U M B A U B E E N D E T
Vor genau zwei Jahren, zum Jahreswechsel 1970/71, p r ä s e n t i e r t e n w i r ein B i l d des im Umbau befindlichen Haspelturmes: der Turmhelm abra- siert, ein Umlaufgerüst rund um den T u r m , mächtige Baumaschinen im Schloßgraben. Inzwischen ist der Umbau beendet; mit dem Unwetter vom 15. August hat der neue Turmhelm bereits eine recht massive B e w ä h r u n g s - probe bestanden, und von außen läßt h ö c h s t e n s die frische F ä r b u n g der Dachplatten den Schluß auf eine V e r ä n d e r u n g zu. Trotzdem ist der wieder- hergestellte Haspelturm alles andere als ein B e i s p i e l denkmalpflegeri- scher Starrheit. Die Architekten des U n i v e r s i t ä t s b a u a m t e s und die betei- ligten Handwerker bewiesen vielmehr, daß ein vorgegebener a l t e r t ü m l i - cher Rahmen moderne und elegante Lösungen keineswegs verhindern m u ß , und sie zeigten andererseits, daß zwischen modern und wohnlich kein un- ü b e r b r ü c k b a r e r Gegensatz besteht.
Wohnlich - das scheint ein anachronistischer Gegenbegriff zu-den E r f o r - dernissen der heutigen M a s s e n u n i v e r s i t ä t zu sein. Aber der Schein t r ü g t . Die immer s t ä r k e r werdende technische Organisiertheit verlangt ein Ge- gengewicht. Auf das perfekte G r o ß r a u m b ü r o in unseren Industriebetrieben stellen sich die Menschen um - weil sie keine andere Wahl haben. Manche G r o ß a r b e i t s r ä u m e und Großraumbibliotheken enttäuschten ihre wohlmei- nenden Planer dagegen durch gähnende Leere. Es ist kein Zufall, daß sich gerade auch die modernsten Lehrformen wieder auf die kleine Gruppe, auf den engen Rahmen besinnen. F ü r dieses Bedürfnis der Gruppenarbeit bie- tet das etwas verwinkelte Terrain unseres Instituts gewiß bessere Mög- lichkeiten als mancher Neubau. Zwei g r ö ß e r e Räume im Haspelturm sind neu ausgebaut, neu arrangiert. Im U n t e r g e s c h o ß , in dem früher die A u s - stellungen aufgebaut wurden, ist jetzt die I n s t i t u t s b ü c h e r e i konzentriert.
Der Raum, der das ganze Turmrund umfaßt, ist so eingerichtet, daß viele geschickte A r b e i t s p l ä t z e vorhanden sind; er w i r d aber auch als Seminar- raum für g r ö ß e r e Übungen verwendet. A l s geeigneter Tagungsort wurde der Raum eingeweiht bei der Zusammenkunft alemannischer Dialektfor- scher vom 30. Oktober bis zum 1. November letzten Jahres.
Das Dachgeschoß des Turms ist jetzt überwölbt von einer stabilen Leicht- metallkonstruktion; darunter wurde oktogonal eine s c h r ä g e , in der T u r m - spitze zusammenlaufende Holzdecke eingezogen. Dieses Dachgeschoß ist nunmehr für Ausstellungen g e r ü s t e t ; sechs große Vitrinen stehen zur V e r - fügung. Die Vorarbeiten zur ersten Ausstellung sind im Gange.
Umbau beendet: Im ü b e r t r a g e n e n Sinne sollte diese F o r m e l nicht verstan- den werden. Die Diskussion um einen sinnvollen Studienplan, um die Schwer- punkte in Forschung und Lehre, um Möglichkeiten und Grenzen des P r a x i s - bezugs sind keineswegs abgeschlossen. Es kann aber kein Zweifel bestehen, daß auch ä u ß e r e , r ä u m l i c h e Voraussetzungen zur Ausgestaltung eines F a -
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ches beizutragen, ja daß sie eine gewisse Basis zur Lösung von Identi- t ä t s p r o b l e m e n zu bieten v e r m ö g e n . Das herzliche Dankeschön, das bei der offiziellen Übergabe des Haspelturms am 7. November 1972 gesagt wurde, sei hier noch einmal wiederholt.
Tübingen Hermann Bausinger
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