen der Klimaanlage und andere Dauer- geräusche irritierend an- und abschwellen lässt, musste ich eine adaptive Störgeräuschunterdrückung implementieren.

6. Wall: das grafische Audience-Response-System

Das bisher letzte der Programme ist ein alternatives Audience-Response- System. Traditionelle Systeme dieser Art verlangen vorgefertigte Fragen zum Beispiel innerhalb von Folienpräsentationen. Dies steht im Kontrast zur spontanen Arbeit mit dem Programm Whiteboard. Deshalb habe ich das webbasierte System „Wall“ (vorläufiger Name) entwickelt, das ein improvi- siertes Publikumsfeedback für Veranstaltungen in Mathematik und verwand- ten Fächern unterstützt.

Der Grundgedanke von Wall ist, dass die Dozentin oder der Dozent eine gra- fisch zu lösende Frage auf die elektronische Tafel (zum Beispiel das Pro- gramm Whiteboard) schreibt oder zeichnet – zum Beispiel ein Koordinaten- system, in das ein Graph eingezeichnet werden soll, oder eine geometrische Situation, in der Strecken oder Winkel markiert werden sollen. Man könnte aber auch mehrere Aussagen hinschreiben und bitten, dass diese jeweils mit

 oder  markiert werden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer greifen dann per QR-Code auf ihren mobilen Geräten auf eine Webseite zu, über die sie ihre Antworten alle zur selben Zeit quasi auf die Beamer-Leinwand des Hörsaals zeichnen. Dozentin oder Dozent können dabei in einer Miniatur-Übersicht einstellen, welche dieser grafischen Antworten auf dem Beamer sichtbar sein sollen: keine, alle, alle neuen, einzelne oder mehrere ausgewählte.

7. Fazit und Ausblick

Kommerzielle Anbieter sind zwangsläufig darin gefangen, ihre Software grafisch aufwändig zu gestalten und regelmäßig neue Funktionen einzu- bauen. Ersteres ist für Studentinnen und Studenten ablenkend; Letzteres überfordert Dozentinnen und Dozenten, nicht nur in der Live-Situation.

Allerdings erreichen auch mich immer wieder Wünsche nach neuen Funkti- onen. Eine Funktion, für die es bereits einen Prototyp gibt, ist die Live-Auf- zeichnung von Quizzen innerhalb von Videos: Eine im Hörsaal improvisierte Multiple-Choice-Frage wird dann in der Aufzeichnung zu einem HTML- Formular mit JavaScript-Auswertung. Allerdings lassen sich so angerei- cherte Videos nicht mehr auf den üblichen Video-Plattformen benutzen, son- dern verlangen eine besondere Infrastruktur, zum Beispiel der Art, wie ich sie derzeit unter http://www.j3L7h2.de/videos/p.html betreibe.

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